Damage Control von Votani (Ace/Nojiko) ================================================================================ VIII. Konsequenzen. Die Mitwisser. Lebenslang. ---------------------------------------------- Nojiko kehrte an diesem Abend nicht nach Hause zurück. Auf Namis Angebot hin übernachtete sie bei ihr im Krankenhaus. Eigentlich war es nicht erlaubt, doch die Krankenschwester war eine von Nojikos Stammkunden und drückte ausnahmsweise ein Auge zu. Kein Wunder, immerhin waren die Orangen, die sie auf dem Markt verkaufte, die Besten in der ganzen Gegend. Obwohl Nojiko es nicht sagte, wusste Nami wohl, dass sie nur darauf wartete, dass Genzo mit ein Paar Handschellen zurückkehrte. Zumindest, nachdem sie Nami eingeweiht hatte. Jedes Geräusch ließ sie aufschrecken und Richtung Tür sehen, doch auch am nächsten Morgen waren weder Sheriff noch Deputies aufgetaucht. Sie wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Auch als sie am späten Vormittag nach Hause kam, war da noch immer diese Angst in ihr, die sie schon nachts kein Auge zu tun gelassen hatte. Und als sie Genzo im Wohnzimmer mit einem Buch in der Hand sitzen sah, war ihr, als würde sie einen Herzstillstand erleiden. Leider war dem nicht so... Es war totenstill im Haus, das einzige Geräusch, das dumpfe Zuklappen von Genzos Buch. Er legte es wortlos beiseite und richtete dann den grimmigen Blick auf Nojiko, die noch immer wie angewurzelt in der Eingangshalle des kleinen Hauses stand. „Ich hab’ auf dich gewartet“, sagte er, deutete dann mit dem Kopf auf das braune Sofa, das dem Sessel, auf dem er saß, und dem Mahagonitisch gegenüber stand. Die Angesprochene setzte sich, mied jedoch jeden weiteren Blick in Genzos Richtung. Irgendwann hätte es zu diesem Gespräch kommen müssen, das war wohl unvermeintlich gewesen. „Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll...“, gestand Genzo nach einer ganzen Weile seufzend. Er lehnte sich nach vorne, stützte die Arme auf die Knie ab und schaute auf den Holzoden zu seinen Füßen. Nojiko wollte etwas sagen, doch Genzo hob die Hand, brachte sie somit zum Schweigen. „Ich stell’ dir jetzt ein paar Fragen, Nojiko“, erklärte er langsam, wog jedes Wort aufs Genauste ab, „und du beantwortest sie mit einem Ja oder einem Nein. Nichts weiter, verstanden?“ „Ja.“ „Hast du mit Bellamys Verschwinden zu tun?“, fragte Genzo und Nojiko nickte, ehe sie bejahte. Die Rollos an den Fenstern, die zur Veranda herauszeigten, waren halb heruntergelassen, sperrten teilweise die Sonne aus und tauchten das Zimmer ins Halbdunkle. Die Standuhr gongte leise zur vollen Stunde und Vogelgezwitscher schalte durch ein offenes Fenster aus dem Garten hinein. Und im Wohnzimmer herrschte abermals Schweigen. Genzo sah sie nicht an, aber sie konnte auch so die Zahnräder hinter seiner Stirn arbeiten sehen. „Ist er... tot?“, fragte er dann. Daraufhin senkte Nojiko den Blick auf ihre Hände, wo die Knöchel weiß hervorstanden, so stark wie sie sie zu Fäusten ballte. Was sollte sie sagen? Sollte sie lügen? „Ja“, murmelte sie leise und presste die Augen zusammen. Sie konnte vermutlich jeden anlügen, aber doch nicht Genzo, nicht ihre Familie! Sogar mit geschlossenen Augen, konnte sie seinen Blick kurzzeitig auf sich liegen spüren. „Weiß Nami davon?“ „Ich hab’s ihr gestern erzählt“, erwiderte Nojiko, erinnerte sich dann, was Genzo gesagt hatte. „Ja“, korrigierte sie rasch. „Wer weiß noch davon?“ „Ace“, gestand Nojiko mit brennenden Augen. „Eventuell auch Zoro.“ Wissen tat er nichts, aber er hatte sie abgeholt. Auch wenn Ace’ Kumpel manchmal nicht der hellste war, konnte sie nicht sagen, ob er nicht doch eins und eins zusammenzählen könnte, wenn er von Bellamys Verschwinden erfuhr. „Okay.“ Damit erhob sich Genzo mit knackenden Knien und schlenderte aus dem Wohnzimmer zur Küche. „Genzo?“ Verwirrt sprang Nojiko auf, folgte ihm. „W-Was...?“ Als er abrupt innehielt, wäre sie beinahe in ihn hineingerannt. Er drehte sich zu ihr herum und sah sie ernst an. „Du wirst niemanden davon erzählen, Nojiko. Nicht einmal mir“, sagte er und anhand seines Gesichtsausdrucks wurde ihr klar, dass er es genauso meinte, wie er es sagte. „Das hier, das ist nie passiert. Ich hab’ geholfen, euch aufzuziehen, ich hab’ euch aufwachsen sehen und weiß, dass Nami und du zwei verdammt schlaue und gerissene Mädchen seid. Was auch immer du angestellt hast mit ihm, du hast es... beseitig.“ Dann zog er Nojiko in seine Arme, sein Mund dicht an ihrem Ohr. „Heute morgen hat Marietta eine Vermisstenanzeige in der Polizeistation beantragt. Ich hab’ schon mit Nami am Telefon gesprochen. Sie weiß, dass Bellamy verschwinden wollte, nachdem er sie geschlagen hat, weil er sich über die Konsequenzen im Klaren ist. Um den Rest werde ich mich kümmern.“ „Nami?“, entwich es Nojiko verwirrt. Sie drückte Genzo leicht von sich, um ihn anzuschauen. „Das hat sie nicht gesagt.“ „Ich hab’ sie drum gebeten. Ich wollte das mit dir klären.“ „Aber warum...?“ „Ihr seid meine Töchter“, sagte er. „Bellamy ist ein Mistkerl, der Frauen schlägt. Es ist die richtige Entscheidung.“ Nojiko wusste nicht, was sie sagen sollte, weshalb sie Genzo diesmal von sich aus umarmte. Nachdem Genzo gegangen war, wanderte Nojiko beinahe verloren durch das Haus. Sie konnte das alles immer noch nicht glauben. Sie wusste auch gar nicht, was sie dazu sagen oder darüber denken sollte. Vor zwei Tagen war ihr Leben noch vollkommen in Ordnung gewesen und nun hatte ihre Familie eine Leiche im Keller begraben, die sie nie mehr loswerden würde. Wie konnte sie Genzo und Nami so etwas zumuten? Sie hatten doch überhaupt nichts mit der Sache zu tun. Es war ihr Tun gewesen. Ihres ganz alleine! Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Sie fischte das Mobiltelefon aus der Tasche, starrte auf das Display und beantwortete ungeduldig den Anruf. „Na, schon gefrühstückt?“ „Kommt drauf an, was du mit dieser Frage bezwecken willst, Ace“, erwiderte sie und schmunzelte unwillkürlich. „Guck’ aus dem Fenster“, erwiderte er heiter. Verwundert trat sie ans Küchenfenster und spähte hinaus auf die Straße. Der rote Dodge Viper auf der anderen Straßenseite fiel ihr dabei sofort ins Auge. Genauso wie in den guten, alten Zeiten - nur die Brottüte, die Ace aus dem offenen Seitenfenster hielt, war neu. „Ich bin gleich da.“ Damit beendete sie das Gespräch und schnappte sich grinsend ihre Schlüssel. Das Frühstück bestand aus Brötchen, eine Packung Schmelzkäse und einem Karton Orangensaft auf der Motorhaube des Dodge Viper. Die Sonne stand hoch über ihnen am wolkenlosen Himmel und das Gras um sie herum tanzte unter der unsichtbaren Hand des Windes. Die einsame Wiese inmitten des Waldstücks war ihr persönliches, kleines Versteck. Man gelangte über einen beinahe zugewachsenen Feldweg zu ihr, doch kaum jemand verirrte sich hierhin. Nur Ace und Nojiko, schon seit ihrer ersten Verabredung. „Genzo will lügen. Für mich.“ Ihre Stimme war fest, obgleich sie noch immer verwirrt war. Nachdenklich nahm sie die letzte Brothälfte vom Papier zwischen ihnen und beschmierte sie mit dem Messer, das Ace mitgebracht hatte. „Er liebt dich“, erwiderte Ace schulternzuckend, nahm im nächsten Augenblick einen kräftigen Schluck aus dem Orangensaftkarton. „Das ist nicht so ungewöhnlich, wie du vielleicht glaubst.“ „Was?“ Nojikos Augenbraue zuckte amüsiert in die Höhe, als sie zu ihrem Freund herübersah. „Dass man mich liebt oder dass er es vertuschen will?“ „Beides“, gestand Ace mit einem faulen Grinsen am Mundwinkel. „Aber ich weiß nicht,... ob ich mit der Schuld leben kann.“ Und das war letztendlich doch das Ausschlagebene, oder? Schließlich musste sie die Schuld ein Leben lang auf ihren Schultern tragen. Wie sollte sie das machen? „Wirst du wohl...“, entwich es Ace. Er stellte den Karton auf das Autodach, genauso wie er das Brotpapier dort ablegte, dann rutschte er vorsichtig näher an Nojiko heran. „Weil du willst nicht, dass dein Vater, Nami und ich in den Bau müssen, richtig? Deswegen wirst du schweigen, genauso wie wir schweigen, weil wir nicht wollen, dass dir etwas passiert.“ Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie sachte an sich. Nachdenklich ließ sie ihren Blick über die sonnengeflutete Wiese wandern. Irgendwie war ihr der Appetit nach dem Brötchen vergangen. „Aber... wie lebst du so einfach damit?“, fragte sie und sah zu Ace auf, der sie daraufhin küsste. Sanft und verführerisch und als habe er alle Zeit der Welt. „Wenn mir Zweifel kommen, küss’ ich dich einfach“, meinte er schmunzelnd, als er wieder Abstand zwischen ihre Lippen brachte. Inzwischen stahl sich eine Hand unter ihr Top, was sie grinsen hatte. „Weil dann weiß ich sofort wieder, dass es das Richtige ist. Es war ein dummer Unfall, Nojiko. Der macht dich nicht zu einem schlechten Menschen. Verdammt, du hast es aus Liebe getan. Um Nami zu beschützen. Das weiß Genzo. Das weiß Nami, ich weiß das auch. Deswegen halten wir alle den Mund – ich werd’ dich jeden Tag daran erinnern, wenn es sein muss. Du bist ein guter Mensch, Nojiko.“ „Du auch, Ace.“ Eine Hand in seinen Nacken legend, zog sie ihn in einen weiteren Kuss. Das Zirpen der Grillen überall im Gras um sie herum, war das einzige Geräusch für Meilen und Meilen in Kokosville. End. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)