Damage Control von Votani (Ace/Nojiko) ================================================================================ VII. Krankenhaus. Zwei Schwestern. Zu offensichtlich. ----------------------------------------------------- „So, wir sind zusammen.“ Es war eine simple Feststellung, doch trotz des Amüsement in Ace’ Stimme, konnte Nojiko die Frage dahinter vernehmen, was sie schmunzeln hatte. Verübeln konnte sie es ihm dagegen nicht. Nein, an seiner Stelle hätte sie ebenfalls noch einmal nachgefragt, ob sie es richtig verstanden hätte. „Bei uns hat’s gefunkt“, erwiderte sie, als Ace’ Dodge auf den überfüllten Krankenhausparkplatz auffuhr. „So, ja, wir sind zusammen.“ Daraufhin nickte Ace und beide grinsten unabhängig von einander. Erst als Ace den Dodge in eine Parklücke fuhr und den Motor ausstellte, drehte er sich zu Nojiko herum. „Warum hat Nami überhaupt was mit Bellamy angefangen?“ Nojiko, die schon mit halben Fuß auf dem Asphalt stand, hielt inne und begegnete Ace’ Blick über ihre Schulter hinweg. „Ich meine, es ist kein Geheimnis, dass er nicht ganz richtig tickt. Jeder wusste, was er für ein Schwein ist.“ „Du kennst doch Nami...“ Ihren Fuß zurückziehend, schloss sie die Autotür wieder. Das war nichts, was sich in zwei Worten abhandeln ließ. Es war auch nichts, was sie mit möglichen Zuhörern besprechen wollte. Dafür war ihr das Thema zu heikel. Dieser Ort war ein Dorf, wo schon der kleinste, aufgeschnappte Wortfetzen sich wie ein Laubfeuer verbreitete. „Das Designercollege in Ohara, das Nami besucht, ist eines der teuersten überhaupt. Obwohl sie ein Stipendium und einen Job hat, reicht es nicht, um die Kosten zu tragen. Natürlich steuert selbst Genzo etwas dazu, aber als Sheriff macht er auch kein Vermögen. Das muss ich dir wohl nicht sagen.“ Nojiko lächelte zu ihm herüber, was Ace mit einem Grinsen erwiderte. „Aber Nami will ihm auch gar nicht auf der Tasche liegen.“ Ihr Blick streifte durch die Frontscheibe des Dodge über den Parkplatz und sie beobachtete die Menschen und Autos, die kamen und gingen. „Dann war sie nur hinter seinem Geld her?“ Ace lachte beinahe lautlos auf, als er sich wieder tiefer in den Sitz sinken ließ. „Ganz schön fies.“ „Sie wusste ja, dass Bellamy sie als seine Freundin haben wollte.“ „Wohl eher Vorzeigefreundin“, warf Ace ein, das faule Grinsen noch immer am Mundwinkel. „Ja, und so haben beide bekommen, was sie wollten. Nami wollte ihn in den Wind schießen, sobald sie das Studium in der Tasche hat.“ „Das hat sich ja jetzt erledigt...“, erwiderte der Schwarzhaarige, woraufhin Nojiko sich auf die Unterlippe biss und kurz darauf kommentarlos ausstieg. Wahrscheinlich sollte sie froh sein, dass es sich erledigt hatte, dass das Thema jetzt vom Tisch war, aber das fiel ihr schwer. Das Bild von Bellamy, wie er da leblos auf dem Teppich lag und an die Decke geschaut hatte, wollte nicht verschwinden. „Nojiko, hey“, entwich es Ace, der ebenfalls ausgestiegen war und sie nun einholte. Er packte sie sanft an der Schulter, zwang sie in ihrem Schritt innezuhalten. „Sorry.“ „Schon gut“, murmelte sie und lächelte aufgesetzt. Ace schien es zu bemerken, denn er legte die Arme um ihre Schultern und zog sie an sich - und es tat so gut seinen Körper an ihrem zu spüren. Es war ein bisschen wie früher, obwohl sie wusste, dass es nie mehr wie früher werden würde. Früher war gestern, bevor sie den Anruf aus dem Krankenhaus bekommen hatte. Jetzt war Zukunft, die nicht so zuversichtlich aussah, wie sie sein sollte. Sie war falsch abgebogen auf der Straße des Lebens und konnte nicht umdrehen, weil es sich als eine Einbahnstraße herausgestellt hatte. Da gab es kein Zurück, keine Entschuldigung, die alles rechtfertigte. Ihr Arme schlossen sich um Ace’ Hüfte, während sie ihre brennenden Augen schloss. Kurz darauf betraten beide das Krankenhaus durch die Notaufnahme und ließen sich von der Schwester in der Anmeldung Namis Zimmernummer geben. Obwohl es sich um ihre Schwester handelte, spürte Nojiko Aufregung einen Knoten aus ihren Gedärmen binden. Die Hand, die sie zum Klopfen hob, gefror auf halben Weg. Sie hatte Nami bisher noch nicht gesehen, nicht gesehen, was Bellamy mit ihr gemacht hatte. Nein, sie war ohne Zögern zu Genzos Schrank gegangen, hatte die Glock geholt und hatte sich auf den Weg zu seinem Haus gemacht. Da war kein Nachdenken und Planen gewesen, sondern nur ein instinktives Reagieren. Ace’ Finger, die sich um ihr Handgelenk schlossen, rissen sie aus ihren Gedanken, brachten sie wieder auf den Boden der Realität zurück. Verwundert sah sie ihn an, doch auf seinen Lippen lag nur sein übliches Schmunzeln. Es war fast so, als kannte er jeden noch so winzigen Gedanken, der ihr durch den Kopf ging – und als akzeptierte er sie alle. Das hatte sie ebenfalls schmunzelnd. Wortlos beugte sie sich zu ihm herüber, die freie Hand in seinen Nacken legend, um ihn zu küssen. Dann klopfte sie an und trat nach einem raschen „Herein“ gefolgt von Ace ins Zimmer. Nami lag auf dem Bett, ein Stofftuch, das sich Decke schimpfte, war bis zu ihrer Hüfte hochgezogen. Das gelbe T-Shirt, das sie trug, war blutbefleckt, ein Auge zugeschwollen und ein Verband war um ihren Kopf gewickelt. Bei dem Anblick ihrer kleinen Schwester war jegliches Schuldgefühl wie weggewischt. Dieser Mistkerl hatte tatsächlich Hand gegen Nami angelegt! Verdammt noch mal! Wie hatte er es wagen können? „Nojiko...“, entrann es Nami, dass die Angesprochene ein paar Mal blinzelte, als hatte sie etwas im Auge. Anschließend umrundete sie das Bett und griff nach Namis Hand. „Wie fühlst du dich?“, fragte sie. „Alles in Ordnung? Was haben die Ärzte gesagt?“ „Mir geht’s gut, wirklich“, erwiderte Nami und grinste schief. „Wenn’s nach mir ging, würde ich längst zu Hause sein, aber dieser Arzt will mich noch bis morgen hier behalten. Von wegen Gehirnerschütterung, Schwellung oder so was. Totaler Mist, wenn du mich fragst.“ „Ihr geht’s eindeutig gut“, warf Ace heiter ein, der sich den Stuhl vor dem Fenster herumdrehte und sich verkehrt herum darauf niederließ, die Arme locker auf der Lehne abstützend. „Hab’ ich was verpasst?“ Nami hob die Augenbraue des gesunden Auges, als sie Ace musterte. „Was machst du hier?“ „Dich besuchen?“, erwiderte er und zuckte amüsiert mit den Schultern. „Nojiko?“, wandte sich die Orangehaarige an ihre Schwester. Diese grinste verlegen. Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne das ein Laut ihrer Kehle entwich. „Verstehe“, erwiderte Nami mit einem Grinsen und drückte Nojikos Hand, woraufhin diese ihre Wangen leicht brennen spürte. Sie starrte auf ihre Hände herunter und mied den Blick in Ace’ Richtung, der nur leise im Hintergrund lachte. „Hörst du, Nojiko“, entwich es ihm. „Sie versteht. Das klingt, als hätten wir grad dreckigen Sex irgendwo auf einer billigen Raststätte gehabt.“ „Hattet ihr nicht?“, feixte Nami. „Ihr enttäuscht mich!“ Unwillkürlich schlich sich ein Grinsen auf Nojikos Lippen. Als sie eine knappe Stunde später Kaffee vom Automaten im Gang holte, hatten sich ihre Nerven wieder beruhigt. Nami ging es trotz ihrer äußerlichen Erscheinung gut und das war letztendlich alles, was zählte. Die Last auf Nojikos Schultern fühlte sich gleich viel leichter an – und obwohl sie noch immer da war, vergaß sie Bellamy und sein Grab im Wald für einen winzigen Moment. Die Krankenschwester, die vorbeilief, lächelte sie an und Nojiko erwiderte es, als sie zwei Kaffeebecher füllte. Der Automat befand sich am Ende des Ganges, in dem auch Namis Zimmer lag. Auf dem Rückweg dorthin spähte sie in die offenen oder angelehnten Türen, konnte hier und dort ein Gesicht ausmachen, das ihren Blick manchmal sogar erwiderte. Wenn Nojiko ehrlich sein sollte, mochte sie keine Krankenhäuser. Nein, sie stellten ihr die Nackenhaare auf mit dem ständigen Geruch nach Desinfektionsmittel. Abgesehen davon, dass ihr Instinkt ihr sagte, reißaus zu nehmen, weil hier mehr Menschen starben als lebten. Ihr rationaler Verstand wusste, dass das Unsinn war, dass eine Menge Leben gerettet wurden. Zumindest Namis, wenn schon nicht Bellemeres. Obwohl es vier Jahre her war, konnte sich Nojiko daran erinnern, als wäre es gestern geschehen. Sie konnte sich haargenau daran erinnern, wie blass Genzo geworden war, als er den Anruf aus dem Krankenhaus bekommen hatte. Man hatte versucht die Blutung zu stoppen, doch die Kugel hatte zu viel Schaden angerichtet. Eine Kugel hatte Bellemere getötet, weshalb Nojiko auch niemals abgedrückt hätte. Doch wie sich herausstellte, brauchte es nicht einmal eine Kugel, um das Leben eines anderen Menschen zu nehmen. Das schlimmste an diesem Gedanken war, dass... „Nojiko!“ Erschrocken fuhr die Angesprochene herum, hätte beinahe die Kaffeebecher fallen gelassen. Mit geweiteten Augen sah sie zu, wie Genzo mit Johnny im Schlepptau auf sie zutrat. Was machten sie hier? Beide waren in zivil gekleidet, aber Nojiko konnte es in Genzos vernarbtem Gesicht ablesen, dass es Business war, das ihn hierher führte. Bellamy! Nojiko schluckte hart. „Genzo, solltest du nicht bei deiner Grillparty sein?“, fragte sie, als sie keine sechs Meter von Namis Zimmer im Gang standen. „Erinner’ mich bloß nicht daran...“ Ziemlich angepisst verzog er das Gesicht und kratzte sich an der Schläfe. „Marietta ist vorbeigekommen, kurz nachdem ihr gegangen seid und hat einen ganz schönen Aufruhr veranstaltet.“ Ganz nebenbei hob Johnny die Hand und grinste zu Nojiko herüber, die ihn ebenfalls stumm begrüßte. Allerdings hing sie förmlich an Genzos Lippen und sie spürte, wie ihr Magen sich erneut umdrehte. „Marietta?“, wiederholte sie. „B-Bellamys Putzfrau? Was hat sie denn gesagt?“ „Sie war außer sich!“, informierte sie Johnny, der seine Sonnenbrille richtete. „Du hättest sie sehen sollen! Sie ist felsenfest der Meinung, Bellamy ist irgendwas zugestoßen.“ Das war der Punkt, an dem sich Nojiko abermals übergeben hätte, wenn sie noch etwas im Magen gehabt hätte. Sie starrte mit einem Kloß im Hals von Johnny zu Genzo herüber. „Scheißkerlen wie dem passiert nichts. Nicht mal das Gesetz.“ Genzo schnaubte verärgert. „Na ja, wie auch immer. Bevor die vierundzwanzig Stunden um sind, können wir sowieso nichts machen. Bis dahin wird er wohl wieder aufgetaucht sein. Wenn nicht, dann wird Marietta wohl eine Vermisstenanzeige aufgeben müssen, wenn sie ihn wiederhaben will.“ „Schon traurig, wenn die Putze die Einzige ist, die einen vermisst.“ Johnny grinste schief und Nojiko lächelte gekünstelt. „Alles klar, Nojiko?“ Eine Hand auf ihre Schulter legend, musterte Genzo sie genau. „Du siehst schon wieder so blass aus.“ „Nein,... es ist alles in Ordnung“, lenkte sie ab, wollte abwehrend die Hände hebend, bis ihr einfiel, dass sie noch immer den Kaffee trug. „Warum seid ihr dann hier, wenn ihr in Bellamys Fall noch nichts tun könnt?“ „Ich hatte gehofft, dass wenn wir beide noch mal auf Nami einreden, sie sich zu einer Anzeige überreden lässt“, gab Genzo zähnknirschend von sich und Nojiko begriff, dass er genauso über Bellamy dachte, wie sie selbst. Nur konnte er sich nicht über das Gesetz erheben, weil er das Gesetz in Kokosville war und als Vorbild aller galt. „Glaubst du wirklich, du kannst Nami umstimmen?“, entwich es Nojiko, worauf Genzo hilflos mit den Schultern zuckte. Als sie das Zimmer betraten, saß Ace mittlerweile auf dem Bett und Nami hatte einen Block und einen Stift zur Hand genommen. „Da ist doch ganz bestimmt irgendwo ein N drin“, sagte Ace heiter und studierte den hingehaltenen Block. „Kein N“, erwiderte Nami, drehte ihn herum und kritzelte auf dem Papier herum. „Nur noch ein Ärmchen fehlt, dann hast du verloren, Ace.“ Sie grinste verschlagen, richtete dann aber ihre Aufmerksamkeit zur Tür. „Hast du schon wieder Sehnsucht nach mir, Genzo? Ging ja schnell.“ Nojiko trat ans Bett heran und gab einen der Becher mit zittriger Hand an Ace weiter, der ihn wortlos entgegen nahm. Inzwischen ließ sich Genzo auf dem Stuhl nieder, auf dem Ace zuvor gesessen hatte und unterbreitete Nami erneut sein Anliegen. Dieser reagierte wie abzuwarten war. „Ich hab’ doch gesagt, dass ich keine Anzeige machen werde.“ „Aber Nami, du kannst diesen Mistkerl damit nicht durchkommen lassen!“, beharrte Genzo. „Es ist meine Entscheidung und ich werd’ schon daraus meine Konsequenzen ziehen“, erwiderte sie, worauf das Thema offensichtlich für sie vom Tisch war, denn sie starrte stur auf ihren Block. Nojiko war sich sicher, dass Genzo gewusst hatte, dass es so ausgehen würde. Er sah nämlich angepisst, aber nicht sehr überrascht aus. Ihre Gene kamen nun mal von Bellemere, die sich auch nie in etwas hatte hineinreden lassen. Nami war da nicht anders und sie klärte nun mal die Sachen gerne für sich, ohne, dass sich andere einmischten. Seufzend erhob sich Genzo, hielt auf halben Weg zur Tür aber noch einmal inne und drehte sich nachdenklich um. „Hast du eine Ahnung, wo Bellamy steckt?“ Nami sah auf, fragend, verwirrt. „Nein, keine Ahnung. Warum?“ „Seine Putzfrau sucht ihn. Heute war scheinbar Zahltag und er fängt sie immer bei sich zu Hause ab, wenn sie da am Putzen ist, um ihr den Check zu geben. Keine Spur von ihm und ich da-“ Der Kaffeebecher rutschte aus Nojikos Hand, verteilte seinen Inhalt mit einem dumpfen Geräusch auf dem Parkettfussboden. Sofort hockte sie sich hin, stellte den Becher auf, während sich die braune Flüssigkeit ausbreitete wie Schlamm. Panisch schaute sie zu Nami und Genzo herüber. „Mir... geht’s wohl doch noch nicht so gut“, entrann es ihr hilflos. Sie hätte sich ohrfeigen können. Wie dumm konnte man sich eigentlich anstellen...? „Schon gut, Nojiko.“ Sie am Arm packend, zog Ace sie auf die Beine und drückte ihr seinen Becher in die Hand. „Ich kümmer’ mich darum.“ Das Zimmer verlassend, fragte er die Schwester nach etwas zum Aufwischen. Unterdessen starrte Nojiko auf dem Becher in ihren Händen, dröhnte die Stille unangenehm in ihrem Kopf. Diesmal hatte sie es wirklich in den Sand gesetzt. Wie sehr, wurde ihr erst klar, als sie abermals aufschaute, in Genzos Gesicht blickte. Sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er ein schlauer Mann war. Um zu wissen, dass er etwas wusste, als er sich umdrehte und aus dem Zimmer verschwand. Verzweifelt sah Nojiko ihm nach, während Panik in ihr aufstieg. Was würde er jetzt unternehmen? Aber vor allem,... was dachte er jetzt? Über sie? „Nojiko...“, konnte sie Nami sagen hören. „D-Du hast doch... nicht was zu tun damit? Nojiko? Oder?“ Da war Fassungslosigkeit in der Stimme ihrer kleinen Schwester, die ihr Tränen in die Augen trieb. Sie zusammenkneifend, presste sie sich eine Hand auf den Mund. Sie konnte aber auch gar nichts richtig machen. Gar nichts. Absolut überhaupt nichts! Als Nami sich aus dem Bett schälte und sie umarmte, konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. Tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)