Just breathe. von sherd (James Sirius Potter x Alice Longbottom) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Mit weit ausgreifenden und ungeheuer stürmischen Schritten lief Alice durch das große Eingangstor hinaus auf die Ländereien von Hogwarts. Es war Herbst und kalte Regentropfen fielen unerbittlich vom Himmel herab. Innerhalb kürzester Zeit war ihr hellbraunes Haar durchnässt und klebte ihr in Strähnen in Gesicht und Nacken. Alice jedoch schien das nicht einmal zu bemerken. Sie war innerlich so außer sich und zornig, dass es ihr sogar egal gewesen wäre, wenn jetzt in diesem Moment die Welt unterginge. Alles, was sie gerade wollte, war, mit ihren Gedanken allein zu sein. Nun hätte man argumentieren können, dass das riesige Schloss Hogwarts selbstverständlich genug Schlupfwinkel geboten hätte. Allerdings war dem, Alice‘ Meinung nach, nicht so. Denn immer dann, wenn man niemanden sehen und hören wollte, konnte man sicher sein, dass alle paar Minuten jemand in den leeren Klassenraum platzte in den man sich soeben verzogen hatte oder sich lautstark durch die Gänge bewegte. Wenn man wirklich allein sein wollte, dann, fand Alice, war das nur auf den Ländereien möglich. Und ganz besonders bei diesem Wetter. Nach einigen weiteren Schritten hatte sie endlich den großen See erreicht und lies sich in das durchweichte Gras fallen. Sie war ohnehin völlig durchnässt, also störte sie es nicht weiter, als ihre ohnehin schon nasse Kleidung die zusätzliche Feuchtigkeit aufsog wie ein ausgetrockneter Schwamm. Noch immer fiel der Regen kalt und erbarmungslos, tropfte auf ihr Haar und rann in kleinen Sturzbächen ihre geröteten Wangen hinab. Die stummen Tränen, die sie weinte, waren nun wenigstens nicht zu sehen. Die einzige Frage, die momentan in Alice‘ Gedanken umher kreiste, war, wieso sie eigentlich ausgerechnet in James Potter verliebt war. Im Grunde war er ein Angeber und Großmaul; andererseits setzte er sich für jeden ein, der ihm am Herzen lag, ein, hatte einen einnehmenden Sinn für Humor und wenn sich sonst niemand in der Nähe befand war er ausgesprochen freundlich. Und – dieser Gedanke versetzte ihr einen kleinen Stich – er war wunderschön. Sie liebte sein lautes, bellendes Lachen, das halblange schwarze Haar welches ihm immer wieder in die Augen fiel, diese smaragdgrünen Augen, die kleinen Grübchen die sich auf seiner Stirn bildeten wenn er nachdachte… Jedes kleine Detail machte ihn noch ein kleines bisschen liebenswerter, als er ohnehin schon war. Nun ja, zumindest konnte man ihn ab und an als liebenswert bezeichnen. Die meiste Zeit zog er es vor, sich wie ein kompletter Vollidiot zu verhalten. Er mimte den Klassenclown, brachte des Öfteren die Lehrer zur Verzweiflung und handelte sich Nachsitzen ein; außerdem zog er andere gern – und das nicht gerade auf feinfühlige Art und Weise – mit ihren Schwächen auf. Selbstverständlich immer in Anwesenheit anderer, um diese blos zu stellen. Und in diesen Momenten, da hasste sie James Potter. Zwar richteten sich seine persönlichen Angriffe nie gegen Alice, aber heute war es anders gewesen. Sie wusste nicht einmal mehr genau, wie es dazu gekommen war, aber plötzlich hatte James Alice unterstellt, sie hätte ihren guten Noten ganz allein der Tatsache zu verdanken, dass ihr Vater der Kräuterkunde Professor sei. Nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, hätte man eine Stecknadel im Gemeinschaftsraum der Gryffindors fallen hören können. Alle Anwesenden schauten schweigend zwischen den beiden hin und her. Jeder wusste, dass Alice bei derartigen Aussagen an die Decke ging, weil es ganz einfach nicht der Wahrheit entsprach. In ihrem vierten Schuljahr hatte sie sich für zwei Wochen Nachsitzen eingehandelt, nachdem sie Jason White, einem furchtbar großen Kerl aus Ravenclaw, eine ganze Packung Nasenblut Nougat in seinen Auflauf gemischt hatte, der daraufhin einige Tage im Krankenflügel hatte verbringen müssen. Seitdem hatte es nie wieder jemand gewagt, Alice etwas Derartiges an den Kopf zu werfen. Bis zum heutigen Abend. „Potter, was für einen Blödsinn erzählst du da eigentlich?“, hatte sie den schwarzhaarigen Jungen, der schelmisch grinste, daraufhin gefragt. „Stell dich nicht so an, Longbottom. Oder willst du sagen, dass es nicht der Wahrheit entspricht?“ Alice hatte sich von der alten gemütlichen Couch erhoben, die vor dem Kamin platziert war. „Ja, das will ich. Zufälligerweise schufte ich wie verrückt, um meine guten Noten zu bekommen.“ „Und Daddy hilft kein bisschen nach?“, bohrte James weiter. Mit einem Ruck hatte Alice ihr langes braunes Haar über die Schulter zurück geworfen. „Tut er nicht. Und ich weiß gar nicht, wieso ich auf deine unterbelichtete Aussage überhaupt eingegangen bin. Hättest du ein bisschen mehr Grips im Kopf, wüsstest du, dass das, was du da erzählst, totaler Unfug ist.“ Mit diesen Worten hatte sie sich herumgedreht und war hoch erhobenen Hauptes aus dem Gemeinschaftsraum stolziert. Draußen, auf dem Gang, hatte es Alice einige Mühe gekostet, die Tränen zurück zu halten. Sie hatte eine so unglaubliche Wut über diese Worte von James im Bauch gehabt und war so enttäuscht von ihm. Irgendwie schien sie sich wohl innerhalb der letzten paar Monate eingebildet zu haben, dass da etwas zwischen ihr und ihm war, so, wie James sie immer anschaute. Scheinbar hatte sie sich in dieser Hinsicht getäuscht. Es würde sich wohl nicht ändern, dass James Sirius Potter sein Herz nie an ein Mädchen verschenken würde, so, wie er es immer wieder seit seinem dritten Schuljahr verkündete. Sie hob einen kleinen Stein auf, der neben ihr im Gras lag und warf ihn in den See. Die kleinen Wellen, die er schlug, waren, durch den starken Regenfall, nahezu unsichtbar. „Du kleiner Idiot.“, flüsterte sie und ihre Stimme brach. James würde immer sagen können, wonach ihm gerade war und trotzdem würde sich nichts an ihren Gefühlen ändern. Es war ja nicht so, dass sie es nicht versucht hatte, sich vor Augen zu führen, wie dumm und unsensibel er war, aber irgendwie schlich sich immer wieder der ein oder andere seiner Vorzüge ein, der jedes Mal all seine Schwächen auszugleichen schien. „Alice.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber trotzdem hörte sie ihn. Langsam drehte sie sich herum und sah James, der an den Stamm eines nahestehenden Baumes gelehnt war. Es war gerade noch so hell, dass sie seine Umrisse und Gesichtszüge erkennen konnte. Schnell wandte sie ihren Blick wieder zum See. Sie hoffte inständig, dass er nicht mitbekommen hatte, dass sie weinte, obwohl das bei dem Regen im Grunde nahezu unmöglich war. „Was willst du denn hier?“, fragte sie kühl. Alice hörte, wie er sich näherte, bis er schließlich neben ihr war und ebenfalls auf dem nassen und kalten Gras Platz nahm. „Ich möchte mich entschuldigen.“ Zweifelnd hob sie die Augenbrauen. „James Potter, der sich für etwas entschuldig? Den Tag muss ich mir rot im Kalender markieren.“ „Alice.“, sagte er leise und eindringlich. Sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare bei dem flehenden Klang seiner Stimme aufstellten und schob es schleunigst auf die Kälte. „Was?“, giftete sie und starrte noch immer geradeaus. „Ich wusste nicht, dass dir das so weh tun würde. Es tut mir Leid. Wirklich.“ „Wer sagt denn, dass es mich überhaupt interessiert, was du da gesagt hast?“ „Du hast geweint.“, stellte er fest. „Woher willst du wissen? Es ist fast dunkel. Du kannst doch überhaupt nichts erkennen.“ „Ich höre es an deiner Stimme.“ Das hatte Alice nicht bedacht. „Ich bin erkältet.“, log sie. Und eben in diesem Moment fiel ihr wieder ein, dass sie eine grausige Lügnerin war. James lachte leise und bitter. „Das ist nicht wahr.“ Sie schwieg. Es brachte nichts, noch weiter auf ihrer Aussage zu beharren. Eine Weile starrten die beiden auf den See, ohne etwas zu sagen und es wurde zunehmend dunkler. „Bist du mir böse, Alice?“, fragte er schließlich leise. Für einen Moment dachte sie darüber nach. Vorhin war es so gewesen. Aber nun, da er hier war, neben ihr saß und sich aufrichtig entschuldigt hatte, fiel es ihr schwer, weiterhin sauer auf ihn zu sein. „Nein.“, antwortete sie ebenso leise. James seufzte; er schien erleichtert darüber zu sein. „Aber wenn ich das wäre, würde das denn eine Rolle spielen?“, fragte sie. „Natürlich.“ Nun wandte Alice ihm doch den Blick zu. „Ach, wirklich? Und warum?“ „Weil… naja, ich dachte, wir wären… Freunde. Und daran liegt mir etwas. Dir nicht auch?“ Irgendwie schien es, als hätte er doch etwas anderes sagen wollen. Aber wahrscheinlich täuschte sie sich. „Doch, mir liegt auch etwas daran.“ Wieder kehrte Schweigen zwischen ihnen ein, bis sich Alice schließlich ins Gras zurückfallen lies. Sie schloss die Augen, um zu verhindern, dass der Regen ihr direkt in die Augen tropfte. Sie spürte eine Bewegung neben sich und wusste, dass auch James sich hingelegt haben musste. „Morgen sind wir ganz bestimmt erkältet.“, meinte er nach einer Weile. „Naja, gegen einen schulfreien Tag hätte ich nichts einzuwenden.“, gab Alice zu. James lachte. „Ja, ich auch nicht…“ Alice bewegte ihren Arm leicht und stieß gegen die Finger von James, der seine Hand direkt neben ihre gelegt hatte. Sie verharrte und genoss diesen kleinen Moment, diesen minimalen Körperkontakt. Ihr Herz machte einen kleinen erschrockenen Hüpfer, als sich seine Finger um ihre schlossen. Vorsichtig strich sein Daumen über ihren Handrücken. Sie war nicht in der Lage, irgendetwas zu sagen. Ihre Gedanken überschlugen sich nahezu. Die beiden kannten sich nun schon seit der ersten Klasse. Soweit Alice sich erinnern konnte, saß er schon immer während des Unterrichts neben ihr, sie erledigten stets, gemeinsam mit Rose und Albus, die Hausaufgaben; aber nie hatte James ihre Nähe auf diese Art und Weise gesucht. Nicht ein einziges Mal. Was sollte dieser Blödsinn also? Zuerst beleidigte er sie, und dann so etwas? So sehr sich Alice auch bemühte, aber irgendwie ergab das keinen Sinn. „Wenn… das nicht okay für dich ist, musst du es nur sagen.“, meinte James nach einer Weile. Alice war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihn gar nicht richtig hörte, die Worte gar nicht wahrnahm. „Was?“, fragte sie verständnislos. „Ich… naja. Du weißt schon.“ „Was weiß ich?“ James gab einen ungeduldigen Laut von sich. Er sah sich gezwungen, seine Aussagen näher zu erläutern. „Wenn du nicht willst, dass ich deine Hand nehme, musst du es nur sagen.“ „Oh. Das meinst du.“ „Ja, das meine ich.“ Eine unangenehme, peinlich berührte Stille trat ein. „Ich… eigentlich ist das sehr schön.“, gab Alice nach einer Weile zu und ihre Wangen glühten vor Aufregung. „Dann ist ja gut.“ Das Lächeln in seiner Stimme war beinahe unüberhörbar. Wieder war es still. „Wenn du dir etwas wünschen könntest, jetzt gerade, und es würde auf jeden Fall in Erfüllung gehen: was wäre es?“, fragte James nach einigen weiteren Minuten des Schweigens. „Ich weiß nicht so genau.“ Sie dachte einen Moment darüber nach. „Eigentlich finde ich den Moment so, wie er ist, perfekt. Ich will mir gerade gar nichts anderes wünschen. Warum fragst du?“ James setzte sich auf und zog sie ebenfalls in eine sitzende Position. „Ich wüsste, wie er noch schöner werden könnte.“ Alice blickte ihn verwirrt an. „Was… meinst du damit genau?“, wollte sie dann doch zögerlich wissen. Er verdrehte die Augen und grinste dann. „Ich frage mich gerade, ob du mich ärgern willst.“ „Wieso?“ Sie wusste tatsächlich nicht so genau, wovon er gerade sprach. Ihr Herz hämmerte, ihre Wangen glühten und in ihrem Magen kribbelte es ganz furchtbar. Alice war ganz und gar überfordert mit der Situation. Der Junge, in den sie seit beinahe drei Jahren schrecklich verliebt war, schenkte ihr gerade genauso viel Aufmerksamkeit, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Und das warf das sonst so bodenständige und rational denkende Mädchen ein wenig aus der Bahn. „Alice…“ Er lächelte und kleine Grübchen zeichneten sich auf seiner Wange ab. Die freie Hand wanderte hinauf zu ihrem Gesicht und schloss sich um ihre glühende Wange. „Ich…“ Ihr Herz schlug noch ein wenig schneller, sodass es sich nun anfühlte, als würde es jede Sekunde zerspringen. Er schaute ihr tief in die Augen und ihr kam es wie eine Ewigkeit vor. Dann, ganz langsam, näherte sich sein Gesicht ihrem und er küsste sie zärtlich. Im ersten Moment war Alice ein wenig überrumpelt und verkrampfte sich, erwiderte den Kuss dann aber. Gerade jetzt war es, als würde all das in Erfüllung gehen, was sie sich immer gewünscht hatte; als hätten sich all die Jahre des Wartens auf ihn gelohnt; als hätten beide nur auf diesen Moment gewartet. Als er sich schließlich von ihr löste, öffnete Alice die Augen nicht. Sie wollte so viel und so lange wie möglich den Zauber zwischen ihnen bewahren. „Vergiss nicht, wieder einzuatmen.“, sagte James plötzlich und lachte leise. Sein Atem kitzelte ihre Nase. Das hatte sie tatsächlich vergessen. Alice holte tief Luft und öffnete schließlich die Augen. Noch immer war sein Gesicht ganz nah an ihrem, sie spürte jeden seiner Atemzüge. „Du wirkst überrascht.“, stellte James plötzlich fest. „Ich… das bin ich…“, flüsterte Alice und strich sich einige der langen nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Entschuldigst du dich immer so? Dann sollten wir uns öfter streiten.“, schlug Alice vor und lächelte. Er vergrub seine rechte Hand in ihrem Haar und blickte tief in Alice‘ Augen. „Ich möchte mich nie wieder mit dir streiten, wenn ich ehrlich sein soll. Aber ich will, dass es trotzdem so bleibt, wie es jetzt ist. Gerade, in diesem Moment.“ „Heißt das…“, begann Alice, wurde jedoch von James unterbrochen. „Ja. Das heißt es.“ Wieder küsste er sie. Und Alice hatte das Gefühl, als wäre es ihr gelungen, James Potters Herz letztendlich doch zu stehlen, obwohl jeder behauptete, dass das gar nicht möglich wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)