Braut wider Willen von moonlily (FF zu Karmas Crossdressing-Wettbewerb) ================================================================================ Kapitel 5: Albtraum in Weiß --------------------------- Am nächsten Morgen ging das ganze Prozedere von vorne los. Nach dem Frühstück, bei dem Joey weitere Benimmregeln von Mai eingepaukt bekam, wurde er in Yamis fähige Hände übergeben. Sehr zu seiner Erleichterung hatte dieser ihm für den heutigen Tag eine Hose und Ballerinas herausgelegt, eindeutig eine Erholung für seine geplagten Füße. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sich die ersten Blasen zeigten. „Hey, du hast was vergessen!“, rief ihm Yami nach, als er das Zimmer verlassen wollte. Er drückte ihm einen großen Pappkarton in die Hand. Joey hob den Deckel ab. „Nicht schon wieder Laufunterricht“, stöhnte er und sah auf das Paar schneeweißer Schuhe. „Aber nicht doch, heute ist die Anprobe für das Brautkleid. Der Schneider möchte wissen, ob der Saum lang genug ist, dafür musst du es mit den Schuhen anprobieren.“ „Wieso soll ich das machen? Celia soll es tragen, nicht ich.“ „Aber sie ist nicht da und wenn was noch nicht sitzt, ist die Zeit sonst zu knapp, was zu ändern. Glaub mir, nichts ist schlimmer als ein gestresster Schneider, der in letzter Minute das ganze Kostüm ändern soll.“ Die Limousine hielt vor einem großen Hochhaus mit Glasfassade. „Bleib sitzen“, sagte Mai, da Joey Anstalten machte, die Tür zu öffnen und auszusteigen. „Wir öffnen die Tür nicht selbst, wir lassen öffnen.“ Der Blonde sah sie einen Moment lang an, als sei sie verrückt geworden, ließ sich dann aber doch grummelnd in die Polster zurückfallen. Reich sein war viel komplizierter, als er gedacht hatte. So viele starre Regeln, die beachtet werden wollten, und immer dieses festgeklebte Lächeln, das er zur Schau tragen sollte. Alles mehr Schein als Sein. Der Chauffeur lief in der Zwischenzeit um den Wagen herum, öffnete und hielt ihnen den Arm als Ausstiegshilfe hin. Joey folgte Mai durch das Foyer, das mit schwarz-weißen Fliesen im Schachbrettmuster ausgelegt war, zu einem Aufzug, der sie in Rekordgeschwindigkeit in die achte Etage des Gebäudes beförderte. Die Empfangsdame sprang von ihrem Stuhl auf und verbeugte sich tief vor ihnen. „Guten Morgen, gnädige Frau Pegasus, gnädiges Fräulein. Ich informiere Mr. Graves sofort über Ihre Ankunft.“ „Nicht nötig!“ Ein breiter Vorhang aus rotem Samt, der den Schaffensbereich des Meisters abgrenzte, wurde in der Mitte geteilt und heraus trat ein junger Mann mit kurzen, rubinroten Haaren, der sich gerade ein schwarzes Tuch zurechtrückte, das er um den Hals geschlungen hatte. „Willkommen, meine Damen“, ging er mit einladend ausgebreiteten Armen zu ihnen und gab Mai links und rechts ein Küsschen auf die Wange, was er im Anschluss auch bei Joey tat. „Ich freue mich, Sie zu sehen.“ „Die Freude ist ganz auf unserer Seite, Alister“, entgegnete Mai. „Sie sehen wieder hinreißend aus, meine Teuerste. Sind Sie sicher, dass Sie Celias Mutter und nicht ihre Schwester sind?“ „Ach, Sie Schmeichler“, winkte Mai kichernd ab, „hören Sie auf.“ Und das bitte schnell, fügte Joey in Gedanken hinzu, bevor mir mein Frühstück wieder hochkommt. „Wie steht es um das Kleid?“ „Es wartet auf unsere Principessa. Kommen Sie, gehen wir in mein Atelier für die Anprobe. Darf ich Ihnen ein Glas Champagner, einen Kaffee oder etwas anderes anbieten, während Sie warten, Mai?“ „Gerne einen Kaffee, mein Lieber. So früh am Morgen trinke ich noch keinen Alkohol.“ Alister schob den schweren Vorhang beiseite und ließ sie in sein Atelier treten. Als er es sich eingerichtet hatte, hatte er mehrere Wände herausreißen lassen, um sich einen großen, luftigen Raum zu schaffen. Das große Deckenlicht und die Glasfassaden sorgten für eine mehr als ausreichende Beleuchtung des Monstrums von einem Schreibtisch, auf dem sich Ordner, Mappen und Berge von Papieren mit den neuesten Entwürfen des Designers stapelten. Ein Tisch daneben war überladen mit Stoffmusterkatalogen und Stoffballen. Mai ließ sich in dem Sessel einer schwarzen Ledersitzgruppe nieder. Unweit von dieser befand sich ein kleines Podest mit drei mannshohen Spiegeln dahinter, so aufgestellt, dass sich die Person auf dem Podest bequem von allen Seiten betrachten konnte. „Wenn Sie schon mal ablegen möchten, Celia, ich hole Ihr Kleid“, sagte Alister beflissen und ließ sie allein. „Das kann doch nicht gut gehen“, beugte sich Joey zu Mai herüber. „Er muss nur einmal näher hinsehen und merkt, dass ich keine Frau bin.“ „Lass mich nur machen“, gab sie ebenso leise zurück und setzte ein strahlendes Lächeln auf, da Alister zurückkam, ein großes, unförmiges Etwas schiebend, das er mit einem riesigen weißen Tuch verhüllt hatte. „Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich es ein Meisterwerk nenne.“ Mit einer Miene, die überdeutlich kundtat, wie stolz er auf sich und sein Können war, entfernte er das Tuch. Joey biss sich auf die Lippen, um einen Entsetzensschrei zu verhindern. „D ... das ist ...“ „Ja, ich weiß, es ist fantastisch!“ Das war nun so gar nicht das Wort, nach dem Joey gesucht hatte. „Ein wahrhaft herrliches Kleid, Alister.“ Mai räusperte sich. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, kurz hinauszugehen, während ich Celia hinein helfe? Meine Kleine geniert sich heute ein wenig ... Wahrscheinlich die Aufregung kurz vor der Hochzeit.“ „Nun ... natürlich.“ Dass er alles andere als erfreut darüber war, von seiner Kundin des eigenen Ateliers verwiesen zu werden, konnte man ihm ansehen. „So, jetzt zu dir“, wandte sie sich Joey zu. Der Blondschopf musste das Kleid mit beiden Händen raffen, um auf das Podest zu klettern, der Saum schleifte leicht über den Fußboden. „Entzückend. Max wird so stolz sein“, zwitscherte Mai vergnügt. Er drehte sich vorsichtig auf dem Podest, um sich von allen Richtungen zu betrachten, ohne über den Saum zu stolpern. „Und, was sagen Sie, meine Liebe?“ „Ich bin ein Baisertörtchen“, kam von dem Blonden die schonungslos ehrliche Antwort. Da konnte ihn Mai noch so entsetzt ansehen. Sie hatte ihm das Kleid auf der Hinfahrt als einen Traum in Weiß beschrieben. Seiner Ansicht nach traf Albtraum es viel besser. Der ausladende Rock wurde durch einen Reifrock mit Unterrock gestützt und war über und über mit Rüschen, Schleifen, Spitze und Stickereien verziert. Die Ärmel waren derart gebauscht, dass er sich an die Windbeutel von gestern Abend erinnert fühlte. „Ich kann mich gar nicht erinnern, dass da so viel Schmuck dran sollte“, versuchte er möglichst dezent in Erfahrung zu bringen, wer die Idee dafür verbrochen hatte. „Nein? Ihr Vater hat mich letzte Woche darum gebeten“, wunderte sich der Designer. „In Ihrem Auftrag.“ „Ach ja ...“ „Sie sollen an Ihrem großen Tag wie eine Prinzessin wirken, sagte er.“ Joey war dennoch der Meinung, dass es das Baisertörtchen weit besser traf, erst recht, nachdem Alister ihm den zugehörigen Schleier aufgesetzt und mit ein paar Haarklemmen befestigt hatte. Viel Bewegungsfreiheit ließen ihm die Berge von edlem Stoff nicht, den er für das Kleid verwendet hatte. Er war froh, dass er in die Schuhe einfach reinschlüpfen konnte und sie nicht wie seine Turnschuhe zubinden musste, so weit nach unten wäre er gar nicht gekommen. „Wäre es zu spät, um noch ein paar kleine Änderungen vorzunehmen oder ginge das noch?“, fragte er. „Änderungen?“ Mai schreckte aus ihrer Fantasie hoch, wie erst Celia in dem Kleid aussehen würde, und schüttelte alarmiert den Kopf. „Aber Kind, du heiratest in zwei Tagen und Alister hat das Kleid nach deinen Wünschen angefertigt, was willst du da noch ändern lassen?“ „Ja, also ...“ Da fiel ihm eine ganze Menge ein. „Es käme darauf an, was geändert werden soll“, wandte Alister ein. „Celia, komm bitte mal her“, forderte Mai streng und winkte Joey zu sich. Sie zog ihn am Arm zu sich herunter und senkte die Stimme. „Du wirst nicht einfach Änderungen am Kleid meiner Tochter vornehmen, ist das klar? Nicht du wirst es übermorgen tragen, sondern sie.“ „Wenn sie bis dahin zurück ist.“ „Das wird sie sein, verlass dich drauf.“ Mais Handy klingelte und ersparte ihm eine Fortsetzung ihrer Predigt. „Entschuldigt mich kurz.“ Sie stand auf und verließ das Atelier. Eine Hand legte sich auf Joeys Schulter. „Ich weiß, es ist nicht ganz das Kleid, das du dir vorgestellt hast, Kleines. Aber du weißt ja, wie ... überzeugend dein Dad sein kann. Er möchte dich so groß wie möglich herausputzen.“ Er sah auf und in Alisters entschuldigend blickende Augen. Sein ganzes Verhalten hatte sich mit einem Schlag verändert, seit Mai den Raum verlassen hatte, er gab sich eher wie ein Freund. Nach einem letzten Blick zur Tür beschloss Joey, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. „Lässt sich da echt nichts mehr ändern? So ein paar Rüschen weniger, die würden doch nicht auffallen.“ „Hmm ... Stell dich noch mal auf das Podest und lass mich sehen.“ Joey tat wie geheißen und sah Alister dabei zu, wie dieser um ihn herumwuselte, hier eine Stecknadel in die Rüschen steckte und dort an einer Schleife zog. „Doch ... Wenn ich es recht bedenke ... Da kann noch einiges ...“ Er hielt mitten im Satz inne und hob, da er gerade vor ihm kniete und eine Schleife zum Entfernen kennzeichnen wollte, den Blick, der Joey einen unbehaglichen Schauer über den Rücken rieseln ließ. „Etwas ist heute anders an dir.“ „Es ist alles wie immer.“ „Ah ja ... Wann hast du dich operieren lassen?“ „Äh, wie bitte?“ Alister stand auf, trat einen Schritt von ihm zurück und verschränkte die Arme. „Verkauf mich nicht für dumm, ich weiß, wann ich einen Kerl vor mir hab und wann eine Frau.“ Die Worte trafen ihn so unvermittelt wie eine Ohrfeige. Er war entlarvt. „Aber wenn du nicht Celia bist ... Respekt, dann scheint sie es tatsächlich durchgezogen zu haben.“ „Du hast gewusst, dass sie weglaufen wollte?“, fragte er entgeistert. „Wir sind befreundet, aber genaues hat sie mir auch nicht gesagt. Nur dass sie überlegte, von hier fortzugehen, alles hinter sich zu lassen.“ „Aber warum?“ „Entschuldige, aber das ist ihre Sache, ich mische mich da nicht ein. Und dich haben ihre Eltern angeheuert, damit du ihre Rolle spielst, oder wie darf ich das interpretieren? „Ja, bis sie sie gefunden haben. Ich meine ... Ich kann ja schlecht an ihrer Stelle ihren Verlobten heiraten.“ „Dafür müssen sie Celia erst mal finden, und dass ihnen das gelingt, das bezweifle ich. Ich kenne sie gut, wenn sie sich was in den Kopf setzt, lässt sie sich nicht davon abbringen.“ „Dann muss die Hochzeit abgesagt werden.“ „Ich nehme an, du hast Mr. Pegasus kennen gelernt.“ Joey nickte. „Er wird die Hochzeit nicht absagen, daran glaube ich nicht. Also, was möchtest du noch alles an deinem Kleid geändert haben?“ Mai kam zurück, ein fröhliches Lächeln auf den Lippen. Sie hatten eine heiße Spur in Osaka aufgetan, offenbar hatte sie das Land gar nicht verlassen. Maximillian saß bereits in seinem Privatjet, um seine Tochter persönlich nach Hause zu bringen und ihr, Vaterliebe hin oder her, dieses Mal wirklich eine gepfefferte Standpauke zu halten, sie dermaßen in Verlegenheit zu bringen. „So, das sollte dann alles sein“, verkündete Alister, nachdem er die letzte Notiz auf seiner Liste vervollständigt hatte, was alles geändert werden sollte. „Ich bringe das Kleid übermorgen selbstverständlich persönlich vorbei.“ Er verabschiedete sich überschwänglich von ihnen, nun wieder ganz der Designer, und geleitete sie bis zum Aufzug. Kaum hatten sich die Türen des Fahrstuhls geschlossen und sich dieser in Bewegung nach unten gesetzt, platzte Mai mit ihren guten Neuigkeiten los. „Siehst du, ich hab es dir ja gesagt. In ein paar Stunden ist Celia wieder hier.“ Wie Mai es ihn gelehrt hatte, setzte Joey ein höfliches Lächeln auf und nickte. Dass sie allerdings Recht behielt, dessen war er sich nach der Unterhaltung mit Alister nicht mehr so hundertprozentig sicher. An Celias Rückkehr würde er erst glauben, wenn sie leibhaftig vor ihm stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)