Red Moon von HiYasha (Bellas Leben nimmt eine völlig ungeahnte Wende: sie wird zum Werwolf) ================================================================================ Kapitel 12: Freudenfeuer ------------------------ Endlich, endlich habe ich es geschafft. Jetzt hatte ich doch einigen von euch schon zum Donnerstag ein neues Kapi versprochen, aber leider habe ich mich am Rücken verletzt und musste zwei Tage liegen. Und es fehlte leider noch ein Teil von diesem Kapi hier. Dafür habe ich eine Menge der kommenden Folgen schon fertig, und ihr könnt gespannt sein, was noch alles auf Bella zukommt. Freudenfeuer Was ich nicht bedacht hatte, waren die Auswirkungen dieser Neuigkeit auf den Stamm. Ich war nur darauf fixiert gewesen, was der Wegzug der Cullens für mich bedeutete, da sie für mich wie eine Familie gewesen waren und ich mich nun so elend und einsam fühlte. Jacob war nicht weggelaufen, weil ihn das Treffen mit Edward so berührt hätte, sondern er hatte sich sofort zu Sam aufgemacht, um ihm zu berichten. Es lagen nun völlig neue Bedingungen für das Rudel vor, und es war wichtig, dass alle das wussten. Sam rief sofort eine große Versammlung ein, bei der sowohl alle Werwölfe als auch die Stammesältesten eingeladen waren. Wir trafen uns noch am Abend auf einer Wiese vor Sams Haus, denn die Gruppe war so groß, dass sie in keine der Hütten passte. Zum Glück regnete es nicht, denn so konnten sie ein großes Feuer anlegen, dessen prasselnder Schein die Teilnehmer der großen Runde beschien. Vor allem die jungen Werwölfe waren furchtbar aufgekratzt, regelrecht in Feierlaune. Wie schon damals, als die Cullens zum ersten Mal weggezogen waren, wollten sie anschließend mit einem riesigen Lagerfeuer ausgelassen am Strand feiern, und ich sah peinlich berührt zu, sie sie sich lautstark anfeuerten. Ich war wohl die einzige, die nicht in Partylaune war, aber ich gab mir Mühe, es mir nicht anmerken zu lassen. Es waren meine Freunde, meine Brüder, und ich konnte ihren Überschwang gut verstehen. Nur Jacob hielt sich ein wenig zurück, dabei hätte doch gerade er den meisten Grund, sich so richtig zu freuen. Ein verlegener Blick zu mir reichte, um mir sein Mitgefühl zu zeigen, aber es lag auch ein feiner Hauch von Spott auf seinen Lippen, den er sich wohl nicht ganz verkneifen konnte. Durch den Wegzug der Cullens war nun eine große Gefahr gebannt, und wenn ich bedachte, dass sie eigentlich nur wegen mir wieder zurückgekommen waren, hatte ich ein noch schlechteres Gewissen. Nun gab es keine Vampire mehr in der Gegend, die das Gen auslösen würden. Die Neugeborenenarmee war vernichtet, und es würden auch keine durchziehenden Vampirnomaden mehr auftauchen, die zu den Cullens wollten. Der Rat wollte daher überlegen, ob es überhaupt noch nötig wäre, weiterhin eine Patrouille zu halten, die Ausschau nach den kalten Wesen hielt. Und sie wollten forschen, ob es Hinweise gab, ob das Annehmen der Wolfsform die Rückverwandlung zum normalen Menschen verzögerte. Bis zum Ergebnis dieser Untersuchung war es allen bis auf Sams Trainingstruppe erst einmal verboten, sich zu verwandeln. Die jungen Wölfe sollten nichts riskieren, aber die meisten waren nicht begeistert von diesem Vorschlag. Fast allen gefiel es, das starke und unschlagbare Tier in sich hervorzuholen, und so gab es jede Menge mürrische Kommentare. Aber Sam ließ sich nicht erweichen. Dann wollten sie auch wissen, wie schnell sich die Werwölfe wohl wieder zurück bilden würden. Leider gab es auch hierzu meist nur mündliche Überlieferungen, aber sie holten Emily dazu, die die meisten Erzählungen auf ihren Blöcken festgehalten hatte. Jetzt erfuhr ich erst, dass sie vor dem Unfall, bei dem Sam sie verletzt hatte, wie dieser am College in Port Angeles studiert hatte. Sie hatte wie er Lehrer an der örtlichen Reservatsschule werden wollen und außerdem zusätzlich einen Studiengang in indianischer Anthropologie belegt, der viele der alten Mythen und Geschichten als Inhaltsstoff hatte. Sie sollte recherchieren, ob sie einen Hinweis finden konnte, wie lange die Rückentwicklung wohl dauern würde. Dann beschloss Sam die Versammlung, damit die Jungs noch Zeit hatten, ihre Party vorzubereiten. „Dich, Bella, möchte ich noch beim Training mit den Neuen dabei haben, auch wenn es bei dir schon recht gut klappt.“ Dann wandte er sich an die Meute, die überschwänglich und ausgelassen herumalberte. „Ihr anderen seid für diesen Sommer fertig. Geht nach Hause, räumt eure Zimmer auf, kauft euch Schulsachen und ein paar anständige Klamotten und bereitet euch für die Schule vor. Nächste Woche geht es wieder los. Ihr sollt lernen und eurem Stamm Ehre machen. Also ab mit euch.“ Die Anspielung auf die geleerten Kleiderschränke wurde mit viel Gelächter aufgenommen, und bald lag die Wiese wieder verlassen da. Ich selbst hatte eigentlich keine Lust, auf diese spontane Party zu gehen, aber als Seth mich dann auf dem Nachhausweg so nett einlud, wollte ich ihn nicht enttäuschen. Es war ja auch so eine Art Sommerferienabschlussfest, und ich hoffte, dass es keiner als Grund nehmen würde, mich mit meiner Beziehung zu den Cullens aufzuziehen. Seth kam gleich darauf herüber und holte mich ab, denn Billys Hütte und die der Clearwaters lagen eh sehr nahe beieinander. Strahlend zeigte er mir seine Tüte Marshmallows, die er rösten wollte, und ich brachte es nicht übers Herz, ihn wieder wegzuschicken. Jacob war schon vorher mit Quil und Embry losgezogen, um Holz zu sammeln. Wahrscheinlich schleppten sie ganze Stämme durch die Gegend und tobten damit ihre überschüssige Energie aus. Ich hatte unsere Vorräte durchwühlt und auf die Schnelle nur eine Packung Toastbrot gefunden, die ich mit mir herum schleppte, als wir allein den stockdunklen Weg quer durch den Wald hinunter zum First Beach gingen, wo wir schon von weitem das hoch aufgeschichtete Feuer lodern sehen konnten. Die Bande war sehr ausgelassen und rannte lachend und schreiend durch die Gegend. Immer wieder huschten dunkle, halbnackte Gestalten an uns vorbei, die es eilig hatten, zum Strand zu kommen. Seth hatte meine Hand genommen und führte mich, oder vielleicht auch ich ihn. So genau konnte man das nicht sagen. Er war oft mit mir zusammen und ich mochte ihn, er war so still, nett und freundlich. Ihn hätte ich gerne als kleinen Bruder gehabt, und ich glaube, er genoss es, dass ich ihn nie weg schickte. Er war immer noch der jüngste von allen, und würde es wohl auch bleiben, denn es sollte nun keine Verwandlungen mehr geben. Er hatte es eh recht schwer, denn in seiner Familie war es die Mutter, die für das Einkommen sorgte, indem sie als Krankenschwester arbeitete und daher oft und lange weg war. Und seit Harry tot war, musste er viel alleine bleiben. Daher kam er oft zu uns herüber, vor allem wenn Leah unterwegs war, um sich ein wenig die Zeit zu vertreiben und Gesellschaft zu haben, und wenn ich oder Jacob nicht da waren, saß er mit Billy zusammen. Ich hatte herausgefunden, dass bei den anderen Familien die meisten im Wald arbeiteten. Früher waren die Quileute Fischer, Robbenjäger und Walfänger gewesen waren, aber Wale und Robben standen längst unter Schutz, und allein vom Fischfang konnte auch keiner mehr leben. Harry hatte sich mit dem Fischen etwas dazu verdient, denn wenn er nicht auf die Kinder aufgepasst hatte, saß er mit einer Angel in seinem Boot, oder er saß mit den Kindern und einer Angel im Boot. Angeln war schon immer seine Leidenschaft gewesen, und in mir waren inzwischen immer mehr Erinnerungen aufgestiegen, wie mein Pa mit mir zu den Blacks fuhr und mich dort ablud, damit er mit Harry und dem Boot raus konnte. Billy dagegen hatte schon immer die große, windschiefe Werkstatt auf seinem Gelände stehen gehabt und dort alles repariert, was einen Zylinder als Herz und Schmieröl in den rostigen Adern hatte. Von ihm hatte Jacob alles gelernt, doch seit dem Unfall hatte er die Werkstatt nicht mehr betreten. Ich hatte Jake einmal gefragt, warum sie ihm keinen hölzernen Weg und eine Rampe bauten, damit er wieder selbst dorthin gelangen konnte, aber Jake meinte, er wäre nach dem Unfall sehr lange depressiv gewesen. Er habe es einmal ausprobiert, aber der Frust, den es mit sich brachte, wenn ihm etwas außer Reichweite zu Boden fiel und die starke Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit hätten ihn mehr verärgert, als dass es ihm Freude gemacht hätte. Er hatte sich dann hinter seinen Büchern vergraben und sich mit der schmalen Unfallrente abgefunden. „Es war nicht immer lustig bei uns.“, hatte Jake einmal angedeutet. „Und wie hast du das ausgehalten?“, hatte ich dagegen gefragt. „Ich habe mir einfach meine gute Laune nicht vermiesen lassen. Ich bin ein sehr hartnäckiger Mensch.“, grinste er breit zurück. Ja, das war er wohl. Seine beiden Schwestern dagegen hatten die Flucht ergriffen. Aber es schien Billy inzwischen ganz gut zu gehen, und die Gesellschaft des Nachbarjungen tat ihm ebenfalls gut. Nachdem wir den stillen, finstern Wald verlassen hatten, wirkte die Bucht, die vor uns lag, hoch und frei. Sterne schimmerten am tiefschwarzen Himmel, und lange Schatten jagten den Saum des Wassers entlang. Ein paar der Jungs jagten, sich ins gegenseitig nass spritzend, bis in die Wellen des sanft brandenden Pazifiks, dessen Fluten bestimmt immer noch eiskalt waren. Andere saßen am Feuer und brutzelten Fleisch an langen Ästen über der Glut. Ich war gerade dabei, mit Seth seine rosafarbenen Marshmallows goldbraun zu rösten, als Jake hinter uns auftauchte und uns je eine Coladose aus einer braunen Türe holte. Ich nahm sie aus seiner Hand entgegen und schaute zu ihm hoch. Er lächelte zufrieden, und seine Züge erinnerten mich an die vielen Wochen in seiner Garage, als wir die Motorräder zusammen gebaut hatten. Damals hatte es auch immer warme Cola gegeben. Endlich schien Jacob mal wieder voll entspannt zu sein, und seine Vorsicht und Zurückhaltung, die er sonst an den Tag legte, war einmal nicht so deutlich zu spüren. Er setzte sich neben mich und Seth und mopste uns ein wenig von dem Fleisch, das Sue ihrem Sohn mitgegeben hatte. Dafür röstete er uns die Toastscheiben an einem langen Spieß. Obwohl das Essen sehr einfach war, schmeckte es prima, und so langsam schwappte die Feierlaune doch auch auf mich über. Embry und Quil kamen immer wieder vorbei und versuchten Jakes Brots zu stehlen, worauf sie wie die Verrückten um das Feuer rannten und sich gegenseitig verfolgten. Schwer atmend und aus vollem Halse lachend kamen sie wieder zurück und ließen sich auf die Stämme am Boden fallen. Jake zog mich zu sich und drückte mich auf seinen Schoß, und seine ungewohnte Nähe machte mich ganz nervös. Ich saß auf seinem kräftigen Schenkel als ob ich sein Mädchen wäre, und ich überlegte mir, wie es wohl sein müsste, wirklich seine Freundin zu sein. Wahrscheinlich würde er eine solche noch deutlich fester halten und sich mehr um sie kümmern und nicht, wie jetzt, nebenbei mit seinen Freunden zanken. Oder doch zanken, aber quasi mit der Freundin unterm Arm. Ich schätze Jake als einen Jungen ein, der sich nichts daraus machte, seine Zusammengehörigkeit auch in aller Öffentlichkeit deutlich zu zeigen und sich wie Sam überall zu küssen, vollkommen egal, ob jemand zusah oder nicht. Ich glaube, ihm wäre es sogar gleichgültig, ob die Eltern dabei zusehen würden. „Ich habe sie geküsst.“, hatte er doch einfach zugegeben, als ich ihm eine verpasst hatte und Charlie wissen wollte, warum. Der Hammer dabei war ja Charlies Antwort gewesen: „Gratuliere!“ Mir schwante, dass Charlie vollkommen entzückt sein würde, wenn ich mit Jake als Freund aufkreuzen würde. Sein langjähriger Wunsch hätte sich erfüllt. Edward dagegen hatte er nie leiden können. Aber da hatte er die Rechnung ohne mich gemacht. Wobei Edward mir vor Zeugen nie nahe treten würde. Das war nicht seine Art, er war da eher… distanziert. Und ich? Eigentlich sah ich es nicht so verkrampft, und Händchenhalten in der Öffentlichkeit müsste auf alle Fälle schon drin sein. Das hatte ich Edward recht mühsam abringen müssen. Ich betrachtete Jacobs schemenhaft beleuchtetes Gesicht, das meinem so nahe war und versuchte mir vorzustellen, wie er wohl mit einer Freundin zusammen aussehen würde. Da musste ich meine Fantasie gar nicht so sehr bemühen, denn eine passende Szene hatte sich gerade am Tag zuvor eingestellt. Damit doch noch alle Jungs ab und zu zusammen kommen konnten und die Trainierenden auch ein wenig Spaß und Abwechslung hatten, spielten wir jeden Tag mindestens eine halbe Stunde. Sam hatte sich für Fußball entschieden, da hier nicht Muskelmasse und Größe zählten wie beim Football, sondern die Schnelligkeit und Geschicklichkeit jedes einzelnen. Da konnten auch wir Mädchen mitmachen, ohne in Gefahr zu geraten, ständig erdrückt zu werden. Und man brauchte keine Ausrüstung, nur einen Ball und ein paar selbstgebastelte Tore. Sogar mir bereitete dieses Spiel Spaß, denn anders als bei den ganzen Ballspielen, die mit der Hand gespielt wurden, war ich mit den Füßen gar nicht mal so schlecht. Ich war recht schnell und wendig, und ich traf den Ball auch einigermaßen. Jedoch war mir Leah mit ihrer sagenhaften Geschwindigkeit deutlich überlegen, und wieder einmal hatte sie ein Tor geschossen, was von ihrer Mannschaft ausgelassen gefeiert wurde. Irgendjemand hatte sie auf Jacobs Schultern gehoben und eine ganze Gruppe ausgelassener Jungs hüpfte kreischend und jubelnd um die beiden herum über die große Wiese. Ich hatte ein wenig neidisch zu ihr hinüber geschaut. Ihre sonst meist verbitterten Züge schienen endlich einmal gelöst und voller Freude zu sein. Ihre rabenschwarzen, kinnlangen Haare standen ihr zerzaust vom Kopf ab, und ein befreites Lächeln betonte die schönen, hohen Wangenknochen und ließ ihre tiefschwarzen Augen leuchten. Mit ihren langen, schlanken Beinen klammerte sie sich an Jacobs muskulösen Oberkörper fest und machte elegant jede seiner Bewegungen mit. Die dunkelhäutigen Gesichter der beiden strahlten in seltsamen Einklang. Sie waren unbestritten ein sehr schönes Paar, und ich schalt mich, als mir selbst bei der Erinnerung an diese Szene ein Stich ins Herz fuhr. Sie hatte eh nicht lange gedauert, denn Jacob hatte das Mädchen einfach mit einem Ruck über seinen Kopf hinweg abgeworfen und sie geschickt mit seinen Armen aufgefangen, bevor er sie grinsend wieder auf die Beine stellte. Tja, Jacob würde verdammt gut mit Freundin aussehen… und gut tun würde es ihm auch, aber gerade Leah? Er konnte sie nicht mal leiden. Aber mir fiel ein, dass ich mit ihr noch etwas besprechen wollte. Ich würde sie nachher suchen gehen, aber im Augenblick wollte ich meinen bequemen Sitz nicht verlassen. Wir aßen zusammen die Marshmallows, die Seth uns röstete und tranken durstig die Cola, und ich lehnte gegen seinen warmen Körper und fühlte mich einfach nur wohl. Keiner der Jungs hatte auch nur eine blöde Bemerkung zu mir wegen der Cullens gemacht, und das wohl nicht nur, weil Jake angedroht hatte, dass jeder eins auf die Nüsse bekommen würde, der mich deswegen schräg von der Seite anquatschen würde. Ich gehörte inzwischen wirklich dazu, egal, wie meine Vorgeschichte war. Wir waren ein Rudel, und nichts konnte uns auseinander bringen. So kam es mir zumindest vor. Eine solche Verbundenheit hatte ich noch nie in meinem Leben verspürt, und für mich war dieses Feuer auch eine Art Abschiedsfest, denn ich wusste, dass meine Tage hier gezählt waren. Ich wusste nicht, was danach kommen würde, aber es würde auf alle Fälle anders sein. Mehr wollte ich mir den Kopf an diesem Tag nicht darüber zerbrechen. Ich wollte die Nacht einfach nur genießen. „Du hast vorher studiert?“, fragte ich Emily neugierig, als ich später meine Runde um das Feuer machte und mich zu ihr setzte. Sie röstete mit Sam Unmengen von Kartoffeln in Folie und schaute erwartungsvoll auf die Glut, die die zahlreichen silbernen Knollen einhüllte. Die feurig rot schimmernde Holzstücke gaben nur ein diffuses Licht ab, indem ihre Narben völlig verschwanden, und man konnte sich gut einen Eindruck machen, wie sie ohne diese aussehen würde. Sie war wirklich wunderschön. „Ja.“, nickte sie mir mit einem strahlenden Lächeln zu. „Und willst du dein Studium nicht fortsetzten?“ Verlegen schüttelte sie den Kopf. „Nein, das ist mir zu unangenehm. Alle starren mich den ganzen Tag an wegen der Narben.“ Ich sagte nichts dazu, weil ich sie nicht verletzten wollte. Aber ich konnte mir gut vorstellen, wie das sein musste, nur war es sehr schade, dass sie deswegen ihre Ausbildung aufgegeben hatte. Sie war mit solchem Feuereifer dabei gewesen, die alten Sagen aufzuzeichnen, und sie wäre bestimmt auch eine gute Lehrerin geworden…so wie Sam auch ein hervorragender Lehrer war. Die beiden hatten Talent. „Womit verdient Sam eigentlich sein Geld?“, fragte ich neugierig. „Er verdient keines. Der Stamm legt zusammen und zahlt ihm eine kleine Summe, damit wir über die Runden kommen, als Ausgleich für die Ausbildung der Wölfe.“ Sam war ja wirklich den ganzen Tag für sein Rudel unterwegs, und einer normalen Arbeit konnte er kaum nachkommen. Und Emily saß wegen ihrer Narben hier fest. Vielleicht würde das Verschwinden der Cullens hier doch zu einigen positiven Veränderungen führen. So sehr sie mir fehlten, so sah ich doch auch, dass sie den Quileute viele Sorgen und Unannehmlichkeiten bereitet hatten, mal ganz abgesehen von den Unfällen und Verletzungen. Ich konnte langsam verstehen, warum die Wölfe so schlecht auf die Vampire zu sprechen waren und dass sie wirklich Grund hatten, ein ausgelassenes Fest zu feiern, wo sie nun weg waren. Kurz darauf saß ich dann neben Leah auf einem Stapel nackten Treibholzes, das am Strand gelagert war, um später noch verbrannt werden zu können. Sie war ja meine Cousine zigsten Grades, auch wenn sie nicht so begeistert von mir war wie ihr kleiner Bruder. Ehrlich gesagt hatte ich bis zum heutigen Tag nie mit ihr gesprochen, und ich hatte sie extra gesucht, um einmal ein paar Worte mit ihr wechseln zu können. Wir waren immerhin die einzigen Mädchen im Rudel. Ich blickte scheu zu ihr hinüber. Ich Gesicht war wieder missmutig verzogen, und ich verfolgte ihren Blick und stellte fest, dass er gebannt auf Sam ruhte, der sich gerade ein spielerisches Duell mit Jacob lieferte. Sam war drahtiger als Jacob, und mit verbissenem Ehrgeiz hetze er voraus und versuchte, seine endlich gare Folienkartoffel vor unerlaubtem Zugriff zu schützen. Jacob jedoch kämpfte mit vollem Einsatz, wie immer, wenn er hungrig war. Er holte Sam rasch ein und tänzelte ständig um ihn herum, versuchte ihn zu stören, ihm die silberne Kugel abzunehmen, aber Sam war recht geschickt. Die restlichen Jungs stürmten den Beiden hinterher, und bald konnte man in der Meute niemanden mehr erkennen. Jeder versuchte, eine Kartoffel zu ergattern, dabei hatte Emily eh einen ganzen Sack voll vorbereitet, da sie den ungezügelten Appetit der Jungs nur zu gut kannte. „Du, Leah.“, setzte ich an. Schon lange lag mir etwas auf dem Herzen. „Hm?“, kam es nur mürrisch von der schweigsamen Indianerin zurück. Die Freundlichste war sie ja nicht gerade. „Also, wegen damals, als Sam mich als Alphaweibchen bezeichnet hat: also, da habe ich nicht gewollt.“ Sie lachte nur kurz und schroff auf und wandte mir sogar den Kopf zu. Die leicht schrägstehenden Augen blitzen. „Als du es Paul gegeben hast?“ Sie grinste mich an, ich nickte nur kurz. „Das war spitze. Endlich hat dem mal jemand sein freches Maul gestopft.“ Sie konnte den heißblütigen Kerl wohl auch nicht so recht leiden. „Ja, aber deswegen gleich als Alphaweibchen tituliert zu werden... also ich wollte dir nicht deinen Rang wegnehmen oder so was.“, stammelte ich verlegen. Sie schaute mich prüfend an. Ihr schmales Gesicht war wirklich schön, die schwarzen, dunklen Augen lagen tief in den Höhlen, um die Lippen lag eine herbe Strenge. Sie drehte schon wieder den Kopf weg und betrachtete weiter das Gerangel. Die Indianermädchen waren wirklich auffallend hübsch. „Keine Angst, du nimmst mit nichts weg, ich will sowieso nichts davon haben. Gar nichts.“ Dabei verzog sie verbittert die schönen, vollen Lippen. „Du magst nicht hier sein?“ Sie schüttelte energisch den Kopf. Alle waren so ausgelassen und fröhlich, nur Leah schien sich davon nicht anstecken zu lassen. „Nein, aber er zwingt mich dazu.“, und sie wies mit einem leichten Kopfnicken zu Sam hinüber. „Was würdest du denn gerne tun?“ Und wie aus der Pistole geschossen, zischte sie die Antwort. „Weg gehen. Ganz weit weg. Und meine Ruhe haben.“ Dann senkte sie wieder den Kopf und legte das Kinn auf die angezogenen Knie. Ihre Augen verfolgten weiter das Spiel, und ich wusste, dass sie sie trotzdem nicht von Sam lassen konnte. „Hast du ihn schon mal gefragt?“ „Oft genug, aber er will nicht, dass ich gehe. Er will, dass ich hierbleibe, er will mich beschützen.“ Sie spie die Worte beinahe aus. Ich war entsetzt, als ich merkte, wie tief die Qual ging, die sie beherrschte und von der sie nicht los kam. Den Mann, den sie so sehr liebte ständig vor Augen haben zu müssen, ihm so nahe zu sein und ihn doch nie erreichen zu können, das musste furchtbar sein. "Soll ich ihn mal fragen?", schoss es mir spontan durch den Kopf. "Tu doch nicht so scheinheilig. Du bist doch ganz genauso. Alles, was du kannst, ist IHN quälen." Und sie nickte zu Jacob hinüber, der immer noch lachend Sam hinterher rannte. Ich wollte nur helfen, aber die Reaktion, die ich damit verursacht hatte, ließ mich frösteln. Ihr Ton war so giftig und so gehässig, dass ich vollkommen erschrocken war. "Er war fertig, total erledigt, und er wollte nur noch weg. Er konnte nicht mehr, verstehst du? Und nur weil du dich verwandelt hattest, ist er überhaupt zurückgekommen. Er kommt nicht von dir los, und du lässt ihn wie eine Marionette an ihren Fäden tanzen. Du nutzt ihn gnadenlos aus, und du verhinderst mit allen Regeln der Kunst, dass er auch nur einmal ein wenig zur Ruhe kommt." ‚Dein Heizlüfter kann nicht mehr. ‘, hallte Edwards Stimme durch den Kopf. Wie oft hatte ich diese Vorwürfe nun schon hören müssen, und jedes Mal war meine Scham größer, mein Schmerz tiefer geworden. Aber egal was ich tat, wie sehr ich mich an meine Vorsätze hielt, wie sehr ich auch zu vermeiden versuchte, dass ich ihm weh tat, ein gehässiges Schicksal schien mich unentwegt zu verfolgen, dass mich zwang, Jacob immer wieder erneut zu verletzen und zu quälen. Oder war ich einfach nur zu egoistisch? Natürlich wusste das gesamte Rudel, was in Jacob vorging, und ich wurde vor Pein feuerrot, als sie es so offen aussprach. Leah war gerade gut in Fahrt und machte lustig weiter. "DU solltest lieber verschwinden, und das zwar plötzlich. Hast dich einfach bei ihm einquartiert, und pennst auch noch in seinem Bett. Meinst du nicht, dass es irgendwann reicht? Dass du ihm genug zugemutet hast?" Zornig funkelte sie mich an. Mir fiel gar nichts mehr ein auf ihre Worte. "Was würdest du tun, wenn ich DEIN Mädchen wäre und mir was passiert wäre?" Diesen Satz, den ich zu Jacob gesagt hatte, um ihn herum zu kriegen, mich zu Edward zu bringen, wiederholte sie mir mit verstellter Stimme voller Abscheu und Häme, und mir war klar, dass sie einfach nur Recht hatte. Jacob musste er ständig durch den Kopf gehen, wenn sie ihn so wortwörtlich zitieren konnten. Ich war fies, ich war gemein zu Jacob, ich quälte ihn bis aufs Blut und nutze ihn schamlos aus. Auch wenn ich mir noch so viel Mühe gab, es nicht zu tun. Ich nickte nur beschämt und stand langsam auf. Die Partystimmung fiel augenblicklich von mir ab, und ich kam mir vor wie eine Fremde, die sich auf einer Feier eingeschlichen hatte. Meine Schritte waren steif und ungelenk, und ich taumelte ein wenig, als ich den Feuerkreis verließ und Richtung Wald ging. Die Feier war noch in vollem Gange, und so merkte keiner, dass ich mich leise davon schlich. Bedrückt und unglücklich lief ich in Billys Hütte. Hastig sammelte ich meine Sachen ein, und ich weinte, als ich die Taschen vollstopfte und noch einen Blick über das enge Schlafzimmer schweifen ließ, ob ich etwas vergessen hätte. Dann drückte ich dem verdutzten Billy zum Abschied einen Kuss auf die Stirn. Er war mir über die Zeit sehr ans Herz gewachsen, und er verstand mich auch ohne Worte. Schweigend sah er mich an, und Kummer stand in seine Züge geschrieben. Ich ging noch einmal zu ihm zurück und fiel ihm um den Hals. Er nickte nur müde, drückte mich und klopfte mir sacht auf den Rücken. Er schaute mir traurig nach, als ich ging. In der Türe wandte ich mich noch einmal um. "Hab vielen Dank, dass ich hier so lange wohnen durfte. Und sag Jacob Lebewohl." Dann stieg ich in meinen Transporter und startete den Motor. ooOOoo Im nächsten Kapi sieht sie endlich Edward wieder und die große Entscheidung steht bevor. Lasst mir ein Review da, wie es euch gefallen hat und wie ihr Leah findet... LG Hi-chan Hosted by Animexx e.V. 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