Red Moon von HiYasha (Bellas Leben nimmt eine völlig ungeahnte Wende: sie wird zum Werwolf) ================================================================================ Kapitel 9: Training ------------------- So, ich hab wieder was für euch. Nun erlebt ihr das Gegenstück zu Jakes Kapi, wo er auf Bella gewartet hatte, dass sie sich nach dem grandiosen Sieg über Paul wieder zurück verwandelt. Das war nämlich gar nicht so einfach für sie, weil ihr immer was durch den Kopf ging. Und ihr begleitet sie bei ihrem Training und könnt hautnah miterleben, was sie da alles erlebt. Viel Spaß damit… vielleicht lernt ihr ja auch was *g* Training Sam hatte mich zur Seite genommen, während die anderen sich weiter auf der großen Wiese balgten und unterhielten. Aus seiner Hütte hatte er bereits neue Kleidung für mich besorgt, und nun standen wir hier hinter einem Gebüsch verborgen auf Rande einer kleinen Lichtung, damit ich mich wieder zurück verwandeln konnte. Es war mir peinlich, dass Sam wieder dabei sein würde, wenn ich nackt vor ihm stehen würde, aber es ließ sich auch nicht vermeiden, denn ich hatte deutlich mehr Mühe, das Tier wieder los zu werden als es hervor zu holen. Das Tier, das mir diesmal nicht einmal lästig gewesen war. Ich konnte es kaum glauben. Immer war ich die kleine, schwache Bella gewesen, die man beschützen musste. Immer war ich das schwächste Glied in der Kette gewesen, immer musste Rücksicht auf mich genommen werden. Haltet Bella versteckt, sperrt Bella ein, bringt sie weg, passt auf sie auf! Wegen mir konnten die Starken nicht kämpfen, weil sie mich beschützen mussten, weil sie immer Rücksicht auf mich nehmen mussten. Ich war ständig Klotz am Bein. Mann, war ich das leid. Schon zuvor hatte ich mich meist als Bremse gefühlt, zum Beispiel in Renées neuer Beziehung. Deswegen war ich ja extra gegangen, hatte sie verlassen, den Wohnort gewechselt und war zu Pa gezogen, in dieses ewig feuchte Nest, damit sie ihre Freiheit hatte und ungehindert mit ihrem Phil reisen konnte. Das hatte ich ihr so gewünscht. Dann fand ich es hier sogar schön und hatte neue Freunde gefunden, gar noch meine große Liebe. Und was war passiert? Wieder war ich die Achillesferse, das schwächste Mitglied der Gruppe, der kleine Trampel, auf den man immer Rücksicht nehmen musste. Jetzt erst recht... was kein Wunder war, wenn man mit lauter unsterblichen Vampiren rumhing, die schnell wie der Wind waren und deren glatte Haut härter als Marmor war. Es war zum Verrücktwerden. Wegen mir konnte Edward nicht kämpfen, weil ich so verletzlich war. Ich konnte nicht mal den Lockvogel spielen für die blutdürstige Neugeborenenarmee, dabei hätte ich die so gut durcheinander bringen und ablenken können mit meinem ach so stark riechenden Blut. Hatte ich einmal einen Joker in der Hand, dann durfte ich ihn nicht mal einsetzen. Bloß nicht, zu gefährlich! Ich hasste es. Mir war jeder Tag zu lang, den ich noch so ein verflucht zerbrechlicher Mensch sein musste. Und nun war mir das passiert. Und als Paul so unverschämt stänkerte, da wurde mir auf einmal bewusst, dass ich jetzt etwas hatte, was mir helfen würde, mich allein wehren zu können. Es war nicht die Verwandlung, die ich mir ausgesucht hatte. Aber ich brauchte auch auf einmal keinen Jacob, der für mich einsprang, um meine Ehre zu retten, brauchte keinen Edward, der mich wie ein Möbelstück packen und verstecken würde. Nein, diesmal war ich selbst stark genug, um es dem Bastard zu zeigen. Das Tier hatte keine Angst vor ihm. Und als es über mich kam, durch meine Adern drang und meine Sehnen, als es meine Nerven vibrieren und mich erzittern ließ, da freute ich mich richtig darüber. Ich bot mich ihm an, und es ergriff Besitz von mir, es glitt in meinen Körper, sanft und völlig schmerzlos. Es verriet mir mit reinem Instinkt, wo ich zubeißen musste, und es hielt mich auch zurück, damit ich keinen Schaden anrichtete. Und ich war stolz, so verdammt stolz auf mich, dass ich mich zum ersten Mal um mich selbst hatte kümmern können, ohne dass einer der Jungs mir zu Hilfe eilen musste. Es tat richtig gut… Jake hatte es auch gefallen… Nur rauskommen sollte ich auch wieder aus diesem braunen Pelz. Und daran haperte es noch ein wenig. Ich würde Sam also aufmerksam zuhören und lernen müssen, bis ich es beherrschte, bis es klappte, bis ich das Sagen hatte und nicht mehr die Natur dieses Wesens. Dann war es perfekt. Also lauschte ich gespannt. „Es reicht nicht, Gedanken und Gefühle einfach nur zu unterdrücken. Deswegen sind sie immer noch vorhanden. Du musst es schaffen, sie tatsächlich zu vermeiden.“ Er schaute mich dabei eindringlich aus seinen dunklen Augen an. Er hatte gut reden. Das war gar nicht so einfach. „Und für die Rückverwandlung ist vor allem innere Ruhe nötig.“ Ja klar, her damit. Aber woher nehmen? Davon hatte ich leider recht wenig in mir, und ich wusste auch nicht, wie ich das so aus dem Stehgreif hinbekommen sollte. Ein Teil von mir war eh noch furchtbar aufgeregt, immerhin wurde man nicht jeden Tag zum Wolf. Dann der Adrenalinschub vor kurzem, als ich mich mit Paul angelegt hatte, und mein anschließender Siegestaumel waren bestimmt auch nicht gerade förderlich bei diesem Vorhaben. Sam schien mir anzusehen, dass ich große Mühe hatte, das auch nur andeutungsweise hinzubekommen, denn ich rutschte nervös hin und her, spielte mit den pelzigen Ohren, fegte mit dem langen Schwanz über den Boden und konnte nicht aufhören, herum zu zappeln. „Ich weiß ja, dass du furchtbar aufgeregt bist. Aber du musst vollkommen ruhig werden. Entspanne dich, versuche jeglichen Gedanken zu vermeiden. Deinem Körper fällt es nicht schwer, die menschliche Gestalt wieder frei zu geben. Was dich bremst, ist dein Geist. Wenn du völlig im Einklang mit dir bist, dann gelingt es beinahe von alleine. Und auch ohne Schmerzen.“ Wie in der Nacht, als ich geträumt hatte. Daher hatte ich zum Menschen werden können, ohne es zu bemerken. Weil mir meine Grübeleien nicht im Weg waren. Aber wenn ich wach war, dann machte ich mir nun mal dauernd Gedanken und Sorgen. Auch als Wolf, wenn auch nicht so viele wie sonst. Nur, wie sollte ich das abstellen? Das würde ich hier auch nicht auf die Schnelle hinbekommen. Aber ich wollte die anderen auch nicht warten lassen. Also versuchte ich so gut wie möglich, die Hilfestellungen anzunehmen, die Sam mir gab. „Leg dich hin und schließe die Augen.“ Folgsam legte ich mich ins Gras und senkte die Lider. Ich spürte die Sonne, die mir durch das lichte, hellgrün leuchtende Blätterdach auf den dichten Pelz brannte. „Spüre den Boden unter dir, wie du ihn berührst, sein Fell auf dem Gras, die Pfoten auf der Erde. Spüre den Atem, der in deine Lungen strömt. Konzentriere dich nur darauf.“ Ich versuchte es. „Nun lass alle Gedanken los, gib dich der Sonne hin, der Wärme, nehme die Gerüche wahr, aber konzentriere dich nicht darauf. Sie durchfließen dich, du hältst sie nicht auf.“ Der herrliche Duft von Wald und Moos durchdrang mich, und es roch intensiv nach Harz und Rinde. Außerdem konnte ich das Rudel riechen. Ich hob den mächtigen Brustkorb und sog die würzige Luft in meine gewaltigen Lungen. Der Duft war unbeschreiblich, er enthielt Nuancen, für die ich gar keine Bezeichnung fand. Die Sonne prickelte auf meiner Schnauze und leuchtete hellrot durch die Lider hindurch. Ein sanfter Wind brachte mir Gerüche von den Bergen entgegen. Kühler Fels und klares Wasser, Gräser und Flechten, und die süße Wucht jeder Menge Beeren. Entspannt lag ich auf dem Boden und merkte, wie mein Atem immer langsamer ging. Trotzdem hechelte ich ein wenig, denn es war ein warmer Tag. „Jetzt spüre deinen Körper, erfasse ihn, und denke an den Menschen, der du unter dieser Hülle immer noch bist. Erfasse deine menschliche Gestalt, dein Wesen, berühre es mit deinen Gedanken.“ Ich folgte seinen Anweisungen und versuchte, mich mir selbst in diesem Wolfskörper vorzustellen. Bella, am Boden hingekauert, die Augen genießerisch geschlossen, die Nase leicht gebläht. Ein Körper, kauernd auf der sommerlichen Wiese, halb versteckt im hohen Gras, mittelgroß und bleich, die dunkelbrauen, langen Locken wehten im Wind. … ich sollte mir vielleicht die Haare schneiden lassen, damit ich nicht gar so zottelig bin, schoss es mir durch den Kopf. Nein, keine Grübeleien. Ruhe, verdammt! Ich versuchte es noch einmal. Das würde nie klappen, wenn ich immer abschweifte. Wieder versuchte ich, meinen Kopf zu leeren und alle Gedanken zu verbannen - ich konzentrierte mich auf meine Atmung, spürte den massigen Körper, der auf dem weichen Wiesenboden lag und suchte wieder den Menschen in mir. „Spüre deinen Rücken, deine Arme und Beine, stelle dir vor, du streichst mit den Händen über den ganzen Körper. Spüre die Haut unter deinen Fingern, die Muskeln, die Sehnen.“ Ein Kribbeln in meinem Rücken teilte mir mit, dass ich auf der richtigen Spur war. Ich konzentrierte mich noch mehr… ich konnte die feinen Härchen auf meiner Haut spüren, und ich meinte zu fühlen, wie sie sich bei der imaginären Berührung aufrichteten. Ich tastete weiter im Geiste, die Arme entlang, die nackten Schultern hinab, dabei kroch mir das Kribbeln den Rücken hinauf… bis in den Nacken. Plötzlich merkte ich, dass ich mir Jacobs Hände vorstellte, die mir den Rücken entlang strichen. Warm, sanft und tröstend, wie heute Nacht, als ich so geheult hatte. Das Ziehen verstärkte sich, und ich empfand immer deutlicher den menschlichen Körper. Warum kam mir jetzt gerade Jacob in den Sinn? Ich sollte nicht an ihn denken… Mist! Jetzt war alles wieder weg, das Kribbeln, das die Verwandlung ankündigte, war verschwunden. Ich sollte vielleicht meine moralischen Konflikte nicht gerade jetzt mit mir durchgehen. Ich winselte leise, und Sam merkte, dass ich abgelenkt war. „Ganz ruhig Bella, das wird schon. Entspanne dich. Lass alles los. Denke nur an deinen Rücken.“ Ich begann wieder von vorne und stellte mir lieber gleich Jacobs Hände vor, die an meinem Kreuz entlang strichen. Eine anhaltende Bewegung. Auf und ab. Auf und ab. Es fühlte sich gut an. Einen Augenblick kam es mir vor, als ob da auch Sams Hände auf meinem Fell waren. Aber ich nahm sie kaum wahr, denn was ich wirklich zu spürte, waren die warmen, weichen Hände des Jungen auf meinem menschlichen Körper. Und da stellte sich auch das Kribbeln wieder ein. Ich konzentrierte mein ganzes Denken auf dieses Gefühl, diese Berührung. Sie war so schön, so intensiv… Oh mein Gott, ich durfte das nie jemanden verraten… dass ich mir Jakes Hände vorstellte. Das musste mein großes Geheimnis bleiben… Schon wieder war alles vorbei. Ich fluchte innerlich. Sam spürte genau, dass ich schon wieder den Faden verloren hatte. Aber er war unendlich geduldig. Unablässig strich er mir über das Fell und begann, leise vor sich hinzusummen. Mit gekreuzten Beinen saß er neben mir auf dem Boden und wippte sanft hin und her. Auch er trug nur leichte Short, und unter der glatten, braunen Haut seines Oberkörpers tanzten die Muskeln, wenn er seinen Arm bewegte. Es war eine friedliche Stimmung an einem der wohl letzten, schönen Sommertage. Sein seltsamer, indianischer Gesang lullte mich ein, ich schloss wieder die Augen und versetzte ich mich in tiefe Entspannung, nahm den intensiven Duft des Waldes wahr, spürte die Wärme der Sonne. Und mit jedem Strich über meinen zotteligen Pelz versank ich mehr in dieser Welt. Eine Fliege krabbelte mir ins Ohr. Wie das kitzelte! Ich schüttelte energisch den Kopf, vertrieb das Insekt… und die entspannte Atmosphäre war mit verschwunden. Also wieder von vorne. Der Rücken. Die Hände. Sam strich mir in langsamen Zügen über mein Fell. Es beruhigte mich. Es machte mich schläfrig. Keine Gedanken. Nur der Körper. Spüren. Fühlen. Mein Rücken, meine blasse Haut, eine warme Hand… Ich ließ mich von diesem Gefühl durchdringen, spürte regelrecht die Energie, die mich durchlief, die brannte und juckte, und dann merkte ich, wie die Formen verblassten, sich vermischten, wie sich die Grenzen aufhoben und sich die menschliche Form durchsetzte. Ich spürte meine Beine, den Oberkörper, die Pfoten, die zu Armen wurden, spürte sie Sonne auf der nackten Haut, den Wind in meinem Fell, meinen Haaren. Ich war völlig gelöst, und ich spürte keinen Schmerz. Nur ein seltsames Ziehen in all meinen Muskeln. Und dann spürte ich das Gras unter meinen nackten Beinen und wusste, dass ich es geschafft hatte. Überrascht öffnete ich die Augen. So schnell war es mir noch nie gelungen, sonst hatte ich Stunden gebraucht. Und diesmal war wohl gerade Mal eine halbe Stunde vergangen. Wenn überhaupt. Aber das löste immer noch nicht das Problem, dass ich mich allzu schnell in einen Wolf verwandelte. Na ja, immerhin etwas. Heute war ich zum ersten Mal nicht mehr so ängstlich gewesen. Und ich musste zugeben, dass mir die Vorstellung von Jacobs Händen auf meinem Körper enorm geholfen hatte. Aber das sollte mein Geheimnis bleiben. Ich blinzelte gegen die Sonnenstrahlen an, die durch meine Wimpern blendeten. Sam saß mit dezent gesenktem Blick neben mir und hielt mir die Kleidung hin. Ich ergriff sie, streifte mir das Shirt über den Kopf und schlüpfte in die kurze Hose. Gut, dass Emily und ich ungefähr die gleiche Größe hatten. Ich zog noch meine langen Haare aus dem Halsausschnitt des Shirts, dann gingen wir los zu den anderen. Dankbar nickte ich Sam zu. Er war wirklich eine sehr große Hilfe und auch immer absolut höflich und zurück haltend. Noch kein einziges Mal hatte er einen Blick auf meinen nackten Körper geworfen, sondern immer respektvoll zur Seite geblickt. Das tat gut, wo ich ihm doch völlig preisgegeben war. Er hatte auch noch kein Wort wegen der Haare gesagt. Ob das alle freiwillig taten? Sie so kurz schneiden zu lassen? Selbst Leah trug eine Kurzhaarfrisur. Ich erinnerte mich, wie entsetzt ich war, als Jacob zum ersten Mal mit seinen kurzen Haaren aufgetaucht war. Ich war total schockiert gewesen, hatte ihn kaum erkannt, so nackt und so erwachsen. Wo mir doch seine schulterlange Haarpracht so gut gefallen hatte. Also ganz so kurz würde ich sie mir nicht schneiden lassen, aber ein wenig vielleicht? Aber darüber konnte ich mir später noch Gedanken machen. Die meisten schauten überrascht, als wir schon so bald aus dem Gebüsch brachen. Wahrscheinlich hatten sie sich auf eine längere Wartezeit eingestellt. Paul schaute neugierig zu mir herüber, und ich nickte ihm einfach zu. Er trug jetzt eine andere Hose, und er schien ein wenig verlegen zu sein, als er zurück grinste. Dann suchten meine Augen nach Jacob, den ich lang ausgestreckt mit geschlossenen Lidern im Gras liegen sah. War er eingeschlafen? Er war wohl immer noch recht müde von seinem langen Lauf. Oder war ich Schuld, dass er heute Nacht zu wenig Schlaf bekommen hatte? Ich sollte mich wohl nicht so breit machen in seinem Bett... Hoffentlich verwandelte ich mich jetzt nicht jede Nacht in den Wolf. Embry dagegen strahlte mich an und hüpfte gleich zu mir herüber, ebenso Seth, und die klopften mir auf die Schulter und gratulierten mir zu meinem ersten Kampf. Und ich konnte nichts anderes als strahlen wie ein Honigkuchenpferd. Wir zogen alle gemeinsam los und Sam erklärte, dass es heute um Spurenlesen und Orientierung ginge, und dass er bei dem guten Wetter einen Ausflug zu den Klippen mit uns machen würden, wo wir springen sollten, um unsere Furcht in den Griff zu bekommen. Schon wieder Klippen springen, das wurde wohl mein neues Hobby. Das Wetter war für die Gegend wirklich ausgesprochen schön, und so brachen wir auf, eine Rotte Jugendlicher um einen Lehrer geschart. Schulausflug, dachte ich nur. Sam lief die meiste Zeit neben mir her, wobei er auch die ganzen Neulinge um sich geschart hatte. Als Stadtmensch hatte ich wohl besonders viel nachzuholen, und so machte er mich auf vieles aufmerksam: wie ich die Himmelsrichtungen auch ohne Kompass bestimmen konnte, indem man die bemooste Seite der Bäume zur Orientierung nutze. Und Moos hatten sie wirklich genug angesetzt. Bei der ständigen Feuchtigkeit hier quoll es leuchtend grün aus der rauen Baumrinde hervor. Eigentlich wie ein Wegweiser: hier ist Westen. Oder er zeigte mir, wie man barfuß am besten lief, nämlich indem man den Ballen zuerst aufsetze, aber ihn noch nicht belastete, um erst den Boden abtasten zu können nach scharfen oder spitzen Gegenständen. Erst dann trat man auf. Am Anfang kam ich daher wie der Storch im Salat, aber als ich mit diesen Bewegungsablauf eingeprägt hatte, sah es recht natürlich, ja sogar elegant aus. Und vor allem bewahrte es wirklich davor, sich etwas in den Fuß zu treten. Und er zeigte uns, wie man sich überhaupt seinen Weg suchte, den Boden betrachtete und die saubere und sichere Spur fand, auf der man lautlos gehen konnte und sich auch nicht schmutzig machte. Als Wolf brauchte ich das Wissen nicht, das Tier in mir fand den besten Weg wie von alleine. Aber Bella Swan war ein ziemlicher Trampel. Es waren viele Dinge, die jeder indianische Junge wohl von klein auf beigebracht bekam, aber mir als bleichgesichtigen Stadtbewohnern unbekannt war. Er hatte Recht, ich hätte mich in jedem Wald nach kurzer Zeit hoffnungslos verlaufen, hätte einen Höllenlärm gemacht und wäre über alles gestolpert und gestrauchelt, was mir im Weg gestanden hätte. Ich musste zugeben, dass ich freiwillig kaum ins Gelände ging. Und wenn, dann verließ ich mich meist auf den Orientierungssinn anderer. Ich passte nie sonderlich auf, wo ich gerade war und wäre ohne Hilfe hoffnungslos verloren gewesen. Es war ja nicht nur einmal passiert, dass ich mich im Wald verlaufen hatte. Oder wie lange hatte ich diese Lichtung gesucht - Edwards Lichtung- war mit Karte und Kompass durch den Wald gestapft, weil ich da unbedingt hin wollte, aber mich kein bisschen erinnern konnte, wo diese Waldwiese eigentlich lag. Es würde mir echt guttun, wenn ich da mal ein wenig besser wurde. Also hörte ich aufmerksam zu. Ich lernte, wie man sich einen Weg einprägte, indem man sich markante Dinge merkte wie besonders große oder krumme Bäumen, einen Fluss, oder einen auffällig geformten Felsen, aber auch Wege und Straßen, die man kreuzte. Immer wieder fragte er uns aus, wo Norden und Süden sei, woher wir kamen und wohin wir gingen, und meine Antworten kamen immer schneller. Bis jetzt hatte ich wirklich nicht die Bohne aufgepasst, hatte lieber Musik gehört mit meinem Walkman oder vor mich hingeträumt. Oder wenn jemand dabei war, dann hatte ich mich angeregt unterhalten oder einfach den Kopf woanders gehabt. Wenn man aber die Augen offen hielt und sich nur ein wenig einprägte, wo man gerade war, in welche Richtung man lief und an welchen besonderen landschaftlichen Gegebenheiten man vorbei kam, war es gar nicht so schwer, immer genau zu wissen, wo man sich befand. Sam war ein prima Lehrer, er war wirklich sehr nett und einfühlsam, und ich konnte mir so langsam vorstellen, warum Jacob so für ihn schwärmte. Er spottete nie, wenn ich so gut wie gar nichts wusste und wies auch die anderen Jungs an, sich zurück zu halten mit ihrem Gelächter. Dafür überlegte er sorgfältig, was für mich wichtig sein könnte und erklärte mir das dann sehr anschaulich. Von solchen Lehrern hätte ich gerne mehr in der High-School gehabt. Jacob sah ich die meiste Zeit nicht, er war wohl mit Quil und Embry unterwegs. Dafür rannten die ganz jungen Wölfe ständig um uns herum, da sie noch genauso lernen mussten wie ich. Paul und Jared ließen uns in Ruhe und hielten sich ebenfalls abseits. Manchmal dachte ich schon, sie wären verschwunden, aber dann erblickte ich, wie ihre geschmeidigen Körper in einiger Entfernung durch das Unterholz brachen. Auch Leah konnte ich nirgends sehen, dafür klebte Seth die ganze Zeit an meiner Seite. Mein Cousin…wenn auch um fünf Ecken. Ich grinste ihn breit an, und auch er schien es toll zu finden, dass ich nun zu ihnen gehörte. Schneller als ich gedacht hatte, näherten wir uns der Küste. Ich konnte schon von weitem den Geruch nach Meerwasser und Gischt erkennen, und die Luft schmeckte salzig. Das ferne Rauschen der Brandung kam immer näher, und bald schon tat sich der majestätische Anblick der Steilküste auf. Schroff fielen die Felsen ab, viele Meter bis zu den schäumenden Wellen am Grund der Bucht. Der Wind war hier stärker und zerrte an unseren Haaren. Jacob tauchte plötzlich neben mir auf, und etwas verschwitzt und atemlos lachte ich ihn an. Ich fühlte mich so gut. Sam wies uns an, uns am Rand der Klippe der Reihe nach aufzustellen, eine Gruppe schwarzhaariger Jugendlicher, halb nackt und barfuß, mit olivbrauner Haut und kurzen Haaren. Bis auf eine. Aber sogar meine bleiche Haut hatte ein klein wenig Farbe angenommen, wenn sie auch eher rot als braun war. Ich sah kurz zu Leah hinüber, deren Blick selbst bei dieser grandiosen Aussicht immer noch versteinert wirkte, während die meisten aufgeregt plapperten und auf die Fluten hinab blickten, in die sie bald eintauchen sollten. Der Ausblick war atemberaubend. Das Meer glitzerte endlos in der Sonne, sanfte Wellen mit weißen Schaumkronen schaukelten hin und her. Ein paar Möwen kreisten über uns und kreischten, bevor sie wieder verschwanden. Mit gleichmäßiger Bewegung klatschte die Brandung gegen den Fels, ein unaufhörliches Branden und Brodeln tief unter uns. Sam setzte gerade zu einem Vortrag an, wie man seine inneren Ängste überwinden könne und was es bringen solle, sich hier von der Klippe zu stürzen. Vor allem die neuen, sehr jungen Rudelmitglieder sollten den Sprung von ganz oben wagen, an deren Rand wir uns nun befanden. Mir ging durch den Kopf, wie erschrocken ich damals gewesen war, als ich mit meinem Chevy hier vorbei gefahren war und gesehen hatte, wie Sam einen der Jungs glatt von der Klippe gestoßen hatte. Damals hatte ich gedacht, er wolle ihn umbringen und hatte eine Vollbremsung hingelegt, um zu Hilfe zu eilen. Aber Jacob hatte mich nur ausgelacht und mich aufgeklärt, dass es sich nur um eine Mutprobe für die neuen Mitglieder in Sams Gruppe handelte und eh alle aus dem Stamm hier runter sprangen, wenn auch von weiter unten. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal hier stehen und gar zu Sams Gruppe gehören würde. Das hatte wohl auch Jake nicht gedacht, der damals noch sehr wütend auf Sam und seine ‚Angeber‘ gewesen war. Aber wir hatten ja auch beide nicht gewusst, welches Geheimnis sich hinter dem Ganzen verbarg. Und nun standen Jacob und ich endlich einmal zusammen hier am Rand der Klippe, meiner Klippe, die ich inzwischen schon zweimal alleine hinab gesprungen war, was nicht immer ganz ungefährlich gewesen war. Die Erinnerung kam wieder hoch, wie er mich aus dem eiskalten Meer geschleppt und wie ängstlich seine Stimme geklungen hatte, als er versucht hatte, mir das Wasser aus meinen vollgelaufenen Lungen zu pressen. Ich war so gut wie ertrunken gewesen und wusste bis heute noch nicht genau, wie das eigentlich passiert war, ob mich die tosende Brandung hinunter gedrückt hatte oder ob doch Victoria die Finger im Spiel gehabt hatte, als es mich in die schaumige Tiefe gezogen hatte. Dabei hatte ich damals doch nur Edwards Stimme wieder hören wollen. Diese schroffen, kantigen Klippen hatten eine große Bedeutung für mich. Hier hatte ich meine Ängste und meine Todessehnsucht ausgelebt, hatte mich meine Verzweiflung in die brodelnde Tiefe getrieben, mich gepackt und mir den Mut zum Weiterleben rauben wollen. Aber auch Rebellion und Widerstand waren hier erwacht, gegen das Verbot zu trotzen, das Edward mir auferlegt hatte, ja nichts Gefährliches oder Waghalsiges zu tun. Und nicht zuletzt hatten diese kantigen Felsen eine Seite meines Wesens erweckt, die ich vorher nicht gekannt hatte. Eine wilde, ungestüme Bella, der es tatsächlich Spaß machte, sich hier hinunter zu stürzen. Ich warf einen Blick zu Jacob hinüber, oder eher hinauf. Der Wind spielte in den blauschwarzen Strähnen seiner Haare, und das Glänzen des weiten Meeres ließ seine dunklen Augen glitzern. Ich hatte den Eindruck, dass ihm ähnliche Erinnerungen durch den Kopf gingen. Er hatte mich damals so geschimpft, ich sollte mit den dämlichen Sachen gefälligst warten, bis er auch dabei war. Und nun stand er neben mir. Ein Lächeln erschien auf seinen vollen Lippen, und er nickte mit einer lässigen Geste auffordernd zum Felsenrand hinüber. Ich wusste gleich, was er meinte. Heute konnte er endlich die Einladung wahr machen, die er mir schon so lange gegeben hatte, aber bisher nie einhalten konnte, und bevor Sam uns mahnend davon abhalten konnte, sprangen wir Hand in Hand mit viel Anlauf und einem lauten Jauchzer die Klippe hinunter. ooOOoo Juhuuuuuuu, jetzt platschen sie ins Wasser. Na, wie hat es euch gefallen? Ganz schön schwierig, sich zu verwandeln, oder? Und schon seltsam, warum Bella sich ausgerechnet vorstellt, dass Jake ihr den Rücken streichelt… ihr wisst da schon mehr, warum ihr das so in den Sinn kommt, oder? ;o) Im nächsten Kapitel trifft sie Edward wieder… würd mich freuen, wenn ihr dann auch wieder dabei seid. Und schreibt mir, wie es euch gefallen hat. LG Hi-chan Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)