Fach Deutsch von Ilju ================================================================================ 1.2. Der Besuch der alten Dame ------------------------------ (Die Güllener sehen Claire nach, schweigend) Bürgermeister (flüsternd): „Ein Check.“ Pfarrer (empört): „Was haben wir uns bloß dabei gedacht! Wir haben uns hinreißen lassen. Und wofür? Für ein bisschen Reichtum. Nun haben wir jemanden verloren, der diese Stadt um Einiges mehr bereichert hat. Was sind wir bloß für Monster. Dafür werden wir sicherlich alle in der Hölle schmoren.“ Polizist: „Schweigen Sie!“ Pfarrer: „Nein, ich werde nicht schweigen! Ich war damit nie einverstanden, doch ich habe nichts unternommen. Ich habe Ill zur Flucht gedrängt, aber ich war am Bahnhof nicht dabei, als er meine Unterstützung gebraucht hätte. Ich habe versagt!“ Bürgermeister: „Das ist doch gar nicht wahr. Sie haben getan, was Sie konnten. Auch wir taten, was uns möglich war, um die Zachanassian von ihrem unmoralischen Angebot abzubringen. Wir konnten alle nichts tun. Unser Lehrer - der Lehrer, der immer so überzeugend sein konnte - auch er konnte sie nicht davon abbringen. Machen Sie sich keine Vorwürfe.“ Pfarrer: „Doch, genau das werde ich tun. Und ich werde nicht nur mir Vorwürfe machen, sondern ganz Güllen. Auch Ihnen, Herr Bürgermeister! Was sagten ie, als wir das erste Mal das Angebot hörten?“ Bürgermeister: „Das weiß ich nicht mehr. Ich denke, ich sagte, ich würde es mir überlegen.“ Pfarrer: „Sie scheinen alles vergessen zu haben. Ihr scheint alle alles vergessen zu haben. (wendet sich wieder dem Bürgermeister zu, stößt ihn vor die Brust) Ich sage Ihnen, was Sie damals sagten. Sie meinten nicht, Sie würden es sich noch einmal überlegen – nein, Sie haben für ganz Güllen gesprochen. Sie sagten, Güllen bleibe lieber arm denn blutbefleckt. Was ist aus diesem Vorsatz geworden?“ (Schweigen) Pfarrer: „Wir sind Mörder geworden. Elende, feige Mörder!“ (Schweigen) Bürgermeister: „Wir mussten es tun, wir hatten keine andere Wahl.“ Pfarrer: „Oh doch, die hatten wir. Es gibt immer mindestens zwei Möglichkeiten. Und wir haben die falsche ergriffen.“ Polizist: „Wie können Sie so etwas Absurdes behaupten? Ich sorge hier für Recht und Ordnung. Ill hat es verdient. Es war kein Unrecht, es war Recht. Er musste für seine Taten bestraft werden.“ Pfarrer: „Aber die Todesstrafe? Dafür, dass er vor vielen Jahren Claire schwanger sitzen ließ? Das ist doch keine gerechte Strafe!“ Polizist: „Oh doch, das Kind starb durch sein Verschulden. Wie heißt es so schön in Ihrem Lieblingsbuch? 'Auge um Auge, Zahn um Zahn'.“ Pfarrer: „Dies kann man doch heute nicht mehr anwenden. Als dieses gesagt wurde, bedeutete dieser Grundsatz doch eine Abschwächung der allgemein üblichen Strafe.“ (geht) Bürgermeister (langsam): „Vielleicht hat er doch Recht.“ Polizist: „Und wenn schon? Das macht jetzt keinen Unterschied mehr. Es ist passiert und wir sollten nicht länger darüber nachdenken. Wir können es ohnehin nicht mehr ändern.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)