Tabu von Schneefeuer1117 (One Shots für Harry Potter RPGs) ================================================================================ Kapitel 43: Jae-song III - Das Wiedersehen ------------------------------------------ Die sonst so vertraute Bar wirkte fremd auf Jae-song, als er das Choi-ce betrat. Er fühlte sich … deplatziert. Die sanfte Musik kitzelte in seinen Ohren und das Rauschen der Gespräche um ihn herum hüllte ihn in eine willkommene Anonymität. Niemand nahm wirklich Notiz von ihm, als er sich durch den schmalen Eingang über die Tanzfläche hin zur Bar schob, vorbei an den Tischen aus Eichenholz und den tiefhängenden warm leuchtenden Lampen, vorbei an eilenden Kollegen und tratschenden Frauen, vorbei am Geruch von Soju und Bier, von Snacks und Pizza, hin zum Mann in Weinrot – hin zum einzigen Menschen in der vollen Bar, den Jae-song wirklich wahrnahm. Vorsichtige Barkeeperfinger reckten sich, hielten inne, wollten berühren und waren gleichzeitig zu schüchtern – waren gefangen in der Frage danach, ob er ihn berühren durfte, ob sie Grenzen überschritten, und noch immer sah Jae-song einzig und allein jenen Mann, den er so sehr vermisst hatte. Mut zuckte lebhaft in seinem Inneren, beflügelte die letzten Schritte, der letzte Abstand war überwunden, ein zärtliches doch atemloses „Hyung“ brach von den Lippen und in einer einzigen Bewegung schmolzen Jae-songs Finger um das Handgelenk Sam-jungs und er ihm entgegen. Er spürte die Kälte des Uhrenmetalls im herrlichen Kontrast zur Wärme der Haut darunter, fühlte wie das Prickeln in den Fingerspitzen sich ungefragt und doch so willkommen im gesamten Körper ausbreitete und sein Herz zum Flattern brachte. Scheu suchte er die goldgesprenkelten Augen, die vor Staunen geweitet zu ihm aufschauten, kein Ton dunkler als in seiner Erinnerung, sondern so viel strahlender und wärmer als zuvor und noch während sein Name vom honigweichen Bassbariton sonor von den Lippen des Älteren fiel, zerflossen Jae-sonsgs Zweifel und Barrieren und seine Arme schlichen sich ungefragt unter denen Sam-jungs hindurch, verschlossen sich fest in dessen Rücken; er gab dem Drängen im Inneren nach – er hatte ihn so, so sehr vermisst – und er umarmte Sam-jung, als wären sie nicht in der Öffentlichkeit und als wäre die Welt um sie herum vollkommen gleichgültig und er spürte, wie die starken Arme sich auch um ihn schlossen, den Abstand zwischen ihnen verringerten, wie sich ein aufgeregt polterndes Herz gegen das eigene schmiegte, wie eine Hand auf seinem Hinterkopf zum Liegen kam und seine Stirn in den weichen Wollstoff des Mantels drückte – das herbe Parfum kitzelte in seiner Nase, ließ Schauer seinen Rücken herabrieseln und die Wärme des anderen Körpers umfing ihn genauso endgültig, wie die unnachgiebigen Arme, die versprachen, ihn nie – n i e – wieder loszulassen. Jae-song wollte in Sam-jung versinken. Der fremde Atem auf seiner Wange, stockend und ganz so, als habe Sam-jung seit Wochen nicht richtig atmen können, riss ihn in die Gegenwart zurück. Sofort wollte er Abstand zwischen sie bringen, doch Sam-jung ließ ihn nicht los, im Gegenteil: die Hand auf seinem Hinterkopf brachte ihn noch näher, sodass seine Nasenspitze am hohen Kragen des hochwertigen Pullovers vorbei den empfindlichen Hals streifte und Verlegenheit durchflutete Jae-song so jäh, wie der vorherige Zwang, seinen seltenen Gast zu umarmen. Was tat er hier nur? Er umarmte Sam-jung an seinem Arbeitsplatz vor allen Leuten derartig innig, dass keine Zweifel an ihrer Beziehung aufkommen mochten! Und da fragte er sich doch unweigerlich selbst: welche Beziehung? Sie hatten ihren Treffen noch nicht wirklich einen Namen gegeben, auch wenn der Medizinstudent keine Sekunde an der Aufrichtigkeit des schönen Mannes zweifelte und sich sicher war, dass die Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruhte. Wie sonst sollte er sich das Pochen in der fremden Brust erklären, das gegen den eigenen Herzschlag tanzte? Und wie sonst konnte er die Hände interpretieren, die ihn nicht loslassen wollten? „Tut mir leid, Jae-song. Gib mir noch eine Minute“, streichelte der weiche Bassbariton sein Herz und Jae-song konnte nur widerstandslos nicken, die Hände in den Mantel des Älteren verkrampft, das Gesicht an seinem Hals versteckt. Er spürte die Sehnsucht Sam-jungs … spürte, dass das Vermissen auf Gegenseitigkeit beruht hatte … und selbst wenn langsam aber sicher die Scham Überhand gewann und er sich am liebsten aus der Situation herausgewunden hätte, versank er stattdessen noch weiter in den Armen des Älteren. War es nicht verwunderlich, dass er sich dieser Umarmung so sehr hingeben konnte? Noch nie hatte er jemanden derartig umarmt, nicht einmal seine Eltern, erst recht nicht in der Öffentlichkeit. Plötzlich wurde es kalt am Hinterkopf und dort, wo eben noch eine große beschützende Hand gelegen hatte, strich nun nicht mehr als von Soju schwere Barluft sein Haupt. Zögerlich, vorsichtig beinahe, entfernte Jae-song sich vom Älteren. Eigentlich wollte er gar keinen Abstand … er ertappte sich sogar bei dem Gedanken, dass sie gerne für immer genau so bleiben konnten, vollkommen ungeachtet der anderen, die sie beobachteten … aber als er einen Blick auf gerötete hohe Wangen werfen konnte . . . und auf funkelnde goldgesprenkelte Augen . . . und auf das Lächeln, bei allen magischen Göttern, das Lächeln…! Jae-song starrte Sam-jung an. Starrte ungeniert auf die pure Zuneigung, die ihm entgegenschlug und die ungefilterte Zärtlichkeit, die sich um weiche Mundwinkel legte. Fasziniert sah er dabei zu, wie Verlegenheit über die Züge des Älteren zuckte und er spürte sein Herz bis zum Anschlag im eigenen Hals klopfen, glaubte, dass seine Welt Kopf stand und noch während sich die Stille zwischen ihnen ausbreitete, drängte sich der Rest der Welt langsam aber sicher wieder zwischen sie. Die Musik wurde präsenter, die Menge um sie herum greifbar und Jae-song räusperte sich, sich urplötzlich all der Menschen um sie herum bewusst. Unbeholfen ließ er vom Älteren ab, schaute gebannt auf die zögernde Hand, die sich am eigenen Arm herabbewegte und über den dicken Stoff der Winterjacke glitt, suchend vielleicht, widerwillig ganz sicher und für den Bruchteil eines viel zu schnellen, viel zu fanatischen Herzschlags war sich Jae-song sicher, dass Sam-jung seine Hand greifen würde. Sein Blick zuckte empor, sein Atem stockte, aber Sam-jung lächelte zutraulich und akzeptierte mit einem lautlosen Seufzer den Abstand zwischen ihnen, genauso um Worte verlegen wie der Student selbst. Das … war neu für sie beide. Bisher hatte der Ältere selten nach Worten gesucht und Jae-song fingerte nervös mit dem Reißverschluss seiner Jacke herum. Sie hatten einander so lange nicht gesehen und irgendwie … irgendwie versank Jae-song allein beim Gedanken daran, das Wort an ihn zu richten, im Erdboden vor Scham und das obwohl er ihn gerade umarmt hatte, als würde jeden Moment die Welt untergehen. Was war das nur? Was machte dieser wundervolle Mann nur mit ihm? Und seit wann war Sam-jung ähnlich verlegen? Wenn er nicht ebenfalls in ihm versunken wäre, hätte Jae-song nun die Reaktion überdacht, doch so begegnete er dem entwaffnenden Mustern scheu unter kurzen Wimpern. Waren die Schatten unter den hübschen Augen ein wenig dunkler? Sam-jung sah müde aus … ob er überhaupt geschlafen hatte? Ob er einen Jetlag hatte? Jae-song wusste noch immer nicht genau, wo im Ausland sein seltener Gast sich aufgehalten hatte und wie weit es tatsächlich für ihn gewesen war. Wie groß der Zeitunterschied gewesen war, wie heftig die Umstellung. Ob er gegessen hatte? Hatte er überhaupt Zeit gehabt, sich umzuziehen? Plötzlich fühlte er sich so unendlich schuldig für den Egoismus, ihn so dringend sehen zu wollen und schuldbewusst schlug er den Blick nieder, suchte nach den richtigen Worten, um all die widersprüchlichen und doch so gleichen Gefühle auszudrücken, aber der Knoten im Magen wurde immer schlimmer und Jae-song wusste einfach nicht, wie genau er ausdrücken sollte, was in ihm vorging. Er machte sich Sorgen, offensichtlich, und wusste einfach nicht, ob er sich Sorgen machen durfte. War er zu noisy? Mischte er sich in Dinge ein, die ihn nichts angingen? Oder durfte er sich Sorgen machen? „Jae-song?“ Hektisch schaute er auf seinen sanft vorgebrachten Namen auf und blinzelte in sorgenvoll schimmernde Augen. „Ich wollte dich nicht überrumpeln. Habe ich einen Fehler gemacht?“ Fassungslos öffnete Jae-song den Mund. Aber er hatte doch ihn umarmt, vollkommen aus dem Nichts! Wie konnte er jetzt glauben, dass er derjenige war, der ihn überrumpelt hatte? Einen Fehler? Einen Fehler? Sachte Angst stieg im Medizinstudenten auf, dass Sam-jung ihr Treffen als solches als Fehler ansehen könnte und schnell schüttelte er den Kopf, fand ganz von allein sein Lächeln wieder, ehe er es wagte, die kratzige Stimme zu nutzen. „Überhaupt nicht.“ Durfte er? Unsicher verlagerte er das Gewicht, biss sich auf die Unterlippe, schluckte und schließlich warf er den Blick wieder nieder, mit sich selbst kämpfend, gegen den rauschenden Puls in den Ohren und das flatternde Herz in der Brust, gegen den Knoten im Magen und dem dröhnenden Vorwurf im Kopf. Brich aus, wisperte er sich in Gedanken zu, brich aus deinen Komfortzonen aus. Für ihn. Er schluckte trocken und wisperte: „Ich mache mir Sorgen um dich.“ Es war unerträglich schwer ihn kein zweites Mal zu umarmen. Er machte sich Sorgen um ihn? Wie lange war es her, dass es jemand gewagt hatte, sich Sorgen um ihn zu machen? Und war es je vorgekommen, dass diese Sorge sein Herz derart berührt hatte? Sam-jungs Finger zuckten und er wollte den scheuen Studenten so gerne berühren, ihn mit Gesten bestätigen, wo ihre Worte versagten, doch über die letzten Wochen getrennt voneinander hatte Sam-jung verstanden, dass er vorsichtig mit ihm sein musste. Dass er, obwohl nicht der geduldigste Mensch, mit Kim Jae-song geduldig sein musste, wenn er ihn für sich gewinnen wollte. Oh – und wie sehr er ihn wollte. Trocken schluckte er – Geduld, Sam-jung, Geduld! – und obwohl das Mantra im Inneren abspulte, griff er nach dem Kinn des Studenten; die blasse Haut war weich und genau so warm, wie Sam-jung sie sich vorgestellt hatte. Sofort zuckten die eigenen Mundwinkel empor und so sanft wie nur irgendwie möglich hob er das Kinn Jae-songs an, stellte sich vor wie es wohl sein musste, ihn jetzt einfach zu küssen, aber tat es natürlich nicht. Ihm reichte ein Blick in die großen scheuen Augen, die im warmen Licht der Bar funkelten und es überraschte ihn, dass er sich das nicht nur einredete. Augenkontakt, flüchtende Berührungen, diese eine innige Umarmung – es war ihm, als wenn diese simplen Dinge sein gesamtes Wesen neu formten und dort vervollständigten, wo er nicht einmal geahnt hatte, Makel zu haben. „Du machst dir Sorgen um mich? Wieso?“ Sein Daumen strich sacht über den kaum spürbaren Kieferknochen, ehe er das Zucken in dunklen Augen bemerkte und mit einem entschuldigenden Lächeln die Hand zurückzog. War es zu viel gewesen oder genau richtig? Auch wenn er immer so erschien, als habe er die Kontrolle und als wisse er ganz genau was er tat, hatte er mehr Zweifel und überdachte mehr, als man ihm zusprach. Besonders in Bezug auf den schüchternen Studenten. Während er hätte wetten können, dass Jae-song den Blick wieder abwandte, überraschte er ihn, indem er den Blickkontakt hielt – scheinbar war es ihm wichtig, dass sie sich anschauten, während er über die nächsten Worte nachdachte und Sam-jung wappnete sich, verspürte ein hoffnungsvolles Kribbeln im Magen und schmunzelte über sich selbst, war es doch ausgeschlossen, dass Jae-song hier vor aller Augen etwas tun oder sagen würde, das ihn in Verlegenheit bringen würde. „Weil du mir wichtig bist, hyung.“ Okay. Okay, er hatte sich geirrt. Sam-jungs Herzschlag hallte laut in den eigenen Ohren wider und er lehnte sich etwas vor, die trockenen Lippen befeuchtend, ein „eh?“ auf ihnen, ganz so als könne er nicht fassen, was er da gerade gehört hatte. Auf den Wangen des Studenten bildete sich eine herrliche Röte und die großen Augen weiteten sich, und während Sam-jung noch glaubte, er habe sich verhört obwohl er im Grunde wusste, dass das nicht der Fall war, stammelte Jae-song bereits: „Ah, war das .. war das jetzt zu .. habe ich jetzt einen Fehler gemacht?“ Sofort schüttelte Sam-jung den Kopf, der sich leer und leicht anfühlte, genau wie der Rest seines Körpers. War das die berühmt berüchtigte Wolke Sieben? „Absolut nicht. Es ist in Ordnung. Ich mag es sehr.“ Jae-songs Augen leuchteten auf und Sam-jung war ein bisschen stolz auf sich, dass er sich an die Worte des Studenten vor vielen Wochen erinnerte, und er war sich sicher, dass Jae-song verstand, dass er die gleichen Worte wie er damals bewusst wählte. Aber genau so war es ja auch: er mochte es sehr, dass der Jüngere sich Sorgen um ihn machte. Seine Sorge fühlte sich aufrichtig und rein an, ergab das Sinn? Ergab irgendetwas hier noch einen Sinn? Außerdem bedeutete es, dass Jae-song etwas an ihm lag und während die letzten Wochen kein eindeutigeres Signal dahingehend hätten sein können, so waren es doch die dunklen Stunden allein, welche Sam-jung an allem zweifeln ließen. „Hättest du etwas dagegen, wenn wir woanders einen Cocktail trinken gehen? Ich werde das Gefühl nicht los, dass deine Kollegen dich sonst zu einer Sonderschicht überreden könnten.“ Sein Schmunzeln enttarnte den Scherz und er ertappte seinen Studenten dabei, wie er einen Blick über die Schulter zu seiner Kollegin warf, die bereits seit einiger Zeit fragende Blicke zu ihnen herüberwarf. Erst jetzt schien er zu bemerken, dass sie beobachtet wurden und Sam-jung konnte nicht anders, als über das Entsetzen auf den weichen Zügen zu lachen, so sehr er es auch gerne unterdrückt hätte. Er wollte nicht, dass Jae-song den falschen Eindruck bekam, und gleichzeitig konnte er nichts gegen die Welle an Zuneigung ausrichten, die über ihm hereinbrach. Jae-songs Lippen zuckten herauf zu einem unbeholfenen Lächeln und er nickte verhalten. „Dann … wirst du auf einen von meinen Cocktails noch länger warten müssen …“, gelangte die raue Stimme an Sam-jungs Ohren und er biss sich auf die Innenseite der Wange, um sich davon abzuhalten, diesen furchtbar entzückenden jungen Mann doch noch einmal zu umarmen. „Eine gute Ausrede um dich wiederzusehen, meinst du nicht auch?“, wagte Sam-jung einen neuerlichen Scherz und wurde mit jenem Funkeln in dunklen Augen belohnt, das schon zuvor eine derartige Magie auf ihn gewirkt hatte, dass sein Herzschlag laut im eigenen Ohr widerhallte. Das Studentenviertel gab eine Menge Bars und Bangs her und Sam-jung hielt gerade letzteres für eine bessere Alternative als eine volle Kneipe mit vielen Augenpaaren. Nicht, dass er unlautere Gedanken hatte – nun, nicht vornehmlich – aber der Ausblick darauf ungestört mit Jae-song sprechen zu können, war derartig verlockend, dass er ihm sofort nachgehen musste. Es wäre das erste Mal, dass sie tatsächlich Zeit zu zweit verbrachten, waren ihre vorherigen Dates doch eher ein vorsichtiges Herantasten vor aller Augen gewesen; Ausstellung, Universitätsmesse, Bar. Doch nach so langer Zeit getrennt von ihm, wollte er ihn ungern teilen. „Karaoke … hyung?“ Sam-jung wandte sich zu Jae-song um und wog den Kopf hin und her, ehe er sanft nach dem Ellenbogen des Jüngeren griff und ihn über die Türschwelle in den Noraebang begleitete. „Wir müssen nicht singen, Jae-song, aber das ist eine gute Gelegenheit, um ungestört zu reden. Ich möchte einfach Zeit mit dir allein verbringen.“ Jae-song wurde kurz langsamer und schien über etwas zu stolpern, was Sam-jung gesagt hatte – alarmiert musterte er den Jüngeren, wie er unentschlossen auf der Türschwelle stand und flehentlich suchte er nach Blickkontakt zu scheuen Augen. War das zu forsch gewesen? Hatte er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt? Nahm Jae-song an seiner Wortwahl oder der Wahl des Etablissements Anstoß? Gerade, als er einlenken und die Reservierung rückgängig machen wollte, kam wieder Bewegung in das zögerliche Wesen des jungen Mannes mit den vielen Nebenjobs und Entschlossenheit zuckte auf den weichen Zügen. „Dann müssen wir auch singen“, beschloss er einfach für sie beide mit einer Entschiedenheit, die Sam-jung überrumpelte und ihm abermals zeigte, dass mehr unter der schüchternen Oberfläche schlummerte. Nicht zum ersten Mal drängte sich Sam-jung der Eindruck auf, dass Jae-song, wenn er erst einmal einen Entschluss gefasst hatte, nur sehr schwer vom Gegenteil zu überzeugen war und auch diese Eigenschaft war äußerst anziehend für ihn. Wahrscheinlich wäre selbst die wahnwitzigste Eröffnung über Vorlieben oder Abneigungen des Studenten für Sam-jung attraktiv … … er gestand sich nicht zum ersten Mal ein, dass er Jae-song bereits hoffnungslos verfallen war. Und während Sam-jung noch gefesselt von der eigenen Faszination für den Studenten war, war dieser bereits dabei, ihnen Getränke zu bestellen und den ersten Song auszusuchen. Der winzige Raum war vollkommen in helles Orangerot getaucht und mehr als die beiden Sitzbänke und dem schmalen Tisch zwischen ihnen – und natürlich dem TV inklusive Soundsystem – fand auch gar keinen Platz in der Karaokezelle. Lustige Lichter flirrten und spiegelten sich in großen Studentenaugen. „Ist es dein erstes Mal?“, horchte Sam-jung sanft nach und Jae-song nickte beinahe augenblicklich, ihm einen scheuen Blick aus dem Augenwinkel zuwerfend. „Ja. Bisher habe ich mich bei Einladungen von der Arbeit oder Kommilitonen rausreden können…“ Er schien zu begreifen, was er da gesagt hatte, und beeilte sich hinzuzufügen: „Aber ich bin jetzt gerne hier!“ Und wieder schien seine plötzliche Offenheit ihn selbst zu überfordern, als er den Blick auf den Fernseher lenkte und fanatisch die Songs durchging, ganz offensichtlich seine gesamte Aufmerksamkeit erzwungen darauf lenkend. Sam-jung schmunzelte, summte jedoch zustimmend und nahm die bestellten Spirituosen entgegen, ehe er den Raum wieder verschloss. „Wird denn mit mir singen okay für dich sein?“, fragte er seinen schüchternen Studenten, der unsicher die Schultern hob. Ein verlegenes Lächeln spielte um seine Lippen, als er abermals nur kurz zu ihm schaute und jeder noch so flüchtende Blickkontakt zupfte an Sam-jungs Herz. „Nur ein Weg um das herauszufinden…“ Beinahe hätte Sam-jung die Worte nicht gehört, so leise war die kratzige Stimme, die offenbar nicht oft Verwendung fand. Voller Faszination schüttelte er den Kopf und fuhr sich durch die Haare – was sollte er mit all diesen überraschenden Wendungen nur anfangen? Jae-songs Verhalten ihm gegenüber war oft so durchschaubar, so vorhersehbar, nur um im nächsten Moment von wenigen Worten, einer minimalen Handlung, einem Zucken in Gestik und Mimik komplett aus den Angeln gehoben zu werden. Was davon war denn nun der wahre Jae-song? Oder wie genau konnte Sam-jung all die widersprüchlichen Handlungsweisen miteinander in Einklang bringen? Musste er das überhaupt? Konnte er nicht einfach den herrlichen Mut, die entwaffnende Zuneigung und die erfrischende Aufrichtigkeit genießen? Es waren Eigenschaften, die so selten in seinem täglichen Umfeld zu finden waren, dass er nicht wirklich wusste, wie er mit ihnen umgehen sollte und ob Kim Jae-song wirklich real war. Was, wenn all das hier nur ein Fiebertraum war? Verdiente er jemanden wie Kim Jae-song überhaupt? Sam-jung beobachtete ihn bei der Songauswahl und rief sich in Erinnerung, dass sie nicht zwingend zum Singen hier waren. Sanft berührte er ihn am Ellenbogen und reichte ihm einen der Cocktails. „Hyung … du weißt, dass ich eigentlich noch nicht trinken sollte?“ Amüsiert hob Sam-jung eine Augenbraue und nickte, dieses Mal selbst schweigend, den Blick vielsagend in dunkle Augen gerichtet. Jae-song zögerte nicht, ihm das Glas abzunehmen und schälte sich aus der dicken Winterjacke, legte den flauschigen Schal ab. Sam-jung blinzelte während dieser vielen Bewegungen immer wieder, um nicht zu auffällig zu starren. Es waren unkoordinierte Bewegungen – er kämpfte sich aus dem linken Ärmel hervor, zupfte am flauschigen Schalende, traf nur mit der Hälfte der Jacke die Sitzbank – und dennoch wirkten sie auf Sam-jung wie ein Tanz. Es war wirklich warm in diesem kleinen Raum. Automatisch griff er zum Soju und leerte direkt zwei Gläser, um auf andere Gedanken zu kommen. „Bist du … also, singst du gerne?“, fragte Jae-song ihn zwischen seinen beiden Gläsern und Sam-jung wog den Kopf hin und her; sang er gerne? Die Frage hatte er sich selbst noch nie gestellt und auch andere waren nie auf die Idee gekommen, ihn das zu fragen. Wenn er so darüber nachdachte, hatte ihn noch nie jemand wirklich gefragt, was er gerne mochte … Verwirrt darüber runzelte er die Stirn und sah er sich das erste Mal in seinem Leben der Frage ausgeliefert, was er mochte. Überrascht darüber, dass er auf diese Frage keine Antwort fand, öffnete er den Mund und nur wortloses Schweigen brach über trockene Lippen. Jae-song wirkte verwundert, aber das erste Mal an diesem Abend nicht schüchtern oder um Worte verlegen, sondern vielmehr interessiert, als er sich ihm gegenüber auf die Bank quetschte. In den dunklen Augen brach sich das Funkeln der orangefarbenen Lichter, die um sie herumtanzten wie Glühwürmchen. „Magst du Musik?“, lautete die zweite vorsichtige Nachfrage und Sam-jung schüttelte ahnungslos den Kopf. „Ehrlich gesagt … habe ich mir darum noch nie Gedanken gemacht.“ Er lachte beschämt, weil ihm das selbst komisch vorkam und nachdenklich fuhr er Kreise um den Rand des Cocktailglas‘. Er spürte den wachen Blick des Studenten auf sich, ohne dass er drängend oder gar störend wurde – die Aufmerksamkeit des jungen Mannes war Balsam für sein Herz, da jene Geduld, mit der er bei Jae-song vorging, nun auch ihm zuteilwurde. Obwohl Sam-jung die eigenen Worte und Gedanken verurteilte, strahlte ihm nur Neugierde entgegen, als er in die weichen Züge des Studenten schaute. „Hm. Das verstehe ich“, gab Jae-song zu und schaute kurz aufs eigene Glas, ehe er mit einem Lächeln, das einen Stein zum Weinen hätte bringen können, hinzufügte: „Musik ist allgegenwärtig. Vielleicht ist es eine genauso gute Frage wie magst du es zu atmen? Dann … hm.“ Jae-song schien über die eigenen Worte zu stolpern und deutete schließlich auf den Cocktail; leuchtende Wangen, funkelnde Glühwürmchenaugen, Sam-jung war entzückt. „Singen wir einen Song nach dem Cocktail und du hast vielleicht eine Antwort für mich.“ Scheues Lächeln, Aufregung um die Mundwinkel, Zögern in der Haltung – war es zu viel? War es okay? Sam-jung konnte die Fragen beinahe greifen und er blinzelte, weil es seine Idee gewesen war, einen Noraebang zu mieten und es schlussendlich aber Jae-song war, der daraus ein Erlebnis machte. Er ertappte sich selbst bei dem Gedanken daran, dass er das gerne zur Gewohnheit machen würde. Also nickte er, versonnen lächelnd, hob das Glas und brachte Jae-song dazu, mit ihm anzustoßen – „nicht wegdrehen!“ – und ihn anzuschauen, während sie den Cocktail Schluck für Schluck schweigend genossen und der Alkohol sanft mit ihrem Kopf zu spielen begann. Oder ging es nur ihm selbst so? Griff da die Müdigkeit unbarmherzig nach ihm und ließ den Alkohol daher schneller wirken als sonst? Oder war es die berauschende Anwesenheit des jungen Studenten, der ihn ein weiteres Mal damit überraschte, dass ihm der Cocktail scheinbar gar nicht auszumachen schien. Die Mikrofone lagen selbst zwei Stunden später vollkommen unbenutzt auf dem Tisch zwischen ihnen, trotz Jae-songs intrinsischem Wunsch aus Komfortzonen auszubrechen. Sam-jungs Wangen hatten einen ähnlichen Orangeton angenommen wie die Lichter um sie herum und immer wieder ertappte Jae-song sich selbst dabei, wie er ihn einfach nur wortlos anstarrte, während der wundervolle Mann mit ihm sprach. Es waren Kleinigkeiten, die er heute in Erfahrung gebracht hatte. Er mochte den Soju von Chum Churum lieber als den von Jinro und am liebsten pur – Cocktails lieber süßlich, als bitter und wann immer Bitterstoffe verwendet wurden, zuckte seine Oberlippe ein wenig abwertend, aber beschweren tat er sich nie. Auch nicht über die sehr salzigen Tortillachips, die sie zum Soju aßen und auch nicht über die zu weichen Sternfrüchte, die am Cocktailglas steckten. Als Jae-song ihn auf die Konsistenz aufmerksam machte, zuckte Sam-jung nur mit den Schultern und beteuerte, dass er Essensverschwendung hasste und das Herz des Studenten machte einen unbeholfenen und viel zu eindeutigen Sprung in die Richtung des Älteren. Sagte er absichtlich all die richtigen Dinge? Konnte er Gedankenlesen? Für jemanden der in einem eher ärmlichen Umfeld aufgewachsen war und der jeden Won und jeden Sickel doppelt und dreifach umdrehen musste, war Essensverschwendung ein heikles Thema. Es war unmöglich, dass Sam-jung das bereits wusste und so hatte Jae-song eine Gemeinsamkeit herausgefunden, ohne direkt gefragt zu haben. Es war ein unbeschreibliches Hochgefühl mehr über den Älteren zu erfahren und jeder Schritt in dessen Welt hinein war wie ein Rausch. „Wollten wir nicht singen?“ Der Bassbariton war angeschlagen und die Worte rollten langsam über geschwungene Lippen. Jae-song biss sich auf die Unterlippe und musterte die schweren Augenlider, die hängenden Schultern, die durch die Luft tanzende Handfläche. Sam-jung war betrunken. „Hmn, hyung. Wir sollten lieber gehen“, wagte er einzuwenden und erschrak über das Entsetzen, das ihm entgegenstrahlte. „Wieso? Bist du müde? Oh, oder hast du Hunger? Ich habe Hunger, lass uns essen gehen. Ich kenne ein tolles Restaurant, direkt hier um die Ecke … Warst du schon einmal im Dancing Hong Kong? Die besten kalten Nudeln, die ich je gegessen habe.“ Und wieder hatten Informationen den Besitzer gewechselt, aber Jae-song war zu irritiert vom plötzlichen Essenswunsch des Älteren, als das er sich mit den kalten Nudeln aufhalten könnte. „Sam-jung hyung?“ Die zuvor so milchigen Augen kamen glasklar und funkelnd wie tausend goldene Sterne auf ihm zum Liegen. Jae-songs Herz setzte einen kurzen Moment aus und Wärme pulsierte durch seinen gesamten Körper; die Aufmerksamkeit des Älteren war berauschend und atemlos erwiderte er den magnetischen Blickkontakt. Mochte er es so sehr, wenn er ihn so ansprach…? Jae-song schluckte trocken und versuchte sich die Lippen zu befeuchten. Sein Magen zog sich vor Aufregung zusammen, als Sam-jungs Augen zu seinen Lippen herabzuckten und auf ihnen verweilten, Sekunde um zähe Sekunde, in welchen das Schweigen zwischen ihnen ihn in eine weiche Decke aus Zuneigung hüllte. Er starrte ihn an – er starrte seine Lippen an! Er … wollte doch nicht etwa …? Jae-song war überfordert von dem Gefühl, das einer Naturgewalt gleich durch seinen Brustkorb pflügte. Er fühlte sich nackt und ausgeliefert – und er mochte es. Mit brennenden Wangen und Hitze überall im Körper musste er sich atemlos eingestehen, dass er es sexy fand, wie Sam-jung ihn anschaute. Es war das erste Mal überhaupt, dass seine Gedanken in eine derartige Richtung stoben. Er räusperte sich und Sam-jungs Augen flogen empor in ihre Gegenstücke. „Hyung. Du bist betrunken und sicherlich müde. Ich bringe dich nach Hause.“ Jae-song lächelte weich und kämpfte sich hinter dem Tisch hervor, sich Jacke und Schal bereits anziehend, als er hörte, wie Sam-jung aufstand. „Ich will aber noch nicht nach Hause.“ Irritiert blinzelte er den Älteren an, dessen Stimmfarbe wie die eines Jüngeren klang. Sein Herz klopfte nicht nur, es wollte einen Marathon gewinnen, als Sam-jung die Hände nach ihm ausstreckte und sich an seinen Armen festhielt, ein „ich will bei dir sein“ zum Besten gebend und Jae-song konnte nur atemlos „hyung, du bist schwer“ erwidern, vollkommen überfordert von der Situation. Er hatte noch nie jemand Betrunkenen nach Hause bringen müssen. Erst recht niemanden, den er eindeutig mochte, nein, in den er sich verliebt hatte, den er anziehend, nein, sexy fand. Und dem es scheinbar genauso ging. Unangemessene Gedankengänge mischten sich mit seinem rasanten Herzschlag zu einem nervösen Cocktail, von dem er nicht sicher war, wie er ihn genießen sollte. Ob er ihn überhaupt schon genießen sollte – war es dafür nicht viel zu früh? Für derart intensive Gefühle, derartige Gedanken, Wünsche? Jae-songs Wangen brannten, waren der Spiegel für all die Vorstellungen, die jede einzelne Berührung der fremden Hände auslösten, und er wollte Sam-jung von sich stoßen, nur, damit diese Gedanken endlich aufhörten und gleichzeitig wollte er ihn festhalten, damit er nie wieder etwas anderes vor seinem inneren Auge sehen musste. Diese widersprüchlichen Gefühle wurden jedoch alle von einer Tatsache in Schach gehalten: Sam-jung war betrunken und brauchte Hilfe. Aber die mangelnde Erfahrung in derartigen Situationen stellte Jae-song vor so viele Herausforderungen, dass er gar nicht wusste, wo er anfangen sollte; die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Ihre Buchungszeit im Bang ging dem Ende entgegen und die Mitarbeiterin setzte sie entschieden vor die Tür, während ein anhänglicher Sam-jung sich an ihn klammerte und jeden Schritt schwer machte. Aus so vielen unterschiedlichen Gründen . . . Jae-song wollte ein Taxi rufen, sah sich jedoch in der unangenehmen Situation gar nicht zu wissen, wohin er mit dem Älteren fahren sollte und dessen Zustand verschlechterte sich durch die frische Luft. Er wirkte blass um die Nase und so, als könne er jeden Moment entweder in Ohnmacht fallen, oder aber sich auf die belebte Straße übergeben. Unbeholfen stützte Jae-song den Älteren, während sie mehr oder weniger gemeinsam und koordiniert Schritte gen Straße gingen. Immer wieder versuchte Jae-song zu erfahren, wo Sam-jung genau wohnte, denn obwohl er ihn bereits zwei Mal mit dem Taxi nach Hause begleitet hatte, waren sie doch nur zu einem Hotel gefahren und der Medizinstudent konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, in welches der vielen Hotels sie gefahren waren. Und selbst wenn er sich hätte erinnern können, so war es doch recht unwahrscheinlich, dass Sam-jung abermals in diesem Hotel abgestiegen war, oder? Oder lebte er im Hotel? Ach, war das nicht zu Klischeebeladen? Und darüber hinaus … selbst wenn Jae-song gewusst hätte wohin er Sam-jung bringen sollte … „Hyung? Hyung, ich … sollen wir lieber ins Krankenhaus?“ „Nein, nicht nötig. Ich kann … Ah, ich mache dir nur Probleme, hm? Es tut mir leid.“ … selbst wenn er es gewusst hätte … In dem Zustand konnte er ihn unmöglich allein lassen. Und da das Krankenhaus schlussendlich als Option vom Betrunkenen negiert wurde – auch wenn Jae-song natürlich wusste, dass man Betrunkenen nicht die Entscheidungsgewalt überlassen sollte – nahm sich der Student ein Herz und schnappte nach den Schultern des Älteren, hielt ihn fest und versuchte, seinen Blick zu fesseln. „Hyung?“ Sam-jung konnte ihn offensichtlich nicht anschauen und Jae-song biss sich auf die Unterlippe. „Sam-jung hyung?”, wisperte er nun, peinlich berührt aufgrund der vielen Menschen um sie herum, auch wenn kaum jemand Notiz von ihnen nahm. Aber die Vertrautheit, mit welcher er den Älteren nun ansprach, brachte das eigene Herz zum Flattern und mit rasant steigendem Puls bemerkte er, dass Sam-jung wie schon zuvor auf ihn reagierte. Augenblicklich begegnete er seinem Blick, spannte die Schultern an und versuchte aufrecht zu stehen; Ernst zuckte über die geröteten Züge und Jae-song musste lächeln, als er bemerkte mit welcher Anstrengung der Ältere versuchte, ihm die Aufmerksamkeit zu schenken, um die er gerade gebeten hatte. Es berührte sein Herz. „Ich … nehme dich mit.“ Jae-song verließ der Mut auf halbem Weg und alles in ihm schrie vor Nervosität. Wie klang das denn, wenn er ihm nun sagte, er würde ihn mit zu sich nach Hause nehmen? Er krallte sich in die Schultern des schönen Mannes, der feierlich nickte. „Klingt vernünftig“, brummte sonorer Bassbariton und entflammte Jae-songs Wangen, legte sich um die Zweifel und Sam-jung fiel ihm entgegen, tauchte unter seinen Armen hindurch in eine Umarmung, die Schutz und Halt bot und Jae-song war so, als würde er seinen eigenen Körper verlassen und irgendwo zwischen den Sternen Seouls schweben, während er seinen seltenen Gast durch die nächtlichen Straßen zur nicht weit entfernten Studentenunterkunft brachte. Welch Ironie, dass er sich vor wenigen Wochen noch gefragt hatte, wie Sam-jung seine Inneneinrichtung gefallen würde … was er zur Farbwahl sagen würde … und wie gut, dass er seitdem fanatisch auf Sauberkeit und Ordnung achtete, unterbewusst wohl auf eine Gelegenheit hoffend, Sam-jung zu sich nach Hause einzuladen und er ertappte sich dabei, wie er sich selbst ohrfeigen wollte, um endlich die turbulenten Gedanken und das verrücktspielende Herz zu beruhigen. Er musste kalt tuschen. Verdammt kalt duschen. „Jae-song…“ Augenblicklich verlagerte der Student das Gewicht und hielt den Älteren sicherer, als er die 15 im Aufzug betätigte, ein sanftes „hmn?“ als Reaktion gebend und zu Sam-jung herabschauend, der an seinem Arm hing. Jae-songs Herz setzte einen Moment aus, als er den funkelnden Augen ausgeliefert war, doch er verlor nicht das sachte Lächeln. „Wir sind gleich da“, versprach er ihm leise und war dankbar dafür, dass aktuell niemand außer ihnen den Aufzug nutzte und sie unbeobachtet bis vor seine Wohnungstür kamen. Jetzt oder nie. Entschieden drückte er den stützenden Arm zur Seite, stolperte ein wenig, aber kontrollierte sein Gleichgewicht, ehe er den Jüngeren gegen die Wohnungstür presste. Die ganze Zeit schon hatte dieser Gedanke in ihm geschlummert und war größer, drängender geworden; er musste dem Begehren in seinem Inneren nun endlich nachgeben, sonst würde er noch verrückt werden. Wie lange hatte er schon darauf gewartet? Sie waren so lange getrennt voneinander gewesen, hatten sich so lange nicht gesehen … Geduld, Sam-jung!, verstrich die innere Stimme ungehört. Ein erschrockenes „hyung?“ zupfte am polternden Herzen, geweitete Augen ließen ihn sich auf die Unterlippe beißen und nicht zum ersten Mal an diesem Abend stolperte er über die Intensität der eigenen Gefühle. Er wollte ihn so dringend küssen … Schon seit Stunden, nein, eigentlich schon seitdem er ihn wiedergesehen hatte. Jae-song rutschte ein wenig am Holz der Tür herab – die langen Finger kamen zögerlich auf Sam-jungs Brust zum Liegen, spürten nun dem rasenden Herzen nach und sie schauten beide auf die zarten Finger herab, und schienen beide überrascht von der Geschwindigkeit, mit welcher Sam-jungs Herz im Rippengefängnis polterte. Sam-jung schaute langsam auf, sog die Nähe zum Jüngeren in sich auf, den Geruch nach Kaffee und Soju, suhlte sich in der Faszination in dunklen Augen, war verzaubert von der Rötung der hohen Wangen, von der Reinheit der Haut, vom markanten Kinn, das unter den eigenen Fingern ein wenig hochgehoben wurde. Die fein geschwungenen Lippen brachen auf, verloren abermals ein atemloses, vielleicht ängstliches „hyung“ und Sam-jung zerfloss, Geduld!, frustriert seufzend, lehnte die eigene Stirn gegen die des Studenten und jagte dessen Atem nach, der sich gegen die eigenen Lippen brach, zitternd und verängstigt, ah – wie hatte er ihn nur verängstigen können? „Ich … würde dich so gerne küssen, Jae-song, aber nicht, wenn ich betrunken bin. Nicht, wenn es nicht einvernehmlich ist. Kannst du noch eine Weile länger auf mich warten?“ Sein Atem stockte. Sam-jung kam immer näher und paralysiert war Jae-song nicht Teilnehmer, sondern nur Beobachter. Jeder Millimeter kam ihm wie eine Ewigkeit vor und das Herz des Älteren polterte unter seiner Hand; keine Fluchtmöglichkeit mit der Tür im Rücken, mit der Präsenz des Älteren vor sich; er sank in sich zusammen, immer weiter, hoffte auf der einen Seite, dass Sam-jung die Grenze überschreiten würde, hatte auf der anderen Seite aber so große Angst genau davor. Er hatte noch nie jemanden geküsst. Und auch wenn er sich sicher war, dass er Sam-jung küssen wollte, so war er sich nicht sicher, ob er das ausgerechnet jetzt wollte. Der Knoten, der sich in seinem Magen gebildet hatte, sagte ihm ganz eindeutig NEIN – gerade in dem Moment, als er bereit war sich gegen den Älteren zu wehren, ihn zu bitten aufzuhören, ihn wenn nötig von sich zu stoßen, spürte er dessen Atem auf seinen Lippen. Schauer rieselten seinen Rücken herab, ausgelöst vom fahrigen Luftzug gegen die empfindliche Haut und dem Geruch von Alkohol; Jae-song traute sich die Augen zu öffnen und Sam-jung überwand die Distanz, um ihre Stirnen aneinanderzupressen. Sein Herz blieb stehen. Blinzelnd schaute er empor auf die geschlossenen Augen, hörte diesen wundervollen Menschen Worte sprechen und verstand die Welt kaum noch. Er sollte auf IHN warten? War es nicht viel mehr umgekehrt? Jae-song blinzelte und schluckte trocken, kämpfte gegen die Verlegenheit an und nahm die zitternde Hand von der Brust des Älteren, ihn sanft an den Schultern von sich schiebend. „Hmn“, summte er zustimmend, als ihre Blicke sich trafen, „ich warte.“ Sonnenlicht brach unbarmherzig seine schmerzhaften Bahnen auf dem vom Alkohol schweren Kopf, als Sam-jung ächzend die Augen öffnete. Es kam ihm so vor, als habe er nicht mal zehn Minuten geschlafen – desorientiert fingerte er nach Handy oder Armbanduhr auf dem Nachtschrank … und griff ins Leere, fischte durch die Luft, brummte widerwillig, wollte die Augen noch nicht komplett öffnen, schmerzten sie doch viel zu sehr, um sie dem hellen Licht auszusetzen. Der schale Geschmack auf der Zunge verlangte danach mit Wasser fort gespült zu werden und für einen Moment war er gefangen in jener seltsamen Zwischenwelt zwischen Schlaf und Wachheit, jenem Zustand, der so gefährlich für einen Mann wie ihn war. Wie hatte er sich nur so gehenlassen können? Fahrig griff er sich an rhythmisch pochende Schläfen, versuchte sich zu konzentrieren und wurde mit einem Stechen hinter der Stirn bestraft – Stück für Stück rief er sich in Erinnerung, was am gestrigen Abend passiert war … … und schnellte in die Senkrechte. Ihm war schlecht, ihm drehte sich der Kopf, er fühlte sich wie mindestens Fünfzig und trotzdem setzten sofort die Instinkte ein. Er war mit Jae-song im Noraebang gewesen, hatte viel getrunken und … Ein Anflug von fremdem Atem auf den eigenen Lippen … ängstlich geweitete Augen, die zu ihm aufschauten … ein verzweifeltes „hyung“, das ihn darum bat, dass er einhalten sollte … „Scheiße.“ Hatte er ihm etwas angetan? War er zu weit gegangen? Hatte er ihn angefasst? Oh Gott … hatte er jetzt alles kaputt gemacht?! Verzweifelt fuhr er sich über die Haare und gefühlt war er sofort nüchtern, als er begriff, dass er nicht zurück im Hotelzimmer war, sondern … sondern … „Hyung?“ Schlagartig ruckte sein Kopf zur Seite zur sanften Studentenstimme – „ah!“ – stechender Schmerz jagte Übelkeit erregend durch seinen Kopf, aber alles war gleichgültig, weil Jae-song neben dem Bett stand, angezogen, und ihn besorgt musterte. Wasserglas in der einen, Stäbchen in der anderen Hand. „Jae-song! Was…?“ Sam-jung blinzelte und ahnungslos nahm er dem Jüngeren das Wasserglas ab, in welches dieser eine Tablette schmiss. Die orangene Färbung und der Geruch von heilender Chemie wollten Sam-jung verraten, dass es sich um Katermedizin handelte, und er befeuchtete sich die Lippen, ein „danke“ auf ihnen, ehe er vorsichtig trank. „Austrinken, hyung“, wies Jae-song ihn sanft an und er blinzelte zu ihm herüber. Sein Student schien weder wütend, noch verletzt … und anhand der wenigen Zeit, die sie bisher miteinander verbracht hatten und der schonungslosen Aufrichtigkeit, mit welcher Jae-song ihm begegnete, konnte das nur bedeuten, dass Sam-jung sich hatte stoppen können. Erleichterung brach von seufzenden Lippen und er nickte vorsichtig, ehe er die Medizin trank. Über den Glasrand hinweg musterte er den Jüngeren; er war anders angezogen als gestern, lediglich gekleidet in eine weiße Stoffhose und ein weißes Shirt und beides erinnerte Sam-jung an den Tag, den sie an Jae-songs Universität verbracht hatten. Mit einem nachsichtigen Lächeln nahm er das Glas von den Lippen und spürte dem warmen Gefühl in der Brust nach, das die Erinnerung und die Tatsache, dass ein angehender Mediziner sich um ihn gekümmert hatte, ausgelöst hatte. „Wegen gestern…“, fing Sam-jung langsam an, atmete jedoch kurz schmerzerfüllt durch, als abermals sein Kopf zuckte und Jae-songs Sorge war so demaskierend, dass er mit einem Lächeln die freie Hand hob um zu signalisieren, dass er wohl noch eine Weile schweigen würde. Statt sich also tatsächlich für sein Verhalten zu entschuldigen wie geplant, schaute Sam-jung sich um, dieses Mal wach genug, um die Details des Raums in sich aufzusaugen. Er war in einem kleinen Apartment, das nicht viel mehr als Bett, Schreibtisch, Kochnische und einige Regale aufwies. Große Fensterfront, eine Tür – vermutlich zum Flur – helle Wände, kaum Dekoration wie typisch für kurzzeitig gemietete Wohnungen in Seoul. Die Bettwäsche war weich, blumig und dunkelblau – der Schreibtisch überladen mit Büchern, Notizbüchern und Aufzeichnungen und dennoch wirkte es wie organisiertes Chaos – der Geruch von Ramen lag in der Luft. Langsam schaute er zum Studenten, der noch immer neben dem Bett stand und geduldig schweigend auf etwas wartete, von dem Sam-jung nicht greifen konnte, was genau es war. „Bin ich … bei dir zu Hause?“, wagte Sam-jung einen kleinen Vorstoß und Jae-song warf kurz den Blick nieder. Schämte er sich? Woran dachte er jetzt wohl, als er stumm nickte und vorsichtig einen Schritt zurück machte, auf die Tür deutend. „Ich habe leider kein eigenes Bad, du musst also … also … über den Flur, dritte Tür rechts.“ Sam-jung blinzelte, nickte aber mechanisch auf diese Information und leerte das Glas komplett, ehe er sich vorsichtig aus der Decke schälte. Er trug noch immer die Anzughose, seine Socken und das Hemd von gestern Abend. Jae-song hatte sich offensichtlich nicht getraut, mehr als notwendig an Kleidung auszuziehen, aber das bedeutete auch … Die Erinnerung vom fremden Atem auf den eigenen Lippen schwand, machte dem Versprechen des Jüngeren zu warten Platz und Erleichterung ließ Sam-jung laut durchatmen. Auch wenn er bereits zuvor anhand der Reaktion des Studenten erahnt hatte, dass nichts Gravierendes passiert war, so hatte er nun die Bestätigung durch eigene valide Erinnerungen. Und auch wann das der erste Gedanke war, so zuckte doch lebhaft eine Welle des Glücks durch ihn, denn wenn er tatsächlich so viel getrunken hätte, um diesen Abend zu vergessen, hätte er sich nie verziehen. Er wollte sich an jede Sekunde mit dem schüchternen Studenten erinnern. Sam-jung deutete auf die Wohnungstür. „Ich gehe mich kurz frisch machen.“ Jae-song schien zu zögern, aber dann drückte er ihm ein graues, weiches Handtuch und Kleidung in die Hand, den Blick auf den Boden gerichtet. „Tut .. tut mir leid, ich habe nichts anderes ..“ Sam-jung nahm vorsichtig die Kleidung entgegen: eine helle Jogginghose und ein weißes Shirt, das verdächtig nach dem aussah, das Jae-song selbst trug, natürlich keine Unterwäsche, Badelatschen. Der sachte Geruch des Waschmittels stieg ihm in die Nase und löste sanftes Kribbeln in seinem Magen aus. Sein Herz flatterte leise gegen seine Rippen, als ihm bewusstwurde, dass es Jae-songs Klamotten waren, die er tragen würde. Sacht berührten seine Finger die des Studenten, als er ihm die Klamotten abnahm, und er suchte nach dem Blick aus den scheuen dunklen Augen, hielt sie fest und nickte langsam. „Ich werde deine Kleidung tragen. Wieso sollte ich dann irgendetwas anderes als das wollen?“ Zufrieden sah er dabei zu, wie die Wangen des Studenten die liebgewonnene Rötung annahmen, aber tapfer hielt er seinem Blick stand, wand sich sichtbar unter seiner Aufmerksamkeit, nickte wortlos und auch Sam-jung fehlten die Worte, um seine Zuneigung weiter auszudrücken. Es fühlte sich wie eine Ewigkeiten an, in welcher seine Fingerspitzen den Handrücken des Studenten berührten, in welcher er es nicht wagte sich zu bewegen, um Jae-song nicht zum Rückzug zu bringen und dessen Nähe noch eine Weile länger auszukosten, in welcher er den Atem anhielt und dem Ziehen in Magen und Herz nachfühlte, das Prickeln auf den Lippen genoss, ausgelöst von der Erinnerung von Atem auf ihnen und abermals war es so schwer, der Versuchung nicht zu erliegen und die Distanz zu wahren. Geduld, Sam-jung. Er wartet auf dich. Er atmete zittrig durch und Jae-song zuckte zurück. Im Vorbeigehen berührte er die Schulter des Jüngeren so sanft wie nur irgendwie möglich, nickte ihm zu – „bis gleich“ – und verschwand zu den Gemeinschaftsduschen. Er war hier. Er war wirklich hier! Sobald Sam-jung das Zimmer verlassen hatte, begann Jae-song fanatisch die Kleidung zusammen zu schieben, die er gestern hektisch ausgezogen hatte und beeilte sich dabei, die Bettdecke wieder zurecht zu zupfen. Er überprüfte sogar, dass dem weinroten Trenchcoat an der Garderobe nichts passiert war und dass die teuren Anzugschuhe noch genau dort standen, wo er sie Sam-jung ausgezogen hatte. Er hatte sie Sam-jung ausgezogen! Nervosität durchstob jede Pore und er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Er war wirklich hier! Auf flinken Sohlen stob er zum Fenster und riss es auf, schob dennoch die Vorhänge davor, denn vielleicht tat ihm das Sonnenlicht wegen des Katers noch weh – und oh, sein Schreibtisch! All die Aufzeichnungen! Mit großen Augen schob er die Hausarbeit zusammen, an der er gerade arbeitete und musste über sich selbst lachen, als ihm bewusstwurde, dass er zum dritten Mal das gleiche Blatt in der Hand hielt. Sam-jung war wirklich hier. Er hätte sich besser darauf vorbereiten müssen, hatte kaum etwas zu essen im Haus … Oh! Ah! Essen! Die Ramen! Hektisch rauschte er zur Kochplatte, nahm den dampfenden Topf runter und goss die Nudeln in zwei Schalen ab, schlug das Ei auf, warf den Lauch rein und atmete durch, als die Arbeit getan war. Die Tür ging auf und Sam-jung kam zurück, gekleidet in seine Klamotten und Jae-song stieg abermals die Röte ins Gesicht, da er selbst in diesen einfachen Klamotten unverschämt gut aussah. Er konnte ihn kaum anschauen … es war alles so verrückt! Fühlte sich so verrucht an! Dabei war gar nichts passiert, wie Jae-song sich immer wieder in Erinnerung rief. Er hatte nicht einmal den Mut gehabt, Sam-jungs Gürtel aufzumachen, dabei war es sicherlich unbequem gewesen mit diesem zu schlafen, aber … allein der Gedanke daran, Hand dort anzulegen … Jae-song blinzelte und sog scharf die Luft sein, konnte den Blick aber dennoch nicht vom Älteren abwenden. Sam-jung bearbeitete das feuchte Haar mit dem Handtuch, während er vorsichtig in das Studentenzimmer eintrat und Jae-song schluckte trocken. „… Ich … ich habe leider nur Ramen hier … Tut mir leid.“ Irgendwo auf halbem Weg verlor sich seine Stimme und er wusste nicht einmal mehr was genau ihm leid tat. Dass er ihn nicht doch ins Krankenhaus gebracht hatte oder sich nicht das Hotel vom letzten Mal gemerkt hatte oder dass das Zimmer so klein und hässlich war oder dass es eben nur Nudeln mit Ei waren oder dass seine Kleidung so unscheinbar war oder dass sie sich nicht geküsst hatten … Augenblicklich schreckte Jae-song auf. Hatte er das gerade wirklich …? Sam-jung kam ihm die letzten paar Schritte entgegen, jenes entwaffnende wundervolle Lächeln auf angespannten Zügen, die gezeichnet vom Alkoholkonsum der letzten Nacht müde wirkten. Er war so schön, klopfte Jae-songs Herz einen einschlägigen Rhythmus. „Ramen sind jetzt perfekt. Darf ich auf dem Bett essen?“ Jae-song nickte mechanisch und nahm beide Schalen mit zum Bett herüber. Sam-jung ließ sich vorsichtig auf der Matratze nieder und streckte die Hände nach der Schüssel aus, nahm sie ihm ab und begann schließlich schweigend zu essen. Jae-song setzte sich an seinen Schreibtisch, drehte sich aber zum Älteren, um ihn beim Essen zu beobachten. Es waren nur Ramen … es war nicht so, als habe er großartig gekocht … also durfte er auch keine Luftsprünge erwarten … warum hatte er trotzdem dieses irrsinnige Gefühl von Hoffnung in der Brust und wieso hielt er trotzdem den Atem an?! Sam-jung schaute auf und seine Augen leuchteten – er wirkte wacher, entspannter als zuvor. „Ah. Wie erwartet: perfekt. Danke, Jae-song, das war genau das, was ich jetzt brauche. Und dein Bett ist so bequem, ich habe geschlafen wie ein Baby. Musstest du mich etwa den ganzen Weg hierher tragen?“ Jae-song blinzelte und fühlte dem Pochen in seiner Brust nach, das Wärme durch seinen gesamten Körper schickte. Wie schaffte Sam-jung es nur mit so wenigen Worten genau das richtige zu sagen? Die liebevolle Aufrichtigkeit, in welcher er ihn badete, war Balsam für die Unsicherheit des Studenten. „Du bist nicht schwer…“, schmunzelte Jae-song deswegen und wandte den Blick auf die Nudeln, die langsam weniger in ihrer beider Schüsseln wurden. „Aber ich bin froh, dass du schlafen konntest. Es ist … Mein Zimmer ist nichts Besonderes …“ Er sah aus dem Augenwinkel, wie Sam-jung behutsam den Kopf schüttelte, ehe er etwas sagte, nachdem er noch einmal eine großen Portion Nudeln vertilgt hatte. „Findest du? Ich mag dein Zimmer.“ Jae-song blinzelte. Fühlte sich seltsam beflügelt und gleichzeitig taub. Er befeuchtete sich die Lippen, suchte nach Worten, fand aber keine und aß daher lieber schweigend lächelnd die Ramen auf. Das Lächeln des Älteren zupfte an seinem Herzen und in einvernehmliches Schweigen beendeten sie den Imbiss – Sam-jung streckte sich erleichtert und schmunzelte. „Wie wäre es wenn ich mich mit einem Essen revanchiere? Mir geht es schon viel besser dank deiner Fürsorge … Ich koche nicht häufig, aber ich habe mir sagen lassen, dass mein Japchae akzeptabel ist. Darf ich mich damit bei dir bedanken?“ Jae-song war für einen Moment überfahren von den vielen Informationen, sah sich jedoch automatisch nicken und war erschrocken von seiner direkten Zustimmung. „Ah, hast du heute überhaupt noch Zeit? Du musst sicherlich viel für das Studium tun, oder?“ Jae-song kam nicht umhin zu vermuten, dass der Ältere ihm einen einfachen Ausweg geben wollte. Dass er ihm aufzeigen wollte, dass es in Ordnung war, abzulehnen wenn er sich unwohl fühlte oder tatsächlich zu viel zu tun hatte. Der Blick aus nachdenklichen Studentenaugen fiel auf die Aufzeichnungen auf dem Schreibtisch, aber er schüttelte den Kopf. „Das ist in Ordnung. Heute ist mein freier Tag … und ich muss erst morgen Mittag wieder arbeiten. Vor Montag befasse ich mich nicht mit dem Stoff. Hin und wieder muss man sich Pausen gönnen …“ Jae-song wurde verlegen, als er bemerkte, wie viel er gesprochen hatte und lächelte schmal, den Blick absichtlich nicht zum Älteren lenkend. Er spielte ein wenig mit einer übriggebliebenen Nudel in der ansonsten leeren Schüssel und hörte Sam-jungs Bassbariton ein „hm“ brummen, ehe honigweiche Worte folgten. „Hast du dir das Wochenende extra für mich freigenommen, Jae-song?“ Sein Herz flatterte und obwohl die Verlegenheit ihn beinahe umbrachte, nickte er langsam, den Blick noch immer nicht zum Älteren gewandt. Er schaffte es einfach nicht, ihn anzuschauen oder auch nur ein Wort an ihn zu richten. Auch wenn Sam-jung richtig lag … oder gerade deswegen? … war es ihm unmöglich, die warmen Gefühle in Worte zu fassen. Die Stäbchen in der Schüssel klapperten, als Sam-jung das Porzellan auf dem Boden abstellte. Automatisch fiel Jae-songs Blick auf die Schüssel und er blinzelte; der Ältere brauchte kaum einen flatternden Herzschlag um vor seinem Stuhl in die Hocke zu gehen, die Hände vorsichtig auf seinen Knien platziert. Jae-songs Herz reagierte augenblicklich auf die sanfte Berührung und lehnte sich dem Mann vor ihm entgegen, dessen Nähe seine Gedanken zum Rasen brachte. Atemlos begegnete er dem Blick aus goldgesprenkelten Augen, ehe er der ungefilterten Zuneigung ausweichen musste; seine Augen tasteten über die weichen Züge, die liebevoll geschwungenen Lippen und er schluckte trocken, weil abermals der Gedanke so präsent war, dass er nichts dagegen hätte, wenn Sam-jung die Grenze überschreiten würde und gleichzeitig alles in ihm schrie, dass er es nicht tun sollte. „Jae-song?“ Mit flatternden Lidern schaute der Student wieder in das strahlende Augenpaar und noch immer hielt er die Luft an, als die langen Finger auf sein Gesicht zusteuerten, ihm die verirrten Strähnen aus der Stirn schoben und der Knoten in seinem Magen sich in wahnsinniges Brennen auflöste. Er schnappte nach Luft und Sam-jung schmunzelte und alles auf der Welt war gut und schön, nur weil er hier war und über seine Fehler lächelte und weil seine Fingerspitzen auf der erhitzten Stirn prickelten und weil er ihn und nur ihn anschaute und weil er seine Klamotten trug und über eine Kleinigkeit wie einen freien gemeinsamen Tag derart glücklich war, dass das Gold in seinen Augen wie tausend Sterne funkelte und weil jede noch so romantische und kitschige Redewendung nicht genug war, um die Gefühle im Inneren zu beschreiben und weil er sich vorlehnte und seine Nähe elektrisierend wie paralysierend war und weil er Jae-songs Welt auf den Kopf stellte, als seine Lippen nur Millimeter vor seiner Wange anhielten, seine Nasenspitze seinen Wangenknochen berührte und noch immer das Gold in seinen Augen funkelte, und weil alles Glück der Welt in diesem einen Moment lag, als sich seine Arme um ihn schlossen und ihn in eine Umarmung zogen, weil er ihn fest an die starke Brust, in dessen Mitte das Herz mit dem eigenen einen wahnsinnigen Tanz aufführte, drückte und weil er ihn liebte. Weil er Sam-jung liebte. Jae-songs Hände schlossen sich zögerlich im Rücken des Älteren; sein Herz jagte jenem an seiner Brust nach; und er musste leise lachen, als er Sam-jung leise sagen hörte: „Lass uns einkaufen gehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)