Tabu von Schneefeuer1117 (One Shots für Harry Potter RPGs) ================================================================================ Kapitel 35: Joonie I - Die Straßenkatze --------------------------------------- 𝗦𝗲𝗲𝗸 𝗣𝗲𝗮𝗰𝗲 𝗯𝘂𝘁 𝗯𝗲 𝗿𝗲𝗮𝗱𝘆 𝘁𝗼 𝗴𝗼 𝘁𝗼 𝘄𝗮𝗿. Cheon-joon schlug die Augen auf und schaute blicklos gegen die Decke. Unter ihm war noch alles ruhig und das Zimmer, das er sich mit vier anderen Jungs teilte, lag noch in kompletter Dunkelheit. Er öffnete seine Hand, die seit Stunden bereits ein heimliches Leuchten in ihrem Inneren verbarg und schützte auch jetzt das Licht durch die dünne Bettdecke. Plötzlich tauchte ein Kopf an seinem Bettende auf und hektisch zog er sich die Decke bis ans Kinn. Hatte er etwas gesehen? Cheon-joon bemerkte, wie sein Herz hektisch zu schlagen begann und unmöglich konnte Dal die Panik in seinem Blick verborgen bleiben. Doch die großen dunklen Augen funkelten nur schelmisch und Zahnlücken wurden vom breiten Grinsen präsentiert. „Komm, lahme Schnecke!“, zischte Dal ihm zu und Cheon-joon ballte die Hand eng um das Licht in ihr, pellte sich aus der Decke und sprang dem Älteren hinterher, der ihnen beiden bereits einen Fluchtweg durch das Chaos der angeblichen Familie gebahnt hatte. Wie lange war er wohl wach gewesen, um ihnen die Flucht zu ermöglichen? Cheon-joon spürte wie sich Aufregung und Erleichterung zu einem gefährlichen Mix in seiner Brust verwandelten und er wollte lauthals lachen – etwas, das er noch nie getan hatte. Und ein Gefühl, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass er es verspüren konnte. Im Waisenhaus hatte er nie gelächelt. Nicht gelacht. Und erst recht mit niemandem gesprochen. Weder mit den Nonnen, die sich halbherzig um sie gekümmert hatten, noch mit den jüngeren oder älteren Jungen, die mal mehr, mal weniger verwahrlost gewesen waren als er selbst. Er hatte es dort gehasst und gewusst, dass er zu anderem berufen war. Die Notwendigkeit, sich mitzuteilen und in einem Drecksloch Kontakte zu knüpfen, hatte schlicht und ergreifend nicht bestanden – auch wenn weder der damals dreijährige noch der jetzt siebenjährige Cheon-joon das so benennen könnten. Aber ihm war schon immer bewusst gewesen, dass er nicht dorthin gehörte. Als er dann an einem der vielen Tage, an denen er unbemerkt aus dem Waisenhaus geflohen war, Dal über den Weg gelaufen war, hatte er seine Chance gewittert und sich an den Älteren gehängt, der eine gewisse Faszination für ihn übrig gehabt zu haben schien. Dal fand in Joonie einen Seelenverwandten – einen wahren Bruder – jemanden, der ihm über den Tod hinaus loyal sein würde und das seltene Bedürfnis, ihm das gleichzutun, erstarkte in dem sonst so egomanischen Jungen. Sie waren von Beginn an ein seltsames Duo gewesen – Dal war laut und schelmisch und immer das Zentrum aller Schwierigkeiten. Auch wenn er nur drei Jahre älter als Cheon-joon war, so wirkte er doch wesentlich älter – immer mit neuen Blessuren und blauen Flecken, einem gebrochenen Arm oder einer Schramme über dem Auge war er als Rabauke in der Nachbarschaft bekannt. Dal war schon in den jungen Jahren jemand, mit dem man sich nicht anlegte, wenn man wusste, was gut für einen war. Und dennoch war er bei vielen ziemlich beliebt – bei jenen, die ihre Lektion gelernt hatten oder sich von Anfang an nicht mit ihm angelegt hatten. Dal polarisierte und er baute sich schon zu der Zeit eine treue Anhängerschar auf. Cheon-joon hingegen war ruhig und beobachtend, lauernd beinahe. Dank der dürren Statur war er unheimlich zäh und agil und bei Schlägereien, in welche die beiden von Anfang an regelmäßig verwickelt waren, konnte er sich trotz des Fliegengewichts immer behaupten. Er hatte den Biss einer Straßenkatze und verteidigte Dal und sich selbst mit allem, was er hatte – wortlos, zumeist. Nur sein Bruder bekam das seltene Lächeln zu Gesicht – nur Dal bemerkte das Funkeln in den tiefen Augen – nur Dal sollte für lange Jahre die Zuneigung und Zärtlichkeit des Waisenjungen zuteilwerden. Die neuen Eltern … nun ja … Cheon-joon machte sich schon lange keine Illusionen mehr, was seine sogenannten Eltern betraf. Die Mutter war übergriffig – auf mehr als eine Art – und der Vater ein ruchloser Säufer. Sie strichen die Gelder für die vielen Kinder ein, ließen sie auf dem Bauernhof schuften und sorgten mit gezieltem Misstrauen und Strafen dafür, dass die Kinder in Konkurrenz zueinander um die wenige Zuneigung der Eltern standen und sich nicht gegen ihre Eltern verbündeten. Cheon-joon lag auch nichts an seinen vielen Geschwistern und er war clever genug, um seinen Eltern vorzuspielen, dass ihm auch nichts an Dal lag. Als sie Dal den linken Arm brachen und er zuschaute, zuckte er nicht einmal mit der Wimper. Er hatte bemerkt, wie einer der Jüngeren sich neben ihm eingepisst hatte und eines der Mädchen hinter ihm hatte angefangen laut zu flennen, aber seine Augen hatten einzig und allein in denen Dals gelegen. Er hatte dem tränenreichen Blick standgehalten und ihn festgehalten, hatte keinen Muskel verzogen und blutige Rache geschworen. Sie würden ihm nicht noch einmal weh tun. Dass es ein bisher noch unerfülltes leeres Versprechen war, war ihnen beiden klar – Dal grinste ihm trotz der unerträglichen Schmerzen zu, als ihr Vater den Bruch wieder richtete, nur, um den Arm ein zweites Mal zu brechen. Sie würden ihm – verdammt noch mal – nicht noch einmal weh tun! Und heute taten sie den ersten Schritt in dieses Versprechen. Cheon-joon öffnete die gleißende Hand und Dal sog die Luft scharf ein, ehe sie der Lichtkugel dabei zusahen, wie sie das gesamte Wohnzimmer in gleißendes Licht hüllte und Stimmen im gesamten Haus wurden lauter und lauter und Dal schnappte Cheon-joons Arm und während im gesamten Haus der Tumult losbrach, schlüpften sie unbemerkt hinaus, die kleinen Rücken beladen mit zwei Rucksäcken und bereit, dem Drecksloch den Rücken zu kehren. Sie waren so jung und unbedarft, trotz der harten Zeit auf dem Hof. Sie hatten tatsächlich geglaubt, mit ein paar Klamotten und ein bisschen eingepacktem Kimchi und Schokobrötchen würden sie bis ans Ende der Welt reisen können. Schlussendlich sammelte ihr Vater sie auf, steckte sie beide in den Keller und dort blieben sie für zwei lange Wochen, ernährten sich nur von den Essensresten, die andere ihnen in ihr feuchtes Domizil warfen und der Exkremente Geruch wurde nach vier Tagen schon so schlimm, dass sie sich daran gewöhnten. Ein Vorgeschmack auf das, was folgen würde…? Wahrscheinlich. Aber durch was auch immer ihr Vater versuchte sie zu brechen – solange sie einander hatten, war die Tortour erträglich. 𝑻𝒉𝒆𝒚 𝒑𝒐𝒊𝒏𝒕 𝒇𝒊𝒏𝒈𝒆𝒓𝒔 𝒂𝒕 𝒎𝒆, 𝒃𝒖𝒕 𝑰 𝒅𝒐𝒏'𝒕 𝒄𝒂𝒓𝒆 𝒂𝒕 𝒂𝒍𝒍 𝑰 𝒏𝒆𝒗𝒆𝒓 𝒈𝒐𝒏' 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒈𝒆 (𝑰 𝒏𝒆𝒗𝒆𝒓 𝒈𝒐𝒏' 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒈𝒆) Cheon-joon versuchte es. Er versuchte es wirklich. Die Zaubererautoritäten sammelten ihn ein und steckten ihn in dieses Internat voller Wichtigtuer und reicher Arschlöcher und pikfeiner Idioten. Keiner konnte verstehen, warum der ruhige Achtjährige stumm blieb und warum er mit explosiver Wut auf Konfrontationskurs ging. Die Lehrer gaben ihr Möglichstes und vielleicht war es einigen von ihnen zu verdanken, dass Cheon-joon so etwas wie eine Zukunft hatte. Er durfte – trotz täglicher Ausschreitungen, trotz Einzelzimmer, da er ein asoziales Arschloch war und ein Jahr zu spät gefunden worden war, trotz fehlender Lesefähigkeiten und trotz beschissener Noten – bleiben. Und Stück für Stück gewöhnte Cheon-joon sich an das Leben auf dem Internat, lernte lesen und schreiben und dass lernen nicht immer etwas Schlechtes war. Freunde fand er anfangs keine, was aber auch nicht seine Priorität war. Viele seiner Mitschüler machten über den stummen Jungen einen gigantischen Bogen und sprachen hinter seinem Rücken über ihn. Doch er fand so etwas wie Anhänger – Mitläufer, die zu schwach waren, für sich einzustehen und beim stummen Außenseiter Schutz suchten, wenn Ältere sie drangsalierten. Und Cheon-joon entwickelte einen Gerechtigkeitssinn, der seine Zeit in der verfluchten Schule um gute sieben Jahre verkürzte. Denn während die Lehrer glaubten, die Straßenkatze langsam aber sicher an das normale Leben gewöhnen zu können und die Jüngeren in seinem Dunstkreis beinahe wie Freunde wirken mochten, fand Cheon-joon bei jenen, die seine Freunde drangsalierten, keinen Anhang. Stattdessen verlor er die Kontrolle – zumindest wirkte es so – als ein Vierzehnjähriger einen seiner Freunde in den noch kalten Fluss warf, obwohl er wusste, dass er nicht schwimmen konnte. Cheon-joon selbst auch nicht. Die Panik, die ihn hatte blind werden lassen, hatte zur Schädelfraktur des Älteren und einem Schulverweis geführt. Sein Freund hatte knapp überlebt, doch danach hörte er nie wieder etwas von ihm. Cheon-joon hatte auch nicht eingegriffen, weil er jemanden wollte, der ihm etwas schuldig war – derart hinterlistig handelte er nicht und obwohl er in einem derart übergriffigen Elternhaus aufgewachsen war, entwickelte er starke moralische Werte. Helfen um des Helfen willen; weil es verdammt noch mal das Richtige war, Schwäche zu schützen und sie nicht zu attackieren, auszunutzen oder zu misshandeln. Nicht, dass Cheon-joon diese moralische Vorstellung generell auf alle Lebewesen auszuweiten wusste; mit zwölf konnte er noch nicht einmal genau benennen, wieso er derart ausgerastet war. Aber die Schulleitung schob dem Projekt Straßenkatze einen Riegel vor – und Cheon-joon fand sich dort wieder, wohin er niemals zurückkehren wollte: dem missratenen Elternhaus. Zwei Stunden dauerte es, bis er einen Weg gefunden hatte durch die Sicherheitsmaßnahmen des Hofs zu fliehen und als er über die weiten Felder und über den Zaun sprang, schreckte er zusammen, als er ein Hupen hörte. Hatte ihn Vater bereits gefunden? „Lahme Schnecke!“ Ein Grinsen formte sich auf Cheon-joons Zügen und sofort rannte er zum alten Auto, das von Dal gefahren wurde. Der große Bruder klopfte auf den Beifahrersitz und Cheon-joon stellte keine Fragen – woher kam das Auto, wieso wusste er damit zu fahren, wie war er hierhergekommen, wieso wusste er überhaupt dass er wieder da war und wie hatte er gewusst wo genau er ihn abholen musste – sondern akzeptierte die Rettung durch Dal als das, was es nun einmal war: Schicksal. „Hast du noch deinen Zauberstab?“ „Nein. Sie haben ihn zerbrochen.“ „Bastarde. Hätten ihn sicher eintauschen können“, grinste Dal und Cheon-joon schaute zu ihm, gemischte Gefühle aufgrund der Aussage in sich aufsteigend. In den Ferien war er immer bei Dal untergekommen, irgendwo zwischen Hochhäusern, Dreck und fremden Männern – aber alles war besser als der Hof gewesen und Cheon-joon war stolz auf den großen Bruder gewesen, der sich allein durchschlug. Während er selbst wenigstens ein Dach über dem Kopf und unendliche Verpflegung gehabt hatte, hatte Dal sich mit Nichts durschlagen müssen … und obwohl erst zwölf wusste Joonie ganz genau was mit Kindern geschah, die Nichts hatten. Schuld kratzte in ihm – Wut wechselte sich mit ihr ab – und schließlich beschloss er, nichts davon zu sagen. Weder, dass er sich schuldig fühlte ihn alleingelassen zu haben und ein einfaches Leben genossen zu haben, noch dass er wütend auf den Hof, die Schule, die ganzen miesen Ficker war, die ihnen das Leben zur Hölle machten. Stattdessen beschloss er ab jetzt auf Dal aufzupassen. 𝑪𝒂𝒏'𝒕 𝒂𝒇𝒇𝒐𝒓𝒅 𝒕𝒐 𝒃𝒆 𝒄𝒐𝒏𝒇𝒖𝒔𝒆𝒅 𝑰 𝒅𝒐 𝒎𝒚 𝒕𝒉𝒂𝒏𝒈 (𝑰 𝒅𝒐 𝒎𝒚 𝒕𝒉𝒂𝒏𝒈), 𝑰 𝒍𝒐𝒗𝒆 𝒎𝒚𝒔𝒆𝒍𝒇 (𝑰 𝒍𝒐𝒗𝒆 𝒎𝒚𝒔𝒆𝒍𝒇) „Eomma!“ „Hosook-ah? Bist du es?“ „Eomma, ich bringe meinen Bruder mit. Ist das in Ordnung für dich?“ Cheon-joon hielt in der Bewegung inne. So viele Dinge gleichzeitig irritierten ihn, dass er langsam zum Älteren herüberschaute. Die weiche Stimme – Eomma – und der Name, mit Dal angesprochen wurde, die Art und Weise wie Dal sich in der kleinen Wohnung wie zu Hause benahm – das Gefühl zu stören – ist das in Ordnung für dich? – und die schleichende Angst vor einem ‚Nein‘ als Antwort. „Dummer Junge. Wo warst du nur wieder den ganzen Tag? Eomma macht sich Sorgen um ihren Jungen. Komm rein, komm rein. Ist das Hoyoung? Aigo, so jung…“ Mit großen Augen sah Cheon-joon eine alte Frau auf sich zukommen; älter als seine Mutter auf dem Hof, aber nicht so alt wie die Nonnen im Waisenhaus, aber mit einem Lächeln, das ihm schlecht wurde. Er wich vor den ausgestreckten Händen zurück und zur Tür, die Hand bereits auf der Klinke. „Oh“, entwich es der Oma und Dal schnalzte genervt mit der Zunge. „Sei nicht so ein Feigling und komm rein. Sie ist eine alte Frau, was soll sie dir schon groß tun, eh? Weichei.“ „Sprich nicht so über deinen Bruder, Hosook!“, tadelte die Oma Dal und mit wachsender Verwirrung beobachtete Cheon-joon, wie Dal den Tadel zuließ und sogar … hm … traurig aussah? Cheon-joon konnte die Regung, die über die Züge des Älteren huschte, nicht deuten und unsicher blitzte er zur alten Frau, die aufgegeben hatte ihn anzufassen und stattdessen hektisch mit den Händen winkte, um ihn endlich aus dem Hausflur in die heruntergekommene Wohnung zu locken. Als er sich noch immer nicht bewegte, schnappte Dal ihn im Nacken und zerrte ihn in die Wohnküche, die erfüllt vom Geruch von scharfem Essen war. „Eomma kümmert sich um uns“, zischte Dal ihm hinter vorgehaltener Hand zu, „solange ich ihr nur die Zutaten bringe. Sie fragt nicht nach, woher ich die Kröten habe und freut sich, n Enkel zu haben, also verhalt dich nicht wie n beschissenes Weichei und zeig n bisschen Respekt.“ Cheon-joon starrte Dal an, als sei er ein vollkommen anderer Mensch und irgendwie stimmte das auch. Nie hatte sein großer Bruder ihm gesagt er solle Respekt vor jemandem haben und nie hatte er auch nur einen Deut auf die Gefühle anderer gegeben. Wahrscheinlich war es nur der Tatsache geschuldet, dass Eomma ihm Essen und Unterschlupf gab, aber selbst mit dieser Ausrede kam ihm Dal noch immer seltsam fremd vor. Trotzdem nickte er und konnte sich kaum erklären, warum er glücklich war. Die Tür war aufgebrochen. Cheon-joon hielt Dal an der Schulter zurück und ging vor – nicht, weil das die klügere Wahl gewesen wäre, sondern weil Dal weinte und nicht in der Verfassung war, sie zu verteidigen. Vorsichtig schlich Cheon-joon durch die zersplitterte Inneneinrichtung und fand die Angst bestätigt: Eomma lag in ihrem eigenen Blut zwischen dem zerschlagenen Esstisch und den letzten Resten des Essens, das sie für sie vorbereitet hatte. Sie atmete nicht. Sie rührte sich nicht. Dal hinter ihm heulte auf und rannte durch das Zimmer auf die Tote zu, schüttelte sie und kümmerte sich nicht um die Beweise, die er überall zurückließ. Ihn so zu sehen ließ Cheon-joon wissen, dass er die alte Frau wirklich gemocht hatte und dass er sich schuldig fühlte, sie in ihren Kampf hineingezogen zu haben. In den letzten Wochen hatten sie sich immer öfter mit einer Gruppe an Jungs angelegt. Dal hatte schon länger einige andere um sich gescharrt und sie klauten Autos, brachen in verlassene Häuser ein oder überfielen wehrlose Passanten für ein bisschen Kleingeld in einer Welt aus Kreditkarten. Aber vor einigen Tagen hatten sie sich den Falschen ausgesucht; er war Mitglied einer der bekannteren Straßengangs der Umgebung und hatte blutige Rache geschworen. Cheon-joon konnte nicht verstehen, warum er nicht einfach Dal oder ihn umgelegt hatte … warum eine alte Frau hatte sterben müssen, die nichts mit ihrer Fehde zu tun gehabt hatte. „Dal. Wir müssen gehen.“ Dal sprang auf und Hände voller Blut krallten sich in Cheon-joons Kragen. Die drei Jahre Altersunterschied wurden sichtbar – Dal war groß und schaute auf ihn herab mit einer Mordlust in den Augen, die Cheon-joon schaudern ließ. Aber er hielt dem Blick stand – vertraute seinem älteren Bruder blind – und verstand ja auch, warum er so wütend war. Und wenn es ihm helfen würde, ihm eine reinzuwürgen, wieso dann auch nicht? Er hielt das aus. Aber stattdessen verharrten sie eine Weile in dieser Position, ehe Dal ihn von sich stieß. Joonie stolperte über die kaputten Möbelstücke, riss sich die Handballen auf und sog die Luft schmerzerfüllt ein; aber er sagte nichts, als Dal damit fortfuhr, die Wohnung abzusuchen. Er hinterließ überall Fingerabdrücke und seine Fußspuren im Blut, aber darum würde Cheon-joon sich gleich kümmern. Dal sammelte die wenigen Wertsachen ein, die ihr Feind übriggelassen hatte und nahm noch ein Foto vom im Krieg verstorbenen Sohn Eommas mit, ehe er wortlos an seinem Bruder vorbeiging und blutig wie er war die Wohnung verließ. Cheon-joon atmete tief durch; das innere Zittern musste er jetzt ignorieren. Er war Dreizehn und es war Zeit, erwachsen zu werden. Mit erschreckender Ruhe eliminierte er die Hinweise auf seine und Dals Existenz, die er finden konnte und versuchte, ihr Eindringen in das Leben der Oma auszulöschen. Es war auch für ihn ein schmerzhafter Prozess; er hatte sich in dem Jahr, das sie bei ihr gewohnt hatten, an die Alte gewöhnt und tatsächlich warme Gefühle für sie entwickelt. Er fühlte sich schuldig, dass er ihr nie Dankbarkeit oder gar Zuneigung gezeigt hatte und jetzt war es zu spät. Stirnrunzelnd schaute er auf die Tote. So viel Blut … so viel unnötige Gewalt … Es hätte seine Leiche sein sollen, nicht die der Oma. Oder die von Dal oder einem Mitglied ihrer Gang. Stattdessen hatten sie eine Unschuldige Oma auf dem Gewissen und der Gedanke schnürte ihm die Brust zu. „… Tut mir leid, Eomma.“ Entschlossen, dass nie wieder ein Unschuldiger für ihn würde sterben müssen, verließ er die Wohnung. tbc Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)