Tabu von Schneefeuer1117 (One Shots für Harry Potter RPGs) ================================================================================ Kapitel 27: A-ri I - Baekmon ---------------------------- A-ri erinnerte sich noch ganz genau an den Vorfall mit Baekmon, da es einer der wenigen Momente seiner Schulzeit war, in denen er sich aktiv für jemanden eingesetzt und sich selbst in den Mittelpunkt gesetzt hatte. Baekmon war einer der strebsamsten Schüler, soweit A-ri sich erinnerte. Er glaubte, dass er ein Jahr über ihm zur Schule ging, aber es hätten auch zwei über oder zwei unter ihm sein können – leider wusste A-ri nie viel über den anderen, dessen erschrockener Blick ihm bis heute hin und wieder in besonders harten Zeiten unter die Haut kroch. A-ri wusste, dass Baekmon es schwer hatte … ein Mobbingopfer erkannte ein anderes … und beinahe instinktiv tat er alles nötige, um es ihm nicht noch schwerer zu machen. Natürlich bemerkte er die Blicke in seine Richtung und natürlich war er sich bewusst, dass Baekmon nur auf eine Chance wartete, einmal mit ihm zu sprechen – oder den Mut sammelte, es irgendwann zu tun. Aus welcher Intention das geschah war A-ri hingegen nicht wirklich bewusst. Fakt war jedoch, dass er sich bewusst dafür entschied, ständig mit seinen Teamkameraden unterwegs zu sein und dass er sich bewusst dafür entschied, mit den wenigen Freunden von Klasse zu Klasse zu schlendern, um so wenig wie möglich tatsächlich allein zu sein und niemandem eine Chance zu geben, sich ihm zu nähern. Warum er das tat war einfach: nur weil er ein verdammt guter Hüter und bei zwei oder drei seiner Mitschüler nicht unten durch war, hieß das noch lange nicht, dass er beliebt war. Die anderen Sportler duldeten ihn – An Chae-yeon war die Ausnahme; er schien wirklich an einer Freundschaft interessiert – und solange er nicht aus ihrer Sicht etwas Dummes oder Falsches tat, war er sicher. Doch sobald der Quaffel die Ringe passierte … Sobald er es wagte, seine Meinung zu äußern … Oder die Strategie des Kapitäns zu kommentieren … Die anderen Spieler fingen ihn oft genug nach dem Training ab und zeigten ihm sehr deutlich, wo das Müllkind seinen Platz hatte. Das Wegwerfen passierte vielleicht nicht mehr so häufig, wie vor den Zeiten im Team, aber die anderen Jungs zeigten ihm sehr deutlich, dass er kein Teil ihrer Welt, ihres Kreises war. Und jeder, der sein Freund war, der auch nur mit ihm sprach, war ebenfalls davon betroffen. Die Mädchen von der Nachbarschule, gegen die sie auch öfter Trainingsspiele flogen, waren ernstzunehmende Konkurrenten und dennoch wurden einige von ihnen nicht müde, Kontakt zu A-ri zu suchen. Er versuchte bestmöglich den Avancen auszuweichen, da er wusste, was ihnen blühte, aber als der Kapitän herausfand, dass die Treiberin aus dem anderen Team nicht ihm, sondern A-ri zu Valentinstag Schokolade mitgebracht hatte, fanden die Trainingsspiele für eine Weile ein jähes Ende. A-ri ist sich sicher, dass die Treiberin keine physische Gewalt zu fürchten gehabt hatte, aber sein Arithmantik-Freund zeigte ihm einige wirklich fiese Kommentare auf Social Media Plattformen, die ganz eindeutig von seinem Kapitän oder den anderen Spielern gekommen waren. Die Treiberin mied ihn seitdem. Dass sein Kapitän ihn danach kopfüber in die nächstbeste Mülltonne warf in Ermangelung einer anderen Möglichkeit, ihn zu beschämen, stand natürlich außer Frage. Gewalt konnte er nicht mehr einsetzen, seitdem A-ri dem Team als wirklich exzellenter Hüter mit 13 Jahren beigetreten war, aber … … nun ja, wie die Treiberin war auch A-ri vor der psychischen Gewalt nicht sicher. Und Vorfälle dieser Art blieben leider kein Einzelfall, obwohl A-ri sich alle Mühe gab, unscheinbar zu bleiben. Das blöde hübsche Gesicht machte ihm Tag für Tag einen Strich durch die Rechnung und während seine Familie sich freute, was für ein hübscher junger Mann er wurde, verfluchte er sich selbst dafür. Er brachte andere damit nur unnötig in Verlegenheit und in Gefahr, da es eindeutig war, dass weder sein Kapitän noch die anderen Teammitglieder mit ihrem Mobbing aufhören würden. Er selbst hielt das aus – doch die Unschuldigen, die damit in Mitleidenschaft gezogen wurden, denen galt seine wahre Sorge. Und das nicht zwingend, weil A-ri ein sehr selbstloser Mensch wäre … sondern einfach, weil er es verabscheute, wenn Menschen etwas grundlos geschah und sie nichts dafür konnten oder dagegen tun konnten. A-ri hielt also Abstand zu jenen Menschen, die Nähe zu ihm suchten und selbst die Freundschaften zum Arithmantik-Ass und dem Verwandlungs-Genie blieben oberflächlich. Aber trotzdem musste er lächeln, als er Baekmon eines Tages in der Schulbibliothek sah. Sie beide waren allein und A-ri hatte ausnahmsweise mal keine Mauer an Begleitern oder Schulbüchern um sich herum aufgebaut – nur Fremde, die ihrer beider Wege kreuzten, während A-ri sich im Aufsatz für Pflege magischer Geschöpfe mit den unterschiedlichen Drachenkreuzungen plagte und warum auch immer Baekmon da war … er schien es zu vergessen, als er A-ris Lächeln gesehen hatte. Eine gewisse Unsicherheit stieg daraufhin im damals 16-Jährigen auf, an die er sich noch bis heute sehr lebhaft erinnert; hatte er sich geirrt? Wurde er gar nicht beobachtet? Aber dahingehend irrte A-ri sich eigentlich sehr selten – leider – und so hob er kaum vernehmlich die Hand und wackelte mit den einzelnen Fingern. Nicht als Aufforderung, dass Baekmon rüberkommen sollte, sondern einfach nur als stumme Geste des Verstehens. Er verstand, dass er ihn beobachtete. Und er verstand, dass er Kontakt wollte. Dann verschwand das zarte Lächeln von seinen Zügen und das zu einer kühlen Arroganz fähige Profil wandte sich den Aufgaben zu – A-ri war sich seines Gesichts schmerzlich bewusst und wusste, dass wenn er nicht lächelte, viele Menschen glaubten er sei sich zu schade. Auch wenn er Baekmon eigentlich hatte Mut machen wollen … … so wollte er ihn gleichermaßen von sich stoßen, weit von sich. Besonders nachdem sein Vater … … nachdem er den Unfall gehabt hatte, wusste A-ri nicht mehr wirklich vor oder zurück. Er nahm sein Umfeld nur noch peripher wahr, konnte kaum noch reagieren, wenn er selbst Ziel von Schikane wurde, und es war ihm schlicht und ergreifend auch egal. Es war ihm eine Weile einfach a l l e s egal. Er war so, s o kurz davor, aufzugeben. Einfach zu gehen. Irgendwo hin – und wenn es ins Wasser ohne Wiederkehr gewesen wäre, dann wäre es eben so. Alles schien nichtig, irrelevant – es endete sowieso. A-ri verlor sich für drei qualvolle Wochen in den schwärzesten Gedanken und konnte weder am Training teilnehmen noch seine Leistungen in der Schule erbringen. Und dann, von einem Tag auf den anderen, beschloss er, dass er wieder fliegen würde. Und dass er seinen Platz auf der Bestenliste verteidigen würde. Dass er der beste Hüter der Schule, nein, der letzten zehn Jahrgänge und der nächsten zehn Jahrgänge werden würde und dass ihm jetzt erst recht niemand mehr jemals wieder sagen würde, wo seine eigenen Grenzen lagen. Er und nur er allein legte seine Grenzen fest. Auch wenn das Mobbing durch seinen Kapitän zu der Zeit beinahe unerträglich zu werden schien, lächelte A-ri ihm ins Gesicht und akzeptierte dessen Behandlung, ohne zu murren, besser noch: er zahlte es ihm durch fehlerlose Spiele und gnadenlose Perfektion heim. Aber wann immer sein Kapitän keinen tatsächlichen Grund fand, um ihn in den Müll zu werfen, erfand er Gründe: A-ri sei zu spät zum Training gekommen – A-ri habe seinen Besen beinahe ruiniert als er die Besen des Teams nach dem Spiel poliert hatte – A-ri sei der Grund dafür, dass die Klatscher nach dem Training wild geworden waren – A-ri habe seine Freundin angeschaut, wesentlich zu lange – und so weiter und so fort. Die Anschuldigungen wurden immer lächerlicher und schließlich war auch das Team langsam, aber sicher eher genervt vom Kapitän, als dass sie A-ri weiterhin mit mobbten. Das änderte aber leider gar nichts daran, dass Baekmon die volle Packung abbekam, als er sich eines Tages kurz vor dem Ende von A-ris vorletzten Jahr in das Sichtfeld der Spieler schob. A-ri – mitten unter ihnen, gerade ins Gespräch mit An Chae-yeon vertieft – schaute überrascht auf, als Baekmon tatsächlich die magische Grenze zwischen ihnen überschritt. Er schien seinen warnenden Blick nicht zu bemerken – schien das leichte Kopfschütteln nicht zu sehen – und wollte irgendetwas ganz dringend loswerden das nur für ihn, A-ri, bestimmt gewesen war. Und A-ri verfluchte sich innerlich für den Moment in der Bibliothek – er verfluchte sich dafür, dass ein Teil von ihm sich gewünscht hatte, dass sie Kontakt hatten und dass er ihn scheinbar ermutigt hatte, die magische Grenze zu übertreten. Seine Gesichtszüge entgleisten ihm und schließlich wählte er bewusst jenes Gesicht, das schon ganz andere abgeschreckt hatte: die kühne Arroganz, die abweisende Hochnäsigkeit. Bist du dir zu schade für uns, Byunii?, höhnte die Stimme des Kapitäns in seinem Hinterkopf, als seine Augenbrauen zusammen zuckten – und schließlich zuckte A-ri zusammen, als einer seiner Treiberkollegen Baekmon grob zur Seite stieß. Es war ein Moment in welchem A-ri sich entscheiden musste: öffentlich Partei für den Jungen ergreifen und es damit wohlmöglich noch schlimmer für ihn machen, oder dafür sorgen, dass er sicher aus dem Ganzen herauskam. Und die Entscheidung war so leicht. A-ri lächelte abwesend, lachte über einen Scherz seines Sucherkollegen und entschied sich, kein zweites Mal zu Baekmon zu schauen, als er schweren Herzens ging. Aber unkommentiert konnte er das Ganze auch nicht lassen – er stellte seinen Treiberkollegen zur Rede und es war das erste Mal seit Monaten, dass einer aus dem Team gegen ihn die Hand erhob. „Glaubst du, nur weil dein Vater unter der Erde liegt, hast du jetzt Sonderrechte? Ey, Kapitän! Ich glaube, er braucht mal eine kleine Erinnerung daran, wo er hingehört!“ Und dieses Mal blieb es nicht bei einem Tauchgang – der Kapitän entließ seine Frustration über A-ris Existenz in einem harten unnachgiebigen Treiber-Schlag, der A-ri die Luft aus den Lungen und die Tränen in die Augen presste. Als die Faust kurz darauf schmerzhaft seinen Unterkiefer ausrenkte, wunderte A-ri sich noch darüber, wie es dazu hatte kommen können. Doch die langen Minuten nach Atem ringend zwischen dem Müll der letzten Wochen, würgend und hustend, belehrten ihn eines Besseren: er hatte keinen von seinem Teamkollegen wirklich davon überzeugt, dass er dazugehörte. Sie hatten ihn einfach nur weiter geduldet und waren von ihrem Kapitän genervter als von ihm gewesen. Er hatte niemanden geläutert, niemanden überzeugt. Solange die Spielzeit gewesen war, hatten sie ihn gebraucht - jetzt, nachdem die Spiele vorbei waren und kein Training mehr anstand, war er wieder nur das Müllkind. Der einzige Trost war, dass seine Kollegen dadurch vermutlich keine Lust mehr hatten, Baekmon aufzulauern und ihn die wenigen Wochen bis Schulende in Ruhe lassen würden. Und dann endlich – im nächsten Jahr – würde der Kapitän abgehen und vielleicht … vielleicht … würde sich die eigene Situation dann auch endlich bessern. Oder wenigstens die der anderen Jungs, die unter dem Mobbing zu leiden hatten. Und A-ri behielt Recht; zwar wurde er nie wirklich ein Teil des Teams, aber als für die beiden abgehenden Treiber zwei Jungs aus den untersten Jahrgängen nachrückten, sahen An Chae-yeon und er sich in der Situation, dass sie die Ältesten im Team waren und schafften es, die Situation für alle anderen Beteiligten zu verbessern. Für A-ri war es mittlerweile zu spät, um für sich selbst etwas zu verbessern – zumal die Situation zu Hause immer schwieriger wurde und er sich um die Bewerbungen für die Universität kümmern musste und noch immer dabei war, den Tod seines Vaters zu leugnen. Auch Baekmon hatte er seitdem nicht wiedergesehen – was entweder bedeutete, dass er abgegangen war, oder dass ihm etwas passiert war. A-ri hatte nicht die mentale Stärke, um sich nähergehend damit zu befassen – und ehrlich gesagt auch mit dem Hüterposten und dem Lehrstoff des Abschlussjahrs, den ständigen Dateanfragen und deren Absagen, den zwei Jobs in den Ferien und dem Chaos zu Hause genug um die Ohren, um zwei oder drei Teenagerleben damit zu füllen, als dass er sich mit den Leben anderer groß hätte beschäftigen können. Er hoffte einfach das Beste, so, wie er es immer getan hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)