Tabu von Schneefeuer1117 (One Shots für Harry Potter RPGs) ================================================================================ Kapitel 26: Kwan I - Das Licht ------------------------------ Gelassen knöpfte Kwan sich das Hemd zu, die Augen auf Halbmast geschlossen, während ihr heftiger Atem noch im Raum verhallte. „Verschwinde.“ Seine Stimme war bar jeglicher Emotionen und er stützte die Unterarme auf seinen Oberschenkeln auf. Er warf einen halbherzigen Blick zur nackten Frau auf dem ausladenden Hotelbett und Entsetzen löste langsam die Nachwirkungen der Sensation auf den Zügen der jungen Frau ab. Wie immer, mochte Kwan ihr am liebsten an den Kopf werfen, doch seine Lippen blieben stumm. „… Also stimmt es, was man sich über dich erzählt“, hörte er sie wispern und dafür, dass sie Minuten zuvor noch voller Lust seinen Namen gestöhnt hatte, hörte er jetzt nur Verachtung in ihrer Stimme. Es war so widerwärtig wie schnell Menschen ihre Meinung ändern konnten. Gelangweilt legte er den Kopf schief, die Augen auf Halbmast geschlossen. „Was erzählt man sich denn, Ijun-ah?“ „Der kalte CEO, der Frauen wegwirft? Dessen Herz seiner Arbeit allein gehört? Ich dachte …“ „Du dachtest … was genau, Ijun-ah?“ Die dunkeln Augen Kwans kamen ausdruckslos auf der nackten Gestalt knapp hinter sich zum Liegen und mit einem Zungenschnalzen deutete er ohne viele Muskeln zu bewegen auf ihr Kleid, das auf dem Boden lag. „Zieh dich an. Und dann verschwinde.“ „Ich dachte, es wäre anders“, hörte er sie wispern und die Verachtung war durch Verzweiflung abgelöst worden. Auch hier: wie immer. Noch immer zuckte kein einziger Gesichtsmuskel des mächtigen Mannes in seinen Mittzwanzigern. Stattdessen deutete er ein weiteres Mal auf das Kleid. „Was hätte anders sein sollen? Du wolltest deinen Spaß und du hast ihn bekommen.“ Die dunkle doch monotone Stimme Kwans hallte in den Weiten des Luxuszimmers und Ijun schluchzte. „Wir sind seit drei Wochen…-“ „-gemeinsam auf Anlässen gewesen, richtig.“ Mit einem langen Seufzer stand Kwan auf, sich das Hemd in die Hose steckend und machte sich die Armbanduhr um. Kurz darauf kamen seine Augen ohne jegliche Spur von Mitleid auf Ijun zum Liegen „Weißt du, was das Wundervolle ist?“ Die Kälte in seiner Stimme ließ sie schaudern und hilflos griff sie nach der Decke, um sich darin einzuhüllen und irgendwie die Wärme zu spüren, die sie noch vor einer Stunde in seinen starken Armen verspürt hatte. „Die Welt wird voller Mitgefühl auf dich schauen, sobald du dieses Hotel verlässt. Sie wird dich mit Anteilnahme und Verständnis überschütten und dein Name wird in aller Munde sein. Keiner wird dich für das öffentlich verurteilen, was du heute getan hast … Nur mein Name wird einmal mehr in der Boulevardpresse auftauchen und einmal mehr werde ich als ‚der Teufel von Seoul‘ bezeichnet.“ Die Uhr gab ein metallisches Klacken von sich, als er sie schloss und ein freudloses Lächeln zuckte über die maskulinen Züge. „Ist das nicht absolut wunderbar für dich?“ Ijun schüttelte langsam den Kopf – es war absolut unmöglich etwas darauf zu antworten. Kwan nahm ihr die Antwort ab: „Aber weißt du, was wunderbar für mich sein wird?“ Achtlos wandte er ihr den Rücken zu, griff nach seinem Jackett und zog es über, richtete es sorgfältig, während seine Worte einer Drohung gleich im Raum standen. „Du bekommst all das Mitgefühl der Welt …“ Kalte Augen kamen auf ihr zum Liegen. „Und ich all ihr Geld. Und weißt du, was man mit dem Geld der Welt kaufen kann? Richtig. Anwälte. Anwälte, die dich zum Schweigen bringen werden und Anwälte, die dafür sorgen werden, dass du niemals wieder in meiner Nähe auftauchen wirst. Anwälte, die dich zu einer Randnotiz in der Geschichte der koreanischen Zeit machen werden und Anwälte, die dich vernichten werden, solltest du es wagen, gegen mich aufzubegehren.“ Ijun zitterte, als sie flüsternd fragte: „Drohst du mir?“ Kwan lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht, als er zu seiner Krawatte griff und sie geschickt und ohne viel Federlesen band. „Das ist nicht nötig.“ „… Du hast … du hast mir gerade … du sagtest, du willst mich fertigmachen.“ Kwans Augen kamen abermals auf ihr zum Liegen und eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Langsam ließ er den perfekt gebundenen Krawattenknoten los und ging auf die junge Frau zu, die starr vor Angst auf dem großen Bett saß. „Hast du das Gefühl bekommen, dass ich dich fertigmachen will?“, wisperte er und Ijun spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. „D-du ha-hast es selbst gesagt!“ „Hattest du das Gefühl auch, als ich dich besinnungslos gevögelt habe?“ Abscheu zuckte über Ijuns Gesicht und sie wagte es nicht, ihren Blick von dem CEO zu lösen, der noch viel schlimmer war als das, was man sich hinter vorgehaltener Hand erzählte. Wie hatte sie ihm nur verfallen können? „Du … du bist …“ „Was? Wahrlich der Teufel von Seoul?“, schnaubte Kwan, vor dem Bettende anhaltend und die Hände in die Hosentaschen schiebend. Ausdruckslos musterte er das zusammengefallene Häufchen Elend. „Sagt die Frau, die sich drei Wochen lang von mir hat behandeln lassen wie die zukünftige Kaiserin von Japan.“ „Aber doch nur-“ „-weil du unbedingt den Bugatti statt dem BMW wolltest … weil du unbedingt Versage zu Gucci auftragen wolltest … weil eine Kutsche gezogen von Einhörnern nicht genug war, sondern du den Hornschwanz wolltest … weil an deinem zarten Finger nur ein 12 Karäter gut genug ausgesehen hat … Denkst du wirklich, dass du das Opfer in dieser Beziehung bist?“ Fordernd hielt Kwan Ijun die Hand hin und voller Panik starrte sie auf die langen Finger, die wenige Minuten zuvor derartige Wunder in und an ihr bewirkt hatten. Wie konnte sie die Brutalität, mit der er gerade emotional gegen sie vorging, nur mit dem sensationellen Sex in Verbindung bringen? Sie wusste nicht, was er von ihr wollte und ihre Fantasie spielte verrückt – und das nicht mehr im Positiven. „Was … was willst …“ „Ich dachte, du willst mir meinen Ring vielleicht zurückgeben.“ „Ich..ich..“ Kwan schnaubte und setzte sich in einen der Sessel, weit vom Bett entfernt, die Beine überschlagen, den Blick lustlos auf die junge Frau gerichtet. „Ja. Ich weiß. Du hast ihn bereits verpfändet.“ „NEIN! Ich .. ich hab ihn..“ „Was? Verloren? Du wurdest überfallen? Du hast ihn gespendet? Oh bitte, Ijun-ah, mach dich nicht lächerlich. Ich kenne all die Ausreden bereits und keine davon hat mich bisher beeindruckt.“ Ijun begann hemmungslos zu weinen und Kwan ließ ihr einen Moment, ehe er rücksichtslos fortfuhr: „Weißt du: hättest du mich gefragt, ob du Geld für die Behandlung deiner kranken Großmutter bekommst, hätte ich zugestimmt.“ Ijun sog scharf die Luft ein, versuchte ihre zitternden Schultern unter Kontrolle zu bekommen und starrte Kwan an. „Und hättest du mich gefragt, ob ich die Kosten für die Universität in Busan übernehme, hätte ich zugestimmt.“ Jetzt war sie nur noch ein wimmerndes Häufchen. Ijun versteckte ihr vom Weinen hässlich geschwollenes Gesicht nun doch hinter ihren Händen und schien nicht mehr zu befürchten, dass Kwan ihr etwas antun würde. Er hörte ein gejammertes „warum“ zwischen ihren Schluchzern und mitleidslos stützte er sein Kinn auf der aufgestützten Hand auf. „… Weil ich auch dachte, es könnte anders sein.“ Schlagartig hörte Ijun auf zu Weinen und starrte ihn aus großen geröteten Augen an. „Ich dachte, dass du anders sein könntest, Ijun-ah. Wenn ich dir nur genug Aufmerksamkeit, genug Liebe schenke, dass du anfangen würdest, mich auch zu lieben. Nicht mein Geld … nicht meinen Status … und nicht das, zu was ich dich machen könnte, wenn ich mich nur ein bisschen anstrengen würde.“ Kwan lächelte schief – doch abermals erreichte das Lächeln nicht seine Augen, ein Fakt, den Ijun nicht sah, war sie doch so geblendet von den Worten, die der mächtige Mann ihr und nur ihr schenkte. IHR! Einer einfachen Jurastudentin! „Dass du dich in den Mann hinter dem Geld verlieben könntest.“ Ijun schluckte schwer, ein „meinst du das ernst?“ wispernd, die Decke nun um ihren Körper geschlungen und mit zitternden Beinen aufstehend. Kwan beobachtete, wie sie Stück für Stück näher kam … und mit milder Enttäuschung schlug er den Blick auf ihre nackten Zehen nieder, die unter der Decke hervorlugten. Es war immer das Gleiche. Sobald er erwähnte, dass es anders hätte sein können, warfen sie ihre Selbstachtung über Bord und versuchten mit aller Intensität an das anzuknüpfen, was sie bereits vor Stunden verloren hatten. Er war das Verhalten dieser Frauen derart leid. Und daher wanderte der Blick des hartherzigen Mannes wieder an der schlanken Gestalt herauf und er fragte: „Was wird das?“ „Ich meine … i-ich … wenn du das wirklich so siehst … ich kann mich ändern!“ Unbeeindruckt beobachtete Kwan, wie Ijun näher auf ihn zukam, eine Hand unsicher lächelnd nach ihm ausgestreckt. „I-ich werde dich nie wieder anlügen! Und…und…dir nichts mehr verheimlichen! Kwan-ssi, i-ich tue alles-“ „-und als erstes wirst du dir dein Kleid anziehen und verschwinden“, beendete er ihre erbärmliche Rede kalt und sah gleichgültig dabei zu, wie er sie zum dritten Mal an diesem Abend zerbrach. „A..b..er… du sagtest doch…“ Ein Seufzen war von ihm zu hören. „Walther!“ Die Tür zum Hotelzimmer ging auf und Ijun sog die Luft ein, sprang einen halben Meter zur Seite und stolperte über die eigenen vom Sex noch schwachen Beine, kam leise schreiend auf dem Boden auf und starrte den fremdländisch aussehenden Mann im Türrahmen entsetzt an, der das ganze Theater ähnlich unbeeindruckt wie sein Chef beobachtet hatte. „Bitte zeigen Sie Ijun-ah den Weg nach draußen.“ „Natürlich. Sonst noch etwas, Sir?“ „Überreichen Sie ihr die Verschwiegenheitsklausel und die siebzigtausend Galleonen von denen wir sprachen. Bringen Sie sie dazu, zu unterschreiben.“ Mit tellergroßen Augen starrte sie zum CEO, der diese gigantische Summe in den Mund nahm, als handelte es sich um die Bestellung eines Eiskaffees. „Wieso … tust du das?“ Langsam schaute Kwan zur Gestalt auf dem Hotelzimmerboden und kurz zuckte Abscheu über die maskulinen Züge, ehe er sie bewusst glättete und unbeeindruckt mit der Hand durch die Luft fuhr. „Das ist dafür, dass du dein Gesicht niemals wieder in der Nähe meiner Firma, meines Bruders oder mir sehenlässt. Dafür, dass du dein vorlautes Mundwerk hältst, wenn die Presse dich fragt, was zwischen uns vorgefallen ist. Und dafür, dass ich annehmbar interessante drei Wochen mit dir hatte. Das sollte genügen, um dein Studium zu finanzieren und die Krankenhauskosten deiner Großmutter zu bezahlen, richtig?“ „Ich…“ Ijun sammelte sich und sprang auf, sich in dem Moment sicher nicht bewusst, dass sie splitterfasernackt vor Walther stehen würde. „Ich nehme keine Almosen von dir an!“ Mit zwei langen Schritten war Kwan schnell wie der Blitz vor ihr und griff nach ihrem Kinn. Die Panik in ihren Augen kümmerte ihn nicht, als er an ihr vorbei zur zweiten Decke auf dem Bett griff und sie in diese einhüllte – Ijun wimmerte, teils vor Angst, teils vor Erleichterung, und Kwan schnalzte mit der Zunge. „Sieh es als Investition. Walther? Bringen Sie sie endlich raus, bevor ich mich vergesse.“ Walther kam in den Raum hinein und schloss die Tür hinter sich, nahm Kleid, Unterwäsche und Schuhe vom Boden auf und drückte sie Ijun mit einem entschuldigenden Lächeln in die Hände. „Kommen Sie, Miss …“ „Ich will dein Geld nicht!“, schrie sie nun und warf sich gegen Kwans breite Brust, dessen Blick genervt an ihr vorbeiging. „Ich will dein verfluchtes Geld nicht! Du kannst mich nicht kaufen!“ „Das hat dich nicht gekümmert, als es dir nicht deine Bildung, sondern deine Schuhe bezahlt hat. Und jetzt hör auf, dich wie ein Kleinkind aufzuführen.“ Gewaltsam schnappte er nach ihrem Handgelenk und weder Tränen noch Schreie erweichten ihn, als er Ijun in Walthers Arme drängte. „Arrangieren Sie ein Treffen mit ihrer Mutter. Ich habe nun eine Antwort: ich kaufe den verfluchten Laden.“ Ijuns Weinen wurde heftiger. „DAS KANNST DU NICHT MACHEN!“ Kwan ignorierte die junge Frau und ging zum Nachtschrank, wo Smartphone und Zigarettenschachtel auf ihn warteten. Das Gebrüll seiner dreiwöchigen Affäre war nicht mehr sein Problem – Anwälte und Presse würden sich auf sie stürzen und auf kurz oder lang würde sie im Äther verschwinden. Wie sie alle. „Und sagen Sie ihr, dass sich ihre Angestellten allesamt feuere. Ich brauche qualifiziertes Personal.“ „HÖR AUF!“ „Und – verflucht noch mal – bringen Sie dieses Mädchen endlich zum Schweigen, Walther! Wer ist das überhaupt?“ Die letzten Worte brachten Ijun zum Schweigen, als kalte dunkle Augen beinahe mörderisch auf ihr zum Liegen kamen und endlich – endlich – sackte sie in den Armen seines Assistenten zusammen, ehe Kwan ausatmete und auf den Balkon trat, die Zigarette bereits glimmend zwischen den Lippen. Eine bleierne Schwere ergriff von ihm Besitz, während er über das nächtliche Seoul schaute. Wie die Lichter der Großstadt den Nachthimmel erhellten und kein einziger Stern zu sehen war. Melancholisch zog er an der Zigarette, stieß den Rauch geübt aus und beobachtete, wie er sich im bunten Flackern der Nacht verlor. Ein weiteres Leben zerstört. Bist du stolz auf dich, Kwan-sik? Ein zitterndes Seufzen war von ihm zu hören und als er die Tür des Hotelzimmers hörte und damit endlich allein war, sackte er auf dem Sessel auf dem Balkon zusammen, nur noch ein Schatten des ‚Teufels von Seoul‘ und nur die nächtlichen Lichter waren Zeuge vom Zusammenbruch. „…Sir, hier einmal bitte unterschreib-…“ „…das Meeting ist um halb acht-…“ „…die Kündigung liegt bereit-…“ „…Abendessen um halb sieben-…“ „…und ihr Bruder hat angerufen.“ Kwan hielt im Laufen inne, setzte seine Unterschrift unter das letzte Dokument einer der Assistenten der Geschäftsleitung und schaute Walther an, der vielsagend über den Rand seiner Brille zum CEO schaute. Kwan ließ sich nichts anmerken, doch vermutlich war das Innehalten schon verdächtig genug gewesen und mit einem Schnalzen der Zunge machte er deutlich, dass die kurze Besprechung auf den Gängen beendet war. „Schicken Sie Haneul-ssi meine aufrichtigen Beileidsbekundungen zum Ausscheiden aus dem Unternehmen und setzen Sie das Abendessen mit Conora Ink. auf sieben Uhr. Das atlantische Meeting wird ohne mich stattfinden müssen – ich muss den Flug nach Tokio bekommen. Ga-ram?“ „Ja, Sir?“ „Sie haben das Zepter für das Meeting in der Hand. Geben Sie keine Zusagen, so, wie wir es eingeübt haben.“ „Ja, Sir.“ „Und geben Sie Park Iseul noch einmal die Unterlagen zur Übernahme. Die Rechtsabteilung hat sie überarbeitet und ich konnte keine Schnitzer darin finden … aber sicher ist sicher.“ „Ja, Sir. Noch etwas?“ „… Grüßen Sie Ihre Frau und nehmen Sie sich nach dem Meeting Zeit für sie, in Ordnung?“ „… Ja … Sir.“ Kwan klopfte den frisch gebackenen Familienvater mit einem kurzen Lächeln auf die Schulter, ehe er Walther in sein Büro folgte. „Was will er?“ „Das Übliche, Sir.“ „Dann wimmele ihn ab. Ich habe keine Zeit für sein Drama.“ „Wahrscheinlich wollen Sie es sich dieses Mal überlegen … Sir.“ Kwan seufzte schwer und hielt die Hand ausgestreckt, um das Tablet entgegenzunehmen, auf dem ein kurzer Clip seines kleinen Bruders drohte, viral zu laufen. Ausdruckslos beobachtete er ihn, wie er seinem Gegenüber ins Gesicht schlug und danach lief alles aus dem Ruder. „Wie lange ist es schon online?“ „Ungefähr zwei Stunden. Es hat die zwei Millionen Viewer Grenze überschritten und wurde bereits über zweitausend Mal geteilt. Ich befürchte, dieses Mal können wir es nicht einfach löschen.“ „Verstehe. Wo ist er jetzt?“ „…“ Kwan schaute auf und fand Walther wortlos vor, was ihn abermals tief seufzen ließ. „Verstehe schon. Wir wissen es nicht.“ „Ja, Sir. Tut mir leid, dass ich Sie enttäuscht habe.“ Kwan schüttelte den Kopf und erwiderte ruhig: „Nein, Walther. Sie geben Ihr Möglichstes. Dass unsere Eltern einen undankbaren Bastard großgezogen haben, ist nicht Ihr Versagen.“ „Sir … es sind Ihre Eltern …“ Kwan schnaubte und schaute aus den bodenlangen Fenstern, nachdem er seinen Stuhl zu ihnen gedreht hatte, den Blick ausdruckslos in den Himmel gerichtet. „Ja. Genau. Es sind unsere Eltern. Das Einzige, was uns je miteinander verbunden hat…“ Er sprach seine Gedanken aus und Walther schwieg. Schwieg, weil er wusste, wie viel Kwan sein kleiner Bruder bedeutete und er schwieg, weil er Kwan seit Jahren auf seinem harten und einsamen Weg begleitete. Er wusste, dass der junge CEO bei weitem nicht so kalt- und hartherzig war, wie man es ihm zuschrieb und dass er sich beide Eigenschaften angeeignet hatte, um in der Businesswelt bestehen zu können. Um das Erbe der Eltern fortführen und den kleinen Bruder entlasten zu können. Walther hatte keine Familie und konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, so viel für andere zu opfern. Mit einem heimlichen Lächeln gab er jedoch zu, dass er es vielleicht doch ein wenig nachempfinden konnte – immerhin opferte er alles für Kwan, nicht wahr? „Was soll ich jetzt tun, Walther?“, hörte er den CEO leise fragen und wunderte sich über die Zerbrechlichkeit in der tiefen Stimme, die selbst für ihn nur höchst selten zu hören war. „Das fragen Sie mich, Sir?“ „Wen soll ich sonst fragen? Vater?“ „… Reden Sie mit Ihrem Bruder. Es wird ein hartes Stück Arbeit, aber ich bin mir sicher, er wird auf Sie hören.“ Kwan schwieg und Walther wagte es das harte Profil zu mustern, wie der einsame Wolf müde in die Ferne schaute und schließlich langsam nickte. „Natürlich, das ist die einzig richtige Sache. Lassen Sie die Termine am Nachmittag bitte verlegen. Ich habe eine Ahnung, wo er sein könnte. Und richten Sie unseren Partnern in Tokio aus, dass Sie übernehmen. Lassen Sie sich etwas einfallen, weshalb ich nicht persönlich vorbeikommen kann.“ Walther wagte es nicht, seinem Chef zu widersprechen und tat, wie ihm geheißen, während Kwan die vormittägliche Arbeit erledigte. Erschöpft brach Kwan weit nach Mitternacht auf dem Hotelbett zusammen. Er hatte es einmal mehr nicht bis nach Hause geschafft und es für sinnvoller empfunden, einfach in dem nächstgelegenen Hotel zu nächtigen. Das Treffen mit seinem kleinen Bruder war eine Katastrophe biblischen Ausmaßes gewesen, aber wenigstens hatte er ihm das Versprechen abringen können, sich in den nächsten Wochen ruhig zu verhalten. Nun … ruhiger als sonst zumindest. Nach ein paar Minuten des Kampfes mit sich selbst, zwang Kwan sich dazu, sich auszuziehen und die letzten Akten noch einmal durchzugehen. Aus seiner Tasche fiel ein Brief, der ihm bisher noch nicht aufgefallen war. Kälte presste sein Herz schmerzhaft zusammen. „Ist das ein schlechter Scherz?“ Choi Joon-su stand als Absender in der oberen linken Ecke und alle möglichen Erinnerungen stoben ungefragt und unwillkommen auf Kwan ein. Das konnte nur ein wirklich, wirklich schlechter Scherz von jemandem sein, der ihn gut genug kannte, um zu wissen, wie sehr er ihn damit verletzte. Wie tiefgehend die Verbindung zu Joon-su gewesen war und wie sehr Kwan ihn heute verabscheute, regelrecht hasste. Wie sehr er Joon-su die Schuld daran gab, zu wem er über die letzten Jahre geworden war. Wäre er bei ihm geblieben … wäre er wiedergekommen … Wütend ballte Kwan die Hände zu Fäusten, zerknitterte den Brief und warf ihn weit von sich, nur, um ihn wenige Momente später magisch zu ihm zurückkehren zu sehen. Mit zitternden Fingern pflückte er ihn aus der Luft und einmal mit beiden Händen umgriffen, entfaltete er sich ungefragt und die lange vergessen geglaubte Stimme seines Ex-Liebhabers erfüllte tief und wohlklingend das Hotelzimmer. Kwan-ah, dieser Brief kommt zu dir, solltest du nach sieben Jahren noch immer verloren sein. Das bedeutet, etwas oder jemand hat mich daran gehindert, zu dir zurückzukommen und es bedeutet, dass du mich nun hasst und zu jemandem geworden bist, der du nie hast sein wollen. Wahrscheinlich hast du bis heute niemanden mehr in dein Herz gelassen und selbst in dem Moment, in dem ich das hier schreibe, tut der Gedanke daran, dass du ganz allein bist, mir sehr weh. Bist du allein, Kwan-ah? Hast du die Einsamkeit gewählt? Ich hoffe, dass ich mich irre. Ich hoffe, dass du jemanden gefunden hast, der dein neues Licht sein kann, so sehr auch der Gedanke mir weh tut. Denn … Ich scheine es leider nicht zu sein, denn sonst hätte der Brief dich niemals erreicht. Ich will nur dass du eines weißt: was auch immer mich davon abgehalten hat zu dir zurückzukommen, muss mein Tod gewesen sein. Niemals hätte ich zugelassen, dass du allein bist. Trägst du jetzt gelb? Ich hoffe es so sehr, auch wenn ich traurig bin, dass ich nicht mit dir zusammen gelb tagen kann. Kwan-ah. Kwan-ah. Ich vermisse dich. Manches Mal so sehr, dass ich nicht einmal mehr weiß, wie ich das alles überleben soll. Ich sage mir immer wieder, dass es nur ein Jahr ist, maximal zwei. Ich wäre am Silver Day wieder zurück und würde dir endlich den Ring geben, den ich schon ewig mit mir herumschleppe. Aber … aber … weil du jetzt diesen Brief bekommst, wirst du wohl mit jemand anderem an Silver Day Ringe getauscht haben? Und hoffentlich auch nicht nur in einem, sondern in all den sieben Jahren immer und immer wieder. Kwan-ah. Ein wenig traurig macht es mich, dass ich mir wünsche, dass du mich vergessen hast, aber andrerseits wünsche ich mir so sehr, dass du glücklich bist. So, so sehr. Und wenn schon nicht glücklich, dann wenigstens nicht allein. Kwan-ah. KWAN-AH! Versprich mir, dass du nicht noch einen Brief von mir bekommen musst! Versprich mir, dass mein Brief, den ich für die zehn Jahre Einsamkeit geschrieben habe, nicht ankommen muss! Versprich mir, Kwan-ah, dass du nicht mehr einsam sein wirst. Oder willst du einen Heuler zum Zehnjährigen bekommen, Kwan-ah? Willst du das? Du weißt, wie furchtbar brüchig meine Stimme klingt, wenn ich schreie und wie ungern ich schreie. Und ich weiß, wie sehr du Schreien hasst. Ich hoffe, du hast jemanden, der dich in den Arm nimmt, Kwan-ah, wenn alle um dich herum zu laut sind und der dir die Ohren zuhält, wenn du die Welt um dich herum nicht mehr erträgst. Bitte, Kwan-ah, bleib nicht länger allein. Und um deiner selbst willen … hass mich bitte nicht. Bitte wisse, dass nur der Tod mich davon hätte abhalten können, zu dir zurückzukommen. Sieben Jahre sind eine lange Zeit, um vergeben zu lernen, oder nicht? Kwan-ah … verzeih mir, dass ich nicht zurückgekommen bin. Kwan-ah … es tut mir leid. So, so leid. Bitte. Verzeih mir. In Liebe, Joon-su Die Stimme seiner lang verlorenen Liebe war gebrochen, als immer und immer wieder das „verzeih mir“ im Raum hängen blieb und Kwan weinte bitterliche Tränen um das, was er in sieben Jahren verloren hatte und das, was er nie wieder zurückbekommen würde. War es das? War Joon-su gestorben und er hatte es nie erfahren? Sieben lange Jahre nicht? Ohne es zu wissen hatte Kwan seit dem gebrochenen Versprechen vor sechs Jahren niemals wieder einen Mann nahe an sich herangelassen – Joon-su und er hatten sich versprochen, dass sie am Silver Day vor sechs Jahren zusammenfinden und sich nie wieder gehenlassen würden. Dass sie ab dort jeden Schritt ihrer Leben gemeinsam tun würden und Kwan war bereit gewesen, für Joon-su sein Leben auf den Kopf zu stellen. Als ein halbes Jahr später zu Weihnachten noch immer keine Nachricht von Joon-su eingetroffen war, hatte Kwan sich langsam, aber sicher damit abgefunden, dass seine erste große Liebe weitergezogen war. Nie wäre er auf die Idee gekommen, sich auf die Suche nach ihm zu machen … nie hatte er jemanden auf die Suche nach ihm geschickt … Viel zu viel Angst hatte er vor dem Ergebnis dieser Suche gehabt und viel zu viel Panik davor, dass Joon-su tatsächlich über ihn hinweg war. Doch jetzt kam er sich unendlich dumm vor. Jetzt, wo er die wohlklingende Stimme seiner verlorenen Liebe so nahe bei sich hörte, als wäre er tatsächlich im Raum und jetzt, wo er die Gewissheit hatte, dass er vor sieben Jahren genauso verliebt in ihn gewesen war, wie Kwan in ihn. Jetzt, wo die Sehnsucht in der gebrochenen Stimme von der Panik abgelöst worden war und jetzt, wo Kwan sich darüber wundern musste, dass Joon-su einen Brief geschrieben hatte, der derart spezifisch gewesen war. Warum? Warum nach sieben Jahren? Warum überhaupt? Erst später in dieser Nacht, nach endlos langen Gesprächen mit Joon-sus Familie und den Ärzten, die ihn damals behandelt hatten, erfuhr Kwan die dramatische Geschichte hinter dem Auslandsaufenthalt. In den USA angekommen, hatte Joon-su sich in einem Gebiet zur texanischen Grenze mit der seltenen Quanda-Krankheit angesteckt; ein Überbleibsel der indianischen Hexenkunst, die in jedem Fall tödlich endete. Da es sich um eine bisher wenig erforschte magische Krankheit handelte, war der Verlauf nicht immer zu einhundert Prozent abzusehen und es war nur bekannt, dass der Patient innerhalb des ersten, des siebten oder des zehnten Jahres der Krankheit verstarb – nicht früher, aber auch nicht später. Nach zehn Jahren war Ende. Kwan musste erfahren, dass Joon-su bereits im ersten Jahr verstorben war und da niemand wusste, dass sie derart eng befreundet gewesen waren, hatte ihm auch niemand Bescheid gegeben. Die Eltern seiner verlorenen Liebe entschuldigten sich Tränenreich bei ihm und Kwan weinte eine gute Stunde mit ihnen, da er so schmerzhafte Erinnerungen geweckt hatte und versprach ihnen, persönlich vorbeizukommen. Die Worte, dass „Joon-su immer nur nach Soeul zurückwollte, um dort seinen Engel zu besuchen“ zerstörten etwas in Kwan, was er lange Zeit für tot gehalten hatte: sein Herz. Er wünschte sich, er hätte diesen Brief nie erhalten. Er wünschte sich, er könnte Joon-su weiter für das hassen, was er glaubte, dass er ihm angetan hatte. Er wünschte sich aus vollem, zerbrochenem Herzen, dass er noch ‚der Teufel von Seoul‘ sein konnte – doch wie, wenn Joon-su ihm die schwere Bürde des Engels aufgetragen hatte? Kwan wusste nicht, wo er anfangen sollte, die Scherben seines Lebens und seines Herzens wieder zusammenzusetzen. Wo sollte er das Licht finden, das die Dunkelheit der Einsamkeit verscheuchen würde? Ein Klopfen riss ihn aus dem Dämmerschlaf, in den er wohl vor einiger Zeit geglitten war und hektisch wischte er sich über das von Tränen gezeichnete Gesicht, als die Tür aufging und sein kleiner Bruder im Türrahmen stand, irritiert von dem Bild, das sich ihm bot und erstaunlicherweise für lange Minuten, in denen Kwan sich zu sammeln versuchte, stumm. „Hyung…?“ „Können wir später reden?“, hörte Kwan sich selbst mit kratziger Stimme fragen und atmete überrascht aus, als er die Arme seines Bruders um seinen Oberkörper spürte. Das Fliegengewicht schmiegte sich an seinen Rücken und er spürte das scharfe Kinn an seinem Schulterblatt – ah. Das Licht. Natürlich. Zögerlich legte er eine große grobe Hand über eine Hand seines Bruders, die auf seiner Herzhöhe zum Liegen gekommen war und atmete tief durch. „Wir müssen gar nicht reden“, hörte er seinen Bruder leise wispern. „Ich bleibe einfach bis du losmusst genau so hier sitzen.“ Kwan zwang sich aus dem Fenster zu schauen und umfasste die Hand fester, die auf seiner Brust lag. Er spürte das Grinsen seines kleinen Bruders, der schelmisch hinzufügte: „Aber nur, wenn du die Gorillas wieder zurückpfeifst, die mir auf Schritt und Tritt folgen. Wie soll ich so denn-.. AUTSCH!“ Kwan hatte das Handgelenk des Jüngeren umgriffen und ihn rücklings aufs Bett geschmissen, ein lautes Lachen ausstoßend und ihn mit der anderen Hand an der Schulter in die weiche Matratze drückend, das Zetern vollkommen ignorierend. „Lass das! Hör auf damit! Ich meine es ernst, ich kann keinen Schritt-…Hyung! Komm schon!“ Hilflos schlug sein kleiner Bruder um sich, während Kwan mit einem breiten Lächeln durch dessen Haare fuhr und die einstmals vorhandene Frisur endgültig ruinierte. „Hmn. Einverstanden.“ Kwan ließ von ihm ab und sein Bruder wurde ruhiger, zog seine Beine in einen Schneidersitz und beobachtete den großen, so fremd wirkenden CEO, dessen Lippen sich das erste Mal seit Jahren zu einem aufrichtigen Lächeln verzogen hatten. Ein Schauer rieselte über den Rücken des Jungen herab und er schlug Kwan gegen den Oberarm. „Du lächelst.“ „Ja.“ „Das ist gruselig. Hör auf damit.“ Kwan lachte und wuschelte ihm abermals durch die Haare und sein Bruder bemerkte, wie das Licht der Großstadt, die langsam hinter dem Glas zum Leben erwachte, sich in den dunklen Augen brach. „Nicht mehr. Versprochen.“ Und ein erleichtertes Raunen war im Zimmer zu hören, das keiner der Brüder verursacht hatte und Kwan wusste, dass er sein Licht nun gefunden hatte. Nun war es an der Zeit, die Scherben zu einem Ganzen zusammenzufügen und wieder voller Stolz dem eigenen Spiegelbild begegnen zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)