Zwei verschiedene Seiten von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Die andere Seite in mir ---------------------------------- Die Sonne malte Sonnenflecken auf den Boden und einer fiel direkt auf das Gesicht eines Mädchens. Ihre Hautfarbe war porzellanfarben und ihr rabenschwarzes Haar, dass ihr Gesicht umrahmte, verstärkte ihre blasse Gesichtsfarbe. Ihre Lippen waren von einem zarten Rosé und hin und wieder zuckte das Mädchen im Schlaf. Ob sie wohl schlecht träumte? Die Schwarzhaarige lag in einem weichen Bett und war bis zu ihrer Brust zugedeckt. Ihr rosafarbenes Satinnachthemd war farblich angepasst zu ihren Lippen - eine schlafende Prinzessin. Ruckartig und endgültig erwachte die junge Frau, als hätte sie jemand mit eiskaltem Wasser bespritzt. Aber natürlich war nichts dergleichen passiert. Natürlich nicht. Kurz lachte sie - wer sollte sie wecken wollen? Im Schloss konnte sie so lange schlafen, wie sie wollte und ihre Familie würde sie bestimmt nicht wecken oder gar vorbeischauen. Denen war Catherine doch vollkommen egal. Ein bitterer Nachgeschmack schmeckte das Mädchen in ihrer Mundhöhle und sie schlüpfte aus ihrem weichem, warmen Bett. In ihrem hellbraunen Schrank, in dessen Türen kunstvolle Schnitzereien eingearbeitet waren, suchte sie sich ein sonnengelbes T-Shirt heraus, eine bequeme Jeans heraus und zog sich an. Schließlich verließ sie ihr Zimmer und lief den dunklen Gang entlang - der wie sie wusste - sie nach draußen bringen würde. “Bloß raus hier!” dachte sie und ihr Herz klopfte wie wild. Warum sie so aufgeregt war, das wusste sie selber nicht, aber irgendwie hatte sie das unbestimmte Gefühl, dass dieser Tag anders werden würde. Ein radikaler Einschnitt im Leben; eine Veränderung. Als sie die hölzernen, schweren Türen hinter sich ließ, konnte sie erst richtig aufatmen. Die Hofgarde griff sie desöfteren genau dann auf, wenn sie das Schloss verlassen wollte. Catherine fühlte sich mehr denn je eingesperrt und auch das machte sie wütend. Sie streifte sehr gern im Wald herum, obwohl man oft riesige Wölfe gesehen hatte oder wie man sich erzählte, dass man schon »Vampire« gesehen habe. „Ja, klar, sicher doch. Vampire. Es wird zwar viel gemunkelt, aber so etwas gibt es nicht“, dachte Catherine und lief immer tiefer in den Wald hinein. Die Stille hier war Balsam für die Schwarzhaarige; sie mochte das hektische Treiben im Schloss nicht allzu sehr. Die Lilaäugige war ständig allein; die Einsamkeit war ihr ständiger Begleiter umklammerte wie eine eiserne Faust ihren Magen. Sie hasste es, allein zu sein, jahrelang war sie allein auf Wanderung gewesen, seit ihre Familie sie verstoßen hatte. Schaudernd dachte Catherine an die Zeit zurück, wo sie hämische Blicke ertragen musste und über die junge Frau getuschelt wurde, als sie ihnen den Rücken zudrehte, nur weil sie mit jemanden verlobt war, den ihre Familie nicht gut hieß. „Wie verbittert und ignorant kann man nur sein?“ fragte sie sich selbst. Sie erwartete keine Antwort, sie wusste, dass sie keine bekommen würde. Nach einer Weile jedoch musste Catherine erkennen, dass ihr Verlobter alles andere als “normal” war, wenn etwas denn normal sein könnte. Er aß mit ihr nie etwas zu essen und war auch sonst sehr altmodisch. Er schlief nicht mit ihr, wie es jeder andere Mann es getan hätte; denn Catherine war alles andere als unattraktiv. Es ging nie über das Küssen hinaus und als sie ihn fragte, was denn der Grund seie, speiste er sie mit nichtigen Ausreden ab wie »Sex erst nach der Heirat« oder »Ich warte auf den richtigen Moment«. “Alles in Allem“, dachte Catherine grimmig. “War mein Verlobter vielleicht doch kein Mensch, aber was soll er sonst gewesen sein?” Kurz schüttelte die Dunkelhaarige den Kopf, es ging alles über ihren Verstand hinaus, es war überhaupt nicht möglich. Aber sie war ja selber auch nicht ganz »normal« gewesen. Schon im Kindergarten hatten die Kinder eine Heidenangst gehabt, obwohl das Mädchen doch damals nie wusste, warum das so war. Während die junge Frau weiterging und der Schönheit des Waldes keiner Beachtung schenkte, überkam sie eine Erinnerung mit einer solchen Wucht, dass sie diese Erinnerung wohl kaum aufhalten konnte. Dabei sagte sie doch selbst immer, niemals der Vergangenheit nachzutrauern. Das war dumm und obendrein gefährlich. »Du machst dich angreifbar und kannst die Dinge nicht mehr objektiv sehen, wenn du zuviel deiner Vergangenheit nachhängst oder gar deinen Gefühlen nachhängst, das ist dein Problem«, hatte sie zu ihrer blonden Freundin Josie gesagt. »Aber ich kann ihn einfach nicht vergessen. Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich sein Gesicht vor mir, egal was ich tue. Es hört einfach nicht auf«, klagte Josie und eine einzelne Träne zauberte sie aus ihren hellgrauen Augen. »Josie«, hatte Catherine gesagt und hoffte, ihre Stimme hätte verständnisvoll geklungen und nahm ihre Freundin in den Arm. »Vergiss ihn. Er verdient es nicht, dass du wegen ihm auch nur noch einen einzigen Gedanken nachhängst, verstanden? So und der Kuchen muss heute noch rein, sonst erschlägt uns unser Chef, wir waren erst…« Die Erinnerung brach ab, damals hatte Josie jedes Wort geglaubt, dass sie gesagt hatte und Josie hatte es wirklich versucht, das sah man ihr an; aber was dann aus ihr geworden war, hätte selbst die Schwarzhaarige nicht vorausahnen können. Ein wahres Wrack war ihre alte Freundin geworden und die Dunkelhaarige hatte bald danach ihre Stelle gekündigt, sie konnte nicht mehr die Misere sehen, die sie selber angerichtet hatte. Wieder fuhr durch ihren Körper wieder ein Schaudern, als sie an die hellblonde Frau dachte. Catherine beschleunigte ihre Schritte, als ob sie so diese schmerzlichen Erinnerungen hinter sich lassen könnte. Als sie eine Weile weiter so durch den Wald lief merkte sie, wie sie es fröstelte; es war kälter geworden und die junge Frau musste auch nicht viel nachdenken, um herauszufinden; warum das so war: Die Sonne war weg. Kurz warf das Mädchen einen Blick in den Himmel und ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten; die graue Wolkendecke sah ziemlich bedrohlich aus - es würde bald einiges runterkommen. Die nächste Stadt war näher, als das Schloss und kurz nahm in ihrem Kopf eine Idee Gestalt an; sie könnte einfach wieder auf Wanderung gehen und was wäre schon dabei? Im Schloss hatte sie niemanden, der ihr wirklich fiel bedeutete und außerdem mehr von der Welt zu sehen - welch’ verlockender Gedanke. Vielleicht würde sie dabei herausfinden, wer sie wirklich war. So dumm es auch klang, aber Catherine wusste auch mit 18 Jahren noch nicht, wer sie war, denn immer schien es ihr, als würde ein Stück von ihr fehlen. Selbst ihr Verlobter konnte diese Lücke damals nicht füllen. Als die ersten Tropfen vom Himmel fielen, rannte Catherine durch den dichten Wald; sie hatte nicht die Absicht eine unfreiwillige Dusche zu nehmen. Als die junge Frau dann schließlich die nächste Stadt erreichte, atmete sie auf. Sie kannte den Namen der Stadt nicht, es war eher ein Dorf und als die Tropfen zu ausgewachsenen Regenschauer heranwuchsen, betrat sie ein Gasthaus, dessen Name sie schon nach dem Betreten wieder vergessen hatte. »Hallo. Kann ich ein Zimmer hier mieten?« fragte Catherine den Leiter, der ein wenig bullig wirkte und nicht wenig auf den Rippen hatte. Sein Hemd war an den Ärmeln hochgekrempelt und es war nicht mehr so blütenweiß, wie es sicher einst gewesen war. »Sicher«, antwortete er mit einer tiefen, polternden Stimme und sah finster drein. »Wie lange?« Sein Ton war nicht gerade freundlich. »Nur - nur diese eine Nacht.« »Macht dann 22 Euro.« Ein verwunderter Ausdruck glitt kurz über ihr Gesicht, aber sie sagte dennoch nichts. »Hier«, murmelte sie schließlich und gab ihm einen durchweichten Zwanziger und ein Zwei-Euro-Stück. Er kniff die Augen zusammen, als er das nasse Geld sah. »Sin’ Sie in einen See gefallen oder was?« Hie und Da waren spärliche Lacher zu hören und das Blut schoss ihr in die Wangen. Stumm schüttelte die Schwarzhaarige ihren Kopf. »T-tut mir Leid«, stammelte die junge Frau und setzte sich an einem Tisch. Ein gutaussehender und freundlich wirkender, rotblonder Junge kam zu ihrem Tisch. »Tut mir Leid, wegen meinem Vater. Er hat nie besonders gute Laune«, versuchte er, das Mädchen aufzumuntern und verdrehte die Augen. »Also, was möchten Sie essen?« Er nahm aus der Tasche einen kleinen Notizblock und einen Kugelschreiber, den er kurz Klicken ließ. Gespannt sah er die Schwarzhaarige an. Schließlich setzte sie ein nicht überzeugendes Lächeln auf und erwiderte verkrampft: »Ach, so was stecke ich doch mit Leichtigkeit weg, mach dir mal keinen Kopf.« Es war eine glatte Lüge und Catherine war noch nie eine gute Lügnerin gewesen und das merkte der Junge auch; er zog seine Augenbrauen hoch. Jetzt musste sie wirklich lachen. Es klang ungezwungen, unbeschwert und ehrlich. Es ging ihr schon ein wenig besser - sie hatte nicht mehr gewusst, dass man manchmal Schmerzen einfach weglachen konnte. »Also… Ein Ramen, bitte«, bestellte sie sich nach kurzem Überlegen. Er grinste. »Kommt sofort, Ma’am.« Kurz zwinkerte er ihr noch zu, ehe er in Richtung Küche verschwand, zweifellos um ihren Wunsch vorzutragen. Seufzend und sich wieder dem Gefühl der Einsamkeit hingebend studierte sie die Speisekarte. Bevor der freundliche Junge wiederkam, hatte Catherine die Karte so ausgiebig studiert, dass sie diese schon auswendig konnte. »Ist die Speisekarte wirklich so interessant?«, fragte er lächelnd und lachte dann, als er ihr Gesicht sah. »Ich… das… nicht«, machte die Schwarzhaarige - ein eher schwächlicher Versuch, ihm zu widersprechen. »Schon gut«, lachte er immer noch und setzte sich neben der Lilaäugigen. »Warum bist du nicht bei denen dort?« Sein Blick galt einem Trupp Jugendlicher, die lachten und sich augenscheinlich amüsierten. Natürlich war Catherine seinem Blick gefolgt, hatte sie doch diese Truppe schon beim Betreten bemerkt. Kurz schüttelte die Dunkelhaarige den Kopf. »Man hält mich für einen Freak, weil ich nicht bin wie andere. Manchmal glaube ich, ich ticke nicht richtig«, erwiderte die junge Frau und sah ziemlich gequält drein, sodass der Kellner nicht weiter nachharkte. »Ich halte dich nicht für einen Freak«, murmelte er; es war ihm eher ausgerutscht, denn keine Sekunde später ärgerte er sich über diesen Satz und sprang auf. »Ich werde gebraucht«, sagte er, aber Catherine war sich sicher, dass er log. Kopfschüttelnd sah sie ihm hinterher. “Das männliche Geschlecht. Das Mysterium”, dachte die Schwarzhaarige und grinste in sich hinein. Ihre Augen wanderten immer wieder zu den Jugendlichen, die jetzt zusammen aßen. Das Gefühl des Alleinseins verstärkte sich; wie gern sie doch dazugehören würde! Sie ließ ihre Haare nach vorne fallen und schuf so einen dunklen Vorhang zwischen der Gruppe und ihr, dennoch verhinderte das nicht, dass sie hören könnte, wie sie lachten und schwatzten. Am Liebsten hätte sie ihre Finger in die Ohren gesteckt und laut gesummt, aber dann würde sie die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen und man würde sie dann einliefern wollen. Außerdem behagte es ihr ganz und gar nicht, ihm hellsten Scheinwerferlicht zu stehen. Das Klirren des Bestecks gegen das Porzellan verhüllte das Gasthaus in eine behagliche Atmosphäre nur sie selber war davon unberührt. Sie war schon immer anders gewesen, hatte nirgendwo reingepasst. Sie war schon immer eine Außenseiterin gewesen, ein Freak. Ihre dunklen Gedanken wurden jäh unterbrochen, als man ihr das bestellte Essen brachte. Catherine sah auf und kurz flackerte ein enttäuschter Gesichtsausdruck über ihr Antlitz, aber sofort setzte sie ihre Maske wieder auf. ”Mach dich nicht angreifbar”, ermahnte sie sich selber zum hundertsten Mal, wie es ihr vorkam und begann zu essen. Sie hatte sich schon halb durch ihre Portion gearbeitet, als eine Stimme direkt neben ihr erklang. »Da bin ich wieder«, flüsterte er ihr zu und trotzdem zuckte sie zusammen. Sie hatte ihn überhaupt nicht Kommen gehört! »Kannst du das bitte lassen?« »Was?« fragte er unschuldig und er sah sie fragend an. »Du weißt genau, wovon ich rede!«, kochte sie hoch vor Wut. Irritiert sah er sie an. »Ich weiß nicht, was du meinst.« »Na… das du…«, fing Catherine an und wurde rot. »Dich immer anschleichst. Das ist nicht nett, weißt du.« Er lachte leise. »Ist es denn meine Schuld, dass du so ein schlechtes Gehör hast?« Die Schwarzhaarige nahm die Farbe von Magenta an. »Und du bist unfehlbar, was?«, erwiderte sie sarkastisch. Es war ein eher kläglicher Versuch, sich zu verteidigen. Das musste auch ihr Gesprächspartner gemerkt haben, denn er sah eher amüsiert aus, als verärgert. »Natürlich bin ich das.« Catherine stöhnte auf. »Sag mal, wie heißt du eigentlich? Nicht, dass es mich interessiert, nur möchte ich gerne die Namen der Leute wissen, die mir auf die Nerven gehen.« Ha! Das hatte gesessen! Die junge Frau stellte befriedigt fest, dass sein Gesicht sich verdüstere und sein Grinsen verschwand. »Lennart«, antwortete er. »Ich gehe dir also auf die Nerven?« Lennart runzelte die Stirn und versuchte aus dieser Aussage schlau zu werden. »Catherine.« stellte sie sich nun auch vor. Es hätte ihr unhöflich erschienen, das nicht zu tun. »Nun, naja, nicht direkt, ich meine…« Wieder schlich sich ein Seufzer über ihre Lippen. »Du nervst mich nicht. Nur brauchte ich einen guten Spruch«, gestand sie dann und ihre Wangen glühten wie die untergehende Abendsonne. Er grinste schief. »Ach so ist das. Du bist manchmal echt kompliziert. Was hat dich eigentlich in unser ehrenwertes Gasthaus geführt?«, fragte er, scheinbar ehrlich interessiert an ihrer Antwort. »Nicht, dass es mich stören würde«, grinste er über das ganze Gesicht und versuchte ihre Redensart nachahmen, was ihm so ziemlich misslang. »Nun…«, fing sie an und lächelte ihn dann sanft an. »Ich habe mein Zuhause verlassen, weil ich ein wenig im Wald spazieren gehen wollte. Irgendwann hatte ich nicht gemerkt, wie viel Zeit ich schon dort verbracht hatte und es wurde kälter. Die nächste Stadt war näher als mein Zuhause und ich beschloss daher auf Wanderschaft zu gehen…« »Kann ich mitkommen?«, fragte er dann sichtlich begeistert. »Du hast keinen Grund«, erwiderte Catherine kühl und doch reizte sie, einen Gefährten bei sich zu haben. Das würde das Gefühl der Einsamkeit vertreiben und bei ihm fühlte sie sich wohl und behaglich; etwas, was sie noch nie bei einem anderen Menschen gefühlt hatte. »Du hast auch keinen«, lächelte er. »Ich habe mich im Wald verlaufen, das ist Grund genug«, widersprach sie ihm frostig. Wenn er dachte, das würde so einfach werden, da hatte er sich getäuscht. Seufzend lehnte er sich vor und sah sich kurz um. Niemand sah zu den Beiden, dass als Pärchen hätte durchgehen können. »Mein Vater möchte, dass ich eine Frau heirate, die ich nicht liebe und wenn ich es nicht tue, kann ich meine Sachen packen. Ich habe nicht vor, sie zu heiraten, also kann ich genauso gut mit dir gehen, nicht wahr? So oder so werde ich bald auf Wanderschaft gehen müssen, genau wie du.« Catherine war einen Moment lang sprachlos. Gegen seine schlagenden Argumente kam sie nicht an. »Na gut«, erklärte sie sich widerwillig einverstanden. »Super«, strahlte er. »Wann geht’s los?« »Morgen früh«, wisperte Catherine zurück. Lennart nickte ernsthaft. Die Tatsache, dass er seinen Vater womöglich heute zum letzten Mal sah, schien ihn überhaupt nicht zu bekümmern. »Ich gehe dann mal Packen«, sagte er und machte Anstalten zu gehen. »Warte«, sagte Catherine und packte ihn am Handgelenk. Dort, wo seine Haut die ihre berührte, kribbelte es angenehm und ein eigenartiges Gefühl schlich sich in ihr Herz. Eines, dass ihr gänzlich unbekannt war und überhaupt nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Fragend und zugleich abwartend sah er sie an. »Was ist mit deinen Eltern? Wirst du sie nicht vermissen? Du kannst doch nicht einfach so gehen!« Sie kannte keinen Menschen, denen die Eltern egal waren und andersrum ebenso; außer sich selber natürlich. »Mach dir darüber mal keine Gedanken«, wehrte er ab und befreite sein Handgelenk aus ihrem Griff. Immer noch sprachlos sah sie ihm hinterher; das Ramen war schon völlig vergessen und kalt. Seufzend erhob auch sie sich und knallte ein paar Geldmünzen auf den Holztisch und ging den Gang entlang, der in ihr Zimmer führte. Sie war sicher noch nicht müde, aber was sollte sie sonst machen? Der Regen verhinderte, dass man draußen herumwanderte und im belebten Teil des Lokals konnte sie wohl kaum sitzen bleiben; es hätte verräterisch gewirkt, wenn sie dort gesessen hätte, ohne dass sie sich etwas bestellt hatte. Catherine streckte ihre steifen Glieder und ließ sich auf ihr Bett sinken. Sie war doch müder, als sie geglaubt hatte, denn kurz darauf verfiel sie in einen unruhigen Schlaf. Der Schwarzhaarigen kam es vor, als habe sie weniger als ein paar Sekunden geschlafen, denn schon rüttelte schon jemand an ihr. »Catherine, nun komm schon«, drängte diese Person ungeduldig. Catherine wünschte diese Person zum Teufel. Sie wollte in Ruhe schlafen, aber das ging wohl nicht mehr. Mit dem festen Entschluss, dass derjenige sich auf ein Donnerwetter gefasst machen könnte, setzte sie sich auf und ihre müden Augen suchten wütend den Raum nach ihr ab. Direkt neben ihrem Bett stand er. »Endlich bist du wach!« Er seufzte. »Du schläfst wie ein Stein, weißt du das?! Hast du eine Ahnung, wie lange ich hier schon stehe, um dich endlich wachzukriegen?« Er zischte und sah das Mädchen dann schließlich scharf an. »Es ist schon fast Morgen...« Das klang, als ob das alles erklären würde, aber das tat es natürlich nicht. Immernoch verwirrt und ein wenig ratlos setzte sie sich auf. Seine Worte ergaben keinen Sinn! »Was...«, wollte sie schon fragen, aber er zischte, um sie zum Schweigen zu bringen. »Später«, unterbrach er ihren Redeschwall unwirsch. »Du willst doch noch mit, oder? Angesteckt von deiner Idee werde ich auf jeden Fall gehen...« Er sprach eher mit sich selber, als mit ihr. Ihre lilanen Augen sahen ihn nur dumm an, doch dann fiel es ihr wieder ein: Natürlich! Wie konnte sie das nur vergessen? Das er sie aber so unsanft geweckt hatte, nahm sie ihm immernoch übel, aber trotzdem schluckte sie ihre bissigen Kommentare herunter und sie stand auf. »Ich habe gesagt, ich gehe und dann gehe ich auch. Egal, ob du jetzt mitkommst oder nicht«, murmelte sie patzig. Lennart zog vor Überraschung eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Auf eine irre Art war sie ihm sogar dankbar dafür. Die junge Frau sah ihn. »Wir können gehen.« Der Rotblonde nickte lebhaft. Nichts anderes hatte er erwartet.Sanft nahm er ihr Handgelenk und wieder durchströmte die Schwarzhaarige ein eigenartiges Gefühl, dass sie nicht richtig einordnen konnte. Es war verwirrend und wunderschön zugleich. Lennart bedeutete Catherine leise zu sein, aber das brauchte er nicht. Sie bewegte sich sowieso schon beinahe lautlos. Geschickt übersprang er eine knarrende Stufe. Die Schwarzhaarige kannte das Gasthaus nicht so wie er und sie trat auf die knarrende Treppe. Das Geräusch hallte wieder und wirkte in ihren geschäften Sinnen unnatürlich laut. Beide verharrten in der Position, in der sie waren, auch wenn das ziemlich grotesk aussah. Als daraufhin sich nicht rührte, warf Lennart ihr einen wütenden Blick zu und die Schwarzhaarige versuchte, seinem stechenden Blick auszuweichen. Sie konnte ihn nicht ertragen. Nicht diesen Blick. Er erhellte das tiefste Dunkel, machte die ganze Welt freundlicher und ein wenig erträglicher. Und jetzt dieser Blick von ihm... "Nein, ich gebe alles, wirklich alles dafür, um diesen Blick nicht mehr ertragen zu müssen. Nicht mehr bei ihm. Bitte...", flehte sie in Gedanken. Lennart zog sie weiter und wisperte ihr zu: »Pass auf die letzte Stufe auf, die knarrt ebenfalls.« Sie bemerkte seinen harten Ton und dieser ließ sie beinahe zusammenzucken. Von dem freundlichem Typ war kaum noch etwas vorhanden. Wo war er? Catherine merkte auch, wie sehr es ihm missfiel mit ihr zu sprechen, bevor die Gefahr noch nicht ganz ausgestanden war. Geräuchlos verließen die Beiden das Gasthaus. Die Dämmerung kam und der Himmel färbte sich morgenrot. Ein morgendlicher Nebel lag über die kleine Stadt. Immer wieder angstvoll und voller Ehrfurcht warf sie ihm einen Blick zu. Die Stille machte sie nervös und die Atmosphäre hätte selbst auf einer Trauerfeier nicht besser sein können. Die Stimmung war eisig und bis zur Ortsgrenze sprach er kein einziges Wort mehr mit ihr. Mehrmals grübelte sie danach, was der Grund dafür sein könnte, denn dass sie einmal unachtsam war - das verwarf sie gleich wieder. Aber vermutlich wäre dann das ganze Vorhaben geplatzt. Die Schwerzhaarige senkte betrübt ihren Blick gen Boden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)