Children of the Prophecy von Kendrix (Die Kinder der Prophezeihung) ================================================================================ 03: [Das Modell] ---------------- Sie ist ein Model und sie sieht gut aus Ich nähm’ sie heut’ gerne mit zu mir nachhaus Sie wirkt so kühl, an sie kommt niemand rann Doch vor der Kamera, da zeigt sie was sie kann Sie trinkt in Nachtclubs immer Sekt – korrekt! Und hat hier schon alle Männer “abgecheckt” Im Scheinwerferlicht, ihr junges Lächeln strahlt Sie sieht gut aus, und Schönheit wird bezahlt Sie stellt sich zur schau für das Konsumprodukt Und wird von Millionen Augen angeguckt Ihr neues Titelbild ist einfach fabelhaft! Ich muss sie wieder sehen, ich glaub’ sie hat’s geschafft -Rammstein, -das Modell --- Vollkommen eben, immer glatt, gleichmäßig und auf ewig gewappnet vor Unebenheiten und den Zeichen der Zeit war das Fleisch des perfekten kleinen Mädchens. Völlig perfekt, geschaffen, um perfekt zu sein, war das Plastik in die verführerischen, wenn nicht ganz realitätsgetreuen, übertriebenen Proportionen eines kleinen Kindes gegossen zu werden, wohlwissend das das kleine Fräulein so viel besser darin veranlagt sein würde, die Blicke anderer zu sich einzuladen als jeden andere Kind, dass statt aus Polymeren aus Proteinen bestand. Doch es war das eine Makromolekül wie das andere, Kohlenstoff was es alles, und das kleine Plastikkind hatte ihre Perfektion, und das war ein klarer Vorteil. Ihre großen, blauen Augen und ihr kleines Näschen würden nie ihre reizenden, genau richtigen Größenverhältnisse verlieren, nie würden ihre zarten Bäckchen ihre liebliche Röte verlieren, und niemals würde auch nur ein einziges ihrer lieblichen, so ganz besonderen roten Löckchen je aus der Reihe tanzen – Und ihre possierlichen Äugelein würden auch nie ermüden, immer bereit, aufmerksam und liebreizend zu jedem der gewöhnlichen, dreckigen Proteinkinder hochzusehen, wenn sie kamen, um sie zu bestaunen. Ei, und was für ein feines Kleidchen das perfekte Mädchen doch trug! So ein schönes, strahlendes Rot, dass es die Rosen, den Mond und die Erdbeeren in tiefe Schande versetzten! Oh alles sah grau und farblos aus verglichen mit diesem strahlenden rot! Das Kleid war zwar nicht ganz so perfekt wie das perfekte kleine Mädchen, doch sie trug es sehr gerne, denn ihre Mama hatte es einmal zerfetzt und an der Stelle herumgezogen, an der sie ihr einst ihren Namen eingestickt hatte, damit man auch immer wusste, dass dieses Kleid einem ganz bestimmten kleinen Mädchen gehörte. Einem Mädchen das so hübsch und beliebt und begehrenswert und perfekt war, dass ihre Mama sie ganz doll lieb hatte. Ihre Mama hatte sie nämlich so gemacht, dass sie perfekt sein würde, und deshalb würde sie auch immer perfekt bleiben müssen, damit ihre Mami sie auch weiter mochte und sie nicht wieder umbringen würde, und mehr nicht-perfekte Nahten auf ihr Kleid brachte. Also bemühte sich das perfekte Kind stets in ihrer süßesten, niedlichsten, perfektesten Stimme zu sprechen, und auch immer so glücklich zu klingen, wie das ein perfektes Mädchen auch tun sollte: „Ich bin anders als alle anderen!“ erzählte sie stolz, freudig umhertanzend und ihre Ärmchen bewegend wie sich das für glückliche Mädchen gehörte. „Ich bin etwas ganz, ganz besonderes! Und weil das so ist… …sollst du dich auch weiterhin nur auf dich selbst verlassen, Asuka.“ Und dann wurde das perfekte kleine Mädchen von einem furchtbar hässlichen Mädchen gewaltvoll in die nächste Ecke geschleudert, wo sie gegen einen Umzugskarton prallte und ganz allein und verlassen am Boden liegen blieb, reglos, kalt und ohne einen Willen, der sie antrieb. --- Kaum mehr als eine Woche nach dem Neo-Tokyo-3 das letzte Mal zum Schlachtfeld geworden war, schien zumindest augenscheinlich wieder Ruhe und Normalität eingekehrt – man hatte keine Wahl. Auch wenn der Sturm, der auf diese Ruhe folgen sollte, bereits dabei war, sich jenseits des Horizonts zusammenzubrauen, so änderte alle Angst der Welt nichts daran, dass die Menschen essen und sich komfortable Dinge kaufen wollten, und dazu musste die Show eben weitergehen. Man gab sich nur zu gerne der Illusion hin, man sei töricht genug, um die aus den Augen gewichene Gefahr auch aus dem Sinn zu spülen und fürchtete sich stattdessen heimlich im Schatten der Reinigungsfahrzeuge, die noch nicht damit fertig waren, das Blut des blauen, kristallinen Engels von den Gebäuden zu tilgen. Offene Furcht hatte ohnehin keinen nutzen, wenn man nichts gegen ihre Quelle unternehmen konnte. So ging die Sonne also wie an jedem Morgen auch auf, ohne dass sich jemand darüber wunderte dass sie das tat oder sich das Spektakel in der Angst ansah, dass man nie mehr eine Gelegenheit dazu bekommen könnte. Statt mit glasigen Blicken wurde das Weichen des morgendlichen Nebels also durch die prompte Drehung mehrere Gebäude begrüßt, die noch dorthin ausgerichtet gewesen waren, wo sie dem Zentralgestirn am Abend das letzte Mal begegnet waren. Gestreichelt von den ersten, sanften Strahlen des Morgens richteten sich zahllose Solarzellen zum hellsten Fleck des Himmels aus, um noch mehr von den Geschenken des ewigen Sommers in das Stromnetz zu pumpen, wo sie auch dringend gebraucht wurden – Denn mit den Gebäuden kamen auch die Menschen in Gang und mit ihnen auch der Berufsverkehr – nicht alle von ihnen entschieden sich dafür, mit dem Fahrrad oder zu Fuß über Gehwege und Grün zu spurten: Weichen mussten umgestellt, Straßenbahnen bewegt und Verkehrsampeln mussten beleuchtet werden; Neu in den Himmel geschossene Flugzeuge schwebten über zahllosen Menschen hinweg, die stetig auf ihre Uhren starrten, auf das Umschalten einer Ampel warteten, Zeitung lasen oder noch halb verschlafen vor sich hin döste – wohin man auch sah waren massenweise Menschen, die vom in Gang kommenden Puls der Stadt durch die Straßen gepumpt wurden um sie zu beleben wie das Blut durch einen Körper. Hier und da sah man auch mal ein paar der überaus seltenen Menschen, die nicht aussahen, als ob die dringend irgendwo hin mussten – eine dieser Personen, die es nicht eilig zu haben schien, konnte man gerade die Rolltreppe von einem Straßenübergang herunterfahren sehen – Es war ein melancholisch wirkender junger Mann in einer schlichten Schuluniform, der sich erst seit zwei Monaten und einer Woche zu den Bürgern dieser Stadt zählte. Man sah es ihm vielleicht nicht an, aber diesem unscheinbaren Jungen, der da an den zu seinem Walkman gehörigen Kopfhörern hing war es zu verdanken, dass sich die Menschen in dieser Stadt die Muße zu solchem regen Treiben leisten konnten - Er war Ikari Shinji, das Third Child, der designierte Pilot der humanoiden Kriegsmaschine Evangelion 01. Nachdem er für sich, seine Aufpasserin, auf die er zumeist aufpasste, und deren Haus-Pinguin das Frühstück gemacht und sämtliche noch anfallenden Haushalts-Besorgungen erledigt hatte, begab er sich, sofern es denn ein Werktag, wie zum Beispiel der heutige Dienstag war, auf dem Weg zur Schule, wobei er zumeist an ebendiesem Straßenübergang vorbeikam., wo er, wie heute auch, gelegentlich seine auf ihn wartenden Freunde antraf. Zumeist reichte den Anblick allein aus, um Shinjis Miene deutlich aufzuhellen – Freunde zu haben war etwas, woran der Vierzehnjährige sich erst vor kurzem gewöhnt hatte. Die Erinnerungen an die Zeiten, in denen er sich niemals getraut hätte, einen gleichaltrigen anzusprechen war noch frisch in seinem Gedächtnis und dienten jetzt, wo sie zur Vergangenheit gehörten, als eine Quelle von Wertschätzung und Dankbarkeit – gleich nachdem er sein Glück immer noch kaum glauben könnend seine Kopfhörer aus seinen Ohren gezupft hatte, lief er in freudiger Erwartung zu den anderen Jungen hinüber und begrüßte sie mit ein paar zurückhaltenden, aber von Herzen kommenden Worten. Das kleine Grüppchen, dass sich da am Fuße der Rolltreppe zusammengefunden hatte, setzte sich neben dem etwas schüchternen Retter der Erde, der schon an und für sich eine kleine Kuriosität war, auch noch aus ein paar anderen Zutaten zusammen, die man normalerweise nicht auf einem Haufen vermuten würde – unter anderem fand sich dort der beste Freund des großen Helden von Tokyo-3, der freischaffende Classenclown Suzuhara Touji, ein zuverlässiger, wenn auch etwas überdrehter Zeitgenosse, der nebenbei auch noch ein vorbildlicher großer Bruder wie auch ein begnadeter Sportler war, sowie Aida Kensuke, der ansässige Militär-Nerd, der, obgleich man es ihm bei der Waghalsigkeit, die er mitunter an den Tag legte, nicht sofort glauben würde, ein intelligenter, wohlinformierter junger Mann von großer Menschenkenntnis war. Der vierte im Bunde, der erst vor relativ kurzer Zeit begonnen hatte, sich dem eigentümlichen Terzett hin und wieder anzuschließen, war der gemeinhin als eigenbrötlerischer Einserschüler bekannte Mitsurugi Nagato, der sich als höfliches, sensibles Mitglied dieser Gesellschaft entpuppt hatten, nachdem das Trio erst mal ein wenig Zeit mit ihm verbracht hatte – selbst jemanden in diese Gruppe hinein zu führen und das seiner Meinung nach nicht ganz verdiente Glück, das ihm zuteil geworden war, weiterzugeben war für Shinji eine wertvolle Erfahrung gewesen, die wie viele andere Dinge auch das dünne Lächeln auf seinen Lippen den ganzen, restlichen Weg zur Schule aufrecht erhielt, denn er nicht mehr allein, sondern meist zumindest zu dritt und auch immer öfters zu viert bestritt. Und zu viert erreichten sie auch nach ein paar mit regen Unterhaltungen gefüllten Minuten das Schulgebäude, dessen weiße Fassade im Sonnenlicht fast schon etwas zu leuchten schien. Je dichter jedoch der Strom aus uniformierten Schülern wurde, desto öfter hörten die Jungs einen durch alle Münder wandernden Namen, der sie an die einzige Sache erinnerte, die nicht zur Normalität zurückgekehrt war, und das wohl auch nie wieder tun würde – der einst leere Sitzplatz einen Tisch neben und eine Reihe hinter dem der Klassensprecherin, auf dem jetzt ein grausames Biest namens Shikinami Asuka Langley hauste. In der ganzen Schule wurde von nichts anderem mehr geredet, sie war von morgens bis abends das Thema Nummer eins, sobald die Lehrer mal eine halbe Minute nicht hinsahen. Alle Mädchen wollten entweder ihre Freundinnen sein oder in ihrem Körper stecken, alle Jungs ließen keine einzige Chance verstreichen, den vormals erwähnten Körper anzugaffen. Asuka da, Asuka hier – hatte sich Shinji damals schnell als Schulschwarm etabliert, sobald sein Nebenjob bekannt geworden war, so sorgte Asuka durch das ständige Tragen ihrer Nervenclips dafür, dass keiner auch nur fünf Minuten lang vergaß, wer der designierte Pilot von Einheit zwei war – und so kam es, dass nun auch die männlichen und lesbischen Mitglieder der Schulgemeinde jemanden hatten, dem sie hinterhersabbern konnten. Anders als das schüchterne Third Child, dass die ersten Wochen einfach übersehen worden war, sorgte Asuka schon am ersten Tag dafür, dass jeder ihren Namen kannte, und setzte sich prompt an die Spitze jener Vereinigung von beliebten Mädchen, die bestimmten, was „cool“ und was „angesagt“ war, und wenn die Schülerschaft guten Gewissens Terrorisieren würden. Vielleicht von dem Wunsch motiviert, etwas verspätet Rache für seine unglücksselige Mütze zu nehmen, hatte Touji im Laufe der Woche beschlossen, mit Kensukes Unterstützung zumindest ein bisschen Gewinn aus der Situation zu schlagen, indem sie die geilen, von Hormonen erschütterten Massen mit aus „interessanten“ Winkeln geschossenen Fotos der Schul-Diva zu versorgen, die diese dann wohl zum Zwecke der Unterstützung ihrer Phantasie bei ihren… abendlichen Aktivitäten benutzen würden. Touji war auf die Idee gekommen nachdem die Kopien von Kensukes filmischer Erfassung des Kampfes und des Flugzeugträgers nicht nur bei seinen Mit-Nerds gut ankamen, sondern auch bei ganz gewöhnlichen Schülern beiderlei Geschlechts sehr beliebt waren, die je nach sexueller Orientierung den „niedlichen Ikari-kun“ oder die „Sexy Shikinami“ in Aktion sehen wollten – es war sehr vorteilhaft gewesen, dass beide in dem EVA gesessen hatten. Nach dem schmieden ihres teuflischen Plans hatten sich die beiden ohne Nagato und Shinji, die das wohl entweder für unanständig gehalten hätten, und, im Falle des letzteren, zu viel Angst vor der unausstehlichen EVA-Pilotin hatte, auf dem Weg gemacht, um ihr Tagewerk zu beginnen – Asuka in der Menge mit ihren neuen Freundinnen, Asuka, wie sie ihren Durst an einem Wasserhahn stillte, an dessen Stelle sich sie Käufer wohl etwas ganz anderen vorstellen würde, Asuka, wie sie lächelnd in all ihrem Glanze an ein paar eifersüchtig dreinblickenden Mädchen vorbeilief, Asuka in ihren knappen Sportkleidern oder beim Umziehen… Knips, knips, Knips, und schon war der Moment auf ewig auf Film gebannt, bereit, um die zwei Jungs stinkend reich zu machen! Viele von den Bildern waren verwackelt, unscharf oder zeigten bis weilen aus irgendeinem Grund, der mit der Tatsache, dass Touji hier der Fotograf gewesen war, zusammenhängen könnte, aber nicht musste, viel mehr von der Rückenansicht der halbnackten Klassensprecherin zeigten als von Asuka, waren aber irgendwie trotzdem ein Kassenschlager. Den kleinen Filmstreifen, auf dem Asuka die zahllosen Liebesbriefe, die eines Morgens aus ihrem Schulfach gepurzelt waren, mit größten Freuden und himmelschreiender Grausamkeit zertrampelt hatte, würden die Jungs jedoch lieber für sich behalten – Die Seifenblasen der liebeskranken Trottel hier zum Platzen zu bringen, wäre wohl weder nett noch profitabel. Alles in allem war der Handel mit den Bildchen ein lukratives Geschäft gewesen, dessen Erlös die beiden in einen Ersatz der von der teutonischen Furie vernichteten Kameralinse beziehungsweise Mütze zu investieren gedachten. Es war doch Glück im Unglück gewesen, dass diese Asuka, so ätzend sie doch sein mochte, zugegebenermaßen wirklich sexy aussah. Man konnte wirklich von Glück sagen, das die gewinnbringenden Fotografien wie auch ihr zuckersüßes Aussehen nichts von den Schrecken ihres wahren Gesichtes verrieten – denn um dieses angaffen zu können würden die ortsansässigen Lustmolche, wie die unglücksseligen Jungs, die von der glamourösen Zicke seit einer Woche regelmäßig königlich gepiesakt und kurzerhand auf den griffigen, wenn auch nicht sehr schmeichelhaften Namen „Idiotenquartett“ getauft worden waren, aus eigener Erfahrung bestätigen konnten, wohl keinen einzigen Yen hergeben, sondern wohl eher noch zahlen, um so schnell wie möglich weit, weit weg von ihr zu kommen. Doch leider konnte kein Geld der Welt Shinji vor dem Horror bewahren, der, an seinen Freunden vorbeigehend wie an besseren Kartoffelsäcken, vergnüglich auf ihn zugeschlendert kam. Es sagte schon etwas über jemanden aus, wenn der bloße Klang ihrer Stimme einen Jungen, der vor nicht allzu langer Zeit mit nicht viel mehr als einem Messer einem überirdischen Monster entgegen gestürmt war, ängstlich zusammenzucken ließ, obgleich diese Beschreibung Shinji zugegebenermaßen bedrohlicher klingen ließ, als er war. Das Erschaudern des männlichen Piloten gekonnt ignorierend lief Asuka näher an ihn heran als es ihm lieb war, und grüßte ihn mit einem Freudenstrahlen, dass sich wohl auch aus seinem deutlich sichtbaren nährte, und wieder einmal keinen Zweifel daran ließ, wer hier das Alphatier war, auf irgendeiner fremden Sprache, mit deren Kenntnis sie des Öfteren protzte. Teils, weil er einfach ein höflicher Mensch war, der es nicht wirklichauf Konfrontationen anlegte, aber auch, weil er glaubte, so eventuell weiteren Demütigungen entgehen zu können, zwang er sich trotz der Furcht und der Abneigung, die er nicht ganz zu verbergen vermochte zu einem Lächeln und versuchte den Teil ihrer fremdländischen Äußerung, der nach einer Begrüßung geklungen hatte, so unverschandelt wie es seiner ungeübten Zunge möglich war, zu wiederholen. Doch seine Anstrengungen blieben vergebens, sie lief weiter zu ihm hin und platzierte ihre Hand unangenehm Nahe an seinem Gesicht – ein Omen, dass ihm verriet, dass er seiner heutigen Portion an Schmerzen wohl nicht entgehen würde. „Also wirklich!“ meckerte sie fast schon beiläufig, als ob nichts weiter wäre – mittlerweile hatte sich um sie beide eine Traube aus schaulustigen, besorgten und eifersüchtigen Menschen gebildet, was bei Shinji einfach nur den Wunsch auslöste, in die Tiefen des Erdreiches zu entschwinden – Menschenaufläufe machten ihn immer unsagbar nervös und unsicher, es gab so viele Menschen, auf die er achten musste, so viele Blicke, die ihn kritisch prüften, so viel Getuschel, von dem er nur die Hälfte verstand und sich die andere Hälfte durch seine alles andere als optimistische Selbsteinschätzung verzerrt zusammenreimte. Die Leute schienen teils eifersüchtig zu sein und teils zu hoffen, dass die oh so hübsche Konkurrenz vielleicht bald unter der Haube befinden würde, und es trieb ihn zum Wahnsinn – Und dieses Mädchen genoss jede Sekunde dazu, sie weitete sich an seinem Unglück, ihr Ego wuchs mit jedem Gaffer – Sie liebte es offensichtlich, im Mittelpunkt zu stehen, fühlte sich morgens erst richtig wach, wenn sie im Rampenlicht gebadet hatte, und hatte wenig Skrupel, ihn zu ihrer persönlichen Belustigung mit hinein zu ziehen, unberührt von den Gefühlen, mit denen dies ihn überschwemmte… Er verstand sie wirklich beim besten Willen nicht. „Du sieht ja schon am frühen Morgen so trübsinning aus!“ tadelte Asuka fast schon spielerisch mit verwirrender Leichtigkeit, bevor sie sich mit ihren Fingern an seiner Stirn verging, ihn einfach so anlangend als sei sie nicht in jemand anderes Privatsphäre, sondern ihrem eigenen Element, wie ein Fisch, der pfeilschnell durchs Wasser schoss und zu glitschig war, als dass man ihn fest- oder aufhalten könnte. „Wenn jemand die Ehre hat, von meiner Wenigkeit begrüßt zu werden, hat er gefälligst zu strahlen! Ich bin das beliebteste Mädchen der Schule!“ Nachdem sie ihren Spaß gehabt hatte, ließ sie den ziemlich unglücklich aussehenden Knaben stehen wie ausgekühlten Kaffee – Doch noch bevor der Junge Gelegenheit hatte, erleichtert auszuatmen, schien Asuka entschieden zu haben, dass sie sich doch noch für ihn interessierte – oder wenigstens für die Informationen, die sie vielleicht aus seinem Munde erhalten konnte. „Ach ja“ fragte sie fast beiläufig. „Wo ist eigentlich die andere?“ „Die…andere?“ wiederholte Shinji verwirrt, überlegend, wen sie mit dieser recht unbestimmten, aber klar abschätzigen, wenn nicht sogar betont respektlosen Ausdruck gemeint haben wollte. „Wen meinst du…“ Sie sah ihn an, als sei er an einer einfachen Rechnung auf Grundschulniveau kläglich gescheitert. „Bist du bescheuert oder was?“ klagte sie, die Arme ärgerlich in die Hüften gestemmt. „Na, das First Child, natürlich! Wen soll ich denn bitte sonst meinen?“ „Oh… Du meinst Ayanami…“ schloss er schließlich, seinen Blick auf eine der unscheinbaren Parkbänke am Rande des Schulhofs richtend, auf deren Rei gelegentlich die Pausen und Wartezeiten vor dem Unterricht verbrachte, wenn sie denn nicht im Klassenzimmer saß – Das wusste er, weil er über die letzte Woche verteilt mehrmals versucht hatte, sich dazu durchzuringen, sie anzusprechen – Die ersten paar Male hatte er sich nicht getraut, auch nurein einziges Wort zu sagen, später war er einfach abgehauen, als sie sein wohl nicht sehr dezentes Starren in ihre Richtung bemerkt und zu ihm aufgeschaut hatte, und danach war es bei einem schlichten „Hallo“ geblieben, auf dass sie nicht wirklich geantwortet oder sonst wie reagiert hatte – Etwas mehr Erfolg hatte er damit, auf den Gruß Fragen folgen zu lassen, auf die Rei in der Regel antwortete, wenn auch in den meisten Fällen in Einzeilern. Zudem vielen ihm in der Gegenwart des blauhaarigen Mädchens selten Fragen oder Gesprächsthemen die über „Wie geht’s dir?“ oder „Was machst du so?“ hinausgingen. Gestern war es ihm gelungen, fast schon so etwas wie ein Gespräch mit ihr zu führen, nachdem sie auf letztere Frage mit „Ich lese.“ geantwortet hatte – Ihm war mittlerweile aufgefallen, dass sie das recht oft tat (Sie hatte sich zum Beispiel auch mit einem Buch beschäftigt, als sie damals in seinem Krankenzimmer auf sein Erwachen gewartet hatte), und sprach sie darauf an, sie fragend, was sie so las – Es war eine Sammlung von wissenschaftlichen Abhandlungen über einen seltsamen, obskuren Zweig der Naturwissenschaft gewesen, den er wohl in hundert Jahren nicht verstehen würde – Als er das First Child gefragt hatte, ob sie es verstand, hatte sie jedoch knapp mit „Ja“ geantwortet – Laut Rei war das Buch von niemand geringeres als Shinji’s Vater ausgeliehen. Als er fragte, wie es diesem denn so ging, erfuhr er, dass er wieder einmal auf Geschäftsreise war. Wieder einmal war ihm schmerzlich klar geworden, wie wenig er mit diesem Mann, der ihm sein Leben geschenkt hatte, eigentlich zu tun hatte – und wie viel näher das blauhaarige Mädchen ihrem gemeinsamen Vorgesetzten zu stehen schien. Er hatte darauf zunächst erst einmal etwas inkohärentes hervorgestottert, dass ursprünglich mal ein von ehrlichem Staunen geprägtes Kompliment bezüglich Reis Intelligenz sein sollte, konnte aber nicht anders, als sich zu fragen, ob sein Vater ihm wohl auch Bücher ausleihen würde, wenn er diese komplexe, kleingedruckte Fachliteratur ebenfalls verstehen würde. Doch wie immer dem auch sei, auch heute fand sich Rei samt einem dicken Wälzer an ihrem angestammten Platz, in dessen Richtung Asuka einen kurzen, prüfenden Blick später direkt losmarschierte, bevor Shinji irgendetwas dazu sagen konnte. Im Nachhinein wunderte es ihn doch etwas, dass Asuka erst jetzt nach einer ganzen Woche Interesse daran zeigte, eine der einzigen beiden Leute kennen zu lernen, die in diesem Krieg an ihrer Seite kämpfen würden. Das es Rei gab hatte sie jedenfalls die ganze Zeit gewusst – sie hatte sie schon damals auf dem Schiff erwähnt, wenn Shinji’s Erinnerungen ihm da keinen Streich spielten. Die Menschentraube, insbesondere deren männlicher Anteil folgten ihr, auch, weil sie wohl so etwas wie einen Zickenkrieg erwarteten. Wie Shinji es schon bei ihrem ersten Treffen erlebt hatte, liebte es Captain Shikinami ungemein, auf andere herabzusehen – Wenn kein hochhausgroßer Evangelion in der Nähe war, auf den sie sich hätte stellen können, und sie sich noch nicht sicher war, ob die andere Person es sich gefallen lassen würde, auf den Boden befördert zu werden, musste eben ein halbhohes Mäuerchen dazu dienen, ihr ein Gefühl von Überlegenheit zu bescheren. Schon allein ihre Pose signalisierte unter anderem durch die breite Beinhaltung und die an der Hüfte befindliche Hand, dass sich die rothaarige EVA-Piloten für extrem wichtig hielt – Es kam ihr absolut nicht in die Tüte, dass sie jemandem ansprechen musste, damit dieser sie bemerkte – ihr Stolz verlangte, dass andere sie zu bemerken hatten. Da ihr Realitätssinn jedoch noch so weit vorhanden war, dass sie noch eine blasse Ahnung davon zu haben schien, dass vor einer Wirkung zunächst einmal so etwas wie eine Ursache da sein musste, versuchte sie dieses „bemerkt werden“ aktiv herbeizuführen, indem sie sich einfach mal ganz penetrant in den Weg der Sonnenstrahlen stellte, die Reis Literatur beleuchteten. Da sie im Gegensatz zu Asuka nicht wirklich der hitzköpfige Typ war, bestand die Reaktion der Pilotin von Einheit Null lediglich darin, ihr Buch ein bisschen weiter nach links zu haben – Erst, als das Second Child einen Schritt zur Seite ging, um ihren Schatten auf die neue Position des Printmediums auszurichten, und sich, für den Fall das der Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden werden sollte, dazu bequemte, ihr Gegenüber zu grüßen, schaute Rei zu ihr auf, wobei sie sich nicht zu ihr hin drehte sondern einzig und allein ihre Augen bewegte, einfach, weil das schon ausreichte, um ihre Mit-Pilotin sehen zu können. „Du bist also Ayanami Rei, die Pilotin des Prototyps, hm?“ Das First Child blickte wortlos zu ihr hoch. „Ich bin Asuka. Shikinami Asuka Langley, die Pilotin von EVA 02!“ verkündete sie bombastisch mit einem nicht ganz aufrichtigen Lächeln, dass ihr folgendes Angebot wie schon die deutliche Verwendung des Wortes „Prototyp“ eher wie eine Art herablassende Mitleidsgeste klingen ließ, als wie ehrliches Interesse: „Hey, lass uns Freundinnen sein!“ „…Weshalb?“ fragte Rei leise, ihren Blick wieder abwendend, nachdem sie sich Asukas Gesicht gemerkt, ihm gedanklich ihren Namen zugeordnet hatte, und nun keinen wirklichen Grund dazu sah, sie weiter anzusehen. Sie kannte sich nicht wirklich mit solchen Dingen aus, und sie waren auch nie Teil ihrer Aufgaben gewesen, doch soweit sie das verstand, waren Freunde gewöhnlich Menschen, die man gut kannte, die man mochte und mit denen man gerne Zeit verbringt… Sie kannte das Second Child überhaupt nicht und konnte sie deshalb auch logischerweise nicht mögen – wobei „nicht mögen“ als simple Abwesenheit von Zuneigung und nicht als implizierte Abneigung zu verstehen war, zu der Rei wohl auch keinen Grund gesehen hätte. – Wieso also das Freundschaftsangebot? „Weil es eben… in vieler Hinsicht ganz praktisch wäre.“ antwortete Asuka, etwas aus dem Konzept gebracht mit ihrer Hand gestikulierend. Das irgendjemand nicht die Freundin einer tollen, attraktiven, beliebten Elitepilotin wie ihr sein wollen sollte, erschien ihr kaum möglich – Dieser schräge Paradiesvogel hier, der sie nur den alten, fast zum Altmetall gehörigen Prototypen anvertraut hatten, und die hier völlig einsam und allein in der Ecke saß wie eine absolute Loserin (Selbst dieser Trottel von Third Child war ja fähig gewesen, sich zumindest ein paar Kumpel zuzulegen, auch, wenn es nur solche peinlichen Witzfiguren waren – Eine Null, Lackaffe, ein Nerd und ein Streber, sonst natürliche Feinde, vereint in Harmonie! Man glaubte es kaum. So etwas war wohl wirklich nur möglich, wenn die Apokalypse ständig auf der Türschwelle stand!) sollte doch froh sein, wenn sie so eine Chance bekam – doch sie beschloss zum Wohle ihrer leicht bescheuerten, potentiellen neuen Freundin nett zu bleiben. Es stellte für sie eine ungeheure Kränkung da, dass jemand sie nicht mögen könnte. Nach der Antwort, die sie auf ihre Versuche, freundlich zu sein, letzlich bekam, sah Asuka letzlich ein, dass hier wohl Hopfen und Malz verloren waren: „Ich freunde mich mit dir an, sobald man es mir befiehlt.“ Anders als das Second Child war Rei die Art von Person, die sich nicht viel aus einem Ruf oder Beliebtheit machte, und auch gar nicht darüber nachdachte oder verstand, wie sie auf andere wirkte – Da sie nur wenig Erfahrung mit solchen Dingen hatte, wäre sie wohl nicht fähig gewesen, sich selbst so einzuschätzen, wenn man sie gefragt hätte, doch das First Child war, auch wenn sie insgesamt nett und nicht nachtragend war, nicht der Typ, der Freunde „sammelte“ und aus deren Anzahl eine Art Wert für sich errechnete – Sie gehörte eher zu der Sorte, die sich nur einigen wenigen, engen Vertrauten öffnete, die ihr dann aber auch sehr viel bedeuteten. Sie fühlte persönlich im Moment nicht den Wunsch, sich mit Asuka anzufreunden – Sie beantwortete einfach nur deren Frage. Dass diese sich dadurch beleidigt fühlen könnte, begriff sie nicht, ebenso wenig, wie sie verstand, dass ihr Verweis auf etwaige Befehle die anderen irritieren könnte – Sie sagte es einfach, weil „Nein“ nicht die korrekte Antwort gewesen wäre – Würde sie den Befehl bekommen, sich mit ihr anzufreunden, zum Beispiel, um ihre Effektivität im Kampf zu steigern, wäre das Part ihrer Aufgabe, und die ging vor – immerhin existierte Rei ja, um die Aufgabe zu erledigen, und nicht die Aufgabe für Rei. Über viele dieser Dinge nicht Bescheid wissend fiel Asukas Eindruck von ihrer Mit-Pilotin relativ ernüchternd aus – „Hat die einen an der Waffel?“ Hiernach verzog sich die große Captain Shikinami zusammen mit ihrem Kranz aus jasagenden, mitlaufenden, schleimtriefenden Mädchen, bei denen sie sich darüber beklagte, was das wohl für eine Asoziale sei, ob die sich wohl für was Besseres halte, weil sie auch einen EVA steuere, obwohl der von Asuka klar besser sei, dass es kein Wunder war, dass sie so eingebildet war, wenn ihre Eltern ihr erlaubten, ihre Haare in solch einer grässlichen, unnatürlichen Farbe zu färben, und dass sie ohnehin das berühmte kleine Prinzesschen des Commanders war. Darauf bekam sie wohl die üblichen Geschichten zu hören, wie Shinji sie einst von Touji und Kensuke erzählt bekommen hatte, von wegen, dass Rei noch nie Freunde gehabt habe, und dass sie wohl zurück geblieben sei. Shinji wunderte sich, dass es Rei nichts auszumachen schien – Sie saß einfach nur da und las weiter ihr Buch. An ihrer Stelle hätte er sich abscheulich gefühlt, wenn alle so über ihn geredet hätten – Es wäre sein schlimmster Alptraum. Doch neben Intelligenz war wohl auch Stärke etwas, dass Rei ihm voraus hatte. Zwischen ihm und diesen beiden Mädchen war ein sehr tiefer Graben. Auch zwischen ihm und Asuka – Denn unausstehlich wie sie war, sie konnte es einfach sagen, wenn ihr jemand nicht passte, während sie ihm wohl zurecht vorwarf, dass er sich herumschubsen ließ… andererseits versuchte er nur, nett zu sein und Streit zu vermeiden, etwas, dass Asuka nie in den Sinn käme. Es stimmte schon, dass sie bewundernswerte Eigenschaften an sich hatte, aber er… nun, er wollte keine starken Worte in den Mund nehmen, aber es war so, dass er sie wirklich, wirklich, wirklich nicht mochte – Zu hören, wie sie sich mit ihren Freundinnen über Rei ausließ, machte ihm jetzt, wo er dieses Mädchen kennen gelernt hatte, ihre Welt (Diese leere, kleine Wohnung, die verlassene Plattenbausiedlung… Sein Vater), ihre Sorgen („Ich hab sonst nichts“) und ihre Stärke gesehen hatte, machte es ihn fast schon wütend, diese Gespräche zu hören – Der Gedanke, hinzugehen, und etwas dagegen zu tun durchkreuzte seinen Verstand, wurde aber augenblicklich verworfen. Er war wohl doch ein Feigling und außerdem würden sich am Ende alle über ihn lustig machen… umso überraschter war Shinji, als er neben sich Nagatos Stimme hörte, die die Worte aus seiner eigenen Seele an die Luft zu bringen schien: „Ich… ich will wirklich nicht unhöflich klingen aber… sollten dieser Leute vor einem Mädchen, dass ihr Leben für sie alle riskiert hat, nicht anders reden…? Überhaupt, so redet man doch nicht über Menschen…“ „Da hast du schon recht…“ entgegnete Touji. „…Aber ein bisschen was ist an der Sache ja schon dran. Versteh mich nicht falsch, Shinji, aber ihr EVA-Piloten seid schon ein ziemlich bunter Haufen…“ Kensuke konnte diese Feststellung nachvollziehen, reagierte darauf jedoch weniger mit Skepsis als mit Erheiterung: „Meint ihr, das heißt, ich würde gut dazu passen?“ --- Nachdem das erste Klingeln erklungen war, hatten sich sämtliche Schüler inklusive der EVA-Piloten schleunigst in ihre respektiven Klassenzimmer verladen, bis sie eine Mathematikstunde später, bei der die eigentliche Mathematik nach fünf Minuten aufgehört hatte, weil der alte Lehrer wieder begonnen hatte, endlos über den Second Impact zu schwafeln, von eben derselben Klingel erlöst wurden – Shinjis Schultage und –Pausen gingen genau wie seine Morgen mittlerweile wieder angenehme, geregelte Bahnen, die ihn die absolute Unnormalität seiner Situation fast schon vergessen ließen und ihm in den kurzen Momenten, in denen er darüber nachdachte, beinahe grotesk vorkamen. Dennoch glaubte er, dass es ihn zum größten Teil glücklich machte, mit Touji, Kensuke und Nagato um einen ihrer Tische herum zu sitzen und sich zu unterhalten, als Grüppchen zusammensitzend wie alle anderen auch. Er sah eine Szene vor sich, wie sie sich fast jeden Tag ereignete – Kensuke war dabei, irgendetwas begeistert zu erklären, Touji gab dazu teils witzige, teils skeptische Kommentare ab, Nagato brachte hier und da zögerliche Kommentare an, oder merkte etwas an, dass mit Politik und der heutigen Gesellschaft zu tun hatte. Letzterer beschäftigte seine Hände dabei zumeist gleichzeitig mit einem seiner Puzzlewürfel oder einem kleinen Geduldsspiel, was Touji zunächst ein wenig gestört hatte – Kensuke fand die Dinger selbst toll und Shinji hatte aufgrund der irren Wendungen, die sein Leben in letzter Zeit genommen hatte, gelernt, seltsame Dinge einfach hinzunehmen. Bals war jedoch klar geworden, dass der junge mit dem Kopfverband ihnen trotz der kleinen Spielzeuge mit voller Aufmerksamkeit zuhörte. Kensuke hatte „zu seiner Verteidigung“ leicht scherzhaft angemerkt, dass Nagato wohl trotz seines gefassten, ruhigen äußeren noch etwas nervös in der Gegenwart von anderen, vor allem so „aufgedrehten“ anderen war, und seine Hände daher irgendwie beschäftigt haben wollte, weil er, wie viele Menschen das taten, wenn sie nervös waren, einfach nicht wusste, wo er seine Hände hinstecken sollte. Der ältere Junge hatte das durch ein zögerliches Nicken bestätigt – irgendwie bewunderte Shinji Kensuke für seine Fähigkeit, bei anderen genau die richtigen Knöpfchen zu drücken und diese so zu verstehen. Er selbst musste zugeben, dass er von den meisten Menschen in seiner näheren Umgebung herzlich wenig Ahnung hatte – sogar von Misato, oder von den beiden Mädchen, zu denen seine Blicke des öfteren abschweiften, wenn er mit ihnen im selben Raum saß – Da war erst mal natürlich Ayanami, die wie üblich alleine an ihrem Platz saß und still aus dem Fenster blickte. Sie sollten sich seit dem Kampf neulich ja näher gekommen sein aber… Die Ausnahmesituation hatte beim Austausch tiefer Gefühle wohl geholfen. Er traute sich kaum zu ihr hin… welcher Junge in seinem alter traute sich schon, ein hübsches Mädchen anzusprechen? Und dann auch noch einer wie er… Zu sehen, dass er nichts daran geändert hatte, wie sie stets mutterseelenallein in ihrer Ecke hockte, war nicht ermutigend. Doch es gab seit letzter Woche auch einen weiteren Pol dieses Klassenzimmers, der seine Blicke magnetisch auf sich zu ziehen schien – Shikinami Asuka. Vielleicht war es… weil er ein Stück weit neidisch auf sie war, oder weil sie ja trotz allem irgendwie im selben Boot saßen…. Oder vielleicht, weil auch Touji gelegentlich zu ihr rüber schielte, um sich über sie aufzuregen. Meistens stand sie da und lachte zusammen mit anderen Mädchen über das Unglück irgendwelcher Prominenten oder den neusten Klatsch und Tratsch, aber die Momente, die Shinji wirklich interessierten, wenn nicht sogar ein wenig faszinierten, waren die seltenen Augenblicke, in denen Asuka allein war. Wenn sie, wie jetzt, an ihrem Tisch lehnte und mit ihrem GameBoy spielte. Das… das passte gar nicht zu dem Bild, dass die meisten Leute auf der Schule von ihr hatten, Videospiele… Da sah sie, so verrückt es auch klang, fast ein bisschen aus wie er selbst mit seinen Kopfhörern, da hatte sie den Kopf gesenkt und trug nicht dieses Strahlen auf ihrem Gesicht, sondern wirkte genervt oder sogar… betrübt? Shinji musste daran denken, wass er in diesem Moment gefühlt hatte, in dem sie zusammen das Maul des siebten Engels geöffnet hatten. Da war etwas gewesen, das ihn an ihn selbst erinnert hatte… Vielleicht war das, was sie allen anderen zeigte, ja nur eine Maske – und etwa genau so wahrscheinlich war er wohl der Kaiser von China. Bevor er den Gedanken, dass er irgendwie mit ihr mitfühlen könnte noch beenden konnte, wurde er live Zeuge davon, wie sie statt auf die Liebesbriefe, die sie ständig bekam, einmal direkt auf deren Urheber stampfte und zwei Jungen, die im wörtlichen Sinne bei ihr Schlange gestanden hatten, um sie anzumachen oder ihr die Liebe zu gestehen, mit einem einzigen Tritt umwarf, wie zwei Dominosteine. Man musste wohl wirklich ein actionfilmreifes Abbild von Männlichkeit von Kaji’s Kaliber sein, um von ihr überhaupt als ein möglicher Liebhaber wahrgenommen zu werden. Nein, zwischen Shikinami Asuka und ihm selbst gab es definitiv keine noch so klitzekleinen Ähnlichkeiten. Sie hätten genauso gut in verschiedenen Welten leben können, die sich voneinander genauso unterschieden wie dieses angenehme Schülerleben mit Freunden und so weiter und die brutale Realität der Kämpfe, in denen er jeden Moment wieder hineingezogen werden könnte – immerhin war jetzt schon eine ganze Woche ohne Engel-Angriffe vergangen… Und doch erinnerten ihn subtile kleine Dinge wie die Nervenclips in Asukas Haaren doch daran, dass diese beiden, grundverschiedenen Welten Teil seines Lebens waren. Diese Beiden und noch wesentlich verrücktere… Der alte Lehrer hatte es inzwischen weggewischt, aber heute Morgen, als der Klassenraum aufgeschlossen wurde, stand etwas an der Tafel – Ein paar nur halb weggewischte Rechenaufgaben von gestern und ein kleiner, unauffälliger Schriftzug an der linken unteren Ecke der Tafel – „Die Welt ist falsch“, gezeichnet I.Y… Was den Adressaten dieser Nachricht anging, hatte er nicht die geringste Spur eines Zweifels, erst recht nicht, als Kensuke davon zu erzählen begann, dass der mysteriöse Mörder seit Wochen keine neuen Opfer getötet hatte, und das jetzt darüber spekuliert werde, woran dass wohl lag… Shinji war schon wieder tief in die Unterhaltung versunken, die er mit seinen Freunden führte, als Asuka wieder Gesellschaft bekam. Zunächst reagierte sie auf das weiche „Uhm…?“ mit einem leicht genervten, fragenden Laut, traf als sie zu ihrem Besucher aufschaute jedoch zu ihrer Überraschung keinen weiteren Verehrer an, sondern ein Mädchen an – Eines, dass nicht zu denen gehörte, die sich des Öfteren um ihren Platz scharten – Es war ein sommersprossiges Mädchen mit zwei Zöpfen, an denen die Haargummis mit kleinen lila Glasperlen verziert waren. Braunes Haar, braune Augen, Mittelscheitel – Die Klassensprecherin, wenn sie sich nicht irrte. Über sie hörte man bei den anderen Mädchen nicht das beste – Auch wenn einige, hauptsächlich eher zurückhaltende, niedliche Mauerblümchen, sie als nette, engagierte Freundin beschrieben, so war sie für die meisten anderen Mädchen, vor allem für die „beliebten“ in erster Linie eine eingebildete Petze, Spielverderberin und eine aufgeblasene Zicke. Das Second Child könnte auf ihre Freunde hören und diese allein dafür Tussi zum Teufel jagen, dass sie ihr zurzeit auf dem Keks ging, doch sie zögerte. Eigentlich hielt sie nicht wirklich viel von diesen dummen Gänsen, die sich wie Fähnchen nach dem Wind drehten und alles taten, um sich bei den Alphatieren einzuschleimen, fast wie… wie Puppen. Asuka sah diese Mädchen als wenig mehr als Trophäen, um als beliebt zu gelten, und sie glaubte nicht, dass sie ihr das Leid zu tun brauchte – die kannten sie ja eh nicht wirklich, die wollten sich nur in ihrem Glanz sonnen. Aber diese Klassensprecherin hier… es konnte sein, dass sie ihren Ruf bessern wollte, indem sie sich mit ihr abgab, aber es könnte auch sein, dass sie sich nichts aus Beliebtheit machte sondern… wegen etwas anderem hier war. Sie beschloss, sie erst mal ausreden lassen, wohl auch, weil sie sich weger der Sache mit dem First Child immer noch gekränkt fühlte (Warum mussten die anderen Piloten nur solche Vollidioten sein?) „Uh… Asuka-san?“ begann sie, fast schon schüchtern, teils mit dem Blick ausweichend, gar nicht so herrisch, wie sie sonst immer beschrieben wurde. „Willst du… mit mir zusammen was essen?“ Es klang nicht einstudiert, aufgebrezelt oder hochpoliert, sondern erstaunlich… echt. „Uhm… Okay…“ antwortete Asuka, untypischerweise ein wenig verunsichert wirkend, weil sie sich sonst recht schnell eine Meinung über eine Person bildete, dieses Mal aber nicht so ganz wusste, was sie von der Sache halten sollte. Dieses Klassensprecher-Mädchen zeigte ein verlegenes Lächeln. „Ich bin so froh, dass ich mich endlich getraut habe, dich anzusprechen…“ gestand sie. Sie hatte Asuka schon seit sie vor einer Woche in die Klasse gewechselt war, sofort für ihr Selbstbewusstsein und ihre Ausdruckskraft bewundert und sich gewünscht, ihre Freundin werden zu können, hatte sich aber inmitten der Menschentrauben nicht an so eine populäre Schülerin herangetraut. Hikari wusste selbst, dass sie in dem Ruf stand, die Sorte von Mädchen zu sein, von der die Jungs Alpträume hatten – Sie wollte ja niemandem etwas Böses oder so, aber es war wichtig, dass Dinge erledigt wurden und dass hier zumindest ab und zu mal so etwas wie Unterricht stadtfand, es ging ja auch um die Zukunft der selben Leute, die sie als zickig abstempelten. „…Du heißt doch Hikari, oder?“ „Uhm… ja…“ --- „Entschuldingung…? Können Sie mir vielleicht sagen, wo hier die Räumlichkeiten der technischen Abteilung sind?“ Der geringfügig ältere Mann mit den langen, schwarzen Haaren und dem stylisch über der Uniform drapierten weißen Kittel drehte sich lächelnd nach ihm um. „Gerne, aber bei diesem Labhyrinth hier würde ihnen eine Wegbeschreibung nicht viel nützen. Ich bringe sie hin. Ich muss da ohnehin selbst hin. Wohin soll’s denn gehen? Die Testräume für die Evangelions?“ Der Techniker warf einen kurzen Blick auf Kajis Uniform. „…oder vielleicht doch eher die Büros.“ „Büros ist gut. Ist Dr. Akagi vielleicht in ihrem?“ „Oh, ja, das trifft sich gut. Sie müsste gerade dabei sein, die Daten des letzten Kampfes auszuwerten. Hier lang.“ „Manomann, hier hat sich aber einiges geändert…“ kommentierte Kaji, nachdem seine ‚Führung‘ seinen Sicherheitsausweis durch einen Schlitz zog und der Leiter der Ermittlungsabteilung hinter dem sich darauf öffnenden Tor nichts vertrautes Erkennen konnte. „Da ist man mal ein paar Jahre Weg, und schon kommt man sich vor wie ein lebendes Fossil…“ „Das kenn ich.“ Stimmte der Weißkittelträger zu. „Ich bin auch erst vor kurzem hierher versetzt worden. Es hat zugegebenermaßen ein bisschen gedauert, bis ich mein neues Büro gefunden habe.“ Er lachte etwas. „Trotzdem ist es eine Schande, dass ich erst jetzt dazu komme, dass hier mit hierher zu nehmen.“ Er zog einen kompakten Bilderrahmen aus seiner Tasche, und präsentierte ihn Kaji stolz. Das Foto zeigte den Mann in jüngeren Jahren mit einer Frau in einem längeren, roten Kleid an seiner Seite, die einen Jungen im Kindergartenalter auf ihrem Schoß sitzen hatte. „Ich habe dort zwar schon Bilder stehen, auf denen Kikyou und Nagato einzeln zu sehen sind, aber es geht nichts über ein Bild, wo wir alle zusammen drauf sind.“ Obwohl sich Kaji bei diesen Worten ein wenig betrübt fühlte, hielt er sein Lächeln aufrecht. Der andere Mann schien auf diesem Bild nur unwesendlich älter zu sein, als er selbst es an dem Tag gewesen war, an dem Misato ihn in die Wüste geschickt hatte. Es machte alles viel einfacher, zu Lügen und zu Verbergen. „Sie haben aber früh mit der Familienplanung angefangen.“ „Warum warten, wenn man die Einegefunden hat?“ „Ja, warum warten… Die Sache ist nun einmal so, dass man nicht nur finden, sondern auch gefunden werden muss… Und dann ist das mit der Einen nun mal so, dass es, wie der Name schon sagt, nur eine davon gibt. Wenn man es vermasselt, dann hat bekommt man nicht immer eine zweite Chance.“ „Haben Sie ihre zweite Chance denn bekommen?“ „Wenn, dann ist es keine besonders große Chance, fürchte ich. Aber es gibt ja auch noch andere Fische im Wasser.“ „Versuchen Sie es, ich drücke ihnen die Daumen. Wenn es wirklich die Eine ist, sollte es den Versuch wert sein. Oh… Das hier ist mein Büro. Sie finden das von Dr. Akagi, wenn sie noch ein bisschen den Korridor entlanggehen. Sie können es nicht verfehlen, es die Tür neben der Glasscheibe, durch die man auf diesen Anzeigeschirm schauen kann. Es war nett, mit ihnen zu plaudern. Ich fürchte, dass viele hier den Wert eines guten, alten Pläuschchens unterschätzen. Auf gute Zusammenarbeit, Herr…“ „Kaji. Ryoji Kaji. Ermittlungsabteilung.“ „Mitsurugi Minoru, technische Abteilung. Freut mich. Man sieht sich dann!“ --- Während die Kinder sich in der Schule noch die eine oder andere Pause gönnen konnten, so hatte Ritsuko im NERV-Hauptquartier etliche hundert Meter weiter unten nicht dieses Glück – Ihr mussten der Aschen- und der Kaffeebecher an ihrem Platz als gelegentliche Entspannung, und ihre beiden kleinen Katzenfiguren als Gesellschaft reichen – Doch das taten sie auch, zumal die Daten aus der Analyse des letzten Kampfes sehr interessant hatten. Es käme ihr nie in den Sinn, sich über ihre Arbeit zu beklagen – das wäre, als würde man sich über die Luft oder die Existenz von Bäumen beklagen, Arbeit war in ihrem Leben ein allgegenwärtiger Hauptbestandteil – was, entgegen dem, was viele wohl vermuteten, nicht hieß, dass sie nichts freudvolles an warmen Berührungen fand, oder sich nicht geschmeichelt fühlte, wenn ein Mann sie von hinten umarmte und eine seiner Hände ganz dreist auf ihrer linken Brust platzierte. Sie erkannte schnell, welcher alte Charmeur da seine Fänge nach ihr ausgefahren hatte, und konnte sich auch denken, worin der wahre Zweck dieses Manövers bestand- Dennoch ließ sie es sich gefallen, ja nahm es sogar dankend an, anfänglich genussvoll die Augen schließend, als sich seine wohlgeübte Hand an ihrer bescheidenen Oberweite zu schaffen machen, für deren Umfassung seine Finger fast zu groß schienen. Es stimmte schon, dass sie eigentlich in einer festen Beziehung war, aber in diesem Moment übernahm eine kleine Aufstauung von Zorn fast schon beiläufig die Überhand – Er hatte ja selbst sämtliche Funktionen ihrer Seele, die sie so etwas wie Reue hätte fühlen lassen, selbst dauerhaft ausgeschaltet, als er sie verdorben hatte – Es war nicht, dass sie irgendwie entschied, dass sie diesem Mann keine solche Treue schuldete, weil er sie nie so romantisch von hinten umarmen würde, nie süße Sprüche raspelte und überhaupt nicht wirklich als so etwas wie ein Liebhaber bezeichnet werden konnte. Sie war einfach in ihn verliebt und wollte nicht wahrhaben, dass er kein Interesse an ihr hatte. Also dachte sie einfach nicht an ihn und ließ es einfach geschehen – warum auch das geschminkte, vor ihrem Computer sitzende Gesicht verzerren, dass sie allen zeigte? „Hast du ein bisschen abgenommen, Rit-chan?“ säuselte Kaji Ryoji, dessen Stimme sie augenblicklich erkannte, verführerisch in ihr Ohr, seinen Kopf auf ihrer Schulter ruhen lassend und so ganz raffiniert den Abstand zwischen den Hauptmassen ihrer Körper auf null reduzierend. „Wie kommst du darauf?“ fragte sie, sein Spielchen durchaus etwas vergnügt mitspielend. „Du musst wohl Liebeskummer haben.“ Schloss er mit dem Charme eines professionellen Casanovas. „Und woher willst du das wissen?“ fragte sie, etwas neugierig darauf, wie es ihm gelungen war, mit seinen Anmachsprüchen so nah an der Wahrheit zu landen, die ihre Entspannung ein Stück weit verpuffen ließ, und ihr Lächeln unsichtbar für Kaji ein wenig verzerrte. Als er mit seinen großen, männlichen, nach Arbeit, Rauch und Erde riechenden Fingern daran vorbei strich, und ihr so sanft gebot, den Kopf zu ihm drehen, sah es wieder so makellos aus wie die mit roter Tünche bedeckten Lippen, auf denen es wohnte. „Das liegt daran, dass Frauen mit einem Schönheitsfleck auf der Straße ihrer Tränen dazu bestimmt sind, ständig welche zu vergießen.“ Was Kajis Süßholzgeraspel so effektiv machte, war das er dabei so kitschig es auch sein mochte, genauso ein ernstes Gesicht behielt, als ob er über bedenkliche politische Entwicklungen oder tiefe philosophische Wahrheiten sprechen würde. Ritsuko erkannte es als den billigen Trick der es war, musste sich jedoch eingestehen, es irgendwo erfreulich zu finden. Sie begann sich vorzustellen, wie diese Worte klingen würden, wenn sie mit der Stimme eines ganz anderen Mannes ausgesprochen worden wären. „Ich gebe zu, dass deine Taktik ganz schön raffiniert ist, aber sie hat nur einen gravierenden Fehler. Ich fürchte ich habe gar nicht abgenommen, sondern leider 1570 Gramm zugelegt habe…“ „Oh?“ Er ließ sich keinen Moment lang beirren oder verunsichern, sondern zog sie nur tiefer in seine Umarmung, ihr Gesicht mit der Hand, die nicht an ihrer Brust beschäftigt war und seinem eigenen, warmen, wenn auch von piksenden Stoppeln bewachsenem Gesicht einrahmend. Sachte Berührung einer benutzen, nicht ganz Babyweichen, aber warmen Hand. Oh welch ein Unterschied, wie viel realer sich das doch anfühlte, einfach nur durch die duftende, reale Haut, nicht verborgen unter einer knöchern weißen Maske, die einen geheiligten Bereich vor ihr verbarg, der jemand anderem geweiht war, und jede der Berührungen, nach denen sie sich verzehrte, in einen Dolchstoß verwandelte, der sie daran erinnerte, dass sie sowohl seelisch als auch körperlich nackt vor ihm war, wenn er es nicht für ihn war, nicht entstellt wegen der Kopie einer Kopie von etwas, für das sie der Ersatz des Ersatzes war, gerade noch so ins Schema passend, weil ihre Augen eine ähnlichen Grünton hatten, und die Haare noch nicht allzu viel länger waren… Auch dass hier war ein Spiel und eine Lüge, aber Mensch, es war kaum zu glauben, wie viel Kunst man in eine Lüge stecken konnte, wie viel Feingefühl und Finesse man hineinstecken konnte, so viel, dass man die Lüge schon eigentlich als Märchen, wenn nicht sogar als Geschichte bezeichnen könnte. Eine schöne, angenehme Lüge, beinahe ein Traum – oh, warum konnte er sich nicht dabei anstrengen sie zu belügen, er spuckte die Unwahrheiten doch sonst auch aus wie ein Automat, den man mit Münzen gefüttert hatte, die Dosen ausspie. „Ich würde gerne wissen, an welchen Stellen.“ Flüsterte Kaji. „In Ordnung, aber ich sollte dich darauf hinweisen, dass dieser Raum videoüberwacht wird.“ „No problem!“ entgegnete er unbekümmert, die James-Bond-artige Coolness, die er durch die englischen Worte wohl erreichen wollte mit seinem schrecklichen Akzent zu Nichte machend, der ihn jedoch doch noch irgendwie niedlich wirken ließ. „Ich habe bereits eine Endlosschleife eingespeist.“ „Du denkst wirklich an alles, was?“ „Ich mag es nun einmal nicht, zu verlieren.“ „SOo? Dann tut mir das aber leid. Ich fürchte, du hast schon verloren.“ Ritsuko löste sich aus seiner Umklammerung. Es war ein nettes Schauspiel gewesen. „Eine gruselige Frau drückt sich da hinten die Nase platt.“ Und tatsächlich – Misato sah aus, als sei sie kurz davor, überzukochen, die Glasscheibe, die dieses Büro mit dem Korridor verband mit der Feuchtigkeit aus ihrer Atemluft benetzten, als sie sich von der Scheibe löste. Sie fühlte sich ein wenig ertappt, aber Schweine würden fliegen, bevor sie sich das eingestand – genau, er war es, der sich schämen müsste, hier einfach so dreist herumzuknutschen, sichtbar für alle wie ein Sonderangebotsschild im Schaufenster – möglich, dass er jedem, der an diesem Raum vorbei kam, einen kostenlosen Porno geboten hätte, wenn er eine willige Dame gefunden hätte. Was fiel ihm ein hier einfach so vor ihrer Nase leute anzugraben, und dann auch noch ihre beste Freundin! N-Nicht, dass sie irgendwie eifersüchtig wäre oder so – Nein, im Gegenteil, der Typ war eklig! Total schwanzgesteuert, Sklave der Hormone, welche diese wuchernden Haare aus seiner Gesichtshaut sprießen ließen! Wer würde wegen dem schon eifersüchtig werden – Misato sicher nicht! Und dann hatte dieser Typ auch noch die Nerven, so zu tun, als ob nichts wäre, und einfach seine Konversation weiterzuführen. „Es ist lange her, Ryo-chan.“ Grüße Ritsuko, die wie üblich etwas geübter darin war, gelassen zu bleiben. „Ja, zu lange.“ Stimmte der Lustmolch zu. „Ich gebe zu, dass du nicht ganz so diskret bist, wie ich dich in Erinnerung hatte.“ „Der ist doch noch nie im Leben diskret gewesen!“ protestierte Misato, während sie ärgerlich in den Raum stampfte. „Was zur Hölle hast du hier zu suchen und warum bist du noch nicht zurück in Europa? Einheit Zwei ist sicher hier angekommen, also warum gehst du nicht endlich wieder?!“ Entweder nahm er von ihrem Ärger keine Notiz, oder er hatte sich vorgenommen, ihr den Tag endgültig zu vermiesen, und hatte den mal gekonnt überhört. Kerle! Für die war jedes „Nein“ ein „Ja“ und jedes „Verpiss dich!“ eine Liebeserklärung. „Ich wurde heute Morgen erst offiziell über meine Versetzung informiert.“ Berichtete er, sein blödes, irritierendes Grinsen nicht für eine Minute lang einstellend. „Ich werde also wohl eine ganze Weile hier bleiben. Wir drei können also wieder zusammen abhängen, genau wie damals auf der Uni!“ „Ich habe nicht das geringste Interesse daran, mit dir in Erinnerungen zu schwelgen!“ entgegnete Misato deutlich aufgebracht. „Ich wollte hier nur mit Ritsuko sprechen. Asukas Personalakten sind bereits hierher transferiert worden! So, das war’s! Überhaupt, wie kommt du darauf, dass irgendjemand mit dir-“ Bevor die Leiterin der Einsatzabteilung ihre Fähigkeiten in der Kunst des eiskalten Abservierens (oder deren Abwesenheit) noch weiter demonstrieren konnte, viel ihr mitten im Satz der Engel-Alarm ins Wort, die Anzeigewand hinter ihr mit roten, sechseckigen Warnsymbolen überziehend, die alle Mann (und auch alle Frauen) auf ihre Posten riefen und das noch einmal mit einem dröhnenden Alarmsignalton unterstrichen. „…Ein Engel-Angriff?“ schloss Misato schnell, von „Beleidigte Leberwurst“ auf „Lara Croft Modus“ umschaltend, bevor irgendjemand weitere Kommentare abgeben konnte. „Wir sehen uns im Central Dogma.“ sagte sie, kurz Augenkontakt herstellend, in Ritsukos Richtung, noch während sie die Tür öffnete. Eine Sekunde später war sie schon hinausgestürmt. „Misato scheint eifersüchtig zu sein.“ Kommentierte Ritsuko, während sie von ihrem Platz aufstand und noch rasch ein paar Sachen zusammen suchte. „Ryo-chan, es kann sein, dass du noch eine Chance hast….“ „Tja…“ entgegnete der schlecht rasierte Mann schulterzuckend. „Mann soll die Hoffnung ja nie aufgeben.“ --- <<<<>>>> Zwischen dem LCL, dass sie durchnässte, und unförmigen Lumpen aus zuckenden Fleisch, die teils nach und nach in dieses überzugehen schienen, blickte das als „Leatha“ klassifizierte Wesen mit den langen, blauen Haaren, aus der die Empfindung gekommen war, die sie alarmiert hatte. Nach Blut und Eingeweiden stinkend, entkleidet, um die Besudelung des Stoffes zu erheben, erhob sie sich von der Stelle, wo sie auf Knien gearbeitet hatte, und richtete sich zu voller Größe auf. Er mochte so aussehen, als ob sie einfach nur auf einen beliebigen Punkt der Blechwand einer Lagerhalle starren würde, doch in Wahrheit galt ihr Blick etwas das weit, weit hinter dieser Wand lag. Das würde ihr Vorhaben leider wieder etwas verzögern – Um weiter zu machen, würde sie wohl abwarten müssen, bis dieses lästige Kind, dass da kam, um im Namen Adams diese Welt in Besitz zu nehmen, der Vergangenheit angehörte – So weit, wie sie mit ihrem Vorhaben zur Zeit war, standen die Chancen nicht schlecht, dass dieser lästige Sohn Adams sie entdecken könnte. Es wäre übertrieben, es Hoffnung zu nennen, oder Leatha für eine solche Regung fähig zu halten, doch sie entschied, dass es wohl günstiger wäre, wenn sich die Angelegenheit zügig erledigen würde… --- 03: [THE LONE AMAZON] --- Don't do love, don't do friends I'm only after success Don't need a relationship I'll never soften my grip Don't want cash, don't want car Want it fast, want it hard Don't need money, don't need fame I just want to make a change I just wanna change I know exactly what I want and who I want to be I know exactly why I walk and talk like a machine I'm now becoming my own self-fulfilled prophecy Oh, oh no, oh no, oh no One track mind, one track heart If I fail, I'll fall apart Maybe it is all a test Cause I feel like I'm the worst So I always act like I'm the best If you are not very careful Your possessions will possess you TV taught me how to feel Now real life has no appeal It has no appeal […][b/] I'm gonna live, I'm gonna fly, I'm gonna fail, I'm gonna die, I'm gonna live, I'm gonna fly I'm gonna fail, gonna die -Marina and the Diamonds, ‘Oh no’ --- Als die Alarmsirene ertönte, war Shinji gerade dabei gewesen, sich an einer komplexen, physikalischen Aufgabenstellung die Zähne auszubeißen, für die die Formeln, vorausgesetzt, dass er denn die richtigen verwendet hatte, ihm einfach kein sinnvolles Ergebnis liefern wollten. Obgleich der schrille Ton das Versprechen mit sich brachte, dass er die Aufgabe vor seiner Nase nicht mehr zu Ende rechnen müssen würde, fühlte er sich nicht erleichtert. Ganz im Gegenteil – es war eine Welle von Anspannung, die da durch seinen Körper schoss, auch wenn sie nicht so heftig war, wie er sie erwartet hatte – es war nur noch so etwas wie ein zur-kenntnis-nehmen einer Bedrohung, keine wahre Panik mehr… Er hatte ja erwartet, dass der nächste Engel schon bald kommen würde, und eine Hand hätte nicht mehr gereicht, um abzuzählen, wie oft er das hier schon hinter sich hatte. Natürlich machte er sich Sorgen, aber das hier ließ sich kaum noch mit dem vergleichen, was er bei der Vorbereitung auf seine Kämpfe durchgemacht hatte – Seine Pflicht rief nach ihm. Und Asuka leider auch. „Hey, bist du bescheuert oder was? Was sitzt du da noch so dumm rum und starrst Löcher in die Luft! Wir müssen los!“ Das Second Child war bereits von ihrem Platz aufgesprungen, Rei stand ebenfalls schon, und ähnlich sah es mit dem Rest der Klasse aus – Hikari hatte schnell reagiert und alle in einem Befehlston, der dem schrillen Dröhnen des Alarms in nichts nachstand, angewiesen, ordentlich den Raum zu verlassen, wobei etliche den Piloten noch zuwinkten oder etwas Glück wünschten. „Na dann mal los, Shinji!“ kam es von Touji. „Zeig den Biestern wo’s lang geht!“ Nagato lächelte einfach nur still in Shinji’s Richtung. „Ja, mach’s einfach so wie sonst auch!“ stimmte Kensuke mit ein. „Es ist ein Jammer, dass ich den Kampf nicht mitansehen kann…“ „Denk gar nicht daran!“ stellte Hikari klar, sich noch daran erinnernd, was letztes Mal geschehen war, als der sommersprossige Junge auf solche Ideen gekommen war. „Und mach’s gut, Asuka-san! Mach’s gut! Und ihr anderen Zwei natürlich auch. Passt gut auf euch auf!“ Die Jungs feuerten Asuka an, die Mädchen Shinji, und hin und wieder erwähnte auch mal einer „der Vollständigkeit halber“ auch noch Rei. Selbst die Lehrerin, die wohl ganz nett war, wenn sie andere nicht gerade mit Physik folterte, wünschte dem Trio Hals- und Beinbruch. In das Gejubel der abmarschierenden Klasse mischte sich gegen Ende jedoch noch Asukas Klagen: „Na wird’s bald? Beweg deinen Arsch!“ Sie leckte sich ihre erwartungsvoll, wenn nicht sogar boshaft grinsenden Lippen. „Heute wird mein großes Debut hier in Japan, wo ich allen hier endlich zeigen werde, was ich drauf habe, und dazu will ich nicht zu spät kommen, weil du Vollidiot an deinem Stuhl klebst!“ „Ja ich… ich komme schon…“ antwortete Shinji, während er sich von seinem Platz erhob. Er musste zugeben, dass er wirklich etwas abgelenkt war, aber es war etwas so… ungewohntes für ihn, dass ihm so viele Menschen auf diese Art vertrauten, dass so viele ihn überhaupt ansprachen oder bemerkten – Er hatte sich immernoch nicht ganz daran gewöhnt, aber es machte ihm auch nicht mehr so große Angst, wie er sie am Anfang empfunden hatte, die Angst, all ihre Erwartungen zu enttäuschen. Statt dessen begann er fast, ein Gefühl der Sicherheit zu empfinden. Da war tatsächlich so etwas wie ein dünnes Lächeln auf seinen Lippen, als er sich auf den Weg zum Hauptquartier machte. Er… er konnte es schon packen. --- Bis die Piloten im Hauptquartier angekommen waren, hatte man den Engel schon geortet, sicher als solchen identifiziert und die Evangelions für den Transport vorbereitet – Denn da die Verteidigungssysteme in der vergangenen Woche noch nicht komplett repariert werden konnten, zumal sämtliche um die Stadt herum verteilte Geschützbatterien als Kanonfutter benutzt und daher vom sechsten Engel zu bloßen Klumpen aus geschmolzenem Metall verarbeitet worden waren, hatte man entschieden, den achten Engel abzufangen, noch bevor er das Festland erreichte – eingesetzt werden sollten dabei die Einheiten Eins und Zwei, da der EVA-Prototyp genauso demoliert worden war wie die Verteidigungssysteme. Rei erhielt also den Befehl, sich als letzte Reserve für den äußersten Notfall in der Basis bereit zu halten, falls der Engel irgendwie an den Zweien vorbei kommen und sich nicht durch andere Methoden aufhalten lassen würde. Shinji und Asuka hingegen wurden mitsamt ihrer Evangelions auf zwei dieser hübschen Transportflugzeuge verladen, deren Bekanntschaft Shinji bereits vor dem Kampf mit Jet-Alone gemacht hatte. Misato, Dr. Akagi und etliche Techniker wurden hingegen auf weniger coole, aber ihren Zweck erfüllende Fahrzeuge verladen, die als mobiles Kontrollzentrum dienen sollte – Der Subcommander verblieb mit einigen weiteren Technikern in der Basis. Shinjis Vater war, genau wie Rei es gesagt hatte, wiedermal im Ausland. Wie man es von dem scheinbar auf alles vorbereiteten NERV-Personal hätte erwarten können, hatten alle Komponenten die Küstenlinie innerhalb kürzester Zeit erreicht und die provisorische Basis aufgebaut, bevor der Engel, der wie die meisten seiner bisherigen Vorgänger von den tiefen des roten Meeres aus angriff, überhaupt in Sichtweite kam. Es war, wie Misato insgeheim vermutete, vielleicht Schicksal, dass der Ort, an dem der Engel laut den MAGI seinem bisherigen Kurs nach zu urteilen das Land erreichen sollte, nah an einer Stadt, die durch den Second Impact teilweise zerstört und an der neuen Küste wieder aufgebaut worden war – die höheren Gebäude der „Altstadt“ ragten vor ihnen noch teilweise aus dem Wasser. „Also,…“ begann sie, sich an einer an der Decke befindlichen Stange festhaltend und ein Kommunikationsgerät hineinsprechend, während hinter ihr einige ihrer Untergebenen, unter anderem Ibuki und Hyuuga, an ihren Konsolen herumtippten. An der Wand vor ihr befanden sich eine Uhr und zwei Bildschirme, auf denen sie zurzeit die Funkkanäle zu je einem der Evangelions offen hatte, sodass sie ihre beiden Kinder in ihren jeweiligen Entryplugs sitzen sehen konnte. „Das hier wird ein Nahkampfgefecht werden. Die EVAs 01 und 02 werden das Zielobjekt abwechselnd angreifen.“ „Verstanden.“ bestätigte Shinji. Asuka, oder besser gesagt ihr großes, gieriges Ego, sah an diesem Plan hingegen ein ernsthaftes Problem: „Menno! Ich wüsste gerne, warum ich nicht wenigstens bei meinem ersten großen Auftritt in Japan allein kämpfen darf!“ „Da kann man wohl nichts machen, so ist nun mal der Plan.“ Erklärte Shinji, in einem Versuch, seine rothaarige Kollegin mit einem freundlichen Lächeln von der Palme, auf die sie seine Anwesenheit gebracht hatte, wieder herunterzuholen, bevor der Kampf losging. Doch irgendwie gelang es ihm damit nur, sie noch wütender zu machen: „Lass mich dich noch mal freundlich daran erinnern, mir nicht in die Quere zu kommen!“ keifte sie ihn laut und herrisch an, sodass er selbst vor ihrem Bildchen im Interface ein wenig ängstlich zurückwich. Dies überzeugte sie nur noch einmal mehr davon, dass dieser alles-schön-nach-Plan-machende Junge ein absolut armseliger Oberlangweiler von einem Schlappschwanz war. „Auch wenn er der Sohn des Commander ist, wie hat es der Alte nur hingekriegt, dass man so einen Jungen als Evapiloten aussucht?“ Shinji seufzte. Wenn er sich feindselig zeigte regte sie sich auf, und wenn er versuchte, nett zu sein, regte sie sich auf. Er war ja eigentlich ein friedliches Kerlchen, das einem Streit meist so gut wie alles vorzog und öfter der klügere war, der nachgab, (zugegeben, er traute sich manchmal auch einfach nicht, zu widersprechen…) aber dieses Mädchen war sehr irritierend. Aus ihr wurde er sogar noch viel weniger schlau, als aus den Physikaufgaben von heute Morgen – Er war ja für gewöhnlich immer froh, wenn es jemanden gab, der einen Plan hatte, und er nicht allein in den Kampf ziehen musste. Allen in allem hätte er jetzt wirklich lieber Ayanami oder sonst wen an seiner Seite gehabt, aber man musste halt nehmen, was man bekam, und es war jetzt Zeit für die Landung – Asuka ging zuerst, die Sperrbolzen, die den EVA an dem Transportflugzeug hielten entriegelnd und elegant auf die Landschaft herab gleiten. Shinji selbst folgte mit kurzer Verzögerung, sodass er eine Sekunde nach ihr neben ihr im Sand, wo sie beide warteten, bis sie an die vor Ort bereitstehenden Stromkabel angeschlossen waren. „…Also eigentlich ist das so zwei gegen einen ja unfair…“ kommentierte Asuka, während sie sich ihre Waffe von einem vorbeifahrenden Transportfahrzeug griff. Im Gegensatz zu Shinji, der sich für eine gute alte Knarre entschieden hatte, die man auch aus sicherer Distanz und vor allem recht einfach und intuitiv bedienen konnte, wählte sie weniger von strategischer Effizienz oder der Angst in einer ungünstigen Situation die Nerven zu verlieren getrieben, sondern eher aufs angeben, oder wie sie es nennen würde, Eleganz bedacht, eine riesige, pompöse Axt mit zwei gigantischen, glänzenden Klingen, auf die jeder Wikinger neidisch gewesen wäre. „…Mir gefällt das nicht.“ „Das hier ist kein Spiel, Asuka, es geht um die Rettung der Menschheit, da haben wir keine Wahl, als auf Nummer sicher zu gehen.“ erinnerte Misato von der Basis aus. Nachdem die Vorbereitungen für den Kampf glücklicherweise recht zügig abgeschlossen waren, richteten die beiden Piloten ihre biologischen Kampfmaschinen zu voller Größe auf und machten sich bereit. Es war Shinji, der den heranschwimmenden Engel zuerst bemerkte, sich nach vorne lehnte, um sich die Kontrollen zu greifen, sein Gesicht mit einem dem Ernst der Lage entsprechenden Ausdruck überzog und seine Mitstreiterin mit einem leisen „Es kommt!“ warnte. Als habe der Engel irgendwie gespürt, dass man ihn entdeckt hatte, wählte er just den Moment, in dem Shinji zu Ende gesprochen hatte, um sich zu zeigen. Eine Säule aus Wasser schoss explosionsartig aus den scharlachroten Fluten, um unter Erzeugung eines Regenbogens um das Wesen herum herabzuregnen, dass sie erzeugt hatte. Der Engel hatte eine leichte Ähnlichkeit mit dem allerersten, dem Shinji begegnet war – auch dieser schien größtenteils aus grünlichen Material zu bestehen, zeigte aber sowohl rippenartige Formationen als auch mit metallisch glänzendem Material ausgekleidete Stellen, welche bei diesem Engel die Innenseite Beine und einen „Bogen“ der die Oberseite des Torsos und die Arme bis zu den metallischen, vogelartigen Klauen panzerte. Die Kreatur hatte auch etwas, das sehr entfernte Ähnlichkeit mit einem Gesicht hatte, eine schwenkbare Fläche mit zwei Löchern, die wohl Augen darstellen sollten, und einer Furche, die sie teilte wie ein Ying-Yang-Symbol. Das war also der Feind… Shinji wünschte sich, dass man diesen Dingern irgendwie ansehen könnte, wie stark sie waren – manche hatten dieses Schnabelgesicht, aber ansonsten sah doch keines wie das andere aus. „Attacke!“ befahl Misato. Ohne Vorwarnung setzte Asuka ihren EVA in Bewegung und rannte los, ohne Shinji irgendwie Zeit zum Reagieren zu geben. „Also, ich gehe dann zuerst! Du gibst mir Deckung!“ “D-Deckung?” “Na klar! Ladies first!” “Anfänger sollten sich hinten anstellen!” gab Shinji zurück, dem es langsam zuviel wurde, das Asuka alles hier wie ein Spiel behandelte und in Dreijährigenmanier aus allem einen Wettkampf machen musste. Genau so wenig auf sie wartend, wie sie auf ihn gewartet hatte, richtete er sein Gewehr auf den Engel und nahm ihn rasch unter Beschuss, bevor er noch Gelegenheit hatte, den Erstschlag auszuführen. Doch Asuka war bereits losgestürmt, während er noch gesprochen hatte, und gab ihm nur ein knappes „Jetzt komm ich!“ als Vorwarnung, bevor sie in das hineinsprang, was Sekundenbruchteile zuvor noch seine Schusslinie gewesen war – Dieses dumme Mädchen würde sich doch noch umbringen! Sie hätte doch beim letzten Kampf merken sollen, was es ihr brachte, sich nicht helfen zu lassen… Protzig wie eh und je sprang sie von einer Gebäuderuine auf die andere, eine Praktik, die beim letzten Kampf deutlich nützlicher gewesen war und hier wohl nur der Zurschaustellung ihres hohen Synchronwertes diente, nahm Anlauf, stieß einen gellenden Kampfschrei aus und… säbelte den Engel glatt in zwei Teile…? M-Mit nur einem einzigen Schnitt?! Das hatte Shinji jetzt ehrlichgesagt …nicht erwartet. Das war ein… bisschen schnell und einfach gewesen, nicht? Bauklötzchen in das LCL starrend, dass ihn umgab stellte Shinji fest, dass ja… doch etwas mehr als heiße Luft hinter den großen Worten von Ausbildung uns so weiter gesteckt hatte. „Gute Arbeit…“ kommentierte Shinji, ehrlich beindruckt. Doch nur, weil Shinji kein schlechter Verlierer war, hieß das nicht, das Asuka eine nette Siegerin war – Sie ließ es sich natürlich nicht entgehen, dem Jungen, der wohl nur in ihrem Kopf ihr Rivale war, ihr bestes spöttisches Grinsen zu präsentieren: „Da sieht’s du’s, Papasöhnchen! So sieht ein richtiger Kampf aus! Elegant und ohne Munition zu verschwenden!“ Doch um ehrlich zu sein gab sich Asuka mit ihrem herablassenden Gesichtsausdruck ganz umsonst Mühe, denn der Blick des Third Child ging an dem Fenster ihres Kommunikationskanales vorbei zu den traurig herabhängenden Resten des Engels – Warum, so fragte er sich, hatten sie sich noch nicht verflüssigt? Die Antwort erhielt er, als er sah, wie das violette Fleisch, das Asuka offengelegt hatte, zu zucken begann und das Ying-und-Yang-Zeichen-ähnliche „Gesicht“ unter saugenden Geräuschen einem neuen, mit drei Punktförmigen Augen wich. Das… Das war nicht gut. Asuka hatte gerade mal Zeit, den Schock auf dem Gesicht des anderen Piloten zu erkennen, bevor die zwei Stücke des Engels erst kurz anschwollen, sich dann zusammenzogen, als ob sie sich an eine bestimmte Form schmiegen und dann aufrissen wie eine Verpackung, als sich zwei Miniaturversionen des eben scheinbar erlegten Engels daraus befreiten, eine golden, eine silbern. Die Engel brauchten nicht lange, um sich aufzurichten und so bekam Asuka ihren Wunsch von einem „fairen“ Kampf erfüllt, auch wenn es jetzt Misato war, die in ihr Sprechgerät hineinbrüllte (und dieses durch gar zu festes halten in einen traurigen Zustand versetzte) dass dies unfair sei. Der Feind, dem die Children da gegenüberstellen, würde wohl meinen, dass es sehr wohl fair sei, wenn er denn ein Konzept von so etwas wie Fairness gehabt hatte – Sein Name war Israphael, der achte Botschafter, der Engel der Tränen und der Musik. Unterdurchschnittliche Feuerkraft, recht langsame Regeneration, höchstens mittelmäßiges AT-Feld. Doch alledem zum Trotz war er sich sehr sicher, dass gerade er es sein würde, der seine Mission erfüllen und diesen Planeten für sich beanspruchen würde – Denn er hatte eine kleine Besonderheit in seiner Biologie, von der er glaubte, dass sie seine relative Schwäche in anderen Bereichen mehr als nur ausglich: Zwei Kerne. Als die ungestüme Lillim, deren Wille die dem Vater der Engel ähnelnde Perversion angetrieben hatte, in seine Richtung gestürmt war, hatte sie übersehen, wie der Botschafter in ihre Richtung geblickt, sie nur unbeeindruckt angeblinzelt hatte und danach keine weiteren Versuche unternommen hatte, ihr aus dem Weg zu gehen. Israphael hatte verstanden, dass sie vorgehabt hatte, seinen Leib in der Mitte von oben nach unten zu durchtrennen – Und keinen wirklichen Grund gesehen, um ihr auszuweichen. Sie hatte ihm nicht den geringsten Schaden zugefügt – Kein Gramm seines Körpers war vernichtet, alles davon noch mit einem völlig unbeschädigten Energiekern verbunden. Die Sekunden des Stillstands, die auf den wirkungslosen Schnitt gefolgt gewesen, waren einfach die Zeit gewesen, die das Bewusstsein des Engels gebraucht hatte, um sich daran zu gewöhnen, nun sozusagen an zwei Orten gleichzeitig zu sein, mit ein- und demselben AT-Feld zwei Formen aufrecht zu erhalten. Ein kurzzeitiger Schock war es schon aber… eben nur ein Schock, nichts mehr. Ein Schreck, der schnell Vorbei ging und nichts an Israphaels Kampfbereitschaft oder seiner Siegessicherheit änderte. Es wurde Zeit, sich die Lillim vorzunehmen. Und diese hatten sich ziemlich übel selbst ins Knie geschossen als sie dem Engel mit den Zwillingskernen auch zu zwei unverbundenen Formen verholfen hatten – denn dadurch hatten sie die Zahl ihrer Feinde in manchen Aspekten verdoppelt und in anderen gleich belassen – und zwar jeweils genau in denen, die ihnen ungelegen kamen. In der Überzahl waren Shinji und Asuka nicht mehr, seid letztere den Engel gespalten hatte. Doch da beide Körper von derselben Seele mit der Einfachheit befehligt wurden, wie ein Mensch über seine beiden Füße gebot, waren die beiden Hälften des Engels zu der einen Sache, an der es den beiden EVA-Piloten am erheblichsten haperte, unbegrenzt fähig: Kooperation. --- “Heute Morgen um 10 Uhr, 58 Minuten und 15 Sekunden wurde Evangelion Einheit 01 von der einen Hälfte des Zielobjekts, im folgenden Alpha genannt, überwältigt, und in etwa zwei Kilometer von der Suruga-Buch versenkt.“ Die Diashow, die den von Lt. Ibuki besprochenen Audio-Bericht begleitete, zeigte mit einem der beiden im Einsatz befindlichen Projektoren ein Bild, auf dem der sonst so respekteinflößende violette Titan gleich einer bemitleidenswerten Comicfigur von Bergungsflugzeugen und Booten umschwärmt mit den Beinen auf eine Art aus dem Wasser ragte, die einen begossenen Pudel daneben in Punkto Coolness wohl hätte aussehen lassen wie der Terminator höchstpersönlich. Doch auch Asuka, die zusammen mit einem ziemlich unglücklich wirkenden Shinji, ein paar Technikern, einem mitfühlenden, aber irgendwo auch amüsierten Kaji und einem Subcommander, der ganz und gar nicht amüsiert schien in dem Raum saß, in dem die Nachbesprechung, die man korrekterweise einen Schadensbericht hätte nennen sollen, machte keinen wirklich frohen Eindruck – wohl auch, weil sie bereits ahnte, welches Bild als nächstes folgen würde: Ja genau, ein weiterer mit den Füßen aus dem Boden ragender EVA – ihr eigener. Aus dem, was die Uhr einem erzählte und der Tatsache, dass die beiden Children wenn auch notdürftig mit Handtüchern versorgt noch in ihren Plugsuits steckten, konnte man sich denken, dass es einige Zeit gedauert hatte, bis man die Beiden aus ihrer präkeren Lage befreien konnte. „Zwanzig Sekunden später wurde EVA 02 von der Beta-Hälfte des Zielobjekts auf ähnliche Weise kampfunfähig gemacht. Die wissenschaftliche Leiterin des Projekts E fasste das Ergebnis der Operation mit folgenden Worte zusammen:“ „…Ein einziges Desaster.“ klagte Ritsukos Stimme unverblümt. Das auf sich sitzen zu lassen war…absolut inakzeptabel. Sie konnte es nicht erlauben und noch viel weniger ertragen, dass die Möglichkeit, dass sie trotz all ihrem Training, all der Vorbereitungen, die sie ihr Leben lang durchlaufen hatte, bei dem versagt haben sollte, für das sie praktisch… gemacht worden war, auch nur eine Sekunde lang im Raum stand. Augenblicklich sprang sie auf, dem Handtuch, das an ihrem Körper entlang auf den Boden schlitterte, nicht die geringste Beachtung schenkend. Sekundenbruchteile, nachdem die Aufzeichnung pausiert hatte, stand sie bereits breitbeinig zu voller Größe aufgerichtet im Weg des Projektorstrahls, einen für alle sichtbaren Schatten auf das Abbild ihrer Schande werfend, als wolle sie es verstecken. „Man! Dieses idiotische Papasöhnchen hat meinen ersten großen Auftritt total versaut!“ schimpfte sie, als würde sie einen allgemeinbekannten Fakt aussprechen, für dass sie von allen im Raum ein Feuerwerk aus bedingungsloser Zustimmung erwarten konnte. Doch das kleine Gegankengebäude, dass sie sich zu ihrem persönlichen Schutz aufgebaut hatte, wurde empfindlich in die Seite gepiekst, als es tatsächlich jemand wagte, ihr zu widersprechen – und dann auch noch dieser Loser, diese Null, die nur wegen seinem einflussreichem Vater hier war. In Deutschland hatte man sie als Flaggschiff der europäischen Streitkräfte und Pilotin mit dem höchsten Synchronwert (von der sie selbst wusste) immer so behandelt, wie es sich für jemanden von ihrem Niveau gehörte. Sie wurde verwöhnt wie eine Prinzessin, brauchte nur nach einem Militärrang zu fragen, um einen zu bekommen, war der ganze Stolz der dritten Außenstelle und wurde bisweilen hochrangigen Politikern aus ganz Europa vorgezeigt, inklusive dem Leiter der EU-Kommission, der aktuellen Kanzlerin und diesem Multimilliadär namens Lorenz, dem auf dem Papier halb Europa und zwei Drittel des Internets gehörten. Man hatte ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen, ihr jede wohnraumtechnische Annehmlichkeit, jedes Markenkleidungstück, jede Freizeitaktivität gegeben, nach der sie verlangt hatte. Weil sie es wert war! Sie war Elite – sie war eine der wenigen, speziellen Menschen auf der Welt, ausgebildet und geformt um Elite zu sein, seit sie ein kleines Kind war – man hatte sie von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter fortgenommen, ihren Geist von den besten Lehrern der Welt füttern lassen und ihren Körper von klein auf gestählt, jedes Trainingsprogramm und jede einzige Mahlzeit, die man ihr vorgesetzt hatte, von Wissenschaftlern zusammenstellen lassen. Sie war die Beste auf der Welt, die mit dem höchsten aller Synchronwerte, die einzige, die nicht durch Vetternwirtschaft an ihre Stelle gekommen war, nicht weil sie jemanden kannte oder mit sonst wem verwandt war, sondern weil sie gut war. Besser sogar als das First Child aus dem Hauptquartier! Weil sie etwas Besonderes war, auf die Welt gekommen, um etwas ganz Besonderes zu sein! Einsame Spitze, sie ganz allein! Wieso also kam es, dass dieses Nichts, dieser Niemand, der irgendwo aus dem nirgendwo aufgetaucht war und den Schwanz einzog wenn man ihn nur laut ansprach den Nerv hatte, um aufzuspringen, so wie sie, das Licht zu blockieren, so wie sie, und ihr schamlos in die Augen zu blicken? Ja, wie kam es dazu? Der Junge, der vor zwei Monaten und einer Woche hier angekommen war, hätte sich nie getraut, einer dominanten, schlagfertigen Person wie Asuka zu widersprechen, sondern hätte ihr ohne Murren Recht gegeben, um bloß nicht mehr angeschrien zu werden, damit kämpfend, nicht bei jedem einzelnen Wort in Tränen auszubrechen – Aber er war anders geworden, nach der Feuerprobe auf dem Futagoyama, nach seiner zweiten Taufe in geschmolzenem Metall – Er war keinesfalls von sich selbst überzeugt, so schnell wandelt sich das Herz eines Menschens nicht – aber anzunehmen, dass all dies sein Fehler war, dass ging nicht, dagegen sträubte sich dieser Klumpen aus Wut, den er schon seit einer langen Zeit still in sich getragen hatte, und nun begonnen hatte, immer lauter zu schreien dass das doch alles nicht fair sei und dass er nichts getan hatte, mit dem er das alles verdient haben könnte – Er hatte Asukas Vorwürfe nicht verdient! Er hatte sich an den Plan gehalten – schön auf die Mitte des Zielobjekt zielen und feuern! Obwohl er nichts mehr hasste als das Kämpfen, war er hierhergekommen und hatte alles gemacht, was er tun sollte! Er hatte seinen Teil geleistet, wie auch damals auf dem Futagoyama, und damals hatte es doch auch geklappt, verdammt noch mal! Es war sie, dieses dumme kleine Kind, dass aus allem hier ein Spiel machen musste, die ihren Teil nicht geleistet hatte! Er war nicht Schuld! Oh ja, früher hätte diese Möglichkeit seine Gedanken nicht einmal gekreuzt aber er war nicht Schuld! Zumindest nicht nur. Er hatte seinen Teil getan! „Wovon redest du da!?“ entgegnete er, nicht wirklich scharf, denn er fürchtete insgeheim immer noch, das man ihn aus heiterem Himmel auf einen völlig offensichtlichen Fehlern hinweisen würde, der ihm nicht aufgefallen war, und auch, weil er das streiten jetzt zwar aushielt, aber immer noch sehr, sehr unangenehm fand und sich nur wünschte, dass sie, die ja angefangen hatte, damit aufhören würde, aber doch bestimmt, weil er einfach wusste, dass er zumindest nicht ganz unrecht haben konnte: „Es war doch dein blöder Alleingang, wegen dem alles den Bach heruntergegangen ist, Shikinami!“ Das Second Child konnte es nicht fassen. Da war noch nicht mal wirkliche Wut oder echter Bums in seiner Stimme, er strengte sich nicht mal an oder zeigte sich fähig, energisch zu klingen – oder hielt es nicht für nötig um sich zu erniedrigen…. Er wagte es, ihr die Schuld zu geben? Dieser Trottel? Weil er am Anfang so einen ach so tollen Synchronwert hatte, der weit unter ihrem lag, und der ihm nichts brachte, weil er eh nur aus weiter Ferne sinnlos herumballerte wie der nutzlose Feigling, der er war? Oder weil er glaubte, das die Leiterin der Einsatzabteilung, an deren Rockzipfel er hing, oder sein großer, mächtiger Vater ihn für den Unsinn, der aus seiner Klappe herauskam wie Scheiße aus einem Arsch schon noch rausreden würden?! Für wen hielt er sich?! (Für dieses unheimlich talentierten Aufsteiger, der eine wahre Bedrohung für sie darstelle, und im Kampf manchmal mit einem mal so ernst, mutig und entschlossen wirken konnte, dass es ihr unheimlich war, und es ihr graute vor der schwarzen Seele eines Kriegers, die in seinen unnatürlich mitternachtsblauen Augen hervorblitzen sah? Für diesen… coolen Typen, neben dem sie aussah wie das kleine, dumme Kind, dass sie war? N-Nein, nein, das konnte nicht sein, mit solch einem Rivalen wäre sie verloren. Denk an den Idioten, der absolut keine Bedrohung darstellt, dieses ängstliche Nichts, das morgens vor ihr auswich, sich von ihr widerstandslos verprügeln ließ und kaum fähig war für das einzustehen, was er wollte! Diese Dumme Art von Mensch, die im Leben immer unter die Räder kam! Nein, das war keine Freundlichkeit, keine Klugheit, die nachgab und sich im Wind bog, statt zu brechen, das war nichts, was sie niemals hatte und fast schon bewundern müsste, Armseligkeit war das! Es musste Armseligkeit sein. Armselig wie ein Wurm, weniger wert als der Dreck unter seinen Zehennägeln! Er würde dem ja nicht mal wiedersprechen! Asuka schluckte all die Zweifel, die sie einfach nicht haben durfte, schlichtweg herunter. ) „Du wagst es, mich blöd zu nennen?“ entgegnete sie schroff, ihren zeigefinger Furcht- und respektlos auf das feige Hühnchenherz in seiner Brust richtend. „So ein lahmarschiger Idiot wie du?! Du hast vielleicht nerven!“ Dieser Bastard hatte doch überhaupt keinen Stolz! Sie wettete, dass dieser Typ sich nicht mal trauen würde, seine Klappe- „Das musst du gerade sagen! Das wäre alles viel besser gelaufen, wenn du nicht unbedingt einen Wettkampf daraus machen müssen hättest!“ Tja, Ikari Shinji war alles andere als ein Feigling. Er glaubte nur, einer zu sein, und manchmal bemerkte man diesen kleinen aber feinen Unterschied eben. Der Vorwurf des Third Child war zu nah an der Wahrheit um sich mit vernünftigen Argumenten aus dem Raum schaffen zu lassen, die ohnehin nie die Sprache der heißblütigen Pilotin gewesen waren – „Ach, guck dich doch mal an! Versenkt wie die Titanic!“ Er wollte noch irgendwo sagen, dass sie klang, wie ein Sandkastenkind, aber irgendwann war beim besten Willen auch bei Shinji das Fass zum Überlaufen gebracht, sodass er es ihr gleich tat, auf das recht uncoole Bild ihres Evangelions deutete und erwiderte, dass sie nicht wirklich eine bessere Figur abgeben hätte. Erst, als der Bericht weiterging, unterbrachen die zwei Jugendlichen ihre Streitereien und wendeten sich den Projektoren zu, die ihnen statt ihren unglücklich platzierten Evangelions nun ein Emblem und einen Haufen Kampfflugzeuge am Himmel zeigten. „Um 11 Uhr und drei Minuten wurde die Operation offiziell abgebrochen und das Kommando an die UN-Streitkräfte übergeben.“ Berichtete Mayas Stimme – Jup, genau an die Militärfritzen, denen das NERV-Personal für gewöhnlich sagte, dass sie ihre Finger aus der Sache heraushalten sollten. Subcommander Fuyutsuki, dem das zweifelhafte Vergnügen zuteil geworden war, bei denen mal eben lieb und höflich um Unterstützung zu bitten, gab sich nicht allzu viel Mühe, seine Verstimmung zu verbergen: „Wir haben und bis auf die Knochen blamiert!“ „Um 11 Uhr und fünf Minuten wurde eine N-2 Mine auf das Zielobjekt abgeworfen.“ Die Dias zeigten Standbilder der Explosion und extensive Schadensberichte. „Dann dürfen wir demnächst wieder neue Landkarten zeichnen…“ kommentierte Fuyutsuki säuerlich. Er glaubte nicht, was er sah – Es fehlte nur noch, das die lieben Kleinen begannen, sich gegenseitig an den Haaren zu ziehen… Die ganzen Landschaften verwüstet, Bäume entwurzelt, Wiesen verbrannt… Den Second Impact konnte man dagegen fast noch verstehen – Streitende Kinder! Es war wirklich schmerzlich, mitanzusehen, welche Bagatellen heutzutage als Rechtfertigung ausreichten, um das Gesicht der Erde weiter zu zerfurchen, fast, als habe man aufgegeben und entschieden, dass eine Narbe mehr oder weniger keinen Unterschied machte. Doch was blieb ihm übrig, als zu klagen? Er musste gestehen, dass ihm das Weh der Welt noch nie zu Tränen gerührt hatte. Nicht, wenn er selbst den Befehl gegen hätte. Dies war das Schicksal derer, die sich an ihr Leben klammerten… Wäre Ikari hier, würde er die paar Schichten Sedimentgestein wohl nicht mal als erwähnungswürdig erachten, und nur auf die wesentlich unangenehmeren Alternativen verweisen. Er zweifelte daran, dass er diesen Mann je mit einem grauen Haupt erleben würde – Wenn ihn nicht eine Kugel traf, dann würde es der Third Impact tun, dem sie sich vermutlich beide widerstandslos entgegenwerfen würden, und die Nachtseite dieser Welt würde wieder ununterscheidbar von der Schwärze des Weltalls werden… Streitende Kinder, noch zu alledem dazu! Frustrierend! Das nächste Dia zeigte einen sich klärenden Himmel über dem verwüsteten Umkreis des Engels. Eine mühsam wiederaufgebaute Stadt, bis auf die Stahlgerüste verwüstet. Oh, diese Welt! Und diese Kinder sprachen, wie über ein Spiel, wie man es von Kindern erwarten konnte… Ikaris kleine Kindersoldaten, und die Gewissheit, dass es nicht besser ging. Wie grotesk das war, wie sehr ihm das doch zuwider war, von den lauten Geräuschen über die sinnlose Verwüstung bis zu der Art, wie die Haare dieses Jungen fielen – Sie spalteten sich über seiner Stirn wie die von Yui. Darüber stand es ihm noch nicht einmal zu, sich zu beschweren. “Bei dieser Aktion wurden 28% des Zielobjektes vernichtet.“ Ging das peinliche Resümee der Aktion schließlich weiter. „Sie haben es vernichtet?“ fragte Asuka unbeabsichtlicherweise naiv – Shinji ahnte schon, dass das eher unwahrscheinlich war, vor allem, da der Engel auf dem Dia höchstens leicht angeschmolzen aussah. Tatsächlich musste der beschämte Subcommander sie korrigieren: „…aufgehalten.“ Berichtete er. Sein Fazit tränkte er nur halbherzig mit seinem Missfallen – selbst, sich aufzuregen, war es nicht wert: „Der nächste Angriff ist nur eine Frage der Zeit...“ Die schiere Sinnlosigkeit von alledem… Lediglich Kaji schien dazu fähig, an dieser einzigen, großen Blamage etwas Positives zu sehen, und lächelte seinen frustrierten Vorgesetzten ermutigend an: „Na ja, wenigstens haben wir so ein wenig Zeit gewonnen, um uns einen besseren Plan auszudenken.“ Das munterte ihn zwar nicht wirklich auf, doch immerhin schien es ihn überzeugt zu haben, dass es einen Versuch wert sei, mit dem Kindergarten zu reden. Ihre Schatten mit seinem eigenem Überragend richtete er einen strengen Blick auf die fragend guckenden Mienen der Kinder. „Hört mal zu ihr Beiden! Was glaubt ihr eigentlich, was hier eure Aufgabe ist?“ „Na, die EVAs zu steuern!“ antwortete Asuka wie auf Knopfdruck. Was sollte überhaupt die dumme Frage? Tja, sie sollte das junge Fräulein darauf aufmerksam machen, dass sie da etwas Elementares nicht zu kapieren schien. „Falsch! Die Engel auszuschalten!“ stellte Fuyutsuki klar. „NERV ist dazu da, die Menschheit zu retten, nicht, ihr ein groteskes Schauspiel zu bieten!“ Passend dazu wurden im Hintergrund gerade die uneleganten Bilder der Bergungsaktionen eingeblendet, wobei das absolute Highlight EVA 01 mit einem überdimensionierten Schwimmring war – doch obgleich dieser den lustigeren Anblick abgab, war es der im Boden steckende EVA 02, dessen „Befreiung“ am längsten gedauert hatte – Ein Fakt, den man in Gegenwart der Pilotin, die darin stundenlang festgesteckt hatte, aufgrund deren Temperament besser nicht erwähnen sollte. „Deshalb wird es Zeit, dass ihr beide lernt, zusammenzuarbeiten!“ mahnte ihr Vorgesetzter dennoch. Und tatsächlich: Eureka! Die beiden Children waren sich tatsächlich mal in einem Punkt einig, und antworteten prompt im Chor: „Wie soll man bitte mit so jemandem zusammenarbeiten?!“ Fuyutsuki gab es auf. Noch missmutig anmerkend, dass es jetzt genug sei, beförderte er sich per internen Aufzug in die Freiheit. Warum war Ikari bloß nie da, wenn so etwas passierte?! Kaum, dass sich der Subcommander verabschiedet hatte, ging auch das Licht wieder an, und Asuka ließ sich genervt seufzend auf den nächsten Stuhl fallen. „Menno!“ schimpfte sie, als habe man sie bei einem kurzen, durch eine triviale Erledigung bedingten Amtsbesuch studenlang mit bürokratischem Firlefanz hingehalten. „Warum müssen hier eigentlich alle wegen jeder Kleinigkeit dermaßen herumzicken?!“ „Tja…“ antwortete Kaji in einem lockeren Tonfall, der jedoch eher von Weisheit als von Unbekümmertheit zeugte, im Rahmen eines Versuches, es ihr auf die diplomatische Art beizubringen: „Erwachsene mögen es nun mal nicht gerne, wenn man sie blamiert.“ Shinji hatte eine etwas bescheidener Frage: „…Wo ist eigentlich Misato-san?“ „Die muss noch die Wogen glätten. Sie war für die Operation verantwortlich…“ --- Misato wagte as kaum, auf das herabzusehen, was einmal zu schöneren Zeiten ihr Schreibtisch gewesen war. Nun, technisch gesehen war es immer noch ihr Schreibtisch – es war nur, dass sie von diesem fast nichts mehr sah, weil er komplett unter lächerlichen Bergen von Papier begraben lag, deren schiere Menge ihr das Gefühl gab, in einem schlechten Comic gelandet zu sein. Papier, Papier, Papier! Dicke Umschläge, dünne Umschläge, weiße, braune, länglich, A4, A5, einmal quer durch den Garten… Und das war noch nicht mal alles – Ritsuko hatte noch ein paar kleine, weiße Briefe in der Hand, die wohl noch dazugehörten. „Das hier sind Schadensberichte und Beschwerdebriefe aus dem Ministerium…“ begann die Blonde die Führung durch den Papier-Himalaya. „Hier sind die Schreiben von der UN und hier ist noch eine Beschwerde von der PR-Abteilung.“ Sie hielt ihrer Kollegin, die bevor sie die schriftlichen Klagen überhaupt gesehen hatte noch höchst persönlich teils mit, teils ohne einen frostig dreinblickenden Fuyutsuki etliche Erklärungen hatte abliefern müssen, zu allem Überfluss noch das kleine Papierchen hinhielt. „Ich wünsch dir viel Spaß dabei, das Ganze zu lesen.“ Misato seufzte. „Das muss ich nicht, ich weiß auch so schon, was da überall drin steht – Besiegt die Engel, aber tut es nicht in unseren Vorgärten… Ich kann das immer noch lesen, wenn der Engel vernichtet ist…“ Dem Papierberg nicht öfter ansehend als nötig lief Misato um diesen herum und setzte sich die Hände ineinandersteckend an ihren Tisch, in Gedanken bereits dabei, darüber nachzugrübeln, wie in aller Welt sie das Ding nur erledigen sollte – Sie sollte sich nicht mit diesem Kram aufhalten müssen, sondern schon längst am Planungstisch sitzen… Was die EVAs anbetraf, so war das lächerliche Aussehen noch das Schlimmste an der Niederlage gewesen, sie waren nicht wesentlich beschädigt werden – Die richtigen Probleme, von denen es im Wesentlichen zwei, oder eigentlich vier gab, waren der doppelte Kern des Engels und die zankenden Piloten… Mit einem davon wäre sie mit einigem an Kreativität klar gekommen, doch Beides zusammen war eine denkbar ungünstige Kombination… Und ihre gute alte Freundin, Kollegin und ewige Pessimistin nahm es auf sich, sie noch auf ein drittes, beziehungsweise fünftes Problem aufmerksam zu machen: „Der Subcommander scheint ziemlich sauer zu sein… Wenn du ihn noch mal so blamierst, lässt er dich ganz bestimmt versetzen….“ „Wahrscheinlich…“ gab Misato zu. Sie hatte gar nicht gewusst, dass der sich so aufregen konnte… Meistens machte er einen ruhigen Eindruck – andererseits, sie hatte die Operation selbst geleitet. Diese Kinder könnten einen Preis dafür gewinnen, Leute die Wände hoch zu treiben… „Aber was soll’s… Es war immerhin Glück im Unglück das Commander Ikari gerade nicht da war…“ Sonst würde sie sich fragen, was für Verschwörungen er auf dieser Komiteesitzung in Europa da jetzt schon wieder strickte, und wo er denn war, wenn man ihn brauchte, aber so wie die Dinge jetzt standen, konnte er sich ruhig Zeit lassen… Viel, viel Zeit… „Yap.“ Kommentierte Ritsuko mit einem erstaunlich unbetroffenem Lächeln, sich über den Papierkram lehnend, um ihre Freundin sehen zu können. „Der hätte dich wahrscheinlich gleich gefeuert, ohne erst diesen ganzen Kram hier abzuwarten.“ „…Na dann hoffe ich mal, dass du her gekommen bist, weil du einen Weg gefunden hast, wie ich meinen noch Kopf aus der Schlinge ziehen könnte?“ „Allerdings.“ Ritsuko zückte einen Datenstick. Misato sprang sofort von ihrem Platz auf, platzierte sich vor Ritsuko auf den Papierbergen und strahlte sie dankbar an. „Nichts anderes hätte ich von der berühmten Wissenschaftlerin Dr. Akagi Ritsuko erwartet! Oh es ist schön, Freunde zu haben!“ „Deine Schmeichelleien freuen mich, aber dieses Mal bin es nicht ich, der du deine Rettung verdankst…“ Die falsche Blondine zog den Stick, den sich Misato schon greifen wollte wie ein Nichtschwimmer, der nach einem Rettungsring schnappte, neckisch zurück, wenn auch nur, um ihn umzudrehen, und die Beschriftung des Datenträgers in die Richtung ihrer Kollegin zu drehen, welche aus einem rosa ausgemalten Herzchen und einem Schriftzug bestand, der verkündigte, dass dieser Stick „Für mein Schätzchen“ war. „Das hier war Ryo-chans Idee. Er sagt, den Kindern beim Streiten zuzusehen hätte ihn auf eine Idee gebracht….“ „Das war… Kaji-kun?” Da sieh mal einer an. Statt den unschuldigen kleinen Datenstick wie man es hätte erwarten können auf brutalste Art und Weise gegen die Wand zu pfeffern, erschien da doch tatsächlich so etwas wie ein Lächeln auf Misatos Lippen, was wohl als sicheres Zeichen zu werten war, dass sie ihren Schwur, niemals wieder etwas anzufassen, was durch die Hände dieses Mannes gewandert war. Nur am Rande dachte sie darüber nach, was für eine billige Sorte von Person sie sein musste, dass die diesen Kerl nur dann hasste, wenn es ihr nicht irgendwie anders gelegen kam. Die Rettung der Menschheit war immer ein guter Vorwand, um solche Gedankengänge zu unterbrechen, und es sich zu leisten, einfach mal gespannt darauf zu sein, wozu der Anblick der streitenden Kinder den Verstand dieses Mannes inspiriert hatte. Ja, das war eine Frage, deren Antwort wesentlich leichtere Kost sein würde, als die auf eine ganz andere Frage – Denn so peinlich und inakzeptabel die heutige Aktion auch verlaufen war, so war es doch eigentlich klar, dass so etwas früher oder später einmal vorfallen würde – Das waren Kinder, im wohl unberechenbarsten, instabilsten Alter - natürlich zankten sie sich, natürlich verloren sie gelegentlich aus den Augen, was wichtig war. Es war einfach nicht fair, von ihnen einen Grad von Reife zu erwarten, der selbst bei Erwachsen nicht immer selbstverständlich war – Da diese Kinder jedoch das Schicksal der Welt auf ihren Schultern trugen, blieb ihr jedoch keine andere Wahl, als genau das zu erwarten, ja sogar einzufordern. Misato hatte natürlich vor, das nicht unbedingt „behutsam“ aber doch… lehrerartig zu machen, damit sich die Kinder nicht wie Soldaten fühlten, aber… das änderte nichts daran, dass sie zweifellos genau das waren… --- Da stand es schon wieder, als grellrote Graffiti quer über einen Holzzaun gesprayt – „Die Welt ist falsch“. Das war nicht das erste, und auch nicht das zweite Mal dass er ohne Vorwarnung über diese Worte stolperte. Sie waren überall, ständig am Rande seines Weges verstreut, als ob jemand diesen vorhergesehen hätte… und das war schmerzhaft nahe an dem, was als mögliche Wahrheit in Frage kam. Dieses Mädchen, Yui… Sie hatte die ganze Zeit von Dingen gesprochen, die noch kommen würden… „Das zuhause, das du dir aufgebaut hast, deine Freunde, die Menschen, die du liebst… all das wird nicht halten. Tatsächlich… wird es dir wohl sehr bald so vorkommen, als ob die ganze Welt um dich herum auseinander fallen würde, ohne das du etwas tun kannst…“ Schon der bloße Nachhall ihrer Worte in seinen Gedanken reichte aus, um ihn erschaudern zu lassen. Er wollte das nicht sehen. Er wollte das nicht hören. Wenn er versagen würde… warum musste sie ihm das dann sagen, warum konnte sie ihn diese „falsche Welt“ nicht wenigstens… genießen lassen, wieso konnte sie ihm nicht wenigstens das kleine Bisschen Unbeschwertheit lassen, dass ihm blieb…? Wieso konnte sie ihm nicht die Freunden lassen, die er sich hart erkämpft hatte? Wieso musste sie es ihm sagen, wieso ausgerechnet ihm, wieso musste sie ihn mit dem Wissen über Dinge belasten, an denen er ohnehin nichts ändern konnte? Wieso verfolgte sie ihn immer wieder mit diesen Worten, wer war sie überhaupt? Er würde…versagen? Ja, den heutigen Kampf hatte er verloren, aber… Misato-san würde doch sicher noch etwas einfallen… ihr fiel immer noch etwas ein… Shinji nahm die Beine in die Hand und rannte, weg von diesem Satz an der Wand, weg von diesen Dingen, die er weder wissen sollte, noch wollte, weg von diesen ganzen Ereignissen, die keinen Sinn machten… dieses… dieses Leben mit den EVAs und so, dass… das hielt er ja noch aus aber… diese Worte, die gleich einer Prophezeiung überall zu finden waren… Diese Träume… Die Zukunft oder deren Abwesenheit… Das war doch endgültig eine Nummer zu groß für ihn. Ab nachhause. Nachhause, wo vertraute Klänge, Bilder und Gerüche auf ihn warteten, wo er sich irgendwie… beschäftigen können würde. Misato würde wahrscheinlich noch nicht da sein, um ihn voll zu quatschen und abzulenken, die war vermutlich noch dabei, sich im NERV-Hauptquartier für die Folgen des vermasselten Kampfes zu verantworten… Er hatte ja zumindest noch versucht sich an den Plan zu halten, aber dazu gehörten leider zwei… Aus einer sehr großen Anzahl aus sehr diversen Gründen tief seufzend bestellte Shinji per Knopfdruck den Aufzug, der ihn hoch zu Misatos appartment bringen würde – von seinen Grübeleien abgelenkt hätte er beinahe die Treppen genommen, was zwar auf den ersten Blick wie die gesündere Alternative wirken mochte, angesichts der Tatsache, dass die Residenz des Katsuragi-Haushaltes sich im elften Stock befand, dennoch definitiv seiner durch die vielen Sorgen in seinem Kopf induzierten Unachtsamkeit zuzuschreiben war – Die selbe Unachtsamkeit, die Shinji daran gehindert hatte, den Paketdienst-Lastwagen zu bemerken, der ihm auf dem Weg hierher entgegen gekommen war, ein Zeichen, das ihm vielleicht vor der bösen Überraschung hätte warnen können, die ihn ausgerechnet in seiner Heimatstätte erwartete. „Ich bin wieder da… nicht das irgendwer da wäre…“ sprach er in die vermeintlich leere Wohnung hinein, größtenteils, um sich selbst seines Aufenthaltsortes und seiner Situation zu vergewissern, und wohl auch ein bisschen aus Gewohnheit. Eben diese Vertrautheit mit diesem Ort, aber auch seine immer noch vorhandene innere Verstörtheit hinderten ihn wohl daran, sich seiner vertrauten Umgebung zu besehen, und lange genug an den Wänden und Böden des ihm gut bekannten Flures zu verweilen, sodass er ahnungslos an den in fein säuberlichen, europäischen Buchstaben und dem Emblem der deutschen Post beschrifteten Umzugskartons , Tüten und Koffern vorbei lief, ganz gleich, wie sehr diese durch das Beanspruchen von jeder Menge Raum, dem Kürzel „S.A.L.“ und dem gelegentlich heraushängendem, ihm nicht ganz unbekannten Stück Frauenunterwäsche versuchten, ihn vor der unangenehmen Überraschung zu warnen, die ihn gleich einer plötzlichen, unfreiwilligen kalten Dusche erwischte, als er fassungslos auf die üble Überraschung starte, die ihn jenseits der Tür zu dem Ort erwartete, an dem heute Morgen noch sein ruhiges, behagliches Zimmer gewesen war, sein einziger, stiller Zufluchtsort vor dieser irren, irren Welt, die immer mehr einem Dalí-Bild zu gleichen schien. Jetzt sah jenseits der unschuldig wirkenden Schiebetür jedoch nichts mehr wirklich nach einem Ort der Einkehr aus – Plunder, Plunder, überall Plunder! Tische, Stühle, Taschen, Koffer… und Kartons, jede Menge Kartons, wohin man auch sah, bis hoch zu der Decke, die er oft nächtelang angestarrt hatte. Berge, Archipele davon! Was einst Shinjis Zimmer gewesen war, war jetzt bis zum Dach hin vollgestopft mit einem etwas eckigen Pappmodell des Himalayas. Einige wenige waren sogar geöffnet und teilweise ausgepackt. „W-Was in aller Welt…“ stammelte Shinji sich sichtlich verarscht vorkommend. „M-Mein Zimmer… “ Shinji hatte noch nicht einmal Zeit, nach einer Erklärung zufragen, bevor ihm ein paar schroffe Worte und deren Implikationen eine lieferten, an deren Stelle ihm überhaupt gar keine wohl wesentlich lieber gewesen wäre: „Das ist mein Zeug! Lass gefällig deine Finger davon!“ Immer wenn er dachte, dass sein Leben bereits so irregeworden war, wie es nur physikalisch möglich war, schien sich dieses grausame Schicksal eine Möglichkeit auszudenken, ihn weiter an seinem Verstand zweifeln zu lassen. Als er sich, seinen Ohnren nicht glaubend nach der Quelle des angsteinflößenden Klanges umdrehte, fiel sein Blick zunächst auf zwei lange, schlanke, makellose Beine. Wirklich hübsch, wirklich begehrlich, für einen von Hormonen gepeitschten Teenager sicherlich eine Freude – Nicht, dass er noch nie Frauenbeine gesehen hatte, aber diese waren nicht zu dünn, nicht zu voll, perfekt rasiert, absolut genau richtig, einfach perfekt, könnte in einem Männermagazin abgedruckt sein. Nur leider gehörte zu so einem paar Beinen erfahrungsgemäß auch ein Kopf… und dieser spezielle Kopf war mit langen, roten Haaren bewachsen. Nicht das diese das Problem wären, aber… Was er da angegafft hatte, waren die Beine von Captain Shikinami. Die arrogante Europäerin stand da so einfach mir nichts dir nichts inmitten des Flurs seiner einstmals sicheren Wohnung, breitbeinig, aufrecht, seelenruhig ihre Flasche Limonade zu Ende schlürfend, als ob dieser Ort ihr gehören würde. Und genau so sah sie auch aus, barfuß, mit offenen Haaren, eingekleidet in ein knappes, weißes Satinnachtkleid mit roten Spitzenverzierungen und einer großen, roten Schleife, die wie auch die „Länge“ ihres Kleides dazu appellierte, sie „auszupacken“. Alles an ihr gab Shinji klar und unmissverständlich zu verstehen, dass sie gekommen war, um zu bleiben, und daran nicht die geringsten Zweifel hatte. „W-Was ist hier los…?“ brachte das Third Child hilflos hervor. „S-Shikinami? W-Was machst du hier…?!“ Sich noch alle Zeit der Welt nehmend, um in aller Ruhe ihr schönes, kühles Getränk zu genießen machte sich das Second Child erst nach einer ganzen Weile die Mühe, sich seufzend dem recht verwirrten Teenager zuzuwenden, der sie die ganze Zeit über fassungslos anstarrte. „Bist du bescheuert oder was?“ fragte sie leicht genervt auf ihn herabblickend, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte. „Häh…?“ „Die Frage ist doch wohl eher, was du noch hier machst!“ Als sie Souverän zu ihm hinüber, oder korrekt gesagt eher an ihm vorbei zu der Tür ihres frisch bezogenen Zimmers vorbeilief würdigte sie ihren Mit-Piloten keines Blickes, auch, wenn sie ihm mit ihrem Ellenbogen aus voller Absicht gefährlich nahe kam, als sie ihm mit einer knappen Geste die großzügige Hilfestellung leistete, die er aufgrund seines minimalen Intelligenzquotienten vermutlich brauchen würde, um das Gesicht der besseren Pilotin zu finden, gangz egal, wie sehr er ängstlich zurückwich. „Sollte das eigentlich nicht selbst dir einleuchten? Du hast’s offensichtlich verkackt.“ „…Was…?“ „Na, du bist durch das Nachfolgermodell ersetzt worden! Misato wird ab jetzt mit mir zusammenleben!“ verkündigte zuckersüß. „Idioten wie du werden hier nicht mehr gebraucht! Das sollte dich eigentlich nicht überraschen wenn man bedenkt, wer von uns hier die überlegenen Fähigkeiten hat! …Auch wenn ich ehrlichgesagt ja lieber zu Kaji-san gezogen wäre…“ schwärmte sie, den deutlich verlorenen Gesichtsausdruck des Third Child entweder völlig ignorierend, oder über alle Maßen genießend. „…Aber sag mal, warum sind denn hier in Japan alle Zimmer so klitzeklein? Ich hab ja noch nicht einmal die Hälfte von meinen Sachen hier unterbekommen!“ meckerte sie völlig unbekümmert weiter, während Shinji feststellte, dass in diesem „klitzekleinen Zimmer“ von seinen eigenen Sachen nicht das geringste bisschen mehr zu sehen war – als er damals von hier abgehauen war, hatten seine Besitztümer noch problemlos in seinen kleinen Rucksack gepasst – jetzt füllten sie dank Misato, Touji und Kensuke schon mehrere Kisten, und Asuka hatte alles davon restlos ausgeräumt und habherzig in die nächste Ecke geworfen – Sein Wecker, sein Regenschirm, seine Klamotten, von denen er sich einige gerade erst angeschafft hatte, seine Bücher… sogar seine NERV-Tasse und das „Zimmer von Shin-chan“- Schildchen, dass er zu seiner Zeit eher peinlich fand, ihm mittlerweile aber doch etwas ans Herz gewachsen war… Gegenüber von Asukas riesigen Haufen aus Zeug wirkte alles was er hatte, alles was er erreicht hatte, so winzig und unbedeutend. Würde man ihn tatsächlich… Wenn es so war, dann schien es Asuka jedenfalls wenig zu kümmern – sie ließ sie sich nur weiterhin über alles in ihrer Sichtlinie aus, als sei absolut gar nichts geschehen: „…Und wo wir schon dabei sind, habt ihr Japaner eigentlich gar keinen Sinn für Privatsphäre? Ich meine, Papiertüren die man einfach auf und zu schieben kann? Wie könnt ihr nur in Zimmern leben, die man nicht abschließen kann? Man glaubt es kaum!“ „Das ist, weil wir in Japan Wert auf Höflichkeit und guten Umgang miteinander legen. Hallo ihr Zwei!“ Indem sie die beiden Children mit ihrem plötzlichen Auftauchen etwas verschreckt hatte, schien es dem nun gemeinsamen Vormund der zwei tatsächlich gelungen zu sein, wohl zum ersten Mal am heutigen Tage ihre gemeinsame Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „M-Misato-san!“ kam es halb grüßend, halb vorwurfsvoll von einem immer noch völlig überrumpelten Shinji. Asuka erholte sich wesentlich schneller von dem Schock. „Du nervst!“ fuhr sie den zimperlichen Jungen feindselig an. „Warum nimmst du nicht einfach deinen Müll und verschwindest?!“ Misato nahm das unkooperative Verhalten ihres Schützlings mit Gelassenheit – denn auch das hatte der gute Kaji, der ja einige Monate lang persönlich erfahren hatte, wie Asuka so sein konnte, in seinen weisen Plan miteinbezogen. Statt eine Predigt zu halten, lächelte sie einfach nur. „Weißt du, eigentlich war nie davon die Rede, das Shin-chan hier auszieht.“ ‚Shin-chan‘ hätte sich über diese Neuigkeit sicher wesentlich mehr freuen können, wenn seine neue Mitbewohnerin ihrem Frust, den er ausnahmweise mal zu gut verstehen konnte, nicht in unmittelbarer Nähe seines Trommelfells durch ein lautes „WAAAAS?!“ Luft gemacht hätte. --- „Der Plan, mit dem wir den Engel besiegten wollen, basiert auf einem gemeinsamen Einsatz der Evangelions Eins und Zwei.“ „WAAS?!“ Empörte sich Asuka erneut, ärgerlich auf den Tisch klatschend, und sich auf die Arme stützend, um die anderen am Tisch befindlichen Personen etwas zu überragen. Bei Misatos Platz war der Tisch mit mehreren Berichten und Messdatenauswertungsblättern und genau einer Bierdose gefüllt. Den Children, die ihr Gegenüberstanden, hatte sie aus Gründen der Fairness jeweils eine Dose Apfelsaft hingestellt –grüner apfel für Shinji, roter Apfel für Asuka. „Reicht es denn nicht, das einmal alles schiefgeht, weil dieses minderbemittelte Papasöhnchen mir dauernd im Weg rumsteht? Glaub mir, ich bin auch kriege das auch ganz alleine hin!“ „Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Bei einem Feind wie diesen werden wird ein normaler Zweikampf nicht funktionieren…“ „Oh doch, das wird sie!“ protestierte Asuka zutiefst aufgebracht. Wollte man ihr etwa Babysitter aufhalsen, nur, weil sie ein einziges Mal verloren hatte, und das auch nur, weil dieses dämliche Papakind ihr durchgehend auf den Keks gegangen war? Oh nein, das würde sie sich nicht antun lassen! „ Ich bin ganz gut dazu in der Lage, die Menschheit ganz allein zu retten! Oder glaubst ihr etwa, ich bin nicht gut genug?!“ „Nein.“ Stellte Misato klar, die Augen zu einem ernsthaften Ausdruck verengend. „Es ist nur, das wir für diese Schlacht die Fähigkeiten von euch Beiden brauchen werden, um unter widrigen Umständen zu bestehen. Die einzige Möglichkeit, diesen Engel zu vernichten, ist es nun mal, seine beiden Energiekerne genau im selben Moment anzugreifen und zu vernichten. Und dazu ist eben ein exakter Synchronangriff nötig. Euer Timing und eure Kooperation muss absolut perfekt sein – Deshalb werdet ihr in Zukunft hier zusammen leben.“ „W-WAAAAS?!“ empörten sich die beiden Piloten im Chor, sichtlich klar machend, das sie es vorziehen würden, möglichst weit voneinander weg zu bleiben. Mit dieser Unperson zusammenzuarbeiten und ihr/ihm jeden Tag in der Schule zu begegnen grenzte ja schon an den Rahmen des erträglichen, aber zusammen wohnen…?! Während Shinji einfach nur sichtlich unglücklich zu einem Häufchen Elend zusammensank, war Asuka nicht scheu dabei, ihre Entrüstung in Worte zu fassen: „…Was soll das heißen…?! Etwa für die ganze Zeit bis zum nächsten Angriff des Engels?!“ „Natürlich nicht.“ Antwortete Misato ruhig. “Als EVA-Piloten werdet ihr Beide noch sehr viel öfter zusammenarbeiten müssen, auch in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht. Außerdem fehlt es euch Beiden ehrlich gesagt an Kommunikationsfähigkeiten. Deshalb werdet ihr zwei ab jetzt dauerhaft unter einem Dach leben und am selben Tisch essen!“ „Unmöglich! Warum muss das First Child diesen unnützen Stuss dann nicht mitmachen? Sie ist doch auch eine EVA-Pilotin! Oder kriegt das kleine Prinzesschen des Commanders etwa wiedermal eine Sonderbehandlung?!“ „Ja, genau, du sagst es, warum sollte sie? Im Gegensatz zu dir scheint Rei ohne Probleme in der Lage zu sein, mit Shin-chan zusammenarbeiten. Welch ein Jammer, das EVA 00 noch in Reparatur ist – ich dachte, du hättest die Aufzeichnungen der Kämpfe gesehen…?“ Asuka war kurz vorm Überkochen. „Das Ganze ist trotzdem total bescheuerter Psycho-Stuss! Denkst du wirklich, dass wir den Kampf gewinnen, nur weil du mich und das Papakind hier zusammen einpferchst?!“ „Nein, natürlich nicht. Einfach nur zusammen in einem Haus zu leben wird für einen perfekten Simultanangriff nicht reichen. Deshalb werdet ihr beide ab jetzt alles zusammen machen! Essen, Trainieren, Schlafen, einfach alles!“ „WAAAAS?!“ Die Reaktionen, die dieser Plan in den Gesichtern der Kinder hervorriefen waren ein recht amüsantes Spektakel, das Misato half, trotz ihres Frustes weiter zu lächeln – Shinji war knallrot angelaufen und schüttelte in dem Versuch, irgend eine Vorstellung, für die er sich zutiefst schämte, aus seinem Schädel zu entfernen, panisch seinen Kopf, während sich asuka über den Tisch lehnte um sicherzustellen, dass ihre Vorgesetzte auch jedes noch so kleine Detail ihres zutiefst angewiderten Gesichtsausdrucks zu sehen bekam. „Kommtz nicht in die Tüte!“ protestierte sie. „Kein Mädchen über sieben würde freiwillig mit einem Jungen in einem Zimmer schlafen!“ „...während wir hier Zeit mit quatschen Vertrödeln, ist der Engel dabei, sich zu regenerieren. Der nächste Tag wird in sechs Tagen erwartet. Bis dahin müsst ihr es drauf haben.“ Erinnerte Misato noch einmal, den streitenden Kindern noch einmal den Ernst der Lage vor Augen führend. „Das ist absolut unmöglich! Erst recht in dieser Zeit…“ jammerte Asuka, sich schmollend auf ihren Platz sinken lassend. Doch Misato hatte sich von dem bösen Wort mit u noch nie beirren lassen: „Dann müssen wir es eben möglich machen. Der Angriffsplan ist eine Choreographie zu dieser Musik.“ Misato zückte eine Musikkassette. „Na toll…“ dachte Shinji still zu sich selbst. Das klang für seinen Geschmack viel zu sehr nach tanzen – Darin war er noch nie gut gewesen…. „Ihr werdet ihn in den nächsten sechs Tagen in- und auswendig lernen, einzustudieren, trainieren und lernen, zusammenzuarbeiten. Das ist ein Befehl.“ „Du kannst mir gar nichts befehlen! Ich bin ein Captain, genau wie du!“ „Oh, da enttäuschst du mich aber, Asuka. Ich dachte gerade du würdest doch wissen, dass die Rangfolge bei uns ein kleines Bisschen anders is als bei den europäischen Streitkräften. Nach eurem System müsste ich wohl hm, lass mich nach denken… wohl so etwa ein Colonel sein.“ Asuka starrte entsetzt in die Luft. „Whoa… Waaah?!“ „Befehl ist Befehl.“ Wiederholte Misato mit einem nur ein klitzekleinesbisschen gezwungenem lächeln. Seufzend blickte Shinji in die Richtung seiner Nebensitzerin. Er konnte sie wirklich beim allerbesten Willen nicht leiden, aber da ließ sich nun mal nichts machen, die Engel mussten eben besiegt werden, und da sie ihn ebenfalls ansah, hatte er Grund zur Annahme, dass sie den Ernst der Lage ebenfalls begriffen hatte – Oder auch nicht. Die Art, wie sie sich mit einem kindischen „HMPF!“ von ihm abwendete, ließ ihm diesbezüglich nicht sehr viel Hoffnung. Sie klatsche ärgerlich die Arme auf den Tisch und erhob sich, ihre bedauernswerte Saftdose ganz einsam und alleine auf dem Tisch zurücklassend. „…Asuka…?!“ „Ich gehe duschen!“ verkündete sie scharf. „Zumindest das werde ich wohl noch allein dürfen, oder?“ Und so stampfte sie dann davon. Da seine eigene bereits leer war, erbarmte sich Shinji und nahm sich stillschweigend ihrer Dose an. Sparsamkeit und so, und außerdem tat ihm das Teil irgendwie leid. „Hach, keine Sorge, Shin-chan. Das wird schon noch.“ Das Third Child wusste nicht, ob die Worte seines Vormunds seine Sorgen minderten oder vermehrten. „Oh und… war das eben nicht ein indirekter Kuss?“ „G-Gah!“ Es blieb kaum übrig zu sagen, dass Shinji es erst nach einem langen Todeskampf schaffte, nicht an dem Saft zu erstickten. Immerhin blieb die Verantwortliche ausnahmsweise mal nicht ruhig sitzen sondern unterstütze ihn, natürlich erst, nachdem sie eine Weile sehr amüsiert zugesehen und herzhaft gekichert hatte, in dem sie ihn liebevoll auf den Rücken klopfte. „Hm, ich denke du könntest ihr Herz vielleicht eventuell gewinnen, indem du sie mit deinen Kochkünsten verzauberst… Das finden wie Damen immer ganz besonders süß.“ Da er am heutigen Tage für seinen Geschmack schon genug gelitten hatte, beschloss Shinji, sich seinen Kommentar bezüglich dieser Position und Misatos eigenen „Kochkünsten“ zu verkneifen, und ihrem Vorschlag einfach mal zu folgen. Ja, das war jetzt wohl genau das, was er brauchte, eine schöne, kreative, ruhige, konstruktive Aktivität wie Kochen – Da er sich schon lange damit abgefunden hatte, dass die einzige Schürze im Besitz des Katsuragi-Haushaltes wohl dauerhaft an ihm hängen bleiben würde, hatte er Anfang letzter Woche beschlossen, dass es wohl eine ganz lohnende Investition wäre, die Kochkunst zu erlernen – zumindest, wenn er nicht vor hatte, dauerhaft von Misatos verhunzten Fertiggerichten, schnell lieferbarem Fastfood und dem Mist aus der Schülercafeteria zu leben. Zu Anfangs hatte er sich ja nicht beschwert, zumal es bereits Wunder für die Qualität tat, wenn er selbst eben diese Fertiggerichte zubereitete. Aber langsam dachte er, dass das doch auf Dauer nicht gut sein könnte, auch für Misato nicht. Sie arbeitete ja schließlich auch viel (wenn auch selten im Haushalt) und hatte ihn ja aufgenommen und so weiter, ihr ab und zu mal eine Freude zu machen, konnte nicht verkehrt sein - und vor allem war es schlichtweg zwecklos, seinen sogenannten Vormund nach Lebensmitteln zu fragen, die so aussahen, als ob sie einem Test mit einem Geigerzähler standhalten würden. Also hatte er sich durch die Macht der Umstände gezwungen ein Kochbuch zugelegt und die vormals erwähnte, himmelblaue Schürze übergeworfen, und machte sich daran, das Abendessen zuzubereiten – Überraschenderweise für drei Personen. Er wollte es so am Anfang zuerst einmal mit etwas einfach probieren wie… - er blätterte durch das als „Japanische Küche für Dummies“ titulierte Literaturwerk - …gebratene Nudeln, ja. Ein Glück, dass Nudeln immer in so großen Packungen verkauft würden, dass würde auch noch für Asuka reichen. Sich langsam an den traurigen Gedanken gewöhnend, mit dem wahsinnigen Rotschopf zusammenleben zu müssen, dankte Shinji dem Himmel, für diese schöne Gelegenheit, in der Küche arbeiten zu können, ohne von ihr gleich als Weichei beschimpft zu werden. Das dies aber geschehen würde, erschien ihm unausweichlich. Ach, manchmal glaubte er, dass ihn irgendjemand da oben schlichtweg nicht lieb hatte. Vielleicht, so dachte er, konnte er die Anzahl an Schlägen, die er unweigerlich kassieren würde, ja doch noch geringfügig abmildern, in dem er sich auch noch „Internationale Gerichte für Dummies“ zulegte… So oder so, während wenigstens Misato sich wohl freuen würde, ein paar gebratene Nudeln zu essen, die in letzter Zeit tatsächlich auch Kontakt mit einer Pfanne gehabt hatten, da sie voller Freude schon mal begonnen hatte, etliche Bierdosen zu leeren und eine lustige kleine Pyramide aus ihnen zu basteln, waren Nudeln nicht wirklich etwas für Vögel, so dass er für PenPen ein paar interessante Thunfischkonserven herausholte, die er bei seinem letzten Abstecher zum Supermarkt entdeckt hatte. Apropos PenPen, wo steckte der eigentlich schon wieder? „AAAAAHHH! Im Badezimmer ist so ein… komisches Tier!“ Okay, diese Frage wäre dann wohl beantwortet. Da er und Asuka ihre Konflikte wohl notgedrungen beilegen müssen würden, entschied er sich, einfach mal den ersten Schritt zu machen, und als Geste der Freundlichkeit auch Asukas Frage zu beantworten: „Das ist ein Pinguin. Sein Name ist PenPen.“ Doch spätestens als er sich umgedreht hatte, um seine neue Mitbewohnerin anzulächeln und sie mit dem gefierten Mitglied ihrer Wohngemeinschaft vertraut zu machen, erkannte er seinen Fehler mit entsetzlicher Klarheit – Wobei es ja eigentlich Shikinami war, der dieser Fehler unterlaufen war – nicht, dass er ihr deswegen Vorwürfe machen würde, er war ja schließlich kein Heuchler, und wusste noch ganz genau, dass ihm ein- und derselbe Fehler vor etwa zwei Monaten und einer Woche höchst selbst unterlaufen war. Um nicht weiter um den heißen Brei herumzureden, nun… Das Second Child war… tja… um es jetzt poetisch und thematisch passend, sprich, mit einem schlechten Wortwitz auszudrücken, im Adams- oder politisch korrekt wohl eher im „EVA“-Kostüm anzutreffen. Nein, nicht die meterhohen Mechas, die nackte Frau. Nach dem er sich auf ähnliche Weise vor Misato blamiert, mehrmals mit ihren Brüsten in Kontakt gekommen und in zwei ähnlich peinliche Erlebnisse mit Ayanami hineingeraten war, hatte er begonnen, sich zu fragen, ob er peinliche Ereignisse nicht irgendwie magnetisch anzog. Diese Frage war jetzt definitiv geklärt, und die Antwort lautete ja. Bevor Asuka überhaupt begriff, warum, hatte Shinjis Antlitz bereits eine interessante Palette von Färbungen von Rosa über Tomatenrot und einem hübschen Rotweinton bis zu einem satten dunkelviolett präsentiert, während sein Besitzer verzweifelt damit kämpfte, gewisse Körperfunktionen unter Kontrolle zu bekommen, bevor Asuka die Wirkung ihrer durch ihre intensive, heftige Körpersprache bewegten Prächtigkeiten deutlich sehen können würde, und wohlmöglich beginnen würde, über gewisse Maße zu spotten, obwohl sie doch selber Schuld war. Natürlich nicht an den Maßen, sondern an der Situation. Während sie ihn schräg anblickte, und sich wohl fragte, was denn los sei, verlagerte sie das Gewicht von einem Bein aufs andere und versetzte ihren makellosen Leib sowohl in eine ganze Reihe kleiner Bewegungen. Sie stand auf ihre übliche, bewusst aufreizende, die Hüften betonende Art und Weise da und er konnte einfach alles, aber auch wirklich alles sehen, die… komplette Frontalansicht… Von ihrem glänzenden, strahlenden exotisch gefärbtem Haar, wie es dahin floss, über die… bei jeder Bewegung bebenden, jugendlichen Erhebungen, völlig unbedeckt, dekoriert mit kleinen Schweißtröpfchen und den runden, pigmentierten stellen, bis zu den kleinen roten Stoppelchen denen sie vermutlich gerade den Geraus machen wollte, als ob sie da so etwas wie eine… Flamme hätte… Oh Gott oh Gott, Oh Gott, schon allein der Anblick war… sie war… Oh nein. Um seine Reaktionen brachte er sich definitiv keine Sorgen mehr zu machen, darum kümmerte sich schon die lähmende Angst, die sich in ihm breit machte, als Asuka sich schließlich fragte, wo er denn da hinstarrte und als sie an sich runtersah endlich bemerkte, dass sie doch glatt vergessen hatte, sich etwas überzuziehen, als sie panisch aus dem Badezimmer gerannt war. Er sah nur noch, wie ihr lieblicher Körper den Übergang von Schock, zu Scham zu Ärger mit der Sprache der alten Künstler ausdrückte, ohne Worte zu brauchen, und dann folgte noch Dunkelheit. Dies war der Moment, in dem er die Bekanntschaft von Chucksuka Shikinorris‘ tödlichem Roudhousekick machte. Er hatte diesen göttlichen Botschafter von Schmerz und Pein auf dieser Erde zwar schon einige Male in Aktion gesehen, als einige von ihren bemitleidenswerten Verehrern die zweifelhafte Ehre hatten, ihn zu empfangen, doch die höllischen Qua-ha-ha-haaaalen die ihm der Kuss ihrer Füße überbrachte waren schrecklicher als alles, was seine plumpen Vorstellungskräfte hätten erschaffen können, und entsetzlicher als alles, was Worte beschreiben konnten – So ungefähr am nächsten traf es nach Shinjis Meinung jedoch eindeutig das Wörtchen „Autsch.“. Das nächste, woran er sich erinnerte, war das Treffen seines Geschundenen Körpers mit den hübschen Steinfliesen aus Misatos Küche, was, wie wohl kaum erwähnt werden müsste, ebenfalls keine allzu angenehme Erfahrung war. Aber welche Milde brauchte er von einem Mädchen zu erwarten, dass ihn praktisch schon mit einer Tracht Prügel begrüßt hatte? Oh Mann oh Mann. Das Leben als Weichei war schon überraschend hart, dafür, dass es Weichei hieß… „Was für ein Lustmolch!“ rief ihm Asuka noch hinterher, während sie sich notdürftig mit den Händen bedeckte und schnurstracks zurück ins Bad lief, um sich endlich ihre wohlverdiente Dusche zu gönnen. „Idiot! Perversling! Nicht nur ein Spinner sondern auch ein Spanner! Ich glaub’s einfach nicht, das ist wirklich das letzte!“ Soviel zum Thema Zusammenarbeit. Wenn sie im nächsten Kampf statt des Engel wieder Shinji KO hauen würde, sah es für das Schicksal der Menschheit schon mal nicht gerade rosig aus… Seltsamerweise schien das filmreife Beispiel Häuslicher Gewalt, dass sich da vor ihren Augen abgespielt hatte, Misato nicht im geringsten zu entmutigen. „Sieh mal, PenPen!“ meinte sie zu ihrem Haustier, dem sie zeitgleich eine mit einem Strohhalm versehene Bierdose zuschob. „Wie es scheint haben wir schon unsere ersten Erfolge zu verzeichnen. Sie fangen schon an, wirklich brutal ehrlich zueinander zu sein!“ Der Vogel kommentierte dies einfach mal mit einem zustimmenden „Waaak.“ --- Als Misato etwas später beschloss, dass es Schlafenszeit war, schaffte sie es gerade mal so, auf ihrem Bett zu landen – Sich zuzudecken, ihre Hose, deren Knopf sie irgendwann einmal geöffnet hatte, richtig auszuziehen, die Flasche, die sie kurz vorher aus geleert hatte, aus der Hand zu legen oder auch nur mit ihrem Kopf das Kissen und nicht das Stück Fußboden dahinter zu treffen, schien ihr schlichtweg nicht mehr möglich gewesen zu sein. Das zweifelhafte Vergnügen, seine halbnackte, stockbesoffene, nach Bier stinkende Vorgesetzte in ihr Zimmer zu geleiten, blieb selbstverständlich wie scheinbar alles andere auf dieser Welt an Shinji hängen, dessen Gesicht immer noch einen recht hässlichen Abdruck von Asukas Fußballen gezeigt hatte. Die zahllosen half-verzehrten Snacks und leere Alkoholflaschen und –Dosen rund um das Bett erinnerten Shinji daran, dass dies weder das erste, noch das letzte Mal war. Aber diese deutlich sichtbare, breite Narbe, welche die schönheit der älteren Frau als einziger Makel verunstaltete, (Na ja, von der strengen Bierduft-Halitosis der einmal abgesehen) die fiel ihm heute zum ersten Mal auf… Er fragte sich, woher sie die wohl hatte… Obwohl er mit Misato zusammen lebte, gab es immer noch so viel, was er über sie nicht wusste. Die Geschichte mit Kaji… oder dass sie asuka gekannt hatte… PenPen sah es zwar mit Humor und nutze die Gelegenheit, um das Shirt seiner Besitzerin als Übernachtungsplatz zu nutzen, mit dem Resultat das sie beide in dem Gleichtakt, der ihm und Asuka augenscheinlich fehlte vor sich her schnarchten, doch Shinji konnte nicht anders, als sich ein wenig deprimiert zu fühlen, wenn er sie in so einem Zustand zu sehen bekam. Er hatte so etwas… Kaputtes an sich, was ihm nicht gefiel, und ihm das Gefühl gab, überhaupt nichts für sie tun zu können …oder sie gar nicht richtig zu kennen. So oder so war das heute ein durch und durch beschissener Tag gewesen und der einzige Trost war, dass er bald zu Ende sein würde. Erschöpft machte er sich auf dem Weg zu der provisorischen gemeinsamen Lagerstätte, die Misato im Wohnzimmer für ihn und Asuka ausgelegt hatte, machte diese noch etwas zurecht, da seine Vorgesetzte bei diesem Aufbau durch ihren Promillewert bedingt etwas schlampiger gewesen war, als sie es ohnehin schon war, und vergrub sich eiligst unter seiner Decke, um bloß schon zu schlafen oder zumindest so auszusehen, wenn Asuka hier aufkreuzte. Eine weitere Konfrontation mit ihr konnte ihm ehrlichgesagt gestohlen bleiben, egal, was für Worte sie ihm deswegen an den Kopf werfen würde. Er war schlicht und ergreifend durch und durch fix und fertig. …Moment mal, war da nicht eben etwas gewesen…? Da draußen… auf dem Balkon? Er blickte mit leicht verengten Augen in die nichtssagende Finsternis. Nein das… dass musste eine Einbildung gewesen sein, dass kam sicher davon, dass er im Moment ein außerordentlich großes Bedürfnis nach einer gepflegten Mütze Schlaf hatte. Shinji brachte es nicht einmal mehr fertig, noch etwas Musik zu hören oder über die großen Fragen des Lebens und den Grund für sein hier sein nach zu grübeln, auch nicht mal darüber, ob es auch nur eine theoretische Chance für ihn gab, diese sogenannte Trainingseinheit in irgendeiner Form zu überleben. Er wollte einfach nur noch seine Ruhe und ein kuscheliges Plätzchen. --- Urplötzlich von der durchsichtigen Balkontür weggezerrt und fest gegen die nächste Wand gepresst blickte die Frau mit den langen, blauen Haaren das schwarzhaarige Mädchen in dem weißen Gummianzug an, in dessen eisernen Griff sie sich befand. Yui Ichijou, verriet ihr die Plakette auf ihrer Kleidung. Das Wesen, das gelegentlich Leatha genannt wurde, hatte sie bereits erwartet, und zeigte trotz der scheinbar prekären Lage, in der sie sich befand, nicht mehr, als ein dünnes Grinsen. Warum sollte sie sich auch darum kümmern? Sie könnte dieses lästige Mädchen in der Luft zerreißen, ohne auch nur einen einzigen Muskel krumm zu machen. Bei Yui war von Gelassenheit jedoch nicht die geringste Spur zu erkennen. Ein ernster, kriegerischer Ausdruck residierte in ihrem zarten Gesicht. Sie war verglichen mit Leatha noch ein Kind, noch dazu ein zierlich gebautes, doch das entlaufene Experiment schien aus irgendeinem Grund nicht die physische Kraft zu besitzen, um sich ohne Gebrauch ihrer Fähigkeiten von Yuis Armen zu befreien – Es war diese lächerliche Parodie eines lebenden Körpers, dessen Zerfall sie langsam nicht mehr aufzuhalten vermochte. „Was machst du hier?“ verlangte Yui zu wissen. Es viel schwer zu glauben das ihre Lippen wirklich die Urheber dieses harten Befehlstons waren. «Nun…» hörte es Yui sowohl leise an ihrem Ohr und laut dröhnend in ihrem Kopf verhallen. «Ich bin zur Zeit nicht in der Lage, eines meiner Ziele zu verfolgen, also dachte ich, ich nutze die Zeit und verfolge ein anderes.» „Sehr klug.“ Kommentierte Yui. “Aber ich kann dich leider nicht lassen.“ «Nicht lassen?» Leathas Lachen füllte Yuis Schädel. Ihre Lippen bewegten sich, aber es entwich kein Ton – Die ganzen scheußlichen Laute manifestierten sich direkt in Yuis innersten. Als sie diesen gräuelhaften Klang das erste Mal vernommen hatte, hätte sie beinahe vergessen, dass sie existierte, weil selbst der Kleine Teil ihres Geistes damit beschäftigt gewesen war, Furch zu empfinden - sie war nicht einmal mehr in der Lage gewesen, in irgendeiner Form auf die Angst zu reagieren, zu schreien oder wegzurennen – Sie war komplett zu dieser Angst geworden, ohne dass irgendetwas zum Reagieren übrig bleiben würde. Doch jetzt hatte sie sich so sehr an diesen Laut gewöhnt, ihn so unzählige Male vernommen, dass sie ihn ertragen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken. «Ich denke nicht, dass du in der Position bist, mich irgendetwas zu lassen oder nicht zu lassen.» stellte Leatha klar. «Ein einziger Gedanke genügt, ein einziges, um einen Milimeter verschobenes Blutgefäß in deinem Kopf reicht aus, um dich zu erledigen. Ist dir nicht klar, dass ich dich schon die ganze Zeit über jeden Moment hätte vernichten können?» „Ja.“ Gab Yui zu. „Das kannst du wohl. Aber nicht hier.“ Ein gleichzeitiger Druck auf die beiden orangenen, knopfähnlichen Felder auf Yuis Anzug, und die beiden Damen verschwanden in einem Lichtblitz ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, weder Asche, noch Staub, nicht einmal einen geschwärzten Fleck auf den Boden der Veranda. Selbst das Licht, das kurzzeitig daraus resultierte, verflüchtigte sich schnell, ohne dass jemand da war, um es zu sehen. --- Da war sie also, mutterseelenallein in einem fremden Land auf der anderen Seite der Welt, in dem ihr nichts und niemand vertraut war, weit weg von allem, dass sie je gekannt hatte, bei einer Frau, die sie nur oberflächlich kannte und eigentlich überhaupt nicht ausstehen konnte, zwischen Wänden, Möbeln, Umzugskartons und einem fast völlig fremden Jungen, der alles mit ihr machen können würde, wenn er am nächsten Morgen das Glück haben sollte, zuerst aufzuwachen, unter ihrer Decke verschanzt, sich jämmerlich zusammenkauernd an ihre Puppe klammernd. Sie konnte es doch drehen und wenden wie sie wollte, und den ach so tolle, starken, unabhängigen Star markieren, bis ihr von ihrer Heuchelei selbst schlecht wurde… Aber die offensichtliche Wahrheit war doch, dass sie am heutigen Tage versagt hatte. Tagsüber im Lichte brachte sie es vielleicht fertig, die Selbstanpreisungen, die haltlos aus ihrem Mund strömten tatsächlich zu glauben, doch hier, in der laut- und lichtlosen Finsternis konnte sie nicht anders als sich einzugestehen, was sie eigentlich schon in aller Deutlichkeit hätte begreifen müssen, als der Feind sie und ihren Evangelion mit dem Gesichts voraus in den Dreck gesteckt hatten, in den sie schon immer gehört hatte. „Das hätte ich… niemals allein schaffen können….“ --- Die Betonwüste, die sich an den äußeren Rändern von Tokyo-3 erstreckte, sah noch wesentlich trostloser aus, seit man begonnen hatte, die schon lange nicht mehr benötigten, verfallenen Einheitsplattenbaugebäude reihenweise abzureißen – Schon in einem Stück hatten die grauen Betonklötze, die man nach dem Second Impact für die vielen durch die Katastrophe obdachlos gewordenen Menschen errichtet hatte, eher trist ausgesehen – Farben, Licht und individuelle Gestaltung war ein Luxus, an den die Menschen erst wieder gedacht hatten, als Wohnraum wieder so leicht zu finden war, dass man es sich leisten konnte, wählerisch zu sein. Jetzt aber lagen die Relikte des Wideraufbaus verlassen da und wurden nicht mehr gebraucht – Also hatte die Stadtverwaltung vor nicht allzu langer Zeit entschlossen, sich ihrer zu entledigen. Wo also früher zumindest noch geordnete, rechtwinklige Zeichen der Zivilisation gestanden hatten, fanden sich jetzt nur ungeordnete Haufen von Schotter und aufgebrochenem Asphalt, in denen die abgestellten Bagger und Abrissbirnen das einzige war, dass noch über eine Struktur zu verfügen schien. Zurzeit konnte man den Lärm, den sie zumeist verursachten, nicht hören, nur die fernen Insekten zirpten vor sich hin. Es war ein wahrlich trostloser, verlassener Ort, an dem man keine Menschenseele vermuten würde, die nicht dafür bezahlt wurde. Und doch gab es einen Grund dafür, dass einer der Betonklötze ob der Tatsache, dass er genau im Pfad der Baumaschinen gelegen war, noch als einziges zu einem großen Anteil aus der Erde ragte. Das gute Wort, dessen Einlegung den Apartmentkomplex vor seinem grausigen Schicksa.l bewahrt hatte, stammte von ganz weit oben: Der Commander von NERV höchst persönlich war es, der sich für den Betonblockbau eingesetzt hatte. Nicht, weil er irgendwie ein Fan des industriellen Baustiels wäre oder viel Wert darauf legen würde, die hässlichen Baracken der Vergangenheit für die Nachwelt zu erhalten – Er war ein durch und durch pragmatischer Mensch, dem man schon auf den ersten Blick ansah, dass er sich nicht viel mit dem schönen Schein aufhielt – Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, sich die Uniform der Organisation gescheit zuzuknöpfen, die er selbst leitete. Der Grund dafür, dass er bezüglich des alten Gebäudes hatte Gnade walten lassen, war wesentlich simplerer Natur: Es lebte schlichtweg noch eine wichtige NERV-Angestellte darin, und die wollte dort auch bleiben – Auch, wenn man es auf den ersten Blick kaum glauben konnte, so hatte sich die stille EVA-Pilotin das in Zweilicht getauchte Apartment selbst ausgesucht und eingerichtet. Das Geld, dass ihr zur Verfügung gestellt worden war, hätte zwar auch für weitaus mehr gereicht, aber Rei sah gleich ihrem Schöpfer wenig Grund für Pomp und hatte sich in dem verlassenen Plattenbau ohnehin am wohlsten gefühlt, weil es sie an die ihr vertraute Umgebung des Labor erinnert hatte, in dem sie aufgewachsen war. Da die Stadt war praktisch für NERV gebaut worden war, blieb alles, wovon Commander Ikari sagte, dass es stehen bleiben sollte, auch ohne weiteres so wie es war, ohne das er ein großes Plädoyer einzulegen brauchte – Eine simple, einzeilige E-Mail an die er nicht einmal eine volle Minute verschwendet hatte, hatte völlig genügt, damit das First Child in ihrer Residenz verbleiben durfte – Die Bauerarbeiter hatten einfach alles Drumherum abgerissen, und von dem Gebäude, in dem sie lebte, gerade so viel übrig gelassen, damit der Teil, in dem sie lebte stabil blieb, und sich dann daran gemacht, den Rest der Häuserzeile abzureißen. So kam es, dass das Schlafgemach der Ayanami Rei noch genau dort lag, wo es sich auch bei Shinjis letztem Besuch befunden hatte, und sich auch äußerlich nicht sehr verändert hatte – Der Raum hätte durch aus als groß, aber auch als ziemlich leer bezeichnet werden können, und statt einer Tapete bekam man an der Wand die nackten Betonblöcke zu sehen. Das Bett hatte ein Metallgestell und es sah nicht aus, als ob die Decke noch irgendwie besonders hergerichtet worden wäre, nachdem Rei heute Morgen herausgestiegen war, und am anderen Ende Raumes fand sich ein Kühlschrank, auf dem sich auch ein Becherglas und einiges an Medikamentenpackungen befanden. Das wohl normalste an dem Raum waren die paar herumliegenden Klamotten, wie man sie bei jugendlichen in Reis Alter häufig fand – wirklich viel besser machten sie das ganze jedoch nicht. Ein Fenster war zwar da, aber der dünne Spalt zwischen den dichten Nylongardinen ließ nur einen einzigen von den unzähligen Strahlen des Mondlichts herein, deren Licht über die Kommode mit ihren Büchern und der alten Brille des Commanders fiel, und das blauhaarige Mädchen schließlich auch selbst beschien, wie sie auf ihrem Plastikstühlchen saß. Es gab auch ein minimalistisches Waschbecken mit einem Spiegel darüber, in dem sie auch ihren Abwasch zu erledigen pflegte – doch dass, was sich dort heute angesammelt hatte, ließ sich nicht wirklich mit dem vergleichen, mit der Ansammlung auf Schälchen, Tellerchen und klebrigen Resten vergleichen, mit denen Shinji im Waschbecken des Katsuragi-Haushaltes gelegentlich sein zweifelhaftes Vergnügen hatte – Eigentlich waren es nicht viel mehr als ein paar Plastik-Trinkgläser. Das war zum ersten Mal natürlich dadurch bedingt, das Rei hier völlig allein lebte. Wenn er hier war, pflegte der Commander häufig dazu, sie zu sich zu rufen und mit ihr gemeinsam zu speisen, doch zurzeit war er auf einem wichtigen Konvent in Europa und würde es wohl auch noch eine ganze Weile lang bleiben. Sie hätte nicht sagen können, wieso sie ihn diesem Moment daran dachte, und merkte schon irgendwie dass etwas… sie bedrückte und sich einfach unangenehm anfühlte, dass sie sich in einem Zustand befand, den sie gerne ändern würde, doch die Wahrheit, die sie nicht zu erkennen vermochte war, dass sie ihn vermisste und sich ziemlich allein fühlte, jetzt, wo auch die gelegentlichen Gespräche weggefallen waren, die sie bisweilen mit Shinji geführt hatte , jetzt, da dieser schon seid Tagen von morgens bis abends damit beschäftigt war, mit dem Second Child zu trainieren. Ein sehr großes Bedürfnis dazu, anzubändeln, hatte Rei eigentlich nie bewusst verspürt, und sie hätte diese Gespräche wohl auch nie von sich aus begonnen, doch jetzt, wo sie aufgehört hatten, konnte sie nicht anders als in einem entfernten Winkel ihrer selbst festzustellen, dass es… gut sein würde, wenn sie sich wieder mit ihm unterhalten können würde. Einfach ausgedrückt wäre es wohl nicht übertrieben zu sagen, dass sie den jüngeren Ikari ebenfalls vermisste. Da sie wusste, wofür sie geschaffen wurde, wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, sich darüber hinaus noch irgendetwas zu wünschen oder zu denken, dass sie mehr haben sollte, doch si war mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass sie es… gut fand wenn sich andere ohne bestimmten Grund mit ihr beschäftigten, ohne, dass es etwas mit dem Plan zu tun hatte. Es linderte einen Schmerz in den Tiefen ihrer Seele, von dem sie noch gar nicht richtig begriffen hatte, dass er da war… Wesentlich leichter zu bemerken war der zweite Grund für die spärliche Menge an abzuwaschenden Geschirr- es hatte heute bei ihr schlicht und ergreifend keine richtige Mahlzeit gegeben, nur ein paar Gläser kühles Leitungswasser zum Zweck der Flüssigkeitszufuhr, und um die Medikamente hinunterzuschlucken, die ihre stetig im Zerfall befindliche, künstliche Hülle gerade mal so am Laufen hielten und sie tattäglich daran erinnerten, dass sie nicht… echt war. Sie fühlte sich heute einfach reichlich unwohl, auch körperlich betrachtet. Schweigend nahm sie sich eine Kapsel aus der Tüte, die Dr. Akagi ihr für solche Fälle verschrieben hatte, und betrachtete sie still. --- „W-Was…?! Der Commander hat angerufen…?!“ Ritsuko schätze, dass die amüsanten Geräusche, die sie am anderen Ende der Leitung vernommen hatte, auf ein paar unglücksselige Bierdosen zurückzuführen waren, die ihre Freundin wohl soeben versehentlich von ihrem Wohnzimmertisch gestoßen haben musste. Die Wissenschaftlerin hoffte nur, dass sie keine allzu große Sauerei verursacht hatten – oder nein, Sauerei war gut, das würde ja immerhin bedeuten, dass sie noch nicht leer waren. „Uhm… Rit-chan…. Was hast du ihm eigentlich gesagt….“ „Die Wahrheit.“ Misato schluckte. „Der Engel zeigte eine unvorhergesehene Fähigkeit mit der er unsere EVAs besieht hat, weshalb wir keine andere Wahl hatten, als eine N²-Mine einzusetzen. Du arbeitest mit den Children bereits an einer ausgeklügelten Strategie für den komplexen Gegenangriff, der nötig ist, um den Feind zu besiegen.“ „Nun das… das… das ist schon irgendwo die Wahrheit, aber klingt das nicht etwas…. Na ja…“ „Es ist die Wahrheit, oder etwa nicht? Wenn du mit meinem Bericht ein Problem haben solltest kann ich ihn die Geschichte gerne noch mal so erzählen, dass du doch noch gefeuert wirst.“ Bot die falsche Blondine scherzend an. „N-Nein nein, schon in Ordnung…“ „Apropos, wie läuft es denn so mit unserem „komplexen Gegenangriff“?“ „…Tja, Ritsuko, weißt du, eigentlich-“ „Lass mich raten. Miserabel.“ „Das kann man auch netter sagen.“ Maulte Misato. „Ich merke schon, dass du dein bestes gibst, um den beiden ein ernsthaftes, erwachsenes Vorbild zu sein.“ „Sehr witzig. Ach ja… Einheit Null können wir immer noch nicht wirklich einsetzen, oder…?“ „Nun, in äußerstem Notfall könnten wir es versuchen, aber… Sagen wir’s mal so, als du angerufen hast, war ich gerade dabei, Rei zu fragen, in welcher Farbe sie die Panzerung lackiert haben will, wenn wir irgendwann mal damit fertig sind, die Teile dafür herliefen zu lassen…“ Misato seufzte. „Ich sehr schon, ich kann es vergessen… Oh, aber, Ritsuko…? Kann ich mir Rei mal für ‘ne Weile ausborgen? Ich hab da so eine Idee… Schick sie nachher bei meiner Wohnung vorbei, okay? Tschau!“ Ritsuko seufzte, als sie das Telefon absetzte, um sich stattdessen die Spritze zu greifen, deren Inhalt für das vor ihr sitzende, blauhaarige Mädchen bestimmt war. „Du hast das mitgehört, oder…?“ „Ja.“ Bestätigte Rei leise, nicht die geringste Regung zeigend, als Ritsuko die Nadel in ihren Oberarm stach. „Gut. Also, dann sag mal, Rei, welche Farbe hättest du denn gerne?“ Das First Child überlegte kurz. Da die Farbe des Evangelions für den Kampf von keinerlei Bedeutung war, solange sie von der der anderen Evangelions gut zu unterscheiden war, beschloss sie, nach ihrer persönlichen Präferenz zu wählen – für gewöhnlich entschied sie sich meist für weiße Dinge, wenn sie zum Beispiel bei ihren Plugsuits oder dem Kauf ihrer Unterwäsche die Wahl hatte. Es hatte keinen bestimmten Grund. – Sie hatte irgendwann damit begonnen und nicht damit aufgehört, es war nicht so, als ob sie darüber je sehr viel nachgedacht hätte. Vielleicht war es, weil weiß sie an weiße Kittel und Labore erinnerte und sie so irgendwie das Gefühl hatte, dass die Farbe etwas mit ihr zu tun hatte. Vielleicht, weil weiß unaufdringlich, nüchtern und neutral war, und das Auge anders als zum Beispiel rot und andere „kräftige“, „knallige“ Farben dauernd zu sich hin zog. Im Moment verweilten ihre Gedanken jedoch weniger bei diesen Dingen und mehr bei zwei ganz bestimmten Personen. „Dunkelblau.“ Entschied sie sich einfach mal von ihren streunenden Gedanken geleitet. „Könnten Sie den EVA dunkelblau streichen lassen?“ „Kein Problem.“ „Gut. Dann werde ich jetzt gehen. Captain Katsuragi erwartet mich.“ Rei verschwendete keine Zeit damit, sich ihre Uniform zuzuknöpfen und das Untersuchungszimmer stillschweigend zu verlassen – Sie hatte einen Befehl auszuführen. _______________________________________________________ (1) Habt ihr bemerkt, dass auf Asuka’s Umzugskatons in Rebuild tatsächlich „Deutsche Post“ steht? Ich hab mich so weggelacht, als ich’s bemerkt habeXD (2) Dat isn’s bissle lang geworden, weshalb ihr das Äquivalent von Folge 9 jetzt in zwei Teilen, aber dafür immerhin mit halb so viel Wartezeit… für den ersten Teil. (3) Ich bin ja ein großer Rebuild-Fan, aber warum mussten die EVA 00 unbedingt in diesem grässlichen orange lassen? Nicht mit mir! XD (4) Freut euch schon auf den nächten Teil 04: [Der Platz an deiner Seite] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)