Children of the Prophecy von Kendrix (Die Kinder der Prophezeihung) ================================================================================ 07: [Operation Yashima] ----------------------- Boku no sekai kieru made aenu nara kimi no soba de nemurasete (:) Wenn ich dich noch einmal sehe, Bevor meine Welt endet Lass mich an deiner Seite schlafen -Utada Hikaru, 'Beautiful world' --- Das entlaufene Experiment löste ihre zur Faust geballte, vor sich hingestreckte Hand und betrachtete den Ausgang ihres eigenen kleinen 'Experiments' mit einem dünnen, zufriedenen Grinsen. Vor ihr lagen einige ineinander fließende Pfützen aus orangener Flüssigkeit. Die Substanz war dünnflüssig, homogen und frei von jeglichen Rückständen, an denen man hätte ablesen können, dass es sich um die Überreste der Kleinfamilie handelte, welche dieses teuer möblierte Appartment einst bewohnt hatte. Diesesmal... war die Verflüssigung perfekt. Die Wesenheit blickte auf die nun auseinander gespreizten Finger ihrer Hand. Die Erfahrung der Macht pulsierte noch durch ihr selbst. Sie fragte sich, was sie wohl noch alles machen konnte. Statt der zu großen Männerklamotten, die sie letztes Mal getragen hatte, zierte heute ein passender, grüner Rock ihren Körper, beglewitet von einem Top mit Spaghettiträgern in einer ähnlichen Farbe. Nur von der Mütze hatte sie sich noch nich getrent, obgleich es jetzt eine andere war, und ihre langen, blauen Haare nicht mehr darunter versteckte. Man könnte meinen, dass sie sich stetig entwickelte, wie auch ihre Fähigkeiten reiften. Jetzt waren sie gut genug, um ihren Plan auszuführen. Schon bald würde sie das Tor öffnen können. Dennoch. Irgendwo hatte das Wesen das Gefühl, das ihr noch irgendetwas zu fehlen schien, und damit meinste sie nicht das, was sie für die Öffnung des Tores einsammeln musste. Doch ihre Gedanken wurden unterbrochen, als wiedermals Rufe an ihr Bewusstsein drangen. Sie drehte sich zu einem der Fenster der kleinen Wohnung um, fragend ihre Augen verengend. "Wieder Adam...?" --- In zahllosen Rinnsalen floss das rote Wasser über die glatte, blaue Oberfläche zurück in in die Tiefen, denen es entstammte. Kein einziger Tropfen blieb kleben; Die scharfkantigen Formen des sechsten Engels boten ihnen dazu keinerlei Angriffsflächen. Ramiel, der Engel des Donners, schoss in den Himmel empor wie eine Kanonenkugel und ließ sich dann grazil herab schweben, sich genau wie seine Vorgänger vom Meer her auf die Festung der Lillim zubegebend. Das Meer, jene leblose, rote Pampe, die aus einem gescheiterten Versuch resultiert war, eine Welt zu schaffen, in der Wesen wie Seinesgleichen leben konnte, hatte ihm lange genug als Zuflucht gedient. Nun war Ramiel selbst damit an der Reihe, diesen Prozess fortzusetzten und das verheißene Land für sich zu beanspruchen. Scheinbar Federleicht glitt der Botschafter herab, die Wolken und das Meer in seinen Flächen spiegeld und einen eigentümlichen Schatten werfend, der nur an den Rändern dunkel und begrenzt wirkte, in der Mitte aber tanzendem Licht weichte, dass durch den bis zu einem gewissen Maße durchsichtigen Körper der Engels gefallen war, und durch seinen stetigen Wandel aufschluss auf die Vorgänge im Inneren des Wesens gab, durch dessen Oberfläche man nur seltsame Formen und Lichtbrechungs-, Beugungs- und Streuungsphänomene beonbachten konnte, die dem kristallin anmutenden Geschöpf wohl auch seine Farbe verleihen mussten. Während seine Vorgänger noch annähernd humanoid gewirkt hatten auf auf den ersten Blick als organische strukturen erkennbar gewesen waren, manifestierte sich Ramiel in der bizarren, abstrakten Form eines schwebenden Oktaeders. Doch nicht nur die Form war anders. Wäre Ramiel ein Mensch gewesen und hätte als solcher mit anderen Menschen interergiert, hätte man ihn wohl als ruhig, kühl, ehrgeizig und mathematisch denkend eingestuft; Anders als seine Vorgänger sah er keinen Sinn darin, einfach in die Festung der Lillim einzufallen und sich ganz und gar von seinen Instinkten tragen zu lassen - Er hatte sich bereits eine klaren Plan, ein konkretes Verhaltensschema, einen eindeutig definierten Alghorithmus zurechtgelegt, nach dem er vorgehen würde, um sein Ziel direkt zu erreichen, hatte sich festgelegt, wie er worauf reagieren würde. Auch seine Präsenz war eine andere; Nicht schwer und metallisch, sondern scharf und gläsern, sowie auch irgendwo elegant und souverän, als die Landschaft begann, sich in seinen Flächen zu spiegeln, nicht all zu lange, nachdem er als glänzender Punkt an der Küste aufgetaucht war. Ein Teil seiner Rufe war sogar in Form einer mechanischen Welle vorhanden, welche die Menschen akustisch hätten wahrnehmen können, obgleich der Sinn in diesem kleinen Fetzen höchstens sehr entstellt zu finden war; Doch auch so wäre es wohl kaum zu einer Verständigung gekommen - die Stimme des Botschafters diente nicht dazu, Informationen irgendwie von A nach B zu befördern, sonders strahlte nur so vor sich hin wie das Licht eines Sterns. Die Rufe, eine Mischung aus Walgesang, Stimmgabeln, Weingläsern und dem akustischen Äquivalent des Beugungsmusters von Elektronen, begleiteten den Engel auf seiner eleganten Reise über das Land, welches bereits begann, sich in seinen Flächen zu spiegeln. --- Shinji spürte, wie das Liftsystem ihn zusammen mit Einheit Eins nicht unbedingt der Lexikonsdefinition von sanft entsprechend zur Oberfläche beförderte. Er tat sein bestes, um seine zerwühlten Gefühle bei seite zu schieben und sich mental auf den nahenden Kampf vorbereitete. Mit jedem Meter schien die Lebensgefahr derer er sich aussetzten würde, dichter in seiner Realität heran zu rücken, sodass er fast schon fürchtete, dass sie urplötzlich ihre kalten Arme um seinen Hals schlingen und gleich einem Vampir alles aus ihm heraussaugen könnte, dass ihn daran hinderte, einfach die Nerven zu verlieren. Auch, wenn er versuchte, diesem spüeziellen Detail in seinen Gedanken auszuweichen, besonders fiel war es nicht. Todernst raste der Pilot von Einheit Eins seinem Schicksal entgegen - und dieses ließ ihn nicht lange warten. Schon bevor er die Oberfläche überhaupt erreicht hatte, begannen die mittleren Kanten Ramiels, der die Anwesenheit einer potentiellen Bedrohungen wohl auf anderem Wege erkannt hatte als durch klassische Augen, sich aufzuspalten und sich mit einem sich sammelnden Leuchten zu erfüllen. Im Kommandozentrum bemerkte man noch einen Enmergieanstieg im Inneren des Feindes, doch es war zu spät. Misatos Aufforderung, zu fliehen, erreichte ihn noch im exakt selben Moment, in dem sein Evangelion die Oberfläche erreichte, und die Partikelwaffe des Engels nur wenige Sekundenbruchteile später. Der kristaline Leib des Engels spaltete sich in zwei Tetraeder, die inneren Flächen teilten sich in zahllose kleinere Würfel auf, und innendrin blitzte der Kern hervor, eine blutrote Sphäre inmitten himmelblauer Kuben, fast, als wolle der Engel erst vorsichtig hervorspähen und seinem Ziel auf irgendeine Form in die Augen sehen. Dann aber machte er genau, wie er es geplant hatte, kurzen Prozess: Seine Form verdrehte sich zu zahllosen, ineinander hineingleitenden Prismen verschiedener Größe, und der Lichtschein, der sich soeben um den Kern gebildet hatte, erstrahlte in voller Intensität, brannte sich durch mehrere Hochhäuser, deren verflüssigte Reste in einem angeregten Zustand fluoreszierten, nachdem sie in einem großen Radius um den relativ kompakten Strahl herum einfach weggefetzt worden waren, und von dort aus direkt in die Brustpartie von EVA 01. Das AT-Feld des violetten Riesen brach so schnell, dass man seine Existenz hätte übersehen können, wenn man geblinzelt hätte - und noch bevor man die Augen ganz geöffnet hätte, wäre der vim Prtikelstrahl des Engels getroffene Fleck schon dabei gewesen, zu glühen wie die Sonne. Die Funken flogen, grelle Tropfen aus Licht, Ladung und mitunter auch geschmolzenen Metall, und unison dazu begann auch das Interface vor den Augen des Piloten zu flackern, der sich von den fremden Schmerzen überrollt verzweifelt an die scheinbar brennende Brust zu greifen versuchte, als könne dort die Lichtsäule greifen und entfernen, die ihm das LCL aus den Lungen und das Blut aus dem Herzen zu drücken schien. Aber dort gab es nichts, was Shinjis Hände hätten packen können; Der Strahl, der fortwährend gleißendes Licht aus purem, ungefiltertem Schmerz in seinen Körper zu pumpen schien, lag weit außerhalb des Entryplugs. Der unsagbare Schmaerz hinderte ihn daran, zu planen, zu handeln oder auch nur kohärente Gedanken zu formen, das einzige, was er tun konnte, war zu schreien wie am Spieß. Wie man im Kontrollzentruim darüber beriet, den synchronwert abzusenken und einen Schutzschild hochzufahren, konnte er nicht mehr verarbeiten - Letzteres registrierte er jedoch am Rande, als die massive Panzerplatte den Strahl des Engel abblockte und Shinji wild zuckend und nur gerade mal so unter großen Mühen atmend in der Finsternis zurückließ, allein mit dem nachleuchten der sengenden Schmerzen, das immernoch in seinem ganzen Körper brannte, als einzige Gesellschaft. Er hatte noch nicht mal mit dem Schreien aufgehört, da war der Engel schon in einer neuen, kreuzförmigen Formation übergegangen und schoss einen analog geformten Strahl über die Landschaft, der die Platte, an der der letzte Strahl gescheitert war, hinwegfegte wie ein Stück Butter in der Sonne, die geschmolzenen Reste der Platte zusammen mit den energiereichen Partikeln, die den Strahl ausmachten, gegen den nun völlig ungeschützten Evangelion schleuderte. Etwas anderes als ein Abbruch der Operation blieb für Captain Katsuragi nicht übrig. Doch selbst ein Rückzug schien nicht mehr möglich zu sein - Die Abschussrampe, die den violetten Koloss gerade erst an die Oberfläche befördert hatten, war nur noch eine Pfütze aus geschmolzenem Metall. Die Bilder auf dem Hauptbildschirm, welche die komplett glühende, teilweise im Schmelzen befindliche Außenhülle von EVA 01 zeigten, machten nur all zu deutlich, was das bedeutete, und auch die Grafiken auf den zahlreichen Anzeigepulten drückten es nicht wesentlich freundlicher aus. Doch keine noch so gute Grafik hätte die infernalischen Qualen ausdrücken können, denen Shinji im Moment ausgesetzt war; Verdampfende Materie stieg aus der blendend hellen Auftrittstelle des Strahls aus, die in Punkto Helligkeit eine Magnesiumflamme aussehen ließ wie ein Streichholz neben der Sonne. Eine große, rote Warntafel zeigte sich in der Mitte des Steuerinterfaces, auf dem sonst nur Licht zu sehen war - doch man fragte sich warum. Das Lesen einer Fehlermeldung war nicht nötig, wenn die Kampfmaschine, die man steuerte, einem das Gefühl gab, als wäre es die eigene Haut, die dabei war, zu Barbecue verarbeitet zu werden - Inmitten der ionisierten, leuchtenden Luft konnte Shinji immer noch den Gestank des verkohlenden Fleisches des Evangelions riechen - und der unterbewusste Teil seiner selbst, der dass in diesem Moment noch erfassen konnte, vermochte anders als sein Verstand nicht zwischen dem EVA und Shinji selbst entscheiden. Der Junge schrie ununterbrochen, urtümliche, ungeformte Laute entwichen aus seiner bis zum Anschlag aufgerissenen Mundöffnung, in den in ähnlichem Maße aufgerissenen Augen war kein Erkennen. Das ganze LCL, einschließlich dessen, was er in seinen Lungen trug, war dabei, um ihn herum zu verdampfen und zu verbrennen, die schmelzofenartige Hitze an seinen Körper und seine ungeschützten, inneren Schleimhäute weitergebend, ohne dass der verdammte Anzug auch nur die kleinste Erleichterung bot. Shinji begann, sich zu wünschen, dass der Strahl des Engel endlich die Kontrolleinheit des Evangelions erreichen und ihn direkt ins Jenseits blasen würden, wenn dass nur diese unerträglichen Schmerzen beenden würde. Er konnte sich nicht herauswinden, er konnte nicht ausweichen, es wollte und wollte nicht aufhören. "HOLT MICH HIER RAUS!" hallten seine verzweifelten, rohen Schreie durch das Kontrollzentrum, die Gesichter der Techniker mit Schock und Besorgnis besprenkelnd. "ICH HALT DAS NICHT MEHR LÄNGER AUS! HOLT MICH HIER RAUS! HOL MICH RAUS, PAPA, HOL MICH HIER RAUS!" Ikari behielt den Bildschirm todernst im Auge, zeigte ansonsten jedoch nicht das geringste Wimperzucken. Nicht mal der für Shinji wohl erstmalige gebrauch des 'P'-Wortes vermochte bei ihm eine physische Reaktion auszulösen - Anders als bei Misato, für die die niemals endeden Schreie eine solch große Tortur waren, dass sie genauso gut selbst den Partikelstrahl hätte abbekommen können. Es war ihn nicht mehr möglich, ihre Emotionen zuverlässig hinter ihrer Fassade der Professionalität zu verbergen. "DIE BERGUNG DES PILOTEN HAT OBERSTE PRIORITÄT! ENTRY PLUG SOFORT AUSSTOSSEN!" rief Misato bebend. Sie hatte von ihm verlangt, dass er da wieder reinstieg. Sie hatte ihm das angetan. "Ignorieren." kam es von Ikaris tiefer, ernster aber noch völlig gefasster Stimme von seiner Empore im hinteren Teil des Raumes her. Misato drehte sich verständnislos um, wo vallerdings schon Dr. Akagi im Verlauf ihres Blickfelds stand, um eine Rechtfertigung abzuliefern: "Wenn der Evangelion seinen Piloten verliert, bricht das AT-Feld augenblicklich zusammen! Das können wir uns in dieser Situation nicht leisten. Misato brachte noch ein leises "Aber..." hervor, wandte ihren Blick jedoch von ihrer Kollegin ab, als sie begriff, dass diese Recht hatte. Wenn das AT-Feld zusammen brach, würde der Engel EVA 01 hinwegfegen wie Herbstlaub im Wind - und der Rest der Menschheit inklusive Shinji, falls der Entryplug nicht schon während des Ausstoßens geschmolzen worden wäre, würde auf dem Fuß folgen. Trotzdem konnte Misato nicht leugnen, dass es sie anwiderte das Dr. Akagi, Commander Ikari und in letzter Konsequenz auch sie selbst begannen strategisch zu denken, während sich ein vierzehnjähriges Kind da draußen in ihrem Namen die Lungen aus dem Hals schrie. Dieses groteske Theaterstrück... musste sofort enden. "Das reicht jetzt!" rief Misato entschlossen. "Notbergung des gesammten Sektors! Sprengt alle Halteklammern ab!" Per Knopdruck entzündeten sich die Sprengstoffkapseln unter der Stadt. Bäume schüttelten sich, LKWs stürzten in die Tiefe. Der ganze Stadtbezirk sank unter dem brennenden Strahl Ramiels in die Tiefe. Realisierend, dass er vorerst gesiegt hatte, stellte er den Beschuss ein und faltete sich triumphierend begleitet von einem metallischen Geräusch wieder zu seiner bevorzugten Oktaederform zusammen. --- Shinjis erste gedankliche Reakttion war "Nicht schonwieder" Da war wieder dieser Ort, der eigentlich keiner war, dieser Zustand, der von einem Gefühl eines warmen Fließens characterisiert wurde - Doch dieses Mal öffnete sich Shinji nicht für die traumhafte Landschaft, die sich ihm wie ein bizarres, nur in den Farben der Abendsonne gehaltenes Abbild des Zuges von vor elf Jahren präsentierte, wobei die Lücken in seiner Erinnerung mit der Straßenbahn von letzter Woche aufgefüllt zu sein schienen. Der Ort erschien ihm dreidimensionaler, begehbarer. Doch das interessierte ihn nicht. Das hier, dass hier hatte irgendetwas mit dem Evangelion zu tun und im Evangelion wollte er nicht sein. "Ich will den Evangelion nicht mehr steuern." sagte er in die Leere des lichtgetränkten Wagons hinein, sich trotzig vor dem Fluss der Wärme verschließend, die ihn umgab. Diese Wärme schmeckte für ihn nach der Hitze, die ihn versengt hatte. Er wollte nicht mehr. Er wollte einfach nicht mehr. Ja, er hatte sich nach den Ereignissen letzte Woche entschieden, hier zu bleiben und weiter zu machen, aber das war nur, weil er gedacht hatte, nachdem er letztes Mal gewonnen hatte, würde alles irgendwie besser werden, dass er... den Berg hinter sich hatte. Aber dieses Mal hatte er überhauptkeine Chance gehabt. Ihm fiel beim besten Willen nicht ein, was er hätte tun sollen... und es war wieder so schrecklich gewesen, noch viel schrecklicher als die letzten beiden Male. All dieses scheußliche Leid, die Schmerzen, die lupenreine Todesangst... Wozu eigentlich? Warum tat er sich das alles an? Weil Misato ihm ein mal gesagt hatte, dass er etwas gut gemacht hatte? Das hatte sich bald erübrigt. Genau so wie die anfängliche Begeisterung der anderen Kinder. Ein mal hatten sie alle was gesagt, aber eigentlich... Eigentlich... "Ich werd' ohnehin kaum gelobt weil eh immer alle davon ausgehen, dass ich gewinne... Und wenn ich verliere, dann hassen mich alle..." Und das war keine kindlich-vereinfachte Wahrnehmung, die er sich eingeredet hatte, das war eine reale Möglichkeit - Er hatte sein Leben als Bürger einer Welt verbracht, die sich gerade erst wieder von einem großen Schlag erholt hatte, und wie jeder, der die Impact-Kriege überlebt hatte, konnte er nicht anders als zu wissen, wozu Menschen in verzweifelten Situation getrieben werden konnten. Er hatte es zwar nicht persönlich genug miterlebt, um es zu kennen (Es war eher etwas, das im kollektiven Bewusstsein der Menschen vorhanden war, und von neuen Mitgliedern der Gesellschaft im Laufe ihrer Sozialisation daraus entnommen werden könnten) doch das machte es zu der Art von vagen, schemenhaften Phantom, dass man bis über die Grenzen der Vernunft hinweg fürchten konnte - Es war einfach Realismus. Wenn sich eine Katastrophe ereignen sollte, wenn die Menschen ihre Häuser und Existenzgrundlagen verlieren würden, ihr geregeltes Leben und ihre geliebten Menschen, würde es ihnen ziemlich egal sein, ob er ein ahnungsloser Junge gewesen war, dessen Alter bei den Erwachsenen dafür berüchtigt war, Ärger und mit sich zu bringen, besonders irgendwelchen fremden Leuten, die ihn nur kennen würden als 'der Typ, der alles verkackt hat'. Es war nicht einmal eine Frage der Spekulation, es gab klare Präzedenzfälle: Touji war es egal gewesen. Diesen Damen aus dem Supermarkt war es egal gewesen. Misato war es egal gewesen, als er ihren Befehl missachtet hatte. Er hatte vergeben, vergessen konnte er nicht, so gerne er das auch tun würde um sein Zusammenleben mit diesen Menschen, die ihm mittlerweile wichtig geworden waren, unbeschwert fortführen zu können. Er konnte in seiner Position als alleiniger Träger des Erdballes gar nicht anders, als es stetig im Hinterkopf zu haben: Wenn er verlieren sollte, wenn er irgendeinen Fehler machen sollte, vielleicht ohne es wirklich zu bemerken (Schließlich erklärte ihm hier niemand irgendetwas), würden die Überlebenden sich eigenhändig darum kümmern, seinen Kopf von seinen Schultern zu trennen. "Das heißt, wenn ich danach denn überhaupt noch lebe." Ja. Wenn er hier war, dann musste er noch leben aber... besonders lebendig fühlte er sich nicht. Und all diese Schmerzen, diese entsetzlichen Schmerzen... Es hatte sicher nicht viel gefehlt. Dabei hatte er doch gewusst, wie gefährlich das hier war. Neulich hatte er zwei Laserpeitschen in den Innereien. Und doch war er wieder reingestiegen... damit es alle wieder als selbstverständlich ansahen? Damit er wieder Schläge kassieren konnte, wenn er irgendeine Kleinigkeit falsch gemacht hatte, weil er zu beschäftigt damit war, seinen blanken Hintern zu retten? Das lohnte sich nicht. Selbst ein armseliger, gehorsamer Nichtsnutz wie er kapierte, dass diese Rechnung vorn und hinten nicht aufging. Was ihn wieder zu der Frage führte, die ihn schon plagte, seid er hierher gekommen war: "Was mache ich hier eigentlich?" Er hatte keinen wirkliche Grund, zu bleiben... Warum war er geblieben, warum war er überhaupt gekommen? "Ich habe gehofft, dass sich vielleicht mal etwas ändert, dass mir vielleicht mal etwas Gutes passiert..." konnte er den naiven, dummen kleinen Jungen in sich sprechen hören, der sich nichts weiter wünschte, als dass sein Varer ihm mal stolz auf die Schulter klopfen würde. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier durch die Hölle gehen muss." setzte sein enttäuschtes, jetziges selbst hinzu. Er sah sich selbst verzweifelt mit der viel zu großen Tasche dasitzen, wie er vor elf Jahren dagessen hatte. Dann war er sich also mit sich selber einig. Er war naiv und dumm gewesen, als er sich entschieden hatte, hier zu bleiben. Es hatte ohnehin von Anfang an keinen Sinn gemacht... Doch dann durchbrach eine helle, hohe Stimme die Finsternis dieses Ortes, ein wundersames, entschlossenes Mädchen das aufrecht in der Mitte des Wagons stand, in dem er nur geknickt zu sitzen versuchte, sie, deren Licht in all der Zeit, die er schon an diesem dunklen Ort gewandelt hatte, einem Leuchtturm gleich aus der Ferne für ihn geleuchtet hatte, die nie ganz aus seinen Gedanken verschwinden konnte, selbst jetzt nicht, wo sie ihn vermutlich hassen musste. Erst viel später würde er vertehen, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen hatte, in seinem Herzen die Hoffnung zu repräsentieren, die Hoffnung darauf, dass die Menschen einander verstehen können, dass es Misato und die anderen es mit ihm ernst meinten. Die Hoffnung darauf, dass er ihr trotz allem näher kommen würde, dass er vielleicht eines Tages handeln können würde, ohne sich hinterher dafür schämen zu müssen, so wie damals, als er sie beschützt hatte, als er an ihrer Stelle in den Evangelion geklettert war. Die Hoffnung darauf, dass er sich hier etwas reales aufgebaut hatte, dass er verlieren würde, wenn er jetzt ging. Die Hoffnung darauf, das er ein besserer Mensch werden konnte. "Dann willst du also wieder weglaufen, wie du bis her immer vor unangenehmen Dingen weggelaufen bist?" fragte sie, es ihm selbst überlassend festzustellen, dass sie nicht so anklagend klang, wie sie es hätte sollen. "Könntest du damit leben?" "Leben?" Shinji wischte die klagende Stimmen in seinem Hinterkopf zurück, und reagierte mit einer bizarren Mixtur aus Resignation und Trotz. Es brachte doch eh alles nichts. "Wozu lebe ich denn überhaupt?" fragte er in den Raum hinein, offen legend, was wirklich hinter seinem häufigen Gegrübel darüber steckte. "Ich will nicht sterben, aber eigentlich bin ich doch für niemanden wichtig. Nicht für Vater, nicht für Misato-san... Sie brauchen mich nur, damit ich den Evangelion steuere." gestand er sich selbst fast schon ärgerlich ein. Er wollte eigentlich ja hier sein aber... er wusste nicht, ob das so in Ordnung war. Er hatte Angst, zu verschwinden, weil ihn ein Engel in Stücke gerissen hatte, aber die Wahrheit war, das er genau so viel Angst davor hatte, zu verschwinden, weil er es nicht wert war, zu existieren. Die Wahrheit war, dass er schwach war. Und er hasste sich dafür, dass er so schwach war aber er hielt es nicht aus. "Ich muss also wieder in den Evangelion steigen. Wenn ich es nicht mache, hab ich gar kein Recht, hierzubleiben..." Er hielt es nicht aus, dass einfach alles ohne ihn weitergehen sollte, dass er einfach wieder vergessen sein würde... Das Misato, und Touji, und Kensuke und sein Vater und Ayanami... einfach so weiterleben würde, als ob er nie hiergegewesen wäre. Aber er hatte auch die Stärke für das alles nicht und er ertrug diese Schmerzen nicht. Er konnte es nicht, er konnte es einfach nicht. Es war eigentlich fast schon Erpressung, was sie da mit ihm machten. Nein... Er konnte es nicht und es lohnte sich auch gar nicht. "Aber was ist, wenn ich es mache, und dann....-" Er kniff seine Augen halbherzig zu, als der helle Schein dessen, wass er für seine Vernichtung hielt, in goldenen Wogen auf ihn zukam, ihn einhüllte und inmitten des heißen Lichts verbrennen ließ, bis nichteinmal mehr Asche von ihm übrig blieb. --- "EVA 01 geborgen!" "Ich gehe zum Cage!" kündigte Misato an, eilig den normalerweise von Commander Ikari verwendeten Ein- bis Zweipersonenaufzug besteigend. "Kümmert euch um den Rest!" "Das werde ich." versicherte Dr. Akagi, sich dann ihren Untergebenen zuwendend, um angesichts der ernsten Situation rasch weitere Befehle zu verteilen. "Rettungsteam bereithalten. Wir müssen unverzüglich das LCL abkühlen." "Gehirnwellen des Piloten instabil. Puls sehr schwach!" berichtete Hyuuga. "Lebenserhaltungssysteme auf Maximum! Und defibrilieren!" "Sofort!" Ein Ruck ging durch den reglosen Körper des Jungen, der inmitten des immernoch teilweise im Verdampfen befindlichen LCLs trieb. "Herzschlag bestätigt!" kam es von Hyuuga. Doch Dr. Akagi wusste, dass noch lange keine Zeit war, um erleichtert aufzuatmen: "Holt den Entryplug raus! Lasst das LCL raus!" Weil der gesammte Evangelion inklusive der halbgeschmolzenen Luke komplett am Rauchen war, musste man das Steuerungsmodul automatisch aus dem Entryplug heben lassen - Misato konnte nur durch eine Glasscheibe hindurch zusehen, wie man ihn stark aus Mund und Nase blutend aus dem selbst nach ablassen des LCLs noch dampfenden Plugs holte - das Rettungsteam musste mit Hitzeschutzanzügen auftauchen, um Shinji abzutransportieren und Misato konnte nichts tun, als seinen Namen zu flüstern. Sie ging mit als man ihn immernoch in seinem Plugsuit, aber mit einer Atemmaske auf dem von Schweiß und LCL verklebten Gesicht in einen OP karrte und musste schließlich vor dessen verschlossener Tür stehen bleiben, während man ihm dahinter den Plugsuit vom Leib schnitt und mit Elektroden vollgeklebt und einer Atemmaske auf dem Gesicht in eine schwarze Lebenserhaltungskammer steckte, die eine unangenehme Ähnlichkeit zu einem Sarg aufwies. Das einzige, was der Leiterin der Einsatzabteilung in diesem Moment durch den Kopf schoss, war das Wort "Scheiße." Doch sie hatte keine Zeit, um jetzt herumzustehen, über ihnen schwebte immer noch der Engel, und hatte, auch wenn Misato dies noch nicht wusste, bereits mit der nächsten Phase seines Planes begonnen und seine untere Spitze zu einem Bohrer verdreht. Sie musste sich schleunings einen Plan einfallen lassen, damit so ein Desaster nicht noch einmal vorkommen konnte. Das war sie ...dem Jungen, der für sie alle sein Leben riskiert hatte, eindeutig schuldig. --- "Kensuke?" Was auch immer der angesprochene Junge am PC getrieben hatte, er klickte das Fenster schleunings Weg. "P-Papa? Du bist schon zuhause?" "Ich bin nur für einen kurzen Zwischenstopp hier... Heute dürfte ein anstrengender Tag werden... Ich komme vermutlich ert spät hier. Was machst du an meinem PC?" "G-Garnichts, Ich... Ich installiere an meinem gerade ein neues Spiel, das dauert ein bisschen, also dachte ich mir-" "Schon okay. Jedenfalls hat dein Freund eben angerufen und gesagt, das du ihn zurückrufen sollst." "Mein Freund...? Welcher denn? Ikari etwa?" "Der große mit den Segelohren... Suzuhara, denke ich..." "Touji?!" Kensuke sprang von seinem Stuhl auf und stürmte an seinem etwas verdutzt wirkenden Vater vorbei in richtung Telefon. Er war schon halb damit fertig, die Nummer zu wählen, als ihm einfiel, dass er nicht allein im Zimmer war. "Uh... Kümmere dich nicht um mich, Paps. Hol dir was zu knabbern und so, okay?" "O-Okay..." --- "NA ENDLICH!" kam es vom anderen Ende der Leitung. "WAS HAT DENN SO LANGE GEDAUERT!" "Jetzt reg dich mal nicht so auf." bat Kensuke, den Hörer etwas von seinem Ohn weghalten. "Mein alter Herr hat mir gerade erst gesagt, dass du angerufen hast, und ich musste warten, bis die Luft rein war. Also sag schon, was ist denn los?" "Man hat uns wieder aus den Schutzräumen gelassen aber... ein gutes Stück de Stadt ist noch gesperrt. Du weißt doch immer über so einiges bescheid... Hast du irgend 'ne Ahnung davon, was da eigentlich abgeht..." "Tja, gerade das habe ich gerade in Erfahrung gebracht!" berichtete Kensuke nicht unbedingt bescheiden. "Gut, dann raus mit der Sprache!" "Na ja, so wie's aussieht haben die die Sperrung der Stadtmitte noch nicht aufgehoben... weil sie den Kampf noch nicht gewonnen haben." "Was sagst du da?" "Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann sitzt der neuste Engel immer noch unbehelligt in der Innenstadt. Das ist alles etwas kompliziert aber... anscheinend hatte das Viech eine Waffe, mit deren Stärke die von NERV nicht gerechnet haben. Der EVA soll regelrecht getoastet worden sein..." "WAS?!" rief Touji entgeistert in das Telefon, das Trommelfell seines Freundes erneut einer schweren Prüfung aussetztend. "Was ist mit Ikari?! Sag mir nicht, dass er-" "Oh, jetzt gibst du also zu, dass du dir sorgen um ihn machst?" "N-Natürlich tu ich das! Er gehört doch jetzt zu uns, nicht? Also raus mit der Sprache, was ist los!" Kensuke setzte ein kleines Lächeln auf, das Touji am anderen Ende der Leitung zwar nicht sehen, aber durchaus aus dem zufriedenen Tonfall seines Freundes heraushören konnte. "Er ist okay." Touji atmete erleichert aus. "Es war ziemlich knapp und er wäre beinahe abgekratzt, aber er ist okay, die kriegen ihn wieder hin." "Irgendwie... mach ich mir trotztdem Sorgen um ihn...." gab Touji dann zu. "Du weißt ja, wie Ikari ist. Den letzten Kampf hat er gewonnen, und er war danach trotzdem so fertig, dass er um ein Haar die Stadt verlassen hätte... wenn er wirklich fast abgekratzt ist, dann... dann würde es mich nicht wundern, wenn..." "...wenn er nicht mehr ohne weiteres in den EVA steigt..." vervollständigte Kensuke. "Hm..." Touji schien scharf nachzudenken. "Wir... wir müssen irgendwas tun... Letztes Mal war ich zu feige, um mich sofort bei ihm zu entschuldigen und deshalb muss er sich vorgekommen sein, als ob er diese ganzen Anstrengungen umsonst auf sich genommen hätte. Ich hätte auch mir selbst einiges ersparen können... Du hattest recht. Und meine Schwester hatte auch recht. Dieses Mal muss es anders werden. Wir müssen ihm zeigen dass er... jetzt nicht mehr allein ist... Kensuke? Kannst du 'n paar Dinge für mich in Erfahrung bringen?" "Zu Befehl, Sir! Was darf's denn sein?" "Hol mir 'ne Klassenliste mit den Telefonummern drauf. Die Nummer von Ikari auch! - also nicht seine Privatnummer, die hab ich ja, aber ich denke nicht, dass er für's kämpfen sein Handy mitnimmt. Es muss bei NERV irgendwo so 'n PR-Büro geben oder sowas, hol davon 'ne Nummer. Und.. finde raus, wann und wo er als nächstes zum Kampf aufbricht." "Wieso? Ich hätte nicht gedacht, dass du so viel Interesse daran hast, noch mal 'nen Kampf zu sehen, nach dem wir letztes mal fast plattgewalzt worden wären...." "Das hab ich auch gar nicht. Ich will ihn vor dem Kampf anfeuern! Am besten zusammen mit der ganzen Klasse. Und vielleicht können wir Ayanami überreden, in einem Cheerleaderkostüm zu kommen, immerhin scheint unser großer Weltretter ja ein auge auf sie geworfen zu haben." setzte er nicht ganz ernst gemeint hinzu. Kensuke lachte. "Ich fürchte, daraus wird nichts. Ayanami soll dieses mal nämlich auch im Kampf eingesetzt werden. Ich kann es kaum erwarten, ihren Evangelion zu sehen! Wenn der genau so obercool aussieht wie der von Ikari... Oh, ich wünschte, ich könnte auch einen steuern!" "Kensuke..." --- Doch bevor die beiden Jungen Ort und Urzeit des Starts in Erfahrung bringen konnten mussten diese erst einmal festgelegt werden - genau so wie der ganze Rest der Strategie. Denn nachdem die übliche 'AT-Feld neutralisieren und draufhauen' Methode in die Hose gegangen war, stand bei NERV zunächst einmal eine Krisensitzung auf dem Programm. In einer Art Beratungsraum um einen (Mittlerweile mit leeren Kaffeedosen der Marke Schléich Werbüng vollgestellten) Tisch mit integrierten Bildschirmen versammelt beriet man, was nun zu tun sei. Anwesend waren unter anderem Misato, die sich die Haare mittlerweile zu einem Zopf gebunden hatte, um sich selbst das Gefühl zu geben, jetzt 'richtig' in Aktion getreten zu sein, wie auch Dr. Akagi mit ihrer Assistentin Ibuki, ferner auch Hyuga, Aoba, der ältere Mitsurugi und Rei, die immer noch in ihrem Plugsuit in einer Ecke des Raumes saß, und die alte Brille des Commanders festhielt. Sie schien aufmerksam zuzuhören, bewegte sich jedoch genau so wenig von der Stelle, wie sie etwas sagte, sodass man sie ohne die auffällige Kleidung und Haarfarbe genau so gut hätte übersehen können. Ihre weiße Kleidung ließ sie in der Finsternis wirken wie eine geisterhafte Erscheinung. Wenn man genauer hinsah, hätte man allerdings bemerken können, dass sie um irgendetwas besorgt zu sein schien. "Okay, okay..." eröffnete Misato die Sitzung, etwas mit dem Stift in ihrer Hand herumspielend. "Sehen wir uns mal die bis jetzt gesammelten Daten an." "Aufgrund von verschiedenen Experimenten nehmen wir an..." begann Mitsurugi. "...Das der Engel jede potentielle Bedrohung, die sich ihm bis auf eine bestimmte Distanz nähert, mit dem Partikelstrahl unter Beschuss nimmt und zerstört." "Einen Nahkampf mit diesem Engel können wir also knicken..." folgerte Misato alles andere als erfreut. "Was ist mit dem AT-Feld?" "Es... ist dauerhaft aktiv und der Phasen-Raum Vrschiebung nach zu urteilen, wird es nur sehr schwer zu neutralisieren und... kaum zu durchbrechen sein..." erklärte Maya. "Angriffe mit Bomben oder Induktionskanonen sind zwecklos..." setzte Hyuuga hinzu. "Angriff und Verteidung sind nahezu perfekt... Das Ding ist praktisch eine fliegende Festung... Sie sagen, Bomben würden nichts bringen?" "Nun, laut den Magi wäre um das AT-Feld zu durchbrechen eine N-2-Mine von solcher Sprengkraft nötig, dass das Hauptquartier unweigerlich mit zerstört würde..." "Magi-2 in Matsushiro... kommt zu dem selben Ergebnis." vervollständigte Dr. Akagi. "Die UN fordert uns jedoch trotzdem auf, diese Option in Betracht zu ziehen." "Ob die das wohl auch sagen würden, wenn sie selbst das Ziel wären? Und wenn wir uns opfer ist sowieso alles aus..." Misato, die sich bis jetzt etwas zurückgelehnt hatte, setzte sich wieder gerade hin. "Was ist eigentlich mit diesem nervigen Bohrer?" "Er hat einen Durchmesser von etwa 17,5 Metern, der Feind hat damit inzwischen die zweite Sicherheitspanzerung durchbrochen und arbeitet sich weiter in Richtung Geofront vor." berichtete Mitsurugi. "Er hat gerade seinen Spaß mit ebene drei." "Dann will der Feind uns dieses mal also direkt angreifen..." stellte Misato fest. Das wurde hier ja immer schöner. "Nach unseren Computersimulationen..." setzte Aoba fort "...gehen wir davon aus, das der Engel, wenn er seine bisherige Geschwindigkeit beibehält, morgen um Null Uhr, sechs Minuten und 56 Sekunden alle 22 Zwischenpanzerungen durchbrochen haben wird und die Geofront erreichen wird." "Dann haben wir gerade mal zehn Stunden...." wiederholte Misato, deren Nasenflügel zur Zeit bedenklich am zucken waren. Zwickt ganz schön, diese Mühle... "Was ist mit EVA 01?" "Ist noch vom Kampf beschädigt und nicht voll einsatzbereit. Die komplette Brustplatte und große Teile der tertieren Außenpanzerung sind hoffnungslos durchgeschmolzen." berichtete die falsche Blondine. "Wir haben Glück, dass zumindest die zentrale Steuerungseinheit verschont blieb." "Noch drei Sekunden länger, und wir hätten den EVA abschreiben können..." präzisierte Ibuki. "Das alles zu ersetzten dauert mindestens drei Stunden." "Verstanden..." bestätigte Misato alles andere als froh. "Was ist mit Einheit Null?" "Ist nicht voll kalibriert und daher ebenfalls noch nicht voll einsatzbereit." berichtete Ibuki weiter. "...Der Aktivierungstest ist gut verlaufen, aber da ist immer noch dieses Feedback-Problem." "Einen richtigen Kampfeinsatz damit..." "...konnen wir also vergessen..." verfollständigte Misato, ihrer blonden Kollegin die Worte aus dem Mund nehmend. "Wie schwer ist der Pilot von Einheit Eins verletzt?" "Physisch überhaupt nicht. Seine Nervenimpulse sind zwar um 0.8 höher als normal, aber das ist immernoch im Toleranzbereich." "Noch 9 Stunden und 55 Minuten bis zum Durchbruch." berichtete Hyuuga, jegliche Hebungen von Misatos Laune dadurch, dass Shinji recht glipflich davongekommen war, wieder zu nichte machend. "Die Situation sieht nicht gerade rosig aus, was?" "Jah. Das kann man wohl sagen. Uns sind echt die Hände gebunden." stimmte die Leiterin der technischen Abteilung zu. "Sollen wir die weiße Flagge hissen?" schlug Hyuga halb scherzhaft vor. "Keine schlechte Idee..." antwortete Misato mit einem verschlagenen Grinsen, offenkundig so etwas wie eine Idee ausbrütend. "Es gibt aber noch so eine klitzekleine Sache, die ich vorher ausprobieren würde..." --- "Sie wollen den Engel aus großer Distanz direkt unter Beschuss nehmen?" fragte der Subcommander ein wenig ungläubig. "Ja. In der gegebenen Situation bleibt und keine andere Möglichkeit, als das AT-Feld des Engels mit einer Hochenergiewaffe zu durchbrechen, da wir es nicht neutralisieren können." "Was sagen die Magi dazu?" wollte der Commander wissen. "Laut dem Votum unserer drei Magi-Supercomputer ist der Plan durchführbar, beziehungsweise bedingt durchführbar mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 8,7%." "Es ist der erfolgversprechendte Plan, den wir haben. Tun Sie es." "Ja, Sir." --- "Der Plan, den du dir da ausgedacht hast, ist kompletter Wahnsinn!" "Absurd? Die Operation ist absolut durchführbar. Wenn du einen besseren Plan hast, der in neun Stunden durchführbar ist, dann nur her damit, ich bin ganz Ohr." Dr. Akagi schien nicht wirklich überzeugt. "...Bist du dir da sicher?" --- "Unser Positronengewehr ist nicht ausgelegt, um solchen Energiemengen standzuhalten. Damit könnten wir dieses AT-Feld nicht einmal kratzen. Was willst du deswegen tun?" "Das ist doch klar. Wenn das hier nicht genug Power hat, dann leihen wir uns eben eins aus, dass mehr drauf hat." "'Ausleihen?' Meinst du etwa-?" "Ja genau." Misato grinste ihre Kollegin selbstsicher an. "Du hast doch auch diesen Geheimdossier über diesen neuen Prototypen der Regierung gekriegt, nicht?" --- "Hiermit beschlagname ich diese Positronenkanone hier kraft meiner Vollmachten als NERV-Angehörige zum Zwecke der Landesverteidingung." verkündete Misato, scheinbar ganz in ihrem Element, während sie dem nicht wirklich glücklich aussehenden Offizier und seinem Schwarm aus bedröpelt drein blickenden Wissenschaftlern einen Stapel Papier ins Gesicht hielt. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. "A-Aber..." "Wir werden unser besten tun, um ihnen ihr Eigentum im ursprünglichen Zustand zurückzugeben. Danke für ihr Verständnis." erklärte Misato souverän, sich lässig umdrehend, um Rei zu signalisieren, dass sie die Waffe jetzt mitnehmen konnte. Die Militärs staunten nicht schlecht, als das ganze Dach ihres Hangars von dem einäugigen, orange lackierten Koloss zur Seite geschoben wurde. "Sei vorsichtig damit." merkte Misato noch an. "Das Ding ist ganz schön empfindlich." "Aber... um dieses AT-Feld zu durchbrechen, sind nach unseren Berechnungen mindestens 180 Kilowatt nötig..." merkte Hyuuga, der ebenfalls mitgekommen war, vorsichtig an. "Woher soll diese ganze Energie bloß kommen?" Doch auch auf diese Frage hatte Misato bereits eine Antwort gefunden. Ihr selbstbewussten Grinsen verließ ihr Gesicht nicht für eine Sekunde: "Na von überall her!" erwiederte sie folglich lakonisch. "Aus unserem ganzen Land!" --- "Aufgrund einer Kriesensituation muss heute von 11:30 bis vorraussichtlich morgen früh das öffentliche Stromnetz vorrübergehend abgeschaltet werden. Wir danken für ihr verständnis." Die selbe Nachricht erschien zeitgleich auf Millionen von Fersehbildschirmen, Werbetafeln und Nachrichtenübermittlungsgeräten; Die Durchsage hallte durch alle Straßen, durch Sprechanlagen oder von Hubschraubern aus verbreitete sich die Landschaft im ganzen Land - Auch Touji und Kensuke, die sich um sich die Aufregung und die Sorgen zu vertreiben, zum Videospielen zusammengesetzt hatten, starrten auf den Bildschirm vor dem sie nach einem kurzen Besuch beim örtlichen McDonalds zum Videospielen zusammengesetzt hatten. "Glaubst du... dass das... damit zu tun hat?" fragte Touji, nachdem sich die Nachricht zu wiederholen begonnen hatte. "Na... sicher!" meinte Kensuke, bei dem anfänglichen Laut erst etwas unsicher, bei dem darauf folgenen Wort jedoch schon ziemlich überzeugt. "Misato-san hat sich sicher irgendeinen coolen Plan einfallen lassen..." "Ach, Misato-san... So 'ne hübsche Schnitte, und dann auch noch mit Grips..." "Ein Jammer, dass wir uns das Ergebnis dieses Plans nicht ansehen können... Hey, Touji, können wir nicht-" "Kommt nicht in die Tüte. Einmal fast zerquetscht zu werden und dann auch noch von meinem Vater das Taschengeld gestrichen zu bekommen, reicht mir vollends. Aber in einem hast du recht... Wir sollten hier nicht mehr rumsitzen. Wir haben 'nen Plan auszuführen, bevor die uns in die Schutzräume pferchen..." "Genau!" --- Auch Hikari, die auf ihrem Laptop noch etwas für die Schule recherchiert hatte, blickte verdutzt auf den Fernseher, den sie bis da hin nicht beachtet hatte. Es stand wohl ein weiterer Kampf an... sie hoffte nur, dass dieses Mal alles gut laufen würde - dieses Mal würde sie ein besonders schwarfes Auge auf die beiden Störenfriede werden - nicht, dass sie sich am Ende etwas brachen.... --- Auch Nagato Mitsurugi hörte die Durchsage, während er, nach erledigen der Hausaufgaben, mit ein paar Sudokus beschäftigt gewesen war. Er wusste, dass ein erneuter Kampf bevor stand - Sein Vater hatte angerufen und erklärt, dass er wohl erst in den frühen Morgenstunden zurückkehren würde. Das hieß wohl, dass die beiden Children einen Kampf vor sich hatte. Es kam ihm immernoch ein bisschen unwirklich vor, dass normale Kinder, die bis jetzt ganz gewöhnlich im selben Klassenzimmer gesessen hatten, wie er, jetzt als Soldaten da draußen standen und kämpfen würden... Es war einfach zu irrwitzig. Dieser schüchterne Junge, der ihn gestern angesprochen hatte... Es fiel Nagato schwer, sich ihn als Kämpfer vorzustellen. Eben hatte seine zwei Freunde angerufen - zwei recht tratschfreudige, aufgedrehte Gesellen, in deren Gegenwart sich Nagato eher eingeschüchtert und unwohl fühlte... Die sahen ihm wie die chaotische Sorte aus, die ganz plötzlich auf jede mögliche Idee kommen könnten und er glaubte nicht, dass er damit auskam... Er fragte sich, wie die zwei sich mit einem eher ernsten, zurückhaltendem Wesen wie Ikari angefreundet hatten... Die Zwei hatten vorgeschlagen, dass die ganze Klasse zusammenkommen sollte, um Ikari und dieses seltsame Mädchen anzufeuern... er hatte abgelehnt, schließlich sollten sie rechtzeitig in die Schutzräume und so weiter. Es... es sollte schon alles seine Ordnung haben. Dort aufzutauchen, nachdem er gesagt hatte, dass er das nicht tun würde, würde nur dazu führen, dass sie ihn mit seltsamen Fragen löchern würden. Das stand außer Frage. Dennoch fragte sich Nagato, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sicher, er kannte diesen Jungen kaum, und das Mädchen noch viel weniger... aber ersterer hatte versucht, nett zu ihm zu sein... dachte er zumindest. Außerdem würden die Beiden, wie sein Vater es ihm oft genug erklärt hatte, heute Nacht die ganze Erde verteidigen.... Vierzehnjährige als Retter der Erde. Das kam ihm schon seltsam vor, als sein Vater es ihm erklärt hatte. Und dann mussten es auch noch diese Vierzehnjährigen sein... Nagato war guit genug erzogen, um dazu keine Kommentare abzugeben, aber... welche Eltern erlaubten es ihrer Tochter, sich die Haare dermaßen radikal zu bleichen und dann auch noch knallblau zu färben? Seltsam war sie auch noch... Nagato schätzte, dass ihn das ganze wohl nichts anging... Er legte seufzend seine Sudokus beiseite und erhob sich von seinem düsteren Schreibtisch, die Vorhänge von einem der Fenster seines Zimmers leicht zur Seite ziehend. Da stand immer noch dieses riesige, blaue Ding in der sich legende Abendsonne, sich langsam, aber stetig drehend. Ihr Haus lag nicht all zu weit von der Sperrzone weg... er hatte schon gestutzt, als er aus den Mündern der anderen Schüler hatte hören kommen, und es auch seinem Vater zunächst nicht abgekauft. Er konnte es nicht fassen, dass es tatsächlich da wear. --- "Was ist mit unserer Verteidigung?" fragte Misato durch das Intercom. "Mehr als ein Schild konnten wir auf die Schnelle nicht auftreiben." "Das ist... ein Schild?" fragte Maya ungläubig. Dr. Akagi nickte. "Es ist ein Hitzeschild von der Unterseite eines Spaceschuttles. Es sieht vielleicht sperrig aus, aber es ist mit einem speziellen, elektromagnetisch abschirmenden Material überzogen. Es solte dem Partikelstrahl etwa 17 Sekunden lang stand halten. Sektion 2 garantiert dafür... nicht wahr?" Asahina, die sich etwas abseits von den beiden anderen Frauen in ihrem schwarzen Kostüm nicht ganz an diesen Ort passend an das Geländer gelehnt war, gab einen simplen, bejahenden Laut von sich. "Mit großen Glück dürften sie sogar auf zwanzig Sekunden kommen." "Sehr gut." meinte Misato. "Wie kommt der Zusammenbau der Waffe vorran?" "Wir liegen 3,2 Prozent hinter dem Zeitplan." meldete sich einer der Techniker. "Aber wir werden heute um 23:10 auf jeden fall fertig sein." "Das ist schön." "Mag sein..." meldete sich wieder Dr. Akagi. "Aber du verlässt dich da auf eine noch völlig ungetestete Waffe und pumpst noch nie da gewesen Energiemengen da rein. Es gibt für das Ding noch nicht einmal ein Zielführungssystem, dass heißt, wir brauchen einen Evangelion, um es abzufeuern... Das die UN-Streitkräfte bei der Aktion mitspielen, wundert mich nicht, aber wie hast du eigentlich das Innenministerium und die japanischen Streitkräfte überzeuigt?" "Der eine oder andere war... mir noch einen Gefallen schuldig." "Ich schätze spezielle Umstände brauchen spezielle Maßnahmen...." "Apropos... Von wo feuern wir eigentlich?" Hyuga ließ per Tastendruck eine Karte auf einem der Bildschirme erscheinen. "Es gibt nur einen Ort, der über den nötigen Abstand zum Zielobjekt, passende geographische Gegebenheiten und die Infrastruktur für die Energieversorgung verfügt." erklärte er. Misato betrachtete den Bildschirm zufrieden. "Natürlich... warum bin ich nicht selbst darauf gekommen? Okay. Wir feuern also vom Gipfel des Futagoyama! Wie läuft es mit Einheit Eins?" "Wir erweitern die Ausrüstung gerade um einen Typ G-Universalsockel für bauartfremde Feuerwaffen." "Gut. Beginn der Operation ist morgen um Null Uhr. Der Codename für die Operation lautet ab jetzt 'Operation Yashima'!" verkündete Misato. "Jetzt fehlt also nur noch der Pilot!" "Nur noch ist gut." kommentierte Dr. Akagi. "Was machst du, wenn er sich weigert?" Misato verengte ihre Augen. Sie würde sehr gerne auf diesen Jungen vertrauen, der ihr so ähnlich war, aber realistisch gesehen war Dr. Akagis Besorgnis alles andere als fehl am Platz. Sie hatte ihren Teil getan, die Ausrüstung besorgt, den Plan geschmiedet... und Ritsuko war zusammen mit ihren Technikern dabei, Shinji das abschießen der Waffe so leicht wie möglich zu machen... Aber würde das ausreichen, um ihm das zu zeigen, was Misato schon seid fast zwei Monaten in seinen Kopf zu bekommen versuchte? Würde es ausreichen, um ihm zu zeigen, dass er diesen Kampf nicht allein bestreiten musste? --- Tja, genau das war es, was Touji Suzuhara durch den Kopf ging, als er nach getanem Anruf den grün lackierten Telefonhörer in den Händen hielt. Um sie herum hallten die durchsagen wieder, begleitet von den Schritten tausender Menschen, die auf dem Weg in die Sicherheit der warmen, hellen Bunker waren. Hikari, welche bei der Menge auf sie wartete, um sicherzugehen, dass sie auch mitkamen, wurde schon langsam ungeduldig. "Na dann... lass uns gehen." meinte Touji mit einer gewissen Anspannung zu seinem Kumpel, der ihm mit einem simplen 'Yah' antwortete. Die beiden wollten sich schon von den Telefonen entfernen, als sie aus der Menge heraus angeprochen wurden: "...Wartet noch!" Es war der neue, dieser Mitsurugi, klar erkennbar an dem Kopfverband. Einen Moment dachten die beiden, so etwas wie Verunsicherung bei ihm zu erkennen - aber auch nur einen Moment lang. "Verzeiht bitte, dass ich erst jetzt darauf komme. Es war nicht meine Absicht, Verzögerungen zu verursachen." entschuldigte er sich bezogen auf das Thema des Gesprächst erstaunlich nüchtern. "...Könnte ich bitte, ebenfalls...?" Die beiden Freunde blinzelten Mitsurugi verdutzt an. Sie hatten bis her den Eindruck gehabt, dass er eine Art Streber oder Einzelgänger war, hatte er sich doch auch nicht für den kleinen Ausflug zur Startrampe gemeldet - Das er sich um Shinji sorgte, obwohl er ihn kaum kannten, hätten sie ihm nicht zugetraut. "Schon gut, Mitsurugi-kun." meinte Hikari. "Aber beeile dich! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!" --- "Der Pilot von Einheit Eins macht mir Sorgen." gestand Fuyutsuki nachdenklich, zum großen Fensters des Büros herausblickend. Sein Vorgesetzer saß hinter ihm mitten in der Finsternis, in seiner unordentlichen Uniform, verschanzt hinter seinen getönten Brillengläsern, abgewendet von den Lichtstrahlen der Welt, an der er schon vor langer Zeit jedwedes Interesse verloren hatte. "Der Dummyplug ist noch im Versuchsstadium. Bis er verfügbar ist, sind wir auf den derzeitigen Piloten angewiesen." "Und wenn er sich weigert? Gehirnwäsche?" Es kam Ikari nicht in den Sinn zu fragen, für was sein Kollege eigentlich hielt. Er wusste ganz genau, für was er und alle anderen hier ihn halten mussten, und er wusste, dass er es so oder so nicht ändern können würde. Also sparte er sich seinen Atem, und sagte statt dessen etwas, von dem er glaubte, dass es die Zweifel des Professors fürs erste beschwichtigen würde. "....Im Notfall haben wir ja immer noch Rei." "...Rei soll Einheit Eins steuern?" Fuxytsuki drehte sich ungläubig ein Stück weit zu seinem Vorgesetzten. "Das ist viel zu gefährlich..." "...Um die verbleibenen Engel zu besiegen... Müssen wir alle Ressourcen einsetzten, die uns zur Verfügung stehen." Fuyutsuki drehte sich wieder um, nicht wirklich befriedigt den Horizont musternd. "Es steht so viel auf dem Spiel..." Ikari sparte sich alle weiteren Kommentare. Er hielt sie nicht für nötig. Natürlich war er sich aller Risiken und Variablen bewusst, die ihr Vorhaben von Anfang an begleitet hatten - Aber ein großer Teil von alledem war schon seid dem Anbeginn der Zeit in Stein gemeißelt. Außerdem hatte er bezüglich des Third Childs... bereits gewisse Maßnahmen in die Wege geleitet... --- Das Blauhaarige Mädchen saß auf ihrem Stuhl wie eine Statue auf ihrem Sockel, mit enger Beinhaltung, die Schultasche auf ihren Schenkel angeordnet, die Hände links und rechts um das Brillenetui des Commanders angeordnet. Wortlos, reglos mit einer Haut weit wie Marmor saß sie da, den Kopf immerfort dem 'Besetzt'-Schild des Operationssaals zugekehrt, bis das Licht dahinter verlöschte. --- 07: [You are (not) alone] oder: [In front of the person I admire] --- I've been watching your world from afar I've been trying to be where you are And I've been secretly falling apart Unseen To me You're strange and you're beautiful And you'd be So perfect with me but you just Can't see You turn every head but you don't see me I'll put a spell on you You'll fall asleep 'Cause I put a spell on you And when I wake you I'll be the first thing you see And you'll realize that you love me -Aqualung, 'Strange and beautiful' --- Shinji erinnerte sich wage daran, an einem dunklen Ort die Augen geöffnet zu haben, nur um von blendend hellen Licht wieder in der Welt der Lebenden willkommen geheißen zu werden. Er spürte das Licht immer noch unter seiner Haut blühen und tanzen, hell wie die Mittagssonne, kribbelnd und reizend wie eine Ameise, fluktuierend wie die Höhe von bewegtem Wasser. Das Nachleuchten des Höllenfeuers strich fast schon sanft um jeden Winkel seiner Form, jede noch so kleine Hautfalte, jedes einzelne Haar einhüllend, das einzige, was ihm in diesem klammen Zustand zwischen sein und nicht sein begleitete, und ihm sachte zuflüsterte, dass er die Grenze zu letzterem noch nicht überschritten hatte. Die Erinnerungen hatten sich nicht nur in sein Fleisch, sonder auch in seine Seele gebrannt zu haben - Sie umgab ihn wie ein Flammenkranz aus flüssigem Metall, eine Hitze so göttlich, ein Schmerz so heftig, dass man ihn kaum noch als solchen zu erkennen vermochte... es fühlte sich zum Ende hin einfach nur an wie gleißendes, alles verschlingendes Licht, das ihm alle Sinne geraubt hatte, in diesen letzten Augenblicken, bevor er das Bewusstsein verloren hatte - den Moment selbst hätte er nicht mehr benennen können - als selbst der Wunsch danach, endlich vernichtet und auf den nackten Kohlenstoff reduziert zu werden, damit er endlich nicht mehr leiden musste, wie er es die letzten vierzehn Jahre seines Lebens pausenlos getan hatte, und sich vorkam, als sei er ein Stern geworden, oder vielleicht eine himmlische Erscheinung, immerfort brennend, ohne zu verbrennen, unerhört nach einem Mann schreiend, der für ihn schon immer taub gewesen war, zerfallend, um wie ein Phoenix aus der Asche aufzustehen und noch einmal zu verglühen - Er war sich zuletzt nicht mehr sicher gewesen,. ob er vielleicht nicht schon gestorben und schon längst in der Hölle gelandet war. So war er auch in einer ganz anderen Hinsicht den Sternen gleich geworden, diesen vor ewigen Zeiten entzündeten Sphären, die von ihrem Schöpfer so weit auseinander gesetzt worden waren, dass selbst das Licht Jahrhunderte brauchte, um sie zu verbinden.Um sie herum war nichts als leerer Raum - und so ähnlich hatte sich auch Shinji gefühlt, als stecke er allein im geschmolzenen Kern der Erde, durch dickste Schickten von Fels und Gestein von allen lebenden Wesen abgeschirmt, gefangen in der kleinen metallischen Kapsel. Vollkommen allein. Er hatte geschrien und geschrien, gebettelt und gebettelt, aber niemand war ihm zur Hilfe gekommen... Niemand hatte auch nur den kleinsten Finger gerührt, um ihn von seinem Leid zu erlösen. Was verlangten die eigentlich von ihm? Das er ganz allein diese furchterregenden Monster besiegen könnte? Shinji war doch nur ein normaler Junge... nein, er war ja nicht mal das! Er war ein Waschlappen! Wie sollte er so etwas unglaubliches nur schaffen? Er... er hatte Angst... er hatte so schrecklich gelitten.... Er... Er lebte noch. Er spürte das brennen des hellen Lichts in seinen Netzhäuten, den klebrigen Schweiß an seinem ganzen Körper und das wilde Schlagen seines eigenen Herzens, dass sich wieder an die normale Geschwindigkeit anzugleichen schien. Nach und nach wurde das nachglühen des Kampfes von neuen Sinneseindrücken überlagert, und seine Augen gewöhnten sich so weit an die Helligkeit, dass sie ihm ein zusammenhängendes Bild zeigen konnten - das einer weißen Deckenlampe, die seinen Weg nicht das erste Mal kreuzte. "...Wieder diese Zimmerdecke..." murmelte er noch etwas abwesend wirkend vor sich hin. Die Krankenstation war noch genau so stark beleuchtet wie nach seiner letzten Nahtod-Erfahrung, sodass alle Farben um ihn herum fahl und verwaschen wirkten. "...das hab ich davon, dass ich den EVA steuere..." Doch auch, wenn es Shinji grotesk vorkam, dass sein Körper begonnen haben könnte, sich in irgendeiner Form an die Belastungen des EVA-Steuerns anzupassen, so verflüchtigten sich das Nachleuchten des Kampfes und die damit einhergehende Benommenheit doch sehr, sehr viel schneller als bei seinem ersten Besuch in diesem Etablissement, sodass er ziemlich bald wach genug war, zum zu bemerken, dass er dieses Mal nicht allein in dem großen, leeren Krankenzimmer war. Tatsächlich war das erste, was er erblickte, als er, das Geräusch einer Buchseite in Bewegung bemerkend, von der Decke weg zur Seite blickte, ein vertrautes, ihm zugewendetes Gesicht mit einem paar auf ihn gerichteter, roter Augen die ihn still dabei beobachteten, wie er sich leicht auf seine Ellenbögen stützte. "Ayanami...?" Shinji fragte sich, was in aller Welt sie hier machte, wieso sie an seiner Seite beharrlich darauf warten sollte, dass er aufwachte - doch ein Blick nach unten verriet ihm, dass sie genau das getan hatte: Sie hatte sich auf einen kleinen Hocker gesetzt und hielt ein kleines Buch in ihren zarten Händen, dass sie wohl bis eben gelesen hatte. "Bist... bist du etwa schon die ganze Zeit hier?" Shinji begriff nicht... hatte er am heutigen Tage nicht, wenn auch unbeabsichtigt, jede noch so geringe Möglichkeit genutzt, um ihre Antipathie zu gewinnen...?´ Anstatt wirklich auf seine im wesentlichen unnötige Frage zu antworten, klappte sie ihr Büchlein zu und holte stattdessen ein kleines Heftchen aus einer Tasche hervor und begann, daraus vorzulesen, wobei sie ihn stets über ihr Notizheftchen hinweg ansah: "Ich bin hier, weil ich den Auftrag habe, dich mit dem Zeitplan von Operation Yashima vertraut zu machen." berichtete sie sachlich. "Heute um 19:30 Eintreffen der Piloten Ikari und Ayanami an Terminal 2. Um 20:00 Uhr Transportvorbeitungen für die Überführung der Einheiten 01 und 00 zum Einsatzort. Um 20:05 ist Aufbruch. Um 20:30 Ankunft an der temporären Basis am Gipfel des Futagoyama. Dort warten die Piloten bis zum Beginn der Operation um 00:00 Uhr auf weitere Anweisungen." Shinji hörte zu nächst mehr oder weniger perplex zu, wie sie den Zeitplan monoton runterlas, wendete seinen Blick dann aber zunehmend zur Seite hin ab. Die gingen also wieder davon aus, dass er ohne weiteres wieder protestlos in dieses Ding hinein steigen würde, obwohl er fast gestorben wäre... aber eigentlich hätte er sich das denken können. Ayanami steckte das Notizheft wieder weg, und beugte sich stattdessen vor, um etwas aus dem kleinen Servierwagen, der neben ihrem Hocker stand, hervor zu holen und es ihm darauf zu zu werfen. Shinji setzte sich auf, um es genauer betrachten zu können. Es war ein nigelnagelneuer Plugsuit in verschiedenen Blautönen, verpackt in durchsichtiges Plastik mit einem 'NERV'-Aufdruck. Er sah im wesentlichen genau so aus, wie der Alte - Den mussten ihm die Notärzte wohl übereilt vom Leib geschnitten haben, als man ihn halbtot hier eingeliefert hatte. Er wusste, dass er jetzt eigentlich dankbar sein sollte, aber die Wahrheit war, das er keine besondere Lust dazu hatte, dieses Kleidungstück anzusehen und er glaubte auch nicht, dass er es anziehen wollte... "Komm bitte nicht so." Shinji verstand zunächst nicht, was Rei mit dieser bemerkung meinste, und blickte sie sichtlich aus dem Konzept gebracht fast schon etwas verdutzt an - bis ihm auffiel, dass er unter seiner Decke splitterfasernackt war und Rei seit er sich gerade aufgesetzt hatte die volle Frontalansicht präsentierte. Damit wären sie dann wohl quit. Der vierzehnjährige Junge bekam einen totalen Schockund griff sich hastig seine Decke, um schleuningst möglichst viel Stoff zwischen Rei und seine nicht jugendfreien Körperzonen zu bringen, einen Berg von Stoff über seinen auf die Snelle angezogenen Beinen anhäufend, auf die er dann seine Arme stützte, um auch sein Gesicht verschanzen zu können. "V-Verzeihung...!" Rei sah ihn weiterhin an, zeigte aber weiterhin keine wirkliche Reaktion. Shinji wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Er hob vorsichtig wieder seinen Kopf an, traute sich ber nicht, ihr wieder in die Augen zu sehen. Langsam begann er zu glauben, dass er wohl ein Talent dafür besaß, in peinliche Situationen zu geraten. Besonders, wenn es um weibliche Personen ging, mit denen er eigentlich gerne gut auskommen würde... Das Third Child seufzte. "Wie oft werde ich mich wohl noch bei dir entschuldigen müssen...." Ein kurzes Geräusch veruhsachend setzte sich Rei auf und schob den neben ihr befindlichen Wagen näher zu Shinji hin. "Dein Essen." erklärte sie. Tatsächlich fand sich darauf ein Tablett mit erwas, dass entfernt an Nahrung erinnerte, aber diese verschiedenartigen Pampen hätten genau so gut aus Plastik sein können und regten Shinjis Appetit nicht wirklich an - zum Essen war er so kurz nachdem man ihn fast gegrillt hatte, ohnehin nicht in der Stimmung. Er wendete seinen Blick ab. "Du kannst es wieder mitnehmen... Ich hab keinen Hunger." Rei schob den Wagen wieder weg. "...Wir brechen in 60 Minuten auf." setzte Rei noch hinzu, offenbar schon dabei, zu gehen. Shinji wollte nicht, dass sie ging. Er wollte nicht mit den furchterregenden Gedanken allein sein, dass sie sich alle darauf verließen, dass er etwas tun würde, dass er weder wollte noch konnte. Auch Rei schien einfach so davon auszugehen, dass er ohne weiteres mitmachen wollte. Shinji hatte Angst. Er hatte so schreckliche Angst... Aber mit Misato oder den anderen konnte er nicht darüber reden. Niemand würde seine Furcht ernst nehmen oder ihm ein offenes Ohr dafür leihen, ganz egal, ob die Todesangst langsam dabei war, ihn von innen zu zerreißen. Warum auch? Er war schließlich ein Junge. Man erwartete von ihm, dass er nicht rummjammerte und Mut bewies aber... Shinji war einfach nicht mutig... Aber das war allesn egal, dass würde keiner hören wollen. Sie würden alle sagen, dass er gefälligst in den EVA steigen solle, wenn er hier bleiben wollte, und auch noch versuchen, ihn irgendwie anzufeuern, obwohl sie ihm eh nichts zutrauten... Sie wollten doch nur jemanden, der für sie in dieses stählerne Monster stieg und für sie kämpfte, ganz egal, was dabei mit ihm passieren würde. In seiner Verzweiflung klammerte er sich das einzige, wovon er nicht erwarten musste, das ihm mit Härte und Forderungen begegnen würde - Ayanami. "Muss ich... wirklich wieder in dieses Ding steigen?" fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte. "Ja." antwortete sie unverblümt, mit dem simplen Wort seinen letzten Hoffnungsfaden kappend. Eigentlich hätte er sich das denken können. Es war ja nicht so, als ob sie das bestimmte, und nachdem er es bei ihr gründlich versaut hatte, wunderte es auch niemanden, wenn sie für ihn keine so netten Worte übrig hatte... Trotzdem konnte er seine Worte nicht mehr für sich behalten. Er wollte einfach... das ihn irgendjemand hörte. Sei Vater hatte ihn nicht gehört, oder wohl eher nicht hören wollen, als er im Evangelion verzweifelt um Hilfe geschrieen hatte - jetzt sollte zumindest seine Vertraute ihm Gehör schenken. Ironischerweise war sie es, vor deren Antworten es ihm am wenigsten graute. "Ich... Ich will aber nicht..." gab Shinji fast schon vorwurfsvoll zu. "Dir macht das vielleicht nichts aus, weil dir nie so was wie mir passiert ist aber... Ich will den EVA nicht mehr steuern... Ich will so etwas grauenvolles nicht nochmal durchmachen müssen..." seine Stimme klang zunehmends unsicher, nur noch einen Katzensprung von einem Schluchzen entfernt. Eigentlich sollte er sich was schämen, sich so vor einem Mädchen zu präsentieren, aber bei Ayanami war das... irgendwie anders. Er hatte schon lägst festgestellt, dass sie nicht wie ein gewöhnliches Mädchen reagierte - und das kam Shinji, auch wenn er sich für derartige Gedankengänge hätte selbst ohrfeigen können, sehr gelegen, weil er das, was sich in ihm aufgestaut hatte, wirklich beim besten Willen nicht hätte zurück halten können - und vom 'besten Willen' war er auch noch ein gutes Stück entfernt. "Ich... ich hab solche Angst... Aber... weglaufen kann ich auch nicht...." "Du hast Angst vor den EVAs? Gut, dann bleib im Bett." Shinji war schockiert... keine Moralpredigten? Keine Erwartungen? "Aber dann..." "Ich kann Einheit Eins ebenfalls steuern." erklärte sie tonlos. Das Third Child konnte nicht anders, als sie groß anzusehen. "Einheit Eins kann jeder Zeit auf mich umprogramiert werden. Dr. Akagi hat die Vorbereitungen bereits getroffen." Shinji fühlte ein stückweit den Boden unter sich wegbrechen. Er hatte erwartet, dass man mit allen Mitteln versuchen würden, ihn dazu zu bringen, in den EVA zu steigern, und dass er da nur dagegen halten sollte, aber so... so war es ihm, als schwebte er einfach mitten in Luft, ohne sich an irgendetwas halten konnte... er sollte entscheiden, und wenn er das nicht tat, dann würde alles ohne ihn weitergehen... Nein, dass war nicht der Punkt. Und es erschreckte Shinji zutiefst, dass das es nicht so war. Nicht alle verlangten diese schrecklichen Dinge von ihm. Dieses Mädchen... dieses fremde Mädchen, vor dem er sich den ganzen Tag lang nur ununterbrochen lächerlich gemacht hatte... war einfach so bereit das zu tun, vor dem es ihn zutiefst graute. Sie wollte sich völlig mutterseelenallein diesem Monster entgegenstellen, dass ihn fast umgebracht hatte und wohl nicht all zu viele Schwierigkeiten dabei haben würde, das selbe mit ihr zu tun. Es war genau wie damals, als sie sich das erste mal begegnet waren... sie wusste genau, was sie erwartete, und nahm sie es einfach hin... Shinji wusste nur zu gut, dass er an ihre Stelle gebittet und gebettelt hätte, um diese Schlacht nicht... ganz allein bestreiten zu müssen... Er hielt es nicht aus. Es hielt es nicht aus, in den EVA steigen müssen, er hielt es nicht aus, Schuld zu sein, wenn Rei bei dem Kampf möglicherweise ihn Leben verlieren würde, und am wenigsten hielt er es aus, sich entscheiden zu müssen. Alle anderen, sie verlangten etwas von ihm, damit er hier blieb, damit sie nett zu ihm sein würden. Alle anderen wollten, das er in den EVA stieg... Aber Rei... Rei... Sie hatte keinen noch so geringen Grund, irgendetwas zu tun, nachdem er sie gestern offensichtlich tief verärgert hatte, die er ganz allein diesem Monstrum überlassen wollte... und doch war sie es, die überhaupt gar nichts von ihm verlangte, die ihm sagte, dass er ruhig im Bett bleiben und sich entspannen könne, die an seiner Seite wartete und bei ihm wachte... Er sah selbst, wie ungerecht das war, dass er sie nach allem dem nicht in den Kampf begleiten wollte... das er das selbst bemerkte, war sogar das schlimmste daran. Shinji begann, sich selbst unendlich dafür zu hassen, dass seine Furcht, dieser urtümliche Selbsterhaltungsinstinkt am Ende immer stärker bleiben würde als sein Verstand und sein Herz zusammen im Quadrat. Er war ein scheußlicher Feigling - selbst jetzt, in der verzweifelten Situation des sich-entscheiden-müssens, versuchte er sich noch an andere zu klammern. Doch die einzig andere Person drehte sich um und machte sich auf den Weg. "Ich muss jetzt gehen. Dr. Akagi und Captain Katsuragi warten auf mich." erklärte Rei leise, ohne sich noch ein weiteres Mal umzudrehen ihrem Schafott entgegen laufend, sich mit jedem klacken ihrer Schuhsolen auf dem Fußboden dem Partikelstrahl nähernd, der sie bei Lebendigem Leibe kochen würde. "AYANAMI!" rief er ihr in einem Anflug halbherziger Schuldgefühle hinterher, doch alles was, was er dafür bekam, war ihre bereits in den Flur hinübergetretene Rückseite und ein leises "Leb wohl." bevor sich die Tür hinter ihr automatisch schloss. Er fühlte sich, als ob er sie niemals wiedersehen würde. Ein paar Augenblicke sah er da, ihr nachsehend, in seiner Position fixiert wie eine Statue, bis er seinen Kopf deprimiert senkte und sich zusammenkugelte, seine Beine noch etwas weiter an seinen Leib ziehend. Er konnte es nicht. Er konnte es es einfach nicht. Er konnte Ayanami nicht so einfach ihrem Schicksal überlassen. Er musste los, musste zu Rei, Misato und den anderen, dorthin, wo alle auf ihn warteten. Eer durfte nicht weglaufen. Er hätte schon damals vor drei Jahren kapieren sollen, dass dasd überhaupt nichts bringt. Shinji seetzte sich gerade hin und schaute sich um, in der Hoffnung, dass irgendjemand daran gedacht hatte, ihm ein paar frische Klamotten dazulassen... Er hatte keine wirtkliche Lust, hier im Alte-Römer-Stil mit der Bettdecke herauszumarschieren - im Notfall war da noch der Plugsuit, den Rei ihm gebracht hatte aber... Er brachte diesen Satz in Gedanken nicht zu Ende, da er bald darauf eine eher unordentlich zusammengefaltete Uniform in einer der Schubladen des Wagens entdeckte, mit dem Ayanami seine unwillkomme Mahlzeit herbeigekarrt hatte, doch die Wahrheit war, das ein Teil von ihm die Tatsache, dass er wieder in den violetten Koloss steigen würde, noch nicht als Teil seiner Realität akzeptieren wollte, und schon gar nicht in Form dieses Anzuges dicht an jeden Winkel seiner Haut gepresst haben wollte. Die Wahrheit war, dass seine Verpflichtungsgefühle gegenüber Ayanami nichts daran geändert hatten, dass er solche schreckliche Angst hatte... --- "HALT! Wo genau wollt ihr alle hin?" Dank Kensukes Wissen über die Konstruktion solcher Mechanismen und einer guten Portion Muskelkraft von seiten Toujis war es den Beiden gelungen, die Tür des Schutzraumes zu öffnen, doch wie es mit dem Schicksal nun einmal so war, hörten sie gerade in dem Moment, in dem sie jenseits der schweren Stahltüren auf den rotgoldenen Abendhimmel gestoßen waren, hinter sich die Stimme der Klassensprecherin. Sie stand hinter ihnen, in ihrer Uniform, mit ihren üblichen Zöpfen, und erschien alles andere als erfreut, vor allem, als sie die große traube von Schülern entdeckte, die sich um die beiden herum geschart hatte - Es was praktisch die ganze Klasse. "Also wirklich. Ich weiß nicht, was ich sagen soll... Von den Beiden bin ich so etwas ja gewohnt, aber das der Rest von euch hier ist... Selbst du, Mitsurugi-kun?" Sie entdeckte dessen von dunklen Haaren und dicken, weißen Verbänden bedecktes Haupt am Rande der Menschentraube. "Gerade erst in die Klasse gekommen und schon machst du bei solchem Unsinn mit? Und ich hatte dich für halbwegs vernünftig gehalten... Ich hätte alle von euch vernünftiger gehalten, selbst dich, Suzuhara Touji! Hat es dir denn nicht gereicht, was bei dem letzten Kampf passiert ist?" "Ich will diesen blöden Kampf doch gar nicht sehen!" entgegnete Touji. "Oh ja, was wollt ihr dann?" "Wir wollen Ikari anfeuern!" erklärte Kensuke. "Vor dem Kampf, versteht sich." setzte Touji hinzu, da dieses Detail nicht unbedingt als selbstverständlich hingenommen werden konnte, wenn es sein Kumpel war, der da sprach. "Kensuke hat rausbekommen, von wo aus er und Ayanami heute aufbrechen. Der richtige Kampf ist sowieso wo anders. Wir wissen ja alle, das er ein bisschen... na ja, sensibel ist... und ich dachte halt, ein bisschen Motivation könnte ihm mit Sicherheit nicht schaden, und hab mit Kensukes Hilfe alle zusammengetrommelt... Ich denke nicht, dass das hier der richtige Augenblick ist, um auf den Vorschriften rumzureiten, wenn die beiden da draußen für uns ihren Hintern riskieren gehen!" Hikari antwortete nicht sofort - Sie hatte Suzuhara Touji bis jetzt für einen... na ja, eingebildeten, groskotzigen Grobian gehalten... das er sich so um Ikari sorgte, und ihr so eine 'flammende Rede' hielt, ließ ihn fast schon... heldenhaft aussehen und auch sehr reif... "T-Trotzdem...! Mir kann niemand dafür garantieren, dass du mir die Wahrheit erzählst, und da draußen nicht irgendwelchen Quatsch machst! Ich habe eine gewisse Verantwortung zu tragen, falls du verstehst, was das Wort bedeutet!" "Tja, Klassensprecherin, wenn du so davon überzeugt bist, das wir 'ne Babysitterin brauchen, dann komm doch einfach mit, und wenn wir irgendwelchen Unsinn machen, dann gehst du halt zurück und verpfeifst uns!" "Genau" kam es mehrmals aus der Menge. "Zick doch nicht immer zu rum!" Hikari schien kurz zu überlegen. "...Und was ist mit den restlichen Leuten aus unserer Klasse?" "Die werden schon nicht den Schutzraum anzünden, nur weil du fünf Minuten nicht da bist! Im Notfall kannst du sie ja auch mitnehmen!" "O... Okay. Aber ich nehme mein Handy mit, und wenn irgendeiner von auch nur das geringste bisschen Quatsch macht..." "Ja ich weiß, dann knallt's. Schon okay. Lass uns jetzt lieber gehen. Sonst verpassen wir die zwei noch." "Oh ja, lass uns gehen!" stimmte Kensuke zu. "Ich kann's kaum erwarten, Ayanamis Evangelion zu sehen! Ihr müsstets alle mal den von Ikari sehen, das Ding ist absolut obermegasupercool!" --- Währendessen liefen am Futagoyama die Vorbereitungen für den großen Kampf auf vollen Touren; Fast alle fünf Minuten trafen Laster mit neuen Bauteilen an, es wurden Transformatoren aufgebaut, Teilchenbeschleuniger verdrahtet, supraleitende Leitungen verlegt, Kühlsystheme getestet, es herrschte ein Treiben wie in einem Bienenstock oder einem Ameisenhaufen; Auch der provisorische Stützpunkt nahm Gestalt an, wie auch das Herzstück der Anlage, dessen Aufbau endlich so gut wie vollendet schien. "Das hier ist unsere Positronenkanone." erklärte Hyuuga der soeben eingetroffenen Leiterin der technischen Abteilung. "Ein Prototyp der Regierung." "Sie funktioniert Einwandfrei funktionieren... theoretisch jedenfalls..." kommentierte Dr. Akagi, bis ihre junge Assistentin ihr berichtete, dass die Zielvorrichtung an die Typ-G Komponenten angeglichen sei. "Tja... dann lasst uns mal auf das Ding vertrauen..." meinte Hyuuga. Doch das vermochte Dr. Akagis Besorgnis nicht sonderlich zumindern, zumal die Kanone dafür ohnehin nicht der Hauptgrund war: "...dann ist das einzig unzuverlässige also der Pilot.... Hoffendlich kriegt Misato das hin..." --- Es ging nicht. Shinji brachte es schlichtweg nicht fertig. Er hatte sich angezogen, sich für den Einsatz bereiterklärt, sich mit den Plänen bis ins kleinste Detail vertraut gemacht... doch wie so oft in Shinjis Leben folgte auf jeden Schritt nach vorne ein Schritt zurück, und jetzt, wo er sich für den eigentlichen Einsatz in den Cages melden sollte... ging es einfach nicht mehr weiter. Er hatte ja wirklich vorgehabt, da herauszugehen und zu kämpfen, aber... Shinji hatte Angst. Er hatte einfach nur Angst, schwere, bleiernde, lähmende Angst, die seine Schritte auf einem kleinen Steg zwischen zwei der hohen Gebäude der Geofront zum erliegen brachte, und ihn daran hinderte, auch nur einen Schritt weiter zu gehen - Hinter ihm waren mittlerweile alle Lichter ausgegangen, und der Weg nach Vorne, der Weg ins Licht, erfüllte ihn mit blankem Horror vor dem, was kommen würde. Er musste an die letzten Kämpfe denken, besondern an den von heute Nachmittag, an die entsetzlichen Schmerzen, die Angst und die Hilflosigkeit. Shinji wollte gehen, aber... er hielt es einfach nicht aus. Er konnte sich nicht dazu durchringen, dass zu tun, von dem er wusste, dass es getan werden musste, der Gedanke daran machte ihm einfach zu viel Angst... der Gedanke daran, ganz einsam und allein das Gewicht der Welt auf seinen Schultern tragen zu müssen, das niemand da sein würde, um ihn zu retten, wenn er versagen sollte, nein, wenn er versagen würde. Was... was sollte das eigentlich alles? Was machte er denn hier? Er konnte dass doch alles gar nicht... So war das nun mal, Dinge funktionierten nicht einfach so, nur weil man wollte, dass sie funktionierten und ein bisschen böse zu gucken machte ihn noch lange nicht unbesiegbar... An das Geländer des kleinen Steges lehnend blickte Shinji in die dunkle Tiefe, die ihm zur Zeit ziemlich verlockend erschien. Er hatte sich gesagt, dass er sich wahrscheinlich eine Überdosis Schlaftabletten reinhauen müsste, wenn Rei bei dem Kampf gegen den Engel allein antrat. Aber er hatte sich nur selbst etwas vorgemacht. Wenn er für so etwas den Mut hätte, dann hätte er sich selbst dem rest der Menscheit schon vor drei Jahren den Gefallen getan, ihn nicht mehr aushalten zu müssen. Wenn Rei sterben sollte, dann würde er warscheinlich einfach so ohne weiteres weiterleben. Er verspürte schon jetzt beim Anblick seines Spiegelbildes nichts als Aggressionen, ein paar davon mehr würden das Arschloch, das er nunmal war, wohl nicht sonderlich kratzen. Ja, der Abgrund unter ihm sah im Moment sehr verlockend aus. Aber Shinji war selbst dazu zu feige, um vor dieser Welt entgültig davonzulaufen - von der Rettung des Planetens ganz zu schweigen. Als er hinter sich langsame Schritte auf dem kleinen Steg hörte, hatte er nicht einmal den Mumm, sich zu ihrer Quelle umzudrehen. Er konnte sich auch so denken, dass es Misato war, das sie die Arme verschränkt hatte, und dass sie wohl alles andere als erfreut war. "Shinji-kun. Du hättest dich schon längst zum Einsatz melden müssen!" mahnte sie. Es war fast schon lustig, dass sie jetzt begann, wie ein Elternteil zu klingen. Shinji hätte wohl gelacht, wenn nicht alles so schrecklich gewesen wäre. Er wusste nicht, was er ihr hätte antworten sollen. "Du hast dich doch selbst entschlossen, dass du weitermachen willst, nicht? Dann mach jetzt gefälligst deinen Job!" War ja klar... Er hatte sich gedacht, dass sie ihm so kommen würde... Dabei war es ja nicht so, dass er nicht wollte, aber... "Ich... ich hab Angst davor, den EVA zu steuern, Misato-san..." gab er leise zu, ihr immer noch den Rücken zudrehend. Aus Angst vor ihren möglichweise kalten, scharfen Worten versuchte er, ihr zurvor zu kommen, und sich für seine Furcht zu rechtfertigen - eigentlich sollte er das gar nicht müssen... SIE war es doch, die von ihm verlangte, dass er da draußen ganz allein sein Leben riskierte... "Du und die anderen, ihr habt es gut... Ihr sitzt in einem sicheren Bunker und gebt Befehle.... Die ganzen schrecklichen Sachen überlasst ihr mir...." Von seinen hervorsprudenlden Emotionen überwältigt drehte sich Shinji vom Geländer weg, sah Misato in die Augen und sprach das aus, was ihm schon die letzten sechs Wochen ununterbrochen auf der Zunge geklebt hatte: "...Wisst ihr eigentlich, wie unfair das ist?!" Shinjis Äußerungen lösten eine lange Kette von Ausdrücken in Misatos Gesicht aus, angefangen bei simpler Schockiertheit darüber, dass Shinji das so offen sagte, über ein betroffenes zur Seite schauen, zu einem "Aha!"-Ausdruck, einem dünnen Lächeln und schließlich einem festen, entschlossenen Blick, der direkt auf den verärgerten Jungen gerichtet war. Wenn es das war, dann wusste sie, wie sie es richten konnte. "Jetzt komm mal mit!" verlangte sie, ihren Schützling am Handgelenk packend, weil sie sich bereits denken konnte, dass ihre Worte allein nichts bewirken würden. Sie glaubte, dass sie es jetzt ein stückweit verstanden hatte. --- Die Zahlen an der Anzeige des Fahrstuhls wurden höher und höher, immer weiter klickten die Rädchen vor sich hin, während der kleine Aufzug in die Tiefen der Geofront vordrang, zum Zentrum der gigantischen Sphäre, von der das bisschen, das die gigantische Fläche bildete, auf der das Gebäude des NERV-Hauptquartier stand, nur die Spitze des Eisbergs gewesen war, tiefer und tiefer hinab in die Finsternis. Misato hielt Shinjis Hand fest und sicher in ihrem warmen Griff, ihm versuchernd, das alles in Ordnung war. Der Junge schaute weg. Im eigentlichen Kampf würde ihre Hand wieder ganz wo anders sein. Doch auch Misatos Blick ging trotz aller Entschlossenheit gerade nach vorn. Das hier war kein Thema, über dass sie sonderlich gern sprach. "Wie du weißt... wurde vor fünfzehn Jahren beim Second Impact die Hälfte der Menscheit ausgelöscht... In den Geschichtsbüchern steht, dass diese Katastrophe von einem Meteoriten ausgelöst wurde, der mit beinahe Lichtgeschwindigkeit auf den Südpol aufraf... das ist jedoch nur die offizielle Version. Was damals wirklich geschehen ist, wurde vertuscht." "Was? Dann ist alles, was ich in der Schule über den Second Impact in der Schule gelernt habe, gelogen?" "So ist es. Aber als Angehöriger von NERV darfst du... nein, verdienst du es, die Wahrheit zu erfahren... Und diese Wahrheit ist, das die Menschheit vor fünfzehn Jahren ein humanoides Wesen in Antarktis fanden... Das war der erste Engel. Als sie versuchten, es zu untersuchen, ist es aus bisher ungeklärten gründen explodiert. Diese Explosion war der Second Impact. Wenn die folgenden Engel jemals einen Third Impact auslösen... war's das mit der Menschheit. Niemand würde überleben." "Am Ende läuft es auf das hinaus, was ich bis jetzt immer und immer wieder gehört habe... Ich ganz allein soll alle hier retten...." Misato ging auf seine Beschwerden nicht weiter ein, sondern fuhr mit dem fort, was sie sowieso schon sagen wollte - Das würde ihn ohnehin viel eher überzeugen: "Sollte es jemals dazu kommen, dass ein Engel bis ins Geschoss EEE unseres Hautquartiers vordringt, wird der ganze Komplex in die Luft gejagt. Um einen Third Impact abzuwenden, würden wir uns selbst Opfern.Jeder, der hier arbeitet, ist sich der Nötigkeit dieser Maßnahme bewusst." erklärte Misato ernst. Wie das so war, wenn man vom Teufel sprach, zeigten die Drehrädchen an der Anzeige des Lifts genau dieses mysteriöse Geschoss 'EEE' an, als Misato davon zu reden begann. Shinji konnte gerade noch erkennen, dass sie dazugehörigen Felder blutrot unterlegt waren, bevor die Beleuchtung des Fahrstuhls sich verabschiedete - Doch Licht kam schon bald in rohen Mengen von außen, ein unwirklicher, ungewisser roter Schein der all zu gut zu der surrealen Welt passte, die sich außerhalb des Fahrstuhls erkennen ließ; Alles war in tiefes rot getaucht, vielleicht fand sich da draußen ein flüssiges Medium; Das würde die seltsamen Blasen dort draußen erklären und die Netzwerke und Gebilde, die den Gesetzen der Schwerkraft nicht unterworfen zu sein schienen; Sie erinnerten an übergroße Mikroorganismen, möglicherweise an Korallen, mikroskopische Schleimpilze vielleicht, oder die Dottersäcke, die ungeborene Lebensformen in den frühsten Stadien ihrer Embryonalentwicklung mit sich führten. Die Art, wie sie im 'Boden' dieses seltsamen Ortes verwurzelt waren, oder, wenn sie von der Decke wuchsen, sich von dort aus zu verzweigen pflegten, hatte auch bizarre Ähnlichkeit mit Bäumen. Der verglichen mit diesen fremdartigen Strukturen winzig klein wirkende Fahrstuhlschacht führte sie durch diesen Ort hindurch tief in den 'Boden' hinein, der dicht von 'Wurzeln' durchwirkt war. Als sich die Fahrstuhltüren öffnete, und Shinji im Schacht nach oben blickte, konnte er dort keinerlei Licht erkennen. Er wollte gar nicht wissen, was all diese Strukturen zu bedeuten hatten, oder wie tief er sich gerade unter der Erde befand. "TERMINAL DOGMA MAIN LCL PLANT HEAVEN'S DOOR" informierte ihn das Schild neben der gigantischen Pforte vor seinen Augen, neben dem Fahrstuhl das einzige Stück Technologie, an das er sich an diesem finsteren, außerirdisch anmutenden Ort klammern konnte. Als Misato ihren Sicherheitsausweis durch den Kartenschlitz zog, und Shinji hörte, wie die Maschinerie zum bewegen des riesigen Tors sich in Bewegung setzte, durchfuhr ihn das Gefühl, dass er diesen Ort nicht hätte betreten sollen; Ihm war, als entweihe er das Allerheiligste eines Tempels, und die zahlreichen, sich langsam hintereinander öffnenden Mechanismen des Tores machten es nicht besser; Was Shinji jedoch wirklich den Atem raubte, war der Anblick, der ihn dahinter erwartete und sich augenblicklich für immer in sein Hirn einbrannte. Er hätte an Ort und Stelle verrückt werden können. Vor seinen Füßen erstreckte sich eine endlose Fläche schier unendlichen Ausmaßes voller roter Flüssigkeit, in deren Mitte ein gigantischer, roter Monolith in der Form eines Kreuzes prangte. Und mit Nägeln und von hinten her kommenden dicken Schläuchen daran fixiert fand sich Gebilde, das wage Ähnlichkeit mit einem menschlichen Torso aufwies. Die durchbohrten Hände sahen fast exakt Menschlich aus, zeigten aber keine Nägel; die weiße, strukturlose Haut warf sich um den Nagel herum in Falten und hing an den Armen herab wie Stoff. Auch der dicke Hals lag in Falten, und darüber, eine violette, maskenhafte Platte, von der man nicht entscheiden konnte, ob sie wie ähnliche Strukturen, die er von den Engeln gewohnt war, mit zum Körper gehörte, oder künstlich draufgetackert wurde, um die unbenennbaren Schrecken darunter zu verbergen. So oder so schien die Platte schon mal bessere Tage gesehen zu haben, mit weniger Kratzern und Dellen, und bohrte sich in das kalkweiße, gummiartige Fleisch und forderte einen Tribut in dünnen Rinnsalen auf orangenfarbenem Blut. Auf jeden Fall hörte alle Ähnlichkeit zu etwas menschlichen an dieser Stelle auf, denn diese Platte, auf der außer einem dreieckigen Symbol sonst keine weiteren Merkmale auszumachen waren, wurde unterbrochen von sieben Aussparungen, hinter denen sich nur leblose, nicht weiter definierbare dunkle Körperöffnungen erkennen ließen, die eher von der sehschlitzartigen Form der Maske als Augen demarkiert wurden, als von irgendwas anderem. Das Wesen besaß zusätzlich noch eine rudimentäre Ohrmuschel, zeigte ansonten jedoch keine der Züge, die man an einem menschlichen Kopf vermuten würde. Shinji war sich nicht sicher, ob er die Brust als männlich oder weiblich einstufen sollte; Die Anwesenheit von Brustwarzen und -Vorhöfen hätte sicher geholfen. Wenn es recht bedachte, sahen sie durchaus gerundet aus, auch wenn er sehr von der wesentlich brisanteren Narbe abgelenkt war, die sich schräng über den Leib der Kreatur zog, und mit im vergleich zum Rest des Geschöpfes recht kleinen, kreuzförmigen Nadeln 'garniert' war. Von der Brust abwärts war der weiße Leib vollkommen entstellt; Man konnte noch entfernt eine Verengung und darauf folgende Verbreiterung im Sinne einer weiblichen Taillie und eines gebärfähigen Beckens erkennen, darüber hinaus glich das Wesen unterhab des Brüste jedoch einer Ansammlung aus formlosen Klumpen - Auf dem ersten Blick hätte man meinen können, dass dem Wesen die beine fehlten, doch der zweite machte klar, dass es mehr als genug davon hatte - dutzende, wenn nicht hunderte, weiblich anmutende Paare von unteren Gliedmaßen wuchsen aus dem verstümmelten Unterleib heraus, in allen möglichen Winkeln und Größen, zum Teil wuchsen kleinere Beine sogar aus größeren heraus, aus Knien und Knöcheln, aus Ober- und Unterschenkeln, in den Zwischenräumen. Und das schlimmte war, sie zuckten noch. Sie bewegten sich. Dieses Ding... dieses Wesen, was auch immer es war... war trotz alledem noch nicht tot. Wirklich lebendig wirkte es jedoch auch nicht; Ein Wasserfall aus einer orangenen Flüssigkeit, die nur das Blut der Kreatur sein konnte, strömte unaufhörlich in den See vor Shinjis und Misatos Füßen herab. Zuerst dachte Shinji, dass es von der zu dieser Narbe dazugehörigen Austrittswunde kommen musste, aber das Rinnsaal war dafür viel zu breit... man konnte nicht genau sehen, wo das Blut her kam, aber es machte fast den Eindruck, als ob dieses Ding... menstruierte. Über diesem ganzen Raum lag ein erdrückender Gestank nach Blut, von dem auch der Flur, in dem Shinji und Misato standen, nicht lange verschohnt blieb. Shinji hätte sich an Ort und Stelle übergeben können. "Ist... das.... das... das kann doch nicht sein, oder? Ein... Ein Engel? Oder... ein EVA...?" "Nein." berichtigte Misato. "Das hier ist wahrscheinlich der Urprung allen Lebens auf diesem Planetens und gleichzeitig auch der Schlüssel zu dessen Vernichtung. Das ist das zweite Engel. Lillith." "L-Lillth...?" "Ja. Das hier ist der mögliche Auslöser des Third Impact.Das hier ist es, was die Engel mit ihren Angriffen zu erreichen versuchen, und nur ein Wesen mit den selben Kräften wie ein Engel kann sie aufhalten... Ein EVA. Um Lillith zu beschützen, kämpfen wir mit den EVAs. Aber wir können sie nicht selbst steuern. Das kannst nur du. Uns bleibt nichts anderes übrig, als dir und den EVAs die Zukunft der gesamten Menschheit anzuvertrauen." "Und warum gerade ich?" verlangte Shinji zu wissen. "Warum soll gerade ich diese schwere Bürde ganz allein tragen?" Misato schien fast auf diese Frage gewartet zu haben. Ohne lange überlegen zu müssen drehte sie sich zu Shinji, und schenkte ihm ein warmes Lächeln. "Das hat niemand entschieden. Wahrscheinlich ist es einfach dein Schicksal. Aber ich habe dich hergebracht, weil ich will, dass du weißt, dass du nicht der einzige bist, der bei diesen Kämpfen sein Leben riskiert. Wir alle tun das. Du bist nicht allein." Shinji wendete seinen Blick zur Seite. Wirklich überzeugt war er in seinem Inneren noch nicht, aber Misatos Worte hatten seinen Vorwürfen den Wind aus den Segeln genommen. Er wollte nicht am Ende der ganzen Menschheit schuld sein. "Ich werde den EVA... noch einmal steuern. Dieses eine Mal noch." Misato hielt die Hand des unsicheren Jungens fest mit ihrer eigenen fest, und er klammerte sich nur all zu gerne an den Halt, den sie ihm bot. Solange sie ihn stützte... so lange sie seine Hand hielt... würde er es vielleicht schaffen, sich selbst weis zu machen, das er vielleicht doch nicht allein war. Zumindest fürs erste. --- "Man, wir stehen hier schon eine halbe Ewigkeit rum!" beklagte sich Touji. "...Bist du sicher, dass du dich mit der Zeit nicht irgendwie vertan hat? Die im Schutzraum werden merken, das wir weg sind..." Touji, Hikari, Nagato und der Rest der Klasse 2-A warteten schon geraume Zeit am Geländer auf dem Dach eines Bunkergebäudes. "Die Zeit ist definitiv richtig. Ich hab's mir aus dem Computer meines Vaters besorgt." entgegnete Kensuke, der zu Hikaris Misfallen jenseits des Geländers saß, prüfend auf seine Armbanduhr blickte und dabei die Füße nach unten hin baumeln ließ. "Wenn die Zeit richtig ist, warum sind sie dann noch nicht aufgetaucht?" Toujis Zweifel - und die aller anderen - wurden jedoch schlagartig zum Schweigen gebracht, als die Schüler Maschinengeräusche vernahmen. Ein ganzer Berghang war dabei, sich inklusive Vegetation zur Seite zu schieben, um unter sich Beton und Metall freizugeben. "Wahnsinn... Der Berg bewegt sich!" rief Touji begeistet aus. Kensuke war bereits auf den Beinen. "Das müssen die Evangelions sein!" Die beiden Jungs, wie auch die übrigen mitgebrachten Schüler, hörten nicht auf, Bauklötzchen in die Luft zu starren, als die beiden titanischen Biomaschinen an die Oberfläche gefahren waren. Selbst Nagato und der Klassensprecherin, die eher für ihre ernsthaftigkeit bekannt waren, zeigten eine gewisse Begeisterung. "Das sind also die Roboter, die Ikari-kun steuert?" wollte Hikari wissen. "Jap!" bestätigte Kensuke. "Das heißt, der Violette mit dem Horn ist der von Ikari. In dem orangenen sitzt Ayanami." Die sonst so streng anmutende Klassensprecherin lehnte sich über das Geländer heraus, hob ihren Arm in die Höhe und rief: "Ihr schaft das! Gebt euer Bestes!" Touji betrachtete sie eine Drittelsekunde. Anscheinend war sie war nicht nur zickig, jedenfalls nicht vierundzwanzig Stunden am Tag... sie hatte beinahe etwas fürsorgliches. "Wir alle vertrauen euch!" rief Touji hinterher, worauf der Rest der Klasse entweder jetzt spätestes nach Kensukes "Ihr seid die größten!" in die Anfeuerungsrufe miteinstimmte. Nagato traute sich nicht so richtig, irgendetwas laut auszurufen, hob aber zögerlich den Arm und winkte den vorbeitstampfenden Evangelions schließlich fast schon mit so etwas wie Enthusiasmus oder gar einem dünnen Lächeln hinterher. --- An der provisorischen Basis angekommen blieb für Shinji zunächst eine ganze Weile nichts zu tun, während die letzten Vorkehrungen für den Kampf getroffen wurden. Er steckte sich zurück in seine Schuluniform und lief etwas herum, um Zeit totzuschlagen. Viel brachte es nicht. Seine Nervosität stieg ins unermessliche, je länger er den zahlreichen Technikern beim Aufbau der einzigartigen, empfindlichen Systeme sah, und begriff, dass er schon sehr bald für die Leben all dieser Leute verantwortlich sein würde - und dafür, ob ihre Mühen Früchte trugen, oder nicht. All das würde man ihm anvertrauen - und er konnte nicht anders, als sich von dieser ganzen Verantwortung wie erschlagen zu fühlen. So schwer es war, in dem gegebenen Zeitraum die ganzen Elektronik aufzubauen, so leicht war es, ihn mit trübsinnigen Gedanken zu füllen. Shinji beschloss, Misatos Ratschlag nachzukommen und zu versuchen, in einem ruhigen Winkel der Bunker noch ein bisschen zu schlafen, aber es brachte nichts - teils, weil er bereits den ganzen Nachmittag unfreiwilligerweise im Bett verbracht hatte, teils wegen seiner Anspannung. Trortdem fühlte er sich nicht wirklich erleichtert, als man ihn zur letzten Einsatzbesprechung rief. --- "Shinji-kun, das da drüben ist die Positronenkanone. Damit werden wir das AT-Feld des Feindes durchbrechen." "Aber... es war nie für einen richtigen Kampf gedacht, nicht? Wer sagt uns, das es nicht einfach in die Luft geht oder so...?" fragte der junge EVA-Pilot unsicher. "Theorethisch müsste es der Belastung standhalten, aber ich will ehrlich zu dir sein." antwortete Dr. Akagi. "Solche großen Energiemengen sind noch nie zum Einsatz gekommen. Bevor der erste Schuss abgefeuert wurde, kann keiner sagen, ob das Mündungsrohr, die Leitungen und der Kondensator das aushalten." Shinji schluckte. Das fing schon mal 'gut' an. "Ich werde euch beiden jetzt die Aufgabenverteilung für den Kampf bekanntgeben!" setzte Misato fort. "Shinji-kun?" "Ja?" "Du feuerst mit Einheit Eins die Kanone ab." "Ja." "Rei?" "Ja?" "Du wirst ihm mit Einheit Null Deckung geben." "Verstanden." "Wir müssen es so machen, weil Shinji-kun mit Einheit Eins einen höheren Synchronwert erreicht. Bei diesem Einsatz kommt es auf äußerste Präzision an." erklärte die Wissenschaftlerin. "Außerdem musst du beachten, dass die Positronenkanone nicht exakt gradlinig feuert, weil sie von Erdmagnetfeld, Erdrotation und Erdanziehungskraft abgelenkt wird. Das musst du beachten, weil du den Energiekern des Engels auf jeden Fall genau treffen musst." "Und woher erkenne ich, wo der ist?" "Wenn der Engel sich zum Angriff formiert, entblößt er in der Mitte eine auffällige Struktur. Wir glauben, dass das der Kern ist. Wir haben bereits ein entsprechendes Zielerkennungsprogramm in dein Interface einprogrammiert. Sobald sich die Zielhilfen im Visier überlagern, drückst du ab. Der Computer übernimmt den Rest. Aber wegen des Aufwands für die Energieversorgung wird der EVA keinerlei Bewegungsspielraum haben. Du musst auf jeden Fall in Schussposition bleiben." "Ich kann also nicht ausweichen..." stellte Shinji beunruhigt fest. "Richtig." "Und was ist, wenn ich daneben schieße, und der Feind schießt zurück?" "Halt dich nicht mit solchen Gedanken auf. Konzentriere dich darauf, ihn mit dem ersten Schuss zu erwischen." "Ich muss also treffen... oder es ist alles aus..." Na dann gute Nacht. Shinji hatte sich selbst noch nie zu viel zugetraut. Schon allein wegen der ganzen Anspannung war es praktisch unvermeidlich, dass er das alles königlich in den Sand setzten würde... Seine zumindest zeitweilige Rettung kam in Form eines dünnen, hohen Stimmchens, dessen Besitzerin eigentlich unnötigerweise nachfragte, ob ihre Aufgabe nun darin bestand, EVA 01 zu beschützen. Es war fast, als wolle sie ihn daran erinnern, dass sie immer noch da war. Das er nicht allein war. Aber eben nur fast. Er versuchte sich bestimmt nur, etwas einzureden und sie fragte einfach nur nach, um sich sicher zu sein, dass sie alles verstanden hatte. Sie hatte keinen wirklichen Grund dafür, sich um ihn zu sorgen, nicht? "Ja." bestätigte Misato. "Also los, es ist Zeit. Legt eure Anzüge an!" --- Am provisorischen Stützpunkt gab es auch eine provisorische Garderobe, klein, eng, bunkerhaft und - das war der Punkt - mit nur einem grünen, halb durchscheinenden Vorhang als Trennung zwischen Jungen- und Mädchenunkleide. Shinji hatte es schnell hinter sich gebracht und versucht, seiner Nervosität Luft zu machen, in dem er seine Schuluniform, und selbst die Socken und die Unterhose akribisch zusammenfaltete; Per Knopfdruck legte sich das änfänglich weite Material des Plugsuits eng an seinen eher unbeeindruckenden Körper. Er machte immer noch keinen besondern zuversichtlichen Eindruck. Rei ließ die abgelegten Teile ihrer Schuluniform dagegen einfach ohne weiteres auf den Boden fallen. Der Rock lag bereits breit auf dem Boden, die Bluse folgte kurz darauf. Auch den BH ließ sie einfach auf den Boden sinken. Als nächstes zupfte sie das Höschen, weiß wie alles, was sie an Unterwäsche zu besitzen schien, von ihren Beinen runter und ließ auch dieses fallen. "Vielleicht-" Erst, als er ein Gespräch beginnen wollte, realisierte er, das er schon wieder glotzte. Er schaute beschämt weg. unbetrachtet stülpte Rei den Plugsuit über ihren makellosen Leib. "Vielleicht... sind wir morgen schon nicht mehr am Leben..." meinte Shinji betrübt. Er traute sich immernoch nicht im Geringsten zu, das in irgendeiner Form zu schaffen. Um so mehr schockierte ihn ihre klare, sichere Antwort: "Nein." "Du wirst nicht sterben." verkündete Rei entschlossen. Der Plugsuit legte sich eng um ihren Körper und ließ ihre Silhouette hinter dem Vorhang erheblich zusammenschmelzen. "Ich werde dich beschützen." Ihre Schritte verloren sich genau wie der Schatten ihrer Silhouette in der Ferne, bis das Geräusch der automatischen Tür ertönte. Danach hörten sie auf. In der Stille fragte sich Shinji, ob er es denn überhaupt wert war, beschützt zu werden. --- "Diese Nachrichten wurden in unserem Büro für Öffentlichkeitsarbeit hinterlassen. Sie ist für dich." Erstaunt und irgendwie auch ungläubig blickte Shinji das kleine Abspielgerät an, und nahm es zögerlich aus Misatos Händen. Es musste irgendwie wichtig sein, wenn Misato ihn dafür auf dem Weg zu den EVA-Rampen abfing, obwohl er sich nicht wirklich vorstellen konnte, wer ihm wohl noch unbedingt etwas hinterlassen wollte. Vorsichtig drückte er den Abspielknopf. "Ich bin's, Suzuhara. Ikari... Nein, ich sollte dich ab jetzt beim Vornamen nennen. Shinji, ich vertraue auf dich!" "Hier ist... Mitsurugi. Ich bin mir sicher, dass du... siegreich sein wirst, Ikari-san." "Hi, hier ist Aida! Ikari, zeig, was du drauf hast!" --- Die Stunde der Wahrheit nahte, und die japanische Inselkette versank in der Finsternis. Ein Licht nach dem anderen ging aus, ein Fenster nach dem anderen verdunkelte sich, eine Stadt nach der anderen; Auch ein gewisser Pinguin beobachtete mit erstaunen, wie sich jenseits des Wohnzimmerfensters die Finsternis über die Stadt legte, bis einzig und allein das Band der Milchstraße als Lichtquelle übrig blieb. Auch in den Schutzräumen wurde es dunkel, Millionen von Menschen hockten mit fragenden Gesichtern in der Finsternis - So auch Touji und Kensuke. Sie hatten ihren Teil getan, alles weitere lag jetzt bei Shinji und Rei. Sie hofften nur, dass ihr Beitrag genug gewesen war. --- Nachdem alles gesagt und getan war, fanden sich Shinji und Rei auf den Einstiegsstegen neben ihren jeweiligen Evangelions. Über dem ganzen, leuchtenden Stützpunkt saßen sie in den Wolken, zwei einsame Silhuetten unter dem Firmament. Rei saß mit angezogenen Beinen da, Shinji im Schneidersitz. Er bereute es, das zwischen ihnen so ein großer Abgrund war, auch wenn er nicht wusste, was er getan hätte, wenn es anders gewesen war; Der Abgrund war nicht nur physischer Natur. Shinji ließ seinen Blick nachdenklich zu seiner Mitstreiterin hinüberwandern, zu jenem Mädchen, dass in den letzten Wochen nicht aufgehört hatte, ihn zu faszinieren. All die Zeit hatte er sie als so zerbrechlich wahrgenommen und den Wünsch verspürt, sie beschützen zu können, und jetzt war sie es, die ihn beschützen würde. Es war wohl nicht verwunderlich; Trotz ihres schwächlichen, kränklichen Aussehens schien Rei über eine endlose innere Stärke zu verfügen und überhaupt keine Furcht zu kennen. Shinji hatte in den letzten beiden Tagen so viel und doch so gut wie gar nichts über sie gelernt, doch eines war sicher: Das er begonnen hatte, sie über alle Maßen zu respektieren und zu bewundern, und sich aus den Tiefen seines Inneren heraus zu wünschen, dass er eines Tages so sein könnte wie sie. Sie war eigentlich die erste Person, die ihm je Zuwendung gezeigt hatte, ohne irgendetwas dafür zu erwarten. Und doch vermochte sie ihm, die völlig nutzlosen Jungen, das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden, irgendetwas tun zu können, dass für andere gut war. Schon allein für diese zwei Dinge verdiente sie wohl einen besonderen Platz in seinem Herzen - auch wenn sie davon wohl niemals erfahren würde. Da war immer noch ein großer, großer Abgrund zwischen ihnen. Trotzdem... Wenn er jetzt versagen und das Ende der Welt veruhrsachen würde, war es schön, vorher noch einmal an ihrer Seite gewesen zu sein. Doch eine einzige Sache wollte Shinji noch wissen, bevor er mit ihr gemeinsam in den Kampf zog: "...Ayanami? Wieso steuerst du eigentlich den EVA?" Sie schien erst überlegen zu müssen, fast, als ob sie noch nie darüber nachgedacht hätte. "Wegen meinen Verbindungen." antwortete zie schließlich. "...Verbindungen?" "Ja. Ich bin daran gebunden." "...an meinen Vater?" "...an alle Menschen." "Du... bist wirklich sehr stark, Ayanami." gab Shinji in einem Tonfall tiefster Bewunderung zu. Doch Rei sah daran anscheinend nichts, worauf sie stolz sein müsste: "Ich tue nur, wozu ich da bin. Ich hab sonst nichts." Shinji war zutiefst verstört. Jetzt schien er wieder irgendwas gesagt zu haben, was sie unglücklich gemacht hatte, oder- er wusste es nicht. Er verstand nicht, was sie damit meinte, aber es machte ihn unendlich traurig. 'Ich hab sonst nichts'... Das klang viel zu sehr wie seine eigenen Gefühle. Er wollte nicht, dass sie so etwas fühlte... er sah gar nicht ein, wieso so eine ehrfurchtgebietende Person wie sie sich so fühlen sollte - Doch was sollte er schon sagen? Am liebsten würde er einfach ihre Hand nehmen, und sie nie wieder loslassen (als Misato das bei ihm gemacht hatte, hatte es immerhin was gebracht) aber das ging nicht. Das würde er sich doch niemals trauen. Was konnte jemand wie er schon für sie tun? "Es ist Zeit." verkündete Rei, noch bevor er eine antwort auf diese Frage finden konnte. Noch während sie sprach, stellte sie sich gerade hin, stand wie ein uneinnehmbarer Turm vor der strahlenden Mondscheibe und gab Shinji das Gefühl, winzig klein zu sein. Das fahle Mondlicht setzte sie einfach perfekt in Szene, vermochte es, die bloße Essenz ihrer Existenz auf einen Blick sichtbar zu machen. Shinji konnte nicht anders, als im stillen zu staunen; Rei im Mondlicht war das schönste, was er in seinem ganzen Leben jemals gesehen hatte. Klar hatte er sie schon vorher im leicht (oder gar nicht) bekleidetem Zustand gesehen, aber die ganze Zeit über war er damit beschäftigt gewesen, über ihre Eingenarten nachzugrübeln, oder aufgrund der Tatsache, dass sie nackt gewesen war, in äußerste Panik zu verfallen, sodass ihm nie so richtig aufgefallen war, dass sie schön war. Ihre schlanken Waden, die manch einer als zu schmal eingestuft hatte, nach Shinjis Meinung jedoch eine gewisse Eleganz ausstrahlten, ihre Haltung, aufrecht und entschlossen, bereit, ihre Aufgabe um jeden Preis zu erfüllen, ihre Brüste, nicht überdurchschnittlich groß, aber prall und fest; Ihr Po, rund und straff, irgendwo noch eine kindliche Note zeigend, ihre Hüften, weiblich gerundet, ganz so, wie es sein sollte... vollkommene Schönheit. Aber auch eine sehr vergängliche Schönheit. Die alte Brille seines Vaters fest in der Hand haltend, ließ sie wieder ihr übliches "Leb wohl" verleiten und führte Shinji zu den Sätzen zurück, die sie ihm zu vor geantwortet hatte. Shinji fühlte sich, als hätte er ohne weiteres an Ort und Stelle auseinander fallen können. Er war nicht in der Lage, zu verhindern, dass sie derart traurige Dinge dachte oder sagte... Shinji glaubte, einen neuen Grund gefunden zu haben, um sich selbst zu hassen. Er durfte nicht versagen. Auch um ihretwillen nicht. --- Schließlich fehlten nur noch Sekunden bis zum Beginn des Kampfes, und Shinji, der sich mitlerweile in seinem Entryplug befand, hatte sich zurück gelehnt und die Augen geschlossen, um sich auf besser konzentrieren zu können und etwas ruhiger zu werden. Er durfte nicht daneben schießen. Er durfte nicht weglaufen. Jetzt hing alles ganz allein von ihm ab. Er musste treffen. Schließlich kam der Signalton. Jetzt find es an. "Shinji-kun... Ich weiß, wie viel Überwindung es dich gekostet hat, den EVA wieder zu steuern. Vielen Dank." Er saugte jedes ihrer Worte ein wie Tropfen von Nektar und Ambrosia und hoffte, das dieser bescheidene kleine Vorrat ausreichen würde, um seine Angst zu beschwichtigen. "Beginn der Operation Yashima!" hörte er sie dann laut über das Interkom befehlen. Noch im selben Moment begann im Bunker das große Tippen und Koordinieren - Dr. Akagi, Hyuuga, Ibuki, Aoba, der ältere Mitsurugi, wie auch ein paar andere Techniker, hatten nun alle Hände voll zu tun. Auch Commander Ikari und Subcommander Fuyutsuki, die im Hauptquartier zurückgeblieben waren, und auf ihren üblichen Plätzen in der nunmehr vereinsamt wirkenden Hauptbrücke saßen, beobachteten das geschehen mit todernsten Mienen auf den Bildschirmen. Die Energieversorgungssysteme, die man zuvor mühsam aufgebaut hatte, waren dabei, eins nach dem anderen aktiviert zu werden - so weit lief alles gut, und auch der Countdown lief. Shinji atmete laut aus und ein, wurde mit jeder Sekunde, die verging, nervöser. Entweder er traf... oder es war alles aus. Das Ende der Welt stand bevor... und nur er konnte es verhindern. Man ging in die nächste Phase des Planes über - den Engel mit Beschuss durch automatische Geschützbaterien in die Offensive zu locken, sodass dieser seinen Kern entblößen würde - und um ihn abzulenken, falls das bei diesen Wesen überhaupt möglich war. Wie erwartet hatte der Engel mit dem simplen Beschuss keinerlei Probleme, führte bei seinen ständigen Transformationen die gröbsten Sakrilege gegen die euklidische Geometrie durch. Die Energie war nach einem regen Austausch von technischen Fachichinesisch in der provisorischen Basis bald dort, wo man sie wollte - Die Partikelkanon wurde zum Schuss aufgeladen. Die Zielvorrichtunbgen wurde ausgefahren - eine von der Größe eines Kleinwagens für EVA 01, und ein kleineres Pendant davon in Shinjis Entryplug. Mutlos blickte er auf die wild tanzenden Zielhilfen in seinem Visier und den scheinbar unbesiegbaren Engel dahinter. Die ganze Aktion war schneller in Gang gekommen, als er gucken konnte; Er konnte die surreale Position, in der er sich befand, immer noch nicht richtig erfassen. "...Ich wünschte, ich hätte Ayanamis Entschlossenheit... Ich trau mir ja nicht mal selbst zu, dass ich das schaffe... Was mache ich hier überhaupt? Warum bin ich hier? Um die Menschheit zu retten? Das kommt mir alles so... unwirklich vor...." Nun war es also so weit... all die Energie des Landes, all die Bemühungen der vielen Menschen hier... alles konzentrierte sich auf ihn und es raubte ihm die Luft zum atmen. 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 "FEUER!" befahl Misato. Zeitgleich sprangen die zwei dreieckigen 'Fadenkreuze' zusammen, sich in der Form eines Sternes vereiningend. "Massiver Energieanstieg im Zielobjekt!" Shinji drückte ab. Der Strahl raste über das Land wie eine Lawine aus Licht, ein paar ungünstig platzzierte Gestelle und Mäste restlos schmelzend. Doch der Engel hatte die Energiekonzentrationen in der Ferne keinesfalls übersehen, und formierte sich in Windeseile zurück zu seiner Sanduhrähnlichen Position, einen weiteren Strahl gleißenden Lichtes verschickend. Die beiden Strahlen rasten auf einander zu, verdrehten sich ineinander, bis sie sich zu einer Verstrebung aus reinweißem Licht verbanden. Doch diese blieb nicht lange bestehen, da die Teilchen, aus der sie bestand, sich durch ihre gegenseitigen Wechselwirkungen ablenkten - Der Strahl des Engels verfehlte den Stützpunkt der Menschen, schlug in einen benachbarten Berg ein, und blies eine gigantische Lichtsäule in den Himmel, die Landschaft mit herabregnenden Sprenkeln aus Lava tränkend. Der Strahl aus Shinjis Waffe hatte mehr Glück - Er durchbrach, ganz den Berechnungen entsprechend, das AT-Feld des Engels, eine Schneise durch dessen Innerstes brennend - Und mit einem Mal wurde Shinji klar, dass das, wogegen er da kämpfte, kein Automat, sondern ein lebendes Wesen war; Die im Gegensatz zu seinen Vorgängern eher anorganisch anmutende Struktur und die scheinbar automatisierte Vorgehensweise, das allmähliche Vorwärtsbohren hatten Shinji eher an eine Maschine erinnert - aber jetzt, wo er das Geschöpf empfindlich getroffen hatte, konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, denn es reagierte genau so, wie so ziemlich jedes Lebewesen auf eine Verletzung reagieren würde - Es schrie. Ein schreckliches, kratzendes Geräusch irgendwo zwischen Kreidekreischen und dem Schrei eines menschlichen Kindes hallte durch die Nacht, begleitet von einer scheinbar unwillkürlichen Transformation des Engels in eine Masse unsymetrischer, chaotischer Stacheln, die binnen Sekunden aus dessen Mitte hervorbrachen, schwarz und ausgebrant, ihre chrakteristische blaue Farbe einzig und allein in der Mitte des Gebildes behaltend. Der Schrei war nicht nur zu hören, sondern auch zu spüren, versetzte die Luft in Schwingung, hallte in in jeder Faser jener wider, die das zweifelhafte Vergnügen hatten, ihn zu hören. Es war der Schrei eines verwundeten Gottes - aber war es auch der Todesschrei? Das überirdische Geschöpf, dass nie dazu geschaffen worden war, um den Boden zu berühren, konnte sich nicht mehr in der Schwebe halten und sank herab auf die Erde. Blut spritze aus der von Shinjis Positronenkanone verheerten Mitte, eine ganze Supernova rauschte aus dem Körper des Engels, ganze Stadtteile bespritzend und beregnend. "Haben wir gewonnen?" fragte Misato. Im Kommandobunker richtiteten sich alle Augen und Messgeräte auf die eigentliche Wunde des Engels, die im wesentlichen aus einem zyllindrischen Einschusskanal bestand, in dessen Umgebung das blutige, kristaline Fleisch zerbrochen war wie eine Glasscheibe. Diese Sprünge sahen eigentlich ziemlich irreparabel aus - waren sie aber nicht. Mit geschockten, weit aufgerissenen Augen sah das NERV-Personal im Bunker zu, wie sich die scheinbaren Scherben wieder auf einer Ebene anordneten und sich verbanden. Auch das klaffende Loch regenerierte sich restlos, und darunter - Der Kern, rot, rund und unversehrt - Shinji hatte ihn nur gestreift. Schnell wurde ihm klar, das der auf die Schnelle in seine Richtung geschossene Strahl niemals dazu bestimmt war, ihn zu treffen, sondern in erster Linie Shinjis eigenen Partikelbeschuss abzulenken - und sei es nur um ein klitzekleines Bisschen. Der Engel hatte den Angriff trotz des Ablenkungsmanövers nicht nur bemerkt, sondern auch einschätzen können, dass sein AT-Feld nicht ausreichen würde, um ihn abzulenken... Dieses Ding war hochintelligent, und Shinjis misslungener Angriff hatte ihm gerade ziemlich exakt verraten, wohin es zielen musste, wenn es alle seine Probleme möglichst schnell loswerden wollte. Er hatte ja von Anfang an gewusst, dass er es versauen würde. Der Engel verschwendete keine einzige Sekunde - zunächst faltete er sich in seine bevorzugte, oktaedrische Form zurück, um seine Kräfte zu sammeln... und dann holte er zum Gnadenstoß aus, sich zu einer gigantischen sternförmigen Struktur faltend, deren enorme Ausmaße sich in mehreren Schritten multiplizierte. Auch der Schuss war enorm - Es war, als habe man in der lichtlosen Mitte der Nacht eine neue Sonne entzündet; Der Engel machte keine halbe Sachen, wählte für seine Schussbahn den direktesten Weg zwischen sich und seinem Feind - Eine gerade Linie. Der mittelgropße Berg, der das Pech hatte, innerhalb dieser Linie zu liegen, schmolz innerhalb von Sekunden dahin, mehr als die Hälfte des Gesteins floh als Welle aus dünnflüssiger Lava vor der schier grenzenlosen Energie, die es zu verdampfen drohte. Die Erde unter dem Stützpunkt bebte, als das Gestein unter ihnen unter Einfluss der riesigen Energiemengen zu Stoffen mit anderen chemischen und physikalischen Eigenschaften reagierte;Der Boden löste sich schon durch die Berührung des alles einhüllenden Lichtes auf, einfach so zerfallend, die etwas widerstandsfähigeren Brocken durch die Landschaft schleudernd, einfach weggefegt wie von einem göttlichem Richtspruch, Panzer flogen durch die Luft, Anlagen wurden fortgeschleudert, Scheiben brachen, den sicheren Tod gemeinsam mit den Scherben hereintragend. Das die Anlagen nicht zusammen mit den zahllosen NERV-Angestellten darin einfach restlos verdampften, lag daran, dass sie an der Rückseite des Berges lagen - Der Engel hatte auf die Spitze gezielt, ganz genau auf die Quelle des Schusses, dessen tödlicher Wirkung er nur knapp entkommen war. Dort oben war die Welt, wie wir sie kannten, dabei, sich aufzulösen, zerfiel und ließ Pfützen aus flüssigem Metall zurück, die Atmosphäre selbst war rot und verbrannt, alles ionisiert, das Gefüge der uns bekannten Gesetzmäßigkeiten so weit zersetzt, dass kleinere Felsbrocken spontan zu schweben begannen. Weiter unten, an der dem Engel abgewandten Seite des Futagoyama waren diese noch so weit intakt, dass sie die Existenz kleiner Bunker erlaubten" - Und der, in dem Misato, Dr. Akagi und ihre Untergebenen sich befanden, war wie durch ein Wunder intakt geblieben - Die meisten darin hatte es von den Füßen gerissen, die Beleuchtung war ausgefallen, die Alarmsysteme hörten nicht auf zu piepen und es würde wohl ein paar Minuten dauern, bis das Fleckchen Erde vor dem Ausgang des Bunkerns sich so weit abgekühlt hatte, dass ein normaler Mensch diesen lebend verlassen konnte, aber sie waren da, sie lebten. Obgleich Misato frei im Raum gestanden und daher eine recht unerfreiliche Erfahrung mit den Erschütterungen hatte, kämpfte sie mit sich selbst, um sich unverzüglich aufzurichten. "Die... Energiesysteme?" fragte sie, sich keinen Augenblick lang aufhaltend. "Größtenteils intakt, Wiederaufbau bereits voll im Gange." berichtete Hyuuga augenblicklich, der es geschafft hatte, sich an seiner Konsole festzuhalten, und sich daher immernoch in seinem Stuhl befand. "Die Positronenkanone?" "Ist auch noch intakt. Aber es ist schwer zu sagen, ob ein zweiter Schuss möglich ist..." Das reichte. Es musste reichen. "Wir haben keine Wahl, wir müssen es nochmal versuchen..." folgerte Misato. "Shinji-kun, ist alles in Ordnung? Du must Einheit Eins sofort wieder in Schussposition bringen!" Über das Interkom war nichts als unkontrolliertes Schluchzen zu hören. Wo einst eine aufwändig aufgenbaute Basis inklusive einem Schützengraben für den Evangelion gewesen war, waren jetzt nur noch verbrannte Erde und rot glühendes, geschmolzenes Gestein; Es stimmte, das Gewehr war intakt, aber es war so ziemlich das einzige, von dem man das behaupten konnte - EVA 01 war von der Wucht des Aufpralls mehrere hundert Meter von der Kanone weggeschleudert worden, und das hatte dem Piloten wohl das Leben gerettet - Hätte er den Strahl mit voller Wucht abbekommen, wäre der EVA wohl bereits bis zur Unkenntlichkeit zerschmolzen. Aber auch so war die metallische Panzerung des Evangelions äußerlich leicht angeschmolzen und immer noch am dampfen, und Shinji hatte sowohl die Wucht, die EVA 01 weggeschleudert hatte, als auch die Hitze des Positronenstrahls aus erster Hand mitbekommen. Er hatte sein Ziel verfehlt... Er hatte daneben geschossen... Es tat alles so schrecklich weh... Alles, was er befürchtet hatte, war eingetreten. Unfähig, auch nur den kleinsten klaren Gedanken zu fassen, saß er sa, die Beine so weit angezogen, wie es die Halterungen im Entryplug zuließen, die Arme um seinen eigenen Leib geschlungen, hilflos in der Finsternis schluchzend. Das strahlende, weiße Licht des Engels brannte in jedem einzelnen Quadratzentimeter seines Körpers. Tränen der Verzweiflung sammelten sich in seinen Augenwinkeln. Am Ende war trotz aller schönen Worte ja doch alles gekommen wie beim letzten Mal... So viele hatten hier ihr Bestes gegeben, Misato, Dr. Akagi... alle... Alle hatten in ihn vertraut, und er hatte daneben geschossen... Er hätte gleich wissen müssen, dass wieder so enden würde.... Warscheinlich würden Misato und die anderen ihn in ihren letzten Atemzügen verfluchen, und schon bald darauf würde das Ende der Welt eintreten, jeder einzelne Mensch auf diesem Planeten würde sterben und es würde allein seine Schuld sein. Und das schlimmste war, das er überhaupt nichts mehr tun konnte... Misato sagte zwar, das er es noch mal versuchen sollte, aber er fragte sich, wieso... Er würde es doch sowieso niemals schaffen... Er konnte überhaupt nichts mehr, er war völlig von seiner eigenen Angst und seiner Panik gelähmt. Er konnte nur noch heulen, obwohl er genau wusste, dass niemand da war, der seine Klagen erhören und ihn hier raus holen wür- "Den Piloten von Einheit Eins sofort auswechseln. Der Pilot von Einheit Null wird übernehmen." Shinjis bis jetzt fest zusammengekniffene Augen standen mit einem Mal weit offen. Diese Stimme... Diese tiefe, rauhe, nüchterne Stimme hätte er unter tausenden wiedererkannt, und doch hätte er eher damit gerechnet, diese tausend unbekannten zu hören als diese eine vertraute. Sie kam von weit her, hatte die Seele des Jungen erst nach einer langen, langen Reise erreicht, dessen Rückverfolgung von den hohen Bergesspitzen bis in die tiefen des Erdreiches geführt hätte - bis hin an die Lippen seines Vaters. "Ikari!" rief der Subcommander, sich alarmiert zu seinem Vorgesetzen drehend. Er glaubte nicht, dass er ihm sagen müsste, wie ungünstig die Umstände für das auswechseln des Piloten zur Zeit standen, jetzt, wo der Feind jederzeit zum Gnadenstoß ansetzen dürfte und dessen Bohrer sich nicht unweit über ihren Köpfen befand, oder wie unwahrscheinlich es war, dass sie diesen Kampf mit nur einem einzigen Evangelion ohne jede Verteidigungsmöglichkeit gewinnen würden. Doch Ikari blieb felsenfest bei seiner Forderung: "Der derzeitige Pilot ist nicht in der Lage, seine Aufgabe wahrzunehmen." Es ließ sich einfach nicht anders richten - Das Third Child war offensichtlich an seinem Limit... Die letzten Kämpfe, die im wesentlichen nur durch zufällige Ereignisse - oder weil es eben so vorherbestimmt war - hatten gezeigt, dass nicht mehr viel zu machen war, nachdem dieser Punkt erreicht war... Bis jetzt war ihm nicht viel anderes übrig geblieben, als den völlig verängstigten Jungen trotzdem einzusetzten - Wegen des großen Planes, weil keine andere Waffen zur verfügung standen, weil es strategisch nicht anders möglich war. Ikari Gendo war schon immer ein eher pragmatischer Mensch gewesen, der stehts das Große und Ganze im Blick hatte - So war ihm heute Mittag nichts anderes übrig geblieben, als zuzuhören, wie das Kind, das seine Frau so geliebt und ihm vor Jahren anvertraut hatte, sich die Lungen aus dem Leib schrie. Aber... Er konnte das nicht nochmal. "Überdenken Sie das bitte!" Der Commander reagierte äußerlich nur mit einem relativ leisen, fragenden Laut, als die Leiterin der Einsatzabteilung einen Intercom-Kanal zum Zentraldogma öffnete, und das Antlitz der Leiterin der Einsatzabteilung quer über dem Hauptbildschirm erschien. "Er ist nicht weggelaufen! Denken Sie nicht, dass wir die Entscheidung, ob er weitermacht, nicht ihm selbst überlassen sollten? Vertrauen Sie auf ihren Sohn! Ich habe Vertrauen... in den Piloten von Einheit Eins!" Ikari hatte die tiefe Überzeugung, mit der seine Untergebene da sprach, nicht erwartet. Den Jungen bei ihr zu lassen, war keine falsche Entscheidung gewesen. Diese ganze Situation weckte die wage, längst verschüttete Erinnerung an eine alte Begebenheit. Stimmte es? Hatte er den Jungen unterschätzt? Es könnte gut sein... Er hatte mit dem Kind noch nie etwas richtig gemacht. Diese Frau schien sich ihrer Sache sehr sicher zu sein. "...Gut... Verfahren Sie nach eigenem Ermessen." "Vielen Dank, Sir!" Shinji konnte es nicht fassen, was er da eben mit angehört hatte... Misato... alle anderen... sogar sein Vater... Sie trauten ihm das ehrlich zu! Sie dachten wirklich, das er das schaffen konnte! Er. Sie... sie vertrauten ihm wirklich! Sie vertrauten ihm! Ihm kamen fast die Freudentränen. Er... er war nicht allein! Er war nie allein gewesen! Misato... Dr. Akagi... Die Techniker... Seine Freunde auch. Sie alle vertrauten ihm! Sie alle taten was sie konnten, und wenn es nur auf einfache Anfeuerungsaktionen belief, jeder von ihnen tat ihren Teil, um es ihm einfacher zu machen... damit er nur noch alles zu Ende zu bringen brauchte... Und sie... sie glaubten daran, das er es zu Ende bringen konnte! Shinji konnte es nicht glauben, wie blind er gewesen war... Seine eigene Furcht und sein eigenes Leid hatten ihm den Blick vernebelt... Er war nun mal ein nutzloser Feigling... Shinji selbst traute sich immer noch nicht zu, dass er das hier schaffen konnte, aber er musste es wenigstens versuchen. Er musste allen hier zeigen, dass er sie auch nicht allein ließ, das auch er seinen Teil dazu beitrug und sein bestes gab... Auch wenn alles verloren sein sollte... Er wollte ihnen wenigstens gezeigt haben, dass er ihre Anstrengungen zu schätzen wusste, damit sie ihn... vielleicht nicht so sehr hassten, wenn alles den Bach hinunter ging. Damit er sich selbst nicht so sehr hassen musste. Er musste es versuchen, er musste. Shinji hätte es sich selbst niemals verzeihen können, wenn er sich vor Angst nicht vom Fleck bewegt hätte, jetzt, wo sein Vater ihm vertraute und ihm zusah, das erste Mal richtige Erwartungen an ihn stellte wie ein... richtiger Vater. Jedes kleine bisschen Mut und Entschlossenheit zusammen kratzend, das er jemals in irgendeinem Winkel seines Wesens besessen hatte, begann Shinji immernoch laut atmend und mit Todesangst erfüllt, mit seiner zitternden, durch einer dünnen Schicht aus kaltem Schweiß vom Material des Plugsuits getrennten Hand ungelenk nach vorne zu greifen, und sich fest um den Griff des Steuerungshebels zu krallen, als sei es sein eigenes, blankes Leben. Er richtete sich auf, die Tränen von Freude und Verzweiflung noch immer in seinem Gesicht kleben habend, zog sich mit den Armen nach vorne, weil der Rest von ihm noch nicht damit aufgehört hatte, vor Furcht erstarrt zu sein. All diese Menschen denen er einst vorgeworfen hatte, dass sie ihm das hier ohnehin nicht zutrauten, alle, vor denen er zugegeben hatte, dass er nicht wusste, woher er die Stärke für diesen Krieg nehmen sollte... jetzt waren es ausgerechnet ihre Worte, aus denen er seine Kraft bezog, Silbe für Silbe leer saugend wie ein Moskito. "Shinji, ich vertraue auf dich!" Mühsam krallte er sich mit den Händen des EVAs an einem noch relativ stabil wirkenden Stück Gestein fest, den immernoch qualmenden, violetten Titaten mühsam aus dem halbgeschmolzenen Loch heraus, in dem er gelegen hatte, fing sich gerade noch so ab, um nicht unsanft auf dem Boden zu landen. "Ikari, zeig, was du drauf hast!" Vor Anstrengung ächzend kroch er mit der lädierten Biomaschine über den pampigen Boden, durch die Vernichtung hindurch, die der letzte Angriff des Engels hinterlassen hatte, schleppte den schmerzenden Körper, der nicht der seine war, mit wenig mehr als reiner Willenskraft vorran. "Ich habe Vertrauen... in den Piloten von Einheit Eins!" Ohne irgendetwas zu haben, das ihm als Stütze hätte dienen können, stellte er sich so ziemlich allem, was seine Sinne ihm zur Zeit meldeten zum trotz wieder auf die Beine, und hob die selbst im Vergleich zum kolossalen Evangelion gigantische Positronenkanone auf. Evangelion Einheit 01... war in Position. "Shinji-kun?" hörte er Misatos immer noch völlig überzeugte Stimme über das Intercom zu ihm durchdringen. "Ja, Ma'am?" "Wir vertrauen dir jetzt die ganzen Energiereserven Japans an. All unsere Hoffnungen und Wünsche... und die Zukunft der gesammten Menschheit und das Leben jedes einzelnen Lebewesens auf dieser Welt... liegen nun in deinen Händen. Viel Glück." "Verstanden." bestätigte Shinji, seine Steuerhebel noch einmal anziehend und somit die Kanone vollends in position bringen. Man sagte ihm, dass er die Zielerfassung jetzt manuell ausführen musste, aber das vermochte ihn jetzt auch nicht mehr zu verunsichern... Er hatte keine Zeit dafür - Der Bohrer des Engels war in diesem Augenblick dabei, die Decke der Geofront zu durchstoßen. Das ganze NERV-Hauptquartier bebte. Shinjis Hände zitterten. Jetzt ging es ums ganze. Nach einer halben Sekunde von wackeligen Versuchen gelang es ihm, den Engel zu fixieren. Die paar Sekunden zwischen der Gegenwart und dem Zeitpunkt, an dem das Positronengewehr einsatzbereit sein würde, kamen ihm vor wie eine Ewigkeit. Er wollte endlich schießen können. "Erneuter Ernergieanstieg im Zielobjekt!" "Verdammt!" Oh nein. Bitte nicht, bitte nicht, nicht jetzt... nicht, jetzt wo er... Shinji hatte gerade mal Zeit, sein Entsetzen auf seinem Gesicht abzubilden, dann war der Strahl aus gleißendem Licht auch schon losgebrochen und schmolz sich durch Erde und Gestein... aber nicht durch den Panzer von EVA 01. Das einzige, was bei Shinji ankam, war das blendend helle Licht. Sich gegen dieses zur Wehr setztend öffnete er seine zugekniffenen Augen einen Spalt breit - und riss sie sofort komplett auf, als er begriff, was geschehen war. Der tödliche Partikelstrahl des Engels strahlte in allen Richtungen um ihn herum, zahlreiche Ströme aus Licht rasten an ihm vorbei, sich auffächernd wie das Delta eines Flusses - Aber keiner davon traf ihn, denn in einigem Abstand vor ihm stand EVA 00, groß, orange, und bewaffnet mit einem lächerlich großen Schild, dass an eine Raumfähre erinnerte. Die Pilotin dieses Kolosses würde es wohl lediglich als die selbstverständliche Erfüllung ihrer Pflicht sehen, aber Shinji konnte nicht anders, als es zu sehen, wie es war... Sie hatte ihm gerade sauber das Leben gerettet. Wieder einmal wurde es Shinji in aller Deutlichkeit klar, dass er nicht allein war, nicht einmal auf dem Schlachtfeld. "AYANAMI!" Spätestens jetzt wurde es ihm klar, dass er niemals aufhören würde, dieses Mädchen zu bewundern. Kühnlich stellte sie sich der Feuerwalze in den Weg, die drohte, sie beide jederzeit zu überrollen, um ihn zu beschützen, nur mit diesem Schild, dass bereits dabei war, auseinanderzubrechen, nur um ihre Pflicht gegenüber all denen zu tun, deren Wege sie bis jetzt gekreutzt hatte. Sie lieferte sich auf Gedeih und Verderb Shinjis Fähigkeiten aus, diesen Feuersturm zu beenden. Jetzt war die Zeit gekommen. Jetzt lag es an Shinji, seinen Beitrag zum großen Werk zu liefern, damit die aller anderen nicht umsonst gewesen waren. Er durfte die anderen nicht enttäuschen, jetzt, wo er sich endlich sicher sein konnte, dass sie alle ausnahmslos hinter ihm steigen. ER durfte sich selbst nicht enttäuschen, jetzt, wo sich ihm die Chance bot, auf die er so lange gewartet hatte ... eine Chance, Ayanami zu beschützen. Und nicht nur sie... er würde diese kleine Welt, dieses kleine... Zuhause das er sich hier aufgebaut hatte, mit aller Kraft verteidigen, wie gering sie auch sein mochte. Ungeduldig wartete er darauf, dass das mit der Justierung des Visiers endlich klappen würde. "Mach schon... Mach schon..." Seine zunächst flehende Stimme wandelte sich zunehmends in einen Befehlston um. "Mach schon... mach schon!" "Mach schon!" Als die Zielhilfe einrastete, verschwendete er keine Sekunde, und drückte ab. Der Positronenstrahl zerfetzte den gegnerischen Energiestrahl, zog Kränze aus Wasser aus dem See um sich, den er überflog, und durchbohrte den Engel schließlich genau in der Mitte, begleitet von den Geräusch von brechendem Glas. Der Botschafter versuchte noch, sich durch zurückfaltung in seine bevorzugte, diamantartige Form zu retten, doch es brachte nichts; Die Feuersbrunst raste genau durch ihn hindurch. Ramiel stieß einen spitzen Schrei aus, noch viel kreischender und markerschütternder als der Erste, die asymetrische, stachelartige Form, die ihn ihn begleitete, noch wilder und größer - und dann verstummte er für die Ewigkeit. Mehrere Krater brachen in die Oberfläche des Engels ein, hässliche, unförmige Vertiefungen, und in der Wand der größten - Mehrere Spiegelungen des Energiekerns. Der Strahl war mitten hindurch gegangen. Egal, aus was für einem Material die rote Sphäre bestand, dem direkten Beschuss mit diesen gigantischen Energiemengen hielt sie nicht stand - vielmehr zerplatzte sie einfach, den noch blau gebliebenen Teil des Engel in einem tiefen rot färbend. Der zweite Schuss... war tödlich gewesen. Der Bohrer, der ihnen bis jetzt Probleme gemacht hatte, zerplatzte nur etwa zehn Meter über dem Hauptquartier und taufte dieses mit einem Wasserfall aus Blut. Auch aus den Zacken ergossen sich zahllose Rinnsale, das Material spitzte Tropfenweise herrab. Innerhalb weniger Sekunden zerfiel der ganze Körper des Engels, diese fliegende Festung in ihre Bestandteile. Doch Ikari Shinji hatte für dieses Schauspiel keine Augen - Denn Ayanami Rei, dieses faszinierende, unergründliche, entschlossene Mädchen hatte ihn zuletzt mit dem bloßen Körper ihres Evangelions beschützt, nachdem ihr die letzten Reste des Schildes entgültig aus den Händen geschmolzen waren. EVA 00 stüzte wie ein Stein auf den Boden, die gesammte Metallrüstung ausgebrannt und geschmolzen, mit immernoch glühenden Stellen hier und da, und das Schlachtfeld, dass nach all diesen Hochenergieaktionen nur noch aus halbgeschmolzener Schlacke bestand, nahm den einäugigen Giganten etwa genau so gerne in sich auf wie ein riesiges Loch mit Treibsand. Shinji ließ die Kanone unverzüglich fallen, und eilte herbei, um den noch qualmenden Evangelion zumindest zur Hälfte auf das noch feste Stücken Erde zu ziehen, auf dem er bis jetzt gestanden hatte. Er musste Rei auf der Stelle da heraus bekommen - alles andere konnte er hinterher klären. Sich nicht anders zu helfen wissen griff er sich sein Progmesser und stach damit so lange auf die geschmolzene Öffnungsplatte von EVA 00 ein, bis er diese herausgehebelt und die Einführungstelle für den Entryplug freigelegt hatte - erfreulicherweise funktionierte zumindest ein Teil der Elektronik funktionierte noch, sodass der Entryplug darauf sofort herausgefahren und das überhitzte LCL ausgestoßen wurde. Sobald sich der teilweise geschmolzene Entryplug von EVA 00 in der durch die Rettungsaktion ebenfalls geschmolzenen Hand von EVA 01, und diese sicher auf dem Boden befand, stieg Shinji aus, sprang ohne richtig darüber nachzudenken oder sich auch nur wirklich darüber bewusst zu sein, von Höhen herunter, die er sich in einer anderen Situation im Leben nicht zugetraut hatte, vom Plug zur Schulter des EVAs, von dortaus zum Arm und schließlich zu Boden. Er hatte nur eine einzige Sache, nein, eine einzige Person im Sinn. Ayanami Rei. So lange hatte er sie und die eigentümliche Welt, in der sie zu leben schien, aus der ferne betrachtet, so lange hatte er versucht, ihr irgendwie näher zu kommen, während er innerlich stets kurz davor gewesen war, auseinander zu fallen... Jetzt würde er endlich fähig sein, etwas für sie zu tun. Eilig drehte er am halb geschmolzenen Verschluss der überhitzten Einstiegsluke, und es tat furchbar weh, wie es schon weh getan hatte, den Plug mit den Händen des Evangelions da raus zu holen, doch das könnte ihm nicht egaler sein. Er wollte nur wissen, ob sie in Ordnung war. Der Kampf gegen die Luke war mühsam, trug aber schlussendlich Früchte, und kaum, dass sie aufgesprungen war, lehnte sich Shinji in die Finsternis des Plugs hinein, wo Reis reglose Form in ihren weißen Plugsuit gehüllt von silbernen Zwielicht des Mondes beschienen in ihrem Steuerungstuhl lag. "Ayanami! Ayanami!" rief er vor Besorgnis zerwühlt in die Dunkelheit hinein. "Bist du in Ordnung?! Sag doch was! AYANAMI!" Es war keinerlei Reaktion zu sehen... Was wenn sie... Nein. Sie bewegte sich. Eine Regung ging durch ihre feinen Finger, die sich bis zum zum Schluss geweigert hatten, die Brille des Commanders loszulassen. Sie lebte. Auch der Rest von ihr regte sich, sie richtete ihren bis jetzt zur Seite hängenden Kopf auf und öffnete ihre Augen. Er war das erste, was sie sah. Shinji war von seinen Gefühlen vollkommen überwältigt. Als er zu ihr den Entryplug stieg, spürte er deutlich, wie die Tränen vollkommenster Freude sich unter seinen Augen ansammelten. Sie lebte. Sie hatte das alles überlebt... Oh, bei allen Göttern und sämtlichen Himmelskörpern, sie lebte. Er war so überkommen von seinen Emotionen, das ihm gar nicht einfallen wollte, was er in dieser Situation am besten sagen sollte - so blieben ihm nur diese wahren, unverarbeiteten Gefühle selbst übrig. "'ich hab sonst nichts'... So etwas schreckliches... darfst du doch nicht sagen..." bgann er. Rei blickte ihn einfach nur mit großen Augen an. "Und dann auch noch immer dieses 'Leb Wohl' zum Abschied... Das macht mich immer so traurig..." Shinji senkte seinen Blick, unfähig, sich und seine Gefühle irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Rei wirkte verwundert; Sie schien ehrlich nicht zu wissen, was sie jetzt tun oder sagen sollte. Auch sie wirkte ein wenig überwältigt. Vorsichtig setzte sie sich auf, Shinji dabei keinen einzigen Augenblick aus den Augen zu lassen. Sie verstand nicht so richtig, was eigentlich los war. "Warum weinst du?" Shinji schien nicht in der Lage zu sein, auf ihre Frage zu antworten. Rei wendete betrübt ihren Blick ab. "Es tut mir leid. Ich weiß leider nicht, wie man sich in so einer Situation am Besten verhalten sollte..." Shinji schaute zu ihr auf. "Probier's doch mal... mit einem Lächeln..." Erst jetzt bemerkte sie es. Und es schockierte sie, dass sie es erst jetzt bemerkte. Die Art, wie er sich durch die Luke hineingelehnt hatte, der hingebungsvolle Ausdruck in seinen mitternachtsblauen Augen, dieses Lächeln tiefster Erleichterung... Genau wie der Commander. Er war... wegen ihr gekommen, um sie zu retten, um sicherzugehen, dass es ihr gut ging... ihr, und ihr allein, ganz gleich, wie viele Klone in den Untergrundkomplexen von NERVvor sich hin schwappten... natürlich wusste er nichts davor, aber das änderte nichts daran, dass er deshalb zu weinen schien, weil sie ...nicht beschädigt war, und das er sie auf diese Art ansah, wie sie zuvor nur eine einzige Person jemals angesehen hatte - so, als ob sie etwas wertvolles wäre. Genau wie der Commander... und doch anders als er. Der ältere Ikari hatte sie erschaffen und ihr eine Bestimmung gegeben, aber... sein Sohn hatte überhaupt gar keinen Grund sich um sie zu sorgen, zog überhaupt keinen Nutzen daraus, dass sie in Ordnung war... Rei war fast schon ein bisschen schockiert darüber. Sie fühlte sich an den Tag erinnert, als er sie in seine Arme geschlossen hatte, so fest und vorsichtig, und überhaupt nicht kalt, ganz anders als der Fußboden, so sorgsam mit ihr umgehend, als ob sie etwas unsagbar kostbares wäre. Auch dafür hatte er keinen Grund gehabt... Vielleicht hatte sie ihn deshalb seid diesem Tag ununterbrochen aus der Ferne betrachtet. Vielleicht hatte das auch etwas damit zu tun, dass sie sich freiwillig gemeldet hatte, um ihm wegen des vorletzten Engels bescheid zu sagen, oder dass sie so lange vor und in seinem Krankenzimmer gewartet hatte, anstatt sich dort einzufinden nachdem man ihr berichtet hatte, dass er das Bewusstsein wiedererlangt hatte - aber eigentlich hatte sie für diese Zeit keine anderen aufgaben gehabt, also war sie sich da nicht sicher. Sicher war, dass das hier eine Art von Verbindung zu sein schien, mit der sie noch keinerlei Erfahrung hatte. Aber er hatte sie gerettet. Er hatte sich um sie gesorgt und das... berührte sie. So kam es, dass sie es ihm zeigte. Dieses wunderschöne, warme Lächeln, dass sie nur für trübsinnige Männer mit mitternachtsblauen Augen reserviert hatte, die ihr das Leben gerettet hatten, und für die sie das ihre jederzeit hergeben würde. Shinji konnte es nicht fassen, dass sie ihn tatsächlich anlächelte - und was für ein Lächeln das war! Dünn und zaghaft, fast, als wäre sie sich nicht sicher, ob das so richtig war, aber der Ausdruck in ihren Augen bewies, das es durch und durch ehrlich gemeint war. Es betünchte seine Wangen mit einem zarten Rosaschimmer und ließ ihm keine andere Wahl, als es zärtlich zu erwidern. Er reichte er ihre Hand, an der das Gummi des Plugsuits in der innenseite Brandspuren aufwies, und sie reichte ihm zaghaft die ihre. Als sie sich in der Finsternis des Entryplugs inmitten der zerschmolzenen Landschaft an den Händen hielten, wusste Shinji, dass der heutige Tag für ihn trotz aller Strapazen, die er durchlebt hatte, für immer eine unersetzliche Erinnerung bleiben würde. ______________________________ (1) Ich habe hier Teile der 'Second Impact' Erklärung aus Episode 7 eingefügt, weil's grad so gut gepasst hat. (2) Im Original gab es diese coole Stelle, wo sich die Strahlen verdrehen. Kenny wollte sie unbedingt drin haben. Bei dem rest des Kampfes bin ich jedoch ausnahmslos nach Rebuild gegangen. *Melodie von 'Angel of Doom' summ* Merkt man, dass das (in beiden Versionen) einer meiner Lieblingskämpfe war? (3) Freut euch schon darauf, den 1. Akt im nächsten Kapitel noch gemütlich ausklingen zu lassen - In Kapitel 08: [Fleisch vs. Stahl] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)