Prinzessin Serenity von MamoChan (Usagi X Mamoru (Gegenwart)) ================================================================================ Kapitel 33: Das Prinzenpaar --------------------------- Es war als würden sie eine völlig neue Welt betreten. Egal wie das Leben außerhalb dieser Mauern auch aussehen mochte, kaum hatte man die große Tür durchschritten, befand man sich in einer längst vergessen geglaubten Zeit, und alles, was vorher war, wurde draußen zurückgelassen. Der große Saal war vollgestopft mit dem Prunk vergangener Tage. Die hohen Wände waren mit riesigen Gemälden und edlen Wandteppichen geschmückt, unter der Decke des riesigen Ballsaals hingen sechs gewaltige Kristalllüster, deren Licht sich in den einzelnen Steinen brach und dann jeden Winkel des Saals erreichte. Auf den Tischen standen zusätzlich reich verzierte Kandelaber, die ein angenehmes Licht spendeten und dazu beitrugen die Atmosphäre noch exklusiver wirken zu lassen. Mamoru bemerkte, dass mehrere Bedienstete pausenlos damit beschäftigt waren möglichst unauffällig dafür zu sorgen, dass immer alle Kerzen der Kerzenständer brannten und diese gegebenenfalls austauschten. Zu ihrer Linken befanden sich zwei große geschwungene barocke Treppen, die in den ersten Stock und von dort aus auf dem inneren Balkon, von dem aus man direkt in den Ballsaal sehen konnte, führte. Riesige Statuen aus Carrara-Marmor, die römischen Göttinnen Minerva und Juno darstellten, standen direkt neben den Treppen und reichten bis knapp unter das Dach. Auf der anderen Seite waren es die Abbilder von Venus und Ceres. Weitere Statuen befanden sich an den Fenstern und der gegenüberliegenden Wand. Mamoru musste ganz automatisch ein wenig schmunzeln, als er Diana, die römische Göttin des Mondes erkannte. Irgendwie schien ihm dieser Zufall sehr amüsant. Neben ihm sah sich Rei voller Ehrfurcht um und kam aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. „Das ist überwältigend“, sagte sie ohne ihre Augen von der pompösen Ausstattung lassen zu können. Selbst wenn Mamoru zu mehr in der Lage gewesen wäre als nur stumm zu nicken, hätte sie es vermutlich nicht wahrgenommen. Er hatten es tatsächlich geschafft, sie waren durch den Eingang ins Gebäude gelangt und befanden sich nun inmitten der anderen Gäste. Damit war einer der schwierigsten Teile schon geschafft, dachte Mamoru und sah sich unauffällig um. Während ihm die Meisten der Anwesenden absolut nichts sagten, erkannte er doch einige Wenige von ihnen wieder. Unter der illustren Gesellschaft befanden sich Berühmtheiten aus Politik und Wirtschaft genauso wie der eine oder andere adlige Name aus dem In- und Ausland. Wieder hatte Mamoru das Gefühl sich in Kreisen zu bewegen, in denen er absolut nichts verloren hatte, und rechnete damit, dass man ihn jede Sekunde entdecken würde. Immer wieder warf er vorsichtige Blicke zu den Ausgängen, an denen sich das Sicherheitspersonal positioniert hatte. Um nicht zu offensichtlich aus der Menge hervorzustechen, hatten sie sich ebenfalls entsprechend des Abends gekleidet und auf eine allzu strenge Haltung verzichtet. Aber Mamoru erkannte, dass sie die ganze Zeit über hochkonzentriert das Geschehen im Auge behielten. Es würde nicht einfach sein, an ihnen vorbei zu kommen. Bei einer falschen Bewegung würden sie ihn schneller in der Mangel haben als er ihm lieb war. Vorsicht war in diesem Fall das Gebot der Stunde. Was immer er tun würde, er durfte dabei nicht unvorsichtig werden. Noch hatte er nichts gefunden, das bereits auf die Anwesenheit von Usagi oder sonst wem aus der kaiserlichen Familie schließen ließ. Die Leute standen im Saal und führten angeregte Gespräche. Überall wurden Hände geschüttelt sich unterhalten. Die Damen präsentierten stolz ihre Kleider oder hatten sich in kleinen Grüppchen zusammengefunden um den aktuellen Tratsch auszutauschen, während die Herren es ihnen ähnlich taten und sich ebenfalls in kleinen Gruppierungen versammelt hatten um mal mehr und mal weniger Lautstarke Gespräche zu führen, die immer wieder von heiterem Lachen unterbrochen wurde. „Rei Hino? Kann das sein?“ Aus seinen Gedanken gerissen drehte sich Mamoru um und sah einen großen rothaarigen Mann mit einem altmodischen Backenbart, der sich ihnen neugierig näherte. An Reis Gesicht konnte Mamoru sofort ablesen, dass sie diesen Herren kannte, der sie nun höflich und formvollendet begrüßte. „Mr. Philips, ich hätte nicht gedacht sie hier anzutreffen“, sagte sie, noch immer von der plötzlichen Begegnung überrascht. „Als ich Sie das letzte Mal sah, waren Sie noch so klein.“ Er streckte die Hand aus und hielt sie etwa einen Meter über den Boden und strahlte dabei über das ganze Gesicht. „Wie geht es ihrem Vater? Was machen sie jetzt? Haben sie schon Familie?“ Die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus und ließen Rei fast keine Chance darauf einzugehen. So sehr sie dieses Wiedersehen offenbar freute, es schien sie auch ein wenig zu verunsichern. Mamoru spürte, wie sie bei der letzten Frage unwillkürlich ein wenig zusammenzuckte. „Ja, Vater geht es gut, ich werde ihm gerne Grüße ausrichten. Aber er arbeitet nicht mehr. Weshalb ich dabei bin seinem Beispiel zu folgen“, sagte sie freundlich. „Und was die Frage nach der Familie angeht-“ „Ja was bin ich auch unhöflich. Fange ich doch gleich an zu plappern ohne nach deinem Begleiter zu fragen. Sind sie der Freund von Rei?“ Die letzte Frage war an Mamoru gerichtet, und wurde ganz unverblümt gestellt, noch bevor der rothaarige Mann sich überhaupt vorgestellt oder nach Mamorus Namen gefragt hatte. „Nein, nicht mein Freund. Darf ich ihnen meinen Mann-“ Rei stockte kurz und warf ihm einen unsicheren fragenden Blick zu. Als Ihr bewusst war, was sie sagen wollte, war es bereits zu spät. Mamoru würde sie in einer derartig prekären Situation mit Sicherheit nicht alleine dastehen lassen. Er nickte ihr kaum wahrnehmbar zu und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Er sah, wie sie ebenfalls erleichtert lächelte und sich dann wieder an Mr. Philips wendete. „...meinen Mann Mamoru vorstellen?“ Sie trat kurz zur Seite um Mamoru Platz zu machen. Mamoru trat einen kleinen Schritt vor und begrüßte sein Gegenüber höflich. „Mamoru Chiba. Sehr erfreut sie kennen zu lernen.“ „Und das ist Andrew Philips, ein alter Freund unserer Familie“ „Freut mich mein Junge!“, rief Mr. Philips und begrüßte Mamoru für dessen Geschmack viel zu herzlich, wenn man bedachte, dass sie sich vor gerade mal einer Minute kennen gelernt hatten. „Und was machen sie? Wollen sie auch in die Familiengeschäfte mit einsteigen?“ „Nein, er hat eine ganz eigene Karriere“, sagte Rei. „Ach ja? Und was machen Sie genau?“ „Ich bin Autor“, sagte Mamoru ein wenig verlegen. „Romane um genau zu sein.“ „Oh“, machte Andrew erstaunt und riss die Augen auf. „Und was schreiben sie so für Romane?“ „Ich schrieb zum Beispiel die Cromwell-Reihe.“ „Ja, davon habe ich gehört!“ rief Mr. Philips aufgeregt und zog bereits einige blicke der umliegenden Gäste auf sich. „Davon gibt es doch auch diese Filme mit Ton Hanks!“ Mamoru verkniff sich ein Lachen. „Das war von Dan Brown“, sagte er stattdessen trocken und warf einen Blick zu Rei, die sich gerade auf die Lippe biss um nicht zu grinsen. „Oh, verstehe. Mein Fehler“, meinte Andrew Philips zerknirscht. „Aber ich habe von dieser Millennium Trilogie gehört.“ „Und ich wäre froh, wenn sie von mir wäre.“, sagte Mamoru und konnte nun nicht verhindern, dass kurz darauf ein amüsiertes Grinsen sein Gesicht zierte. „Oh, sie müssen einem alten Mann entschuldigen. Ich lese nicht soviel, sondern gehe lieber aus, solange ich es noch kann. Wenn mich meine Beine nicht mehr tragen, dann ist immer noch genug Zeit zum Lesen“ Andrew Philips lachte laut auf, was wieder dafür sorgte, dass sie zum Zentrum der Aufmerksamkeit wurden. Ein Umstand, der Mamoru alles andere als Recht war, wollte er doch möglichst unauffällig bleiben und in der Menge verschwinden. „Rauchen sie, mein Junge?“ „Ähm, wie bitte?“, fragte Mamoru völlig überrumpelt. Andrew zog eine dicke Zigarre hervor und schnupperte ausgiebig daran, nur um sie dann Mamoru entgegen zu halten. Dieser verzog das Gesicht und wich zurück. „Ah, riechen sie nur daran. Dieses Aroma. Herrlich!“ „Nein Danke. Das ist wirklich sehr freundlich, aber ich-“ „Pfft“, mit beleidigter Miene zog Andrew die Zigarre zurück und steckte sie sich zwischen die Zähne. „Sie glauben ja gar nicht, was sie da verpassen.“ Mit deutlich weniger freundlichem Gesicht durchsuchte er seine Taschen. „Ach verdammt! Haben sie Feuer mein Junge? Oder sie Rei?“ „Ich fürchte nein“, sagte Mamoru kurz. „Und ich denke auch nicht, dass es hier erlaubt ist offen mit Feuer zu hantieren“, fügte Rei beiläufig ein und erntete dadurch nur einen belustigten Blick von Andrew. „Und was ist denn bitte schön das da?“, fragte er grinsend und deutete auf die Reihe Kandelaber nicht weit von ihnen. „Also ihr seid mir schon zwei Witzbolde. Mit der heutigen Jugend ist wohl nicht viel los. Entschuldigt, aber ich muss mir nun erstmal eines dieser Babys hier zu Gemüte führen.“ Die Zigarre hoch erhoben winkte er ihnen zu, bevor er sich seinen Weg durch die Menge suchte und von dannen zog. Mit großen Augen sahen Mamoru und Rei, wie sich Andrew Philips seinen Weg durch die Menge bahnte. „Was war denn das?“ „Schau mich nicht an, für die seltsamen Bekanntschaften meines Vaters kann ich nichts“, meinte Rei entschuldigend. „Aber immerhin zählt er uns noch zu der Jugend von heute.“ Mamoru wollte gerade etwas erwidern, als er sah wie sich Reis Augen wieder weiteten. Nun endlich bemerkte er, wie still es mit einem Mal im Saal geworden war. Alle Anwesenden verstummten nach und nach und richteten ihre Aufmerksamkeit auf etwas hinter Mamoru. Langsam drehte er sich um. Nichts. Außer einem Bediensteten, der eiligst von einem Ende des Raumes zum anderen lief, gab es keine Besonderheiten. Mamoru ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Ein Mann in einem dunklen Anzug sprach anscheinend etwas in ein Sprechgerät. Obwohl er etwa in Mamorus Alter sein musste, hatte er bereits silbergraues Haar. Und Mamoru kannte ihn. Niemals könnte er ihre Begegnung vergessen, jenen Tag als er ihn angesprochen hatte um Mamoru davon abzuhalten auf der Hochzeit zu erscheinen. Mamoru behielt ihn aus sicherer Entfernung im Auge. Auch wenn er die Maske trug, zweifelte er nicht daran, dass der Fremde mit dem Zopf ihn wiedererkennen könnte. Mit einem Mal veränderte sich die Atmosphäre im Raum, Gespräche wurden gedämpft, denn irgendetwas bahnte sich an. Dann wurde eine Musik eingespielt. Und jemand trat im oberen Stock an die Treppe. Es war das Kaiserpaar, das sich nur kurz damit aufhielt die Anwesenden zu begrüßen, nur um dann Platz zu machen für ihren Sohn, dessen Aufgabe es heute sein würde diese Veranstaltung zu eröffnen. Er trug eine reich verzierten Anzug, der an seinem Stand keinerlei Zweifel ließ. Prinz Seiya hatte die Bühne betreten, doch auch wenn er eine noch so eindrucksvolle Erscheinung bot, so war nicht er es, dem die Aufmerksamkeit der Anwesenden galt. Mamoru verspürte ein Gefühl ähnlich dem, wenn man aus großer Höhe mit einem Fahrstuhl sehr schnell herabfährt. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und er glaubte den Boden unter den Füßen zu verlieren. Rei ergriff seinen Arm und drückte sich an ihn. „Oh mein Gott, da ist sie“, sagte sie mit leiser Stimme. Usagi, die niemand außer ihm hier unter diesem Namen kannte, stand dem Thronfolger zur Seite. All die Wochen, in denen er sich schmerzvoll herbeigesehnt hatte sie endlich wieder zu sehen, die schlaflosen Nächte und der Schmerz in seiner Brust, der ihn immerzu gequält hatte wenn Mamoru an sie gedacht hatte, war mit einem Mal vergessen. Es gab Keinen Ballsaal, keine Musik und auch keine Gäste. Da war nur sie. Alles andere verschwand aus seiner Wahrnehmung. Er bekam nicht mit von den bewundernden Ahs und Ohs, die von allen Seiten kamen, als sie an der Seite von Prinz Seiya langsam die Treppe hinunter schritt, denn für Mamoru gab es in diesem Augenblick nur seine Usagi. Auch wenn sie in ihrem eleganten weißen Kleid und all dem Schmuck so ganz anders aussah als das Mädchen, das er kennen und lieben gelernt hatte, so war sie es doch ohne jeden Zweifel. „Ist sie nicht wundervoll?“ hörte er Rei voller Bewunderung neben sich sagen und ein schwaches „Ja“ war alles, was er selbst hervorbringen konnte. „Sie sieht wieder glücklicher aus, findest du nicht?“ Erst jetzt wurde Mamoru ein wenig aus seinen Gedanken gerissen. Was hatte Rei soeben gesagt? Er sah zu Usagi, die nun lächelnd an der Seite von Prinz Seiya weiter die Treppe hinab schritt. Es war nicht dasselbe Lächeln wie damals am See. Mamoru kannte dieses Lächeln hier von Bildern und auch dem Fernsehen. Es war das Lächeln, das sie in der Öffentlichkeit zeigte, und dem sie auch zum Teil dem Namen verdankte, mit dem die Öffentlichkeit sie bedacht hatte, weshalb alle Welt sie Prinzessin Serenity nannte. Mamoru sah jedes Mal, dass es nicht echt war und war umso mehr darüber erstaunt, dass außer ihm niemand diese so offensichtliche Tatsache erkannte. Aber vielleicht wollten sie alle es auch nicht sehen. Doch so ungern er es sich auch eingestehen wollte, Rei hatte recht. Selbst wenn Usagis lächeln aufgesetzt war, ihre Augen strahlten tatsächlich Glück aus. Es freute ihn, dass es ihr gut ging, aber zugleich verkrampfte sich sein Innerstes. In all den Wochen, in denen sie getrennt waren, hatten beinahe all seine Gedanken immer nur ihr gegolten. Beide erreichten sie nun den Fuß der Treppe und gingen auf ein kleines mit Samt beschlagenes Podest zu. Als Prinz Seiya von dort aus nervös seine Rede hielt, hörte Mamoru zwar die Worte, aber sie verschwanden für ihn in der Bedeutungslosigkeit. Während alle anderen Gäste der Rede von Seiya lauschte, dessen Nervosität seine Stimme vor Aufregung zittern ließ, galt Mamorus ganze Aufmerksamkeit der Prinzessin, die neben ihrem Gemahl stand und nur hin und wieder lächelnd in die Menge blickte, während sie ihm die Ansprache überließ. Mamoru sah, die Freude in ihren Augen und spürte plötzlich wieder wie Angst ihn durchströmte. Er freute sich darüber, dass Usagi glücklich war, aber gleichzeitig fragte er sich auch, was denn der Anlass wäre. Hatten sich ihre Gefühle ihm gegenüber geändert? Hatte sie nicht gleichermaßen an ihn denken müssen wie er an sie und sich nun bereits an das Leben an der Seite den Kronprinzen gewöhnt? Er konnte es sich nicht vorstellen. Ohne es zu wollen, richtete er seine Aufmerksamkeit auf Prinz Seiya, der noch immer inmitten seiner Rede steckte. Er mochte ein guter Mensch sein und Usagi bestimmt gut behandeln, aber dass alles spielte keine Rolle, denn in diesem Augenblick konnte Mamoru ihn nicht ausstehen. Wut schäumte ihn ihm auf, und anstatt sie zu unterdrücken kanalisierte Mamoru sie auf das einzige Ziel, das seiner Meinung nach diese verdient hatte. Auf den Kronprinzen Seiya. Er wollte, dass Usagi glücklich war, er wünschte ihr ein wunderbares Leben, sie sollte glücklich sein. Aber nicht mit ihm. Mamoru sah wie Seiya sich ein Stück zur Seite drehte und mit einem liebevollen Lächeln seiner Prinzessin die Hand reichte. Hätte Mamoru Blitze aus seinen Augen schießen können, wäre vom Kronprinzen in diesem Augenblick nur ein dunkler Brandfleck im Teppich übriggeblieben. Da er diese Fähigkeit jedoch nicht besaß, musste Mamoru mit ansehen, wie Usagi die Hand von Seiya ergriff und direkt an dessen Seite trat. Und obwohl ihr lächeln nun sehr viel dezenter ausfiel, schienen ihre Augen dafür nur umso mehr zu leuchten, während Prinz Seiya weitersprach und ihr dabei immer wieder liebevolle Blicke zuwarf. Und ganz plötzlich wurde Mamoru wieder in die Wirklichkeit zurück gerissen, als er jene furchtbaren Worte vom Prinzen wahrnahm und sah, wie Usagi an sich herab sah und unbewusst ihre Hand leicht auf den Bauch legte. „... überglücklich diese frohe Botschaft nun heute verkünden zu dürfen“, hörte er Seiya sagen, als Mamoru endlich verstand. Sein Herz raste nicht mehr. Im Gegenteil, er glaubte nun, es sei stehengeblieben, ebenso wie er den Atem angehalten hatte. War das denn wirklich möglich? Mamoru spürte wie seine Augen feucht wurden und ihm ein Kloß dick wie eine Apfelsine im Hals steckte. Rei drückte seinen Arm noch fester, während sie die Worte des Kronprinzen lauschte. „Oh mein Gott“, flüsterte sie leise. „Ist das wirklich wahr? Glaubst du dass sie...?“ „...und ihn wenigen Monaten wird unser Kind, der künftige Thronfolger, das Licht der Welt erblicken.“ Nach einem kurzen Schweigen ging ein aufgeregtes Gemurmel durch den Saal, welches schnell anschwoll. „Das ist doch schön, nicht wahr?“, hörte man an einer Ecke. „Das ging aber schnell. Die beiden verlieren wirklich keine Zeit“, aus einer anderen. Mamoru selbst fühlte sich wie unter Strom. Obwohl er es eben mit seinen eigenen Ohren vernommen hatte, konnte er es einfach nicht glauben. Sie erwartete ein Kind. Sofort war ihm klar, weshalb ihre Augen derart leuchteten, und er gönnte ihr dieses Glück von Herzen. Mamoru wusste, dass sie diesem Kind alle Liebe zukommen lassen würde, die sie besaß, und das war eine Menge. Nur konnte er nicht ertragen, dass nun der Balg von Seiya in ihr heranwuchs. „Das ist ja einfach wundervoll“, sagte Rei ganz außer sich vor Aufregung. “Sie bekommen tatsächlich ein Kind! Ist das nicht schön?“ Mamoru nickte traurig, zwang sich aber zu einem Lächeln und hoffte, dass Rei nicht bemerkte, wie es gerade wirklich in ihm aussah. Unterdessen stellte Prinz Seiya belustigt fest, dass ihm überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr zuteil wurde und wartete lachend ab, bis sich der Tumult ein wenig gelegt hatte. „Und nun möchte ich ihnen abermals dafür danken, dass sie uns diesem Abend beiwohnen. In wenigen Augenblicken werden meine Gemahlin und ich den Abend offiziell mit dem ersten Tanz eröffnen. Aber bedauerlicherweise werden Sie nicht den ganzen Abend ihre Anwesenheit genießen dürfen, da sie sich aus nun verständlichen Gründen schonen muss und sich zu gegebener Zeit zurückziehen wird.“ Der Kronprinz lächelte ihr wieder zu und trat einen Schritt zurück. Noch immer ihre Hand haltend, führte er sie auf das glänzend polierte Parkett. „Was soll das denn heißen? Die Kerzen stehen doch hier, oder? Ich will sie mir ja nicht klauen, sondern nur die Flamme kurz borgen.“ Das Paar hielt abrupt inne und sah irritiert in den Raum. Augenblicklich drehten sich beinahe alle Anwesenden ebenfalls zu der Quelle des Lärms und die Musik verstummte. Mamoru ließ einfach nur den Kopf sinken und spürte wie sich seine Anspannung wieder lockerte. Obwohl ihm noch immer elendig zumute war, verspürte er durch diese herrlich skurrile Situation den Drang herzhaft zu lachen. Neben ihm sah er Rei, die den Kopf hängen ließ, damit niemand sah, dass sie derart knallrot angelaufen war, dass dieser Farbton mit dem ihres Kleides konkurrieren konnte. Obwohl sie diesen Vorfall nicht zu verantworten hatte, war sie doch peinlich berührt. Und dennoch zitterte sie am ganzen Körper, bei ihrem Versuch ein Kichern zu unterdrücken. Von der Tanzfläche aus verfolgte Prinz Seiya hoch amüsiert wie Andrew Philips mit einem der Bediensteten darüber stritt, weshalb er sich seine Zigarre nicht an einen der Kerzenständern anzünden durfte. Erst als er bemerkte, das alle Blicke auf ihn gerichtet waren, zog er sich mit einem laut ausgerufenen „´tschuldigung“ zurück. Als die Musik wieder einsetzte, führte Seiya die Prinzessin wieder auf die Tanzfläche. Mamoru beobachtete sie mit schwerem Herzen und sah dabei zu, wie Usagi mit eleganten Bewegungen über das Parkett schwebte. Es war nur ein kurzer Tanz, und schon bald durften sich die übrigen Gäste hinzugesellen. „Ich weiß, das geziemt sich nicht zu fragen, aber möchtest du auch tanzen?“ Mamoru sah zu Rei, die ihn nun mit leuchtenden Augen anblickte. Ein lächeln umspielte ihre Lippen. Er blinzelte und reichte ihr dann seine Hand. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte er und hoffte inständig sich keinen zu groben Schnitzer in der Etikette erlaubt zu haben. „Sehr gerne.“ Rei ergriff seine Hand, und schon bald befanden sie sich inmitten der anderen Paare auf der riesigen Tanzfläche. Mamoru hatte bereits mehrere Male eine Tanzschule besucht, aber viel geholfen hatte es seiner Ansicht nach nicht. Er hatte niemals Talent für den Tanz gehabt und war eher unbeholfen als anmutig. Mit einer Ausnahme. Auch wenn ihm alle Tänze ein Graus waren, so beherrschte er den Walzer in all seinen Variationen. Während er und Rei über die Tanzfläche glitten, hielt er immer wieder Ausschau nach Usagi, doch inmitten dieser Menschenmasse war es ein nahezu unmögliches Unterfangen sie zu finden. Er wollte sie dennoch sehen, ihr wenigstens einmal nahe sein, wenn möglich einen Blick von ihr erhaschen um sie wissen zu lassen, dass er hier und ihr nah war. Langsam führte er Rei von einem Ende des Saals zum anderen und hielt dabei fortwährend Ausschau nach der Prinzessin. Er entdeckte sie am Fuß der Treppe. Sie stand alleine dort und schaute in die Menge. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht wirkte ein wenig traurig. „Sie ist schön, nicht wahr?“, fragte Rei ganz plötzlich. „Was sagtest du?“ „Danke, dass wir heute hier hergekommen sind. Du glaubst gar nicht, was es mir bedeutet heute Abend hier sein zu dürfen, unter all diesen Menschen zu sein und die Prinzessin zu sehen.“ Rei strahlte vor Freude und für einen kurzen Moment hätte ein unbeteiligter Beobachter meinen können, dass das Leuchten ihrer Augen durchaus mit dem der Prinzessin hätte konkurrieren können. Mamoru lächelte. Er wusste im Augenblick auch nicht, wann er Rei das letzte Mal derart glücklich gesehen hatte. „Es gefällt dir hier also?“ „Machst Du Witze? Es ist das Beste, was ich vielleicht jemals erlebt habe. Ich glaube an diesen Abend werden wir noch in vielen Jahren zurückdenken.“ „Ja, ganz bestimmt“, sagte Mamoru und dachte daran, dass er garantiert niemals vergessen würde, wie er erfuhr, dass Usagi ein Kind in sich trug und somit in noch unerreichbarere Ferne gerückt war. Erst jetzt wurde ihm wirklich bewusst, was dieser Abend für ihn wirklich bedeuten würde. „Lass uns mal kurz aussetzen, ja? Noch eine Runde, und ich stolpere über meine eigenen Füße.“ Rei kicherte und ließ sich von Mamoru an den Rand der Tanzfläche führen, wo sie diese dann verließen. Und von dort aus konnte er sie sehen. Da war sie, seine Usagi, genau am anderen Ende des Saals. Sie wirkte beinahe etwas verloren, wie sie ganz alleine dort stand, während Prinz Seiya damit beschäftigt war Hände zu schütteln, Gespräche zu führen und somit jegliche Aufregung von seiner Gemahlin fern hielt, die von all den Leuten ausging, die dem Paar nun ihre Glückwünsche aussprechen wollten und dabei kaum Rücksicht auf die Prinzessin genommen hätten. Mamoru überlegte, ob er sich dies zunutze machen konnte, um sich bei ihr bemerkbar zu machen ohne gleich die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ihr von hier aus zuzurufen war wohl die denkbar schlechteste Idee, dachte er. Es würde wohl eher dazu führen, dass er nähere Bekanntschaft mit jemanden vom Sicherheitsdienst machte als dass er mit Usagi sprechen würde. „Irgendwie ist es ja schon traurig“, sagte Rei und deutete zur Prinzessin. „Was meinst du damit?“, fragte Mamoru. „Sie ist die Prinzessin, alle Augen sind auf sie gerichtet, und dennoch ist sie hier jetzt ganz alleine. Siehst du wie der Prinz versucht ihr allen Ärger abzunehmen? Er meint es bestimmt gut, aber ich glaube, sie fühlt sich nicht wohl dabei. Hast du gesehen, dass sie schon mit jemanden gesprochen hat? Es ist quasi ihr Ball, und doch ist sie alleine.“ Mamoru nickte zustimmend und versuchte Usagi auf der anderen Seite auszumachen. „Ich kann sie ja zum Tanz auffordern. Dann kann sie sich, während ihr Ehemann ihr die lästigen Gäste vom Hals hält, zumindest ein wenig vergnügen“, sagte er scherzhaft, doch im selben Moment gefror ihm sein Grinsen im Gesicht. Als ihm bewusst wurde, was er da eben gesagt hatte, fing sein Herz wieder wie wild an zu pochen. Rei grinste ihn an und kicherte. „Das will ich sehen, wie du auf die Prinzessin zugehst und sie vor aller Augen zum Tanzen aufforderst. Versuch es doch, aber ich wette du wirst dich nicht trauen“, sagte sie schelmisch und knuffte Mamoru leicht gegen den Arm. „Du glaubst, ich würde es mich nicht trauen? Dann pass gut auf“, und mit diesen Worten ließ er Rei perplex stehen um sich seinen Weg durch die Menge zu bahnen. Dabei bekam er nicht mehr mit, wie Rei ihn mit vor Schrecken geweiteten Augen hinter hersah und dabei ängstlich das Gesicht verzog. Mamoru tänzelte durch die Menge, suchte mehrmals eine kleine Lücke um hindurch zu schlüpfen, entschuldigte sich hier und dort und setzte seinen Weg zur gegenüberliegenden Seite des Saals zielstrebig fort. Warum hatte er sich die ganze Zeit darüber Gedanken gemacht, wie er nur unbemerkt mit Usagi in Verbindung treten konnte? Hatte er denn wirklich geglaubt, er konnte ihr unauffällig eine Botschaft zukommen lassen, ohne dass irgendjemand es mitbekam? Es war nahezu unmöglich, vermutlich hätte er sich gerade deswegen umso verdächtiger verhalten. Die Lösung lag also genau darin das zu tun, was alles andere als unauffällig war. Wer würde denn schon damit rechnen, dass er im Begriff war die größtmögliche Dummheit zu tun? Selbst wenn man ihn jetzt entdeckt hatte, war es für sie unmöglich ihn ohne großes Aufsehen von hier fortzubringen.. Sollte man ihn jetzt ergreifen, würde er schreien und toben, und dann würde Usagi ihn mit Sicherheit bemerken. Dennoch wünschte er sich, dass er ihr auf andere Weise mitteilen kann, dass er ganz in ihrer Nähe war. Vor Aufregung versagte ihm beinahe die Stimme und sein Herz schlug schneller als jemals zuvor in seinem Leben, als er dann tatsächlich die letzten Meter hinter sich brachte. Beinahe rechnete er schon damit, dass ihn plötzlich eine ganze Horde von Bodyguards attackieren und zu Fall bringen würde, doch nichts dergleichen geschah. Mamoru sah noch, wie Prinz Seiya aufblickte und ihn neugierig ansah, als er dicht an ihm vorbeiging und dann an die Prinzessin herantrat. Und erst jetzt nahmen auch die anderen Gäste Notiz von ihm. „Eure Hoheit?“ Mit einem Mal wurde es ganz still, und es war als hätte sich der Lauf der Zeit unerträglich verlangsamt, bis er schließlich zum Stehen gekommen war. Es schien, als würde der ganze Saal die Luft anhalten, als sie sich ganz langsam zu Mamoru umdrehte. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)