Doppelleben - Kapitel 13 von abgemeldet ================================================================================ "Doppelleben" - eine Ranma ½ Fanfiction von WASABAH!!! ############################ Legaler Hinweis oder Disclaimer: Ranma ½ und alle damit verbundenen Charaktere und Geschehnisse sind Eigentum von Rumiko Takahashi, Shogagukan, Viz und Ehapa. Ich habe keinerlei Rechte daran und werde diese Fanfiction nicht aus finanziellem Zweck schreiben. ############################ Hey Folks! Lang, lang ist's her! Doch endlich habe ich ein weiteres Kapitel geschafft, und das erfüllt mich mit Freude und - ich gebe es zu - ein klein wenig Stolz. Ich hoffe, dass ich jetzt in den Ferien noch das ein oder andere Kapitel schaffe, und zu meinem Entsetzen ;) sieht es so aus, als wenn es doch einige Kapitel mehr als geplant werden. Ich kann mich halt einfach nicht kurz fassen, wie ihr beim Lesen dieses Absatzes wahrscheinlich schon gemerkt habt. Daher will ich euch nicht länger aufhalten sondern wünsche euch viel Spaß beim Lesen! Bye, Euer Larsi ############################ Kapitel 13 - Zwei verbunden, Zwei getrennt: Benjamin setzte erschöpft einen schweren Umzugskarton neben einigen anderen auf dem Boden ab. Langsam begab er sich vom halbdunklen Flur wieder in Nabikis hell erleuchtetes Zimmer. Ein Blick durch das Fenster sagte ihm, dass es schon spät in der Nacht war. Nachdem Benjamin in Nabikis Zimmer aufgeräumt hatte, war er unendlich erleichtert gewesen, dass er mit seiner Arbeit endlich fertig war. Doch das war, wie er zu spüren bekommen hatte, nur der Auftakt gewesen. Als er sich nämlich auf den Boden gesetzt hatte, um sich ein wenig auszuruhen, war Nabiki sofort auf den Beinen. "So ordentlich hat mein Zimmer schon lange nicht mehr ausgesehen! Nun, dann kannst du jetzt ja anfangen, alles in die Kartons zu packen und auf den Flur zu transportieren!" Völlig verdattert folgte er mit seinem Blick Nabikis ausgestrecktem Arm, der auf einen Stapel Pappe zeigte, der nur darauf wartete, zu Kartons zusammengefaltet zu werden. Benjamin brauchte einige Sekunden, bis er seine Stimme wieder gefunden hatte. "Aber...wozu habe ich dann bitte alles aufgeräumt, wenn jetzt sowieso alles aus dem Zimmer rauskommt?", fragte er sie mit einem ersten Anflug von Ärger. "Meinst du nicht, dass es jetzt leichter ist, wo sich alles an seinem Platz befindet, das ganze Zeugs in Kartons zu packen?" "Aber ich hätte es doch auch sofort in die Kartons packen können, das hätte mir eine ganze Menge Arbeit erspart, verdammt noch mal!" Wie zwei aufgebrachte Stiere standen sie sich gegenüber und sahen sich mit gefährlich blitzenden Augen an. "In meinem Zimmer wird nicht geflucht!", wies Nabiki Benjamin mit zusammengebissenen Zähnen zurecht. "Ich fluche so viel ich will!", knurrte Benjamin zurück. Nabiki überging seinen Widerspruch und zeigte erneut auf die Kartons. "Fang an!" Zeitgleich vollführten Benjamin sowie Nabiki eine Einhundertachtziggraddrehung. "Mädchen!" "Jungs!" Nabikis Stimme holte Benjamin in die Wirklichkeit zurück. "Was?" Er sah Nabiki ein wenig geistesabwesend an. "Träumen kannst du später! Hilf mir mal bitte, diesen Bücherkarton zu tragen, der ist einfach zu schwer für mich!" Das war der einzige Lichtblick an diesem Abend: Dass er nicht alles alleine machen musste, sondern Nabiki sich wenigstem dazu bequemt hatte, ihm mit den Kartons zu helfen. Stumm nickte Benjamin und hievte den Karton auf der einen Seite hoch, während Nabiki es ihm auf der gegenüberliegenden Seite gleichtat. Benjamin warf einen Blick nach hinten, da er rückwärts ging. Trotzdem übersah er die kleine Türschwelle und blieb mit einem Fuß daran hängen. Ehe er sich versah, fand er sich auf dem Boden wieder, umgeben von Büchern. Vorsichtig öffnete er die Augen - und sah direkt in Nabikis Gesicht, dass sich, leicht gerötet, nur wenige Zentimeter von dem seinigen entfernt befand. Augenblicklich merkte er, wie auch ihm das Blut in den Kopf schoss. Nabiki musste auch irgendwie gestolpert sein, denn sie lag auf ihm. Doch Benjamin dachte nicht weiter darüber nach, denn er war viel zu sehr mit ihrem Gesicht beschäftigt, dass ihm jetzt zum ersten Mal in allen Einzelheiten auffiel. Die halslangen Haare fielen nach unten und umrahmten ihr Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den großen, dunklen Augen. Die feinen Linien der Schlüsselbeine passten perfekt zu Nabikis zierlichem Hals. Die Röte ihrer Wangen rundete das Bild ab und ließ sie in ihrer vollen Schönheit erstrahlen. Benjamin wollte es sich zwar nicht eingestehen, aber er war hingerissen von diesem unschuldigen und niedlichen Anblick. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Deswegen, und aus dem Grunde, dass er nicht wusste, ob es Nabiki ebenso ging wie ihm, lag er einfach nur da und sah direkt in ihre dunklen Augen. Sie wiesen eine Tiefe auf, die Benjamin nie darin erwartet hätte. Da auch Nabiki ihn unverwandt ansah und sich nicht bewegte, lagen sie einige unendliche Momente einfach nur da. Bis Kasumis Stimme und Schritte auf der Treppe ertönten. "Nabiki? Benjamin? Kommt ihr essen? Ara?", entfuhr es ihr mit schräg gestelltem Kopf, als sie die beiden Personen, die sie suchte, in einer äußerst verdächtigen Position übereinander liegen sah. Nabiki und Benjamin rissen die Köpfe herum und starrten Kasumi jetzt bedeppert und knallrot im Gesicht an. Schnell sprang Nabiki auf, so dass Benjamin, der sich verlegen räusperte, auch aufstehen konnte. Am Esstisch war es ungewöhnlich ruhig, und da Benjamin und Nabiki fortwährend zu Boden sahen und ihre Köpfe immer noch gerötet waren, fragte Soun nach, was denn los sei. Doch er bekam keine Antwort. Sofort nach dem Abendessen begaben sich die Beiden ohne ein weiteres Wort wieder nach oben in Nabikis Zimmer. Sie waren sich ohne Worte einig: Für heute hatten sie genug gearbeitet. Einige Zeit lang lasen sie noch Mangas, Benjamin auf dem Boden und Nabiki auf dem Bett. Doch irgendwann ergriff die Müdigkeit Besitz von Benjamin. Er gähnte herzhaft und fragte verlegen: "Wo soll ich eigentlich schlafen?" Nabiki stand ebenso verlegen auf und holte einen Futon hervor, den sie auf dem Boden vor ihrem Bett ausbreitete und glatt strich. "Hier." Dann legte sie sich wieder auf ihr Bett. Benjamin war noch zu mitgenommen und verlegen aufgrund ihrer Begegnung der etwas anderen Art, um ihr zu widersprechen. Mit einem Seitenblick auf Nabiki fing Benjamin langsam an, sich auszuziehen und gleichzeitig so viel wie möglich seines Körpers zu verdecken. Nabiki bemerkte seine Bemühungen und drehte sich wortlos weg. Erleichtert atmete Benjamin auf, zog sich schnell aus und schlüpfte in den Futon. Kaum lag er darin, erschien Nabikis Gesicht über der Bettkante und grinste ihn heimtückisch an. "Willst du dir gar nicht die Zähne putzen?" Benjamin sah Nabiki verdutzt an und schüttelte dann wild den Kopf hin und her. "Na, wie du willst! Bis gleich!" Nabiki winkte Benjamin zu und schlenderte barfuss und mit Jeanshotpants bekleidet aus dem Zimmer. Er konnte einfach nicht anders als ihr nachzusehen. Dann gab er ein "grmpf" von sich, drehte sich zur Seite und schloss die Augen. Nach einer Weile hörte er, wie Nabiki wiederkam und sich anscheinend ebenfalls entkleidete. Benjamin hielt die Augen krampfhaft geschlossen, bis er sicher war, dass Nabiki in ihrem Bett lag. Nach einer unerträglichen Stille, die Benjamin ewig vorkam, wagte er es endlich, sich auf die andere Seite zu drehen. Prompt ertönte Nabikis Stimme: "Und? Wie gefällt es dir hier?" Benjamin brauchte eine Weile, um seine Gedanken zu sammeln. "Gut. Wirklich gut." Eine kurze Stille trat ein. Dann entschloss er sich, mehr zu sagen. "Es ist...wie ein Traum. Eine andere Welt oder Dimension, Ranma ½... Es ist ein großes Abenteuer, und ich hoffe, dass es so schnell nicht vorbei sein wird. Dass ich Ranma, Ukyo und all die anderen in Wirklichkeit sehen würde, hätte ich nie für möglich gehalten - wer hätte das auch schon - aber es war immer eine Art Wunschtraum von mir. Aus meinem Leben entfliehen, Abenteuer erleben. Und dann du..." "Was ist mit mir?", fragte Nabiki. "Von allen Charakteren aus Ranma ½ habe ich mir immer am sehnlichsten gewünscht, dich zu treffen. Du bist so völlig anders..." Benjamin fand nicht die richtigen Worte und brach verlegen ab. Wieder senkte sich eine bedrückende Stille über den Raum, die durch die Dunkelheit noch verstärkt wurde. "Du bist auch anders..." Benjamin hätte Nabikis Satz um ein Haar nicht verstanden, so hatte sie ihn gehaucht. Ihre Worte pumpten Adrenalin in seine Adern, das erst nach einer Ewigkeit wieder abgeklungen war. Dann schlief er ein. Es war finster. Nur einige Strahlen des Mondes fanden ihren Weg durch die Baumkronen hin zum Erdboden. Voller Furcht schlich Lars langsam durch den Wald. Immer wieder sah er sich hektisch um, da er das unheimliche Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Doch er konnte nichts und niemanden entdecken. So plötzlich, dass Lars regelrecht vor Schreck zusammenzuckte, trat er plötzlich auf einen endlos scheinenden Pfad, der direkt auf den Mond zuzuführen schien und somit in weißliches Licht getaucht war. Sofort bemerkte Lars die weibliche und entblößte Gestalt, die in einiger Entfernung vor ihm ging. Sie wandte ihm den Rücken zu. Ihre langen Haare wehten leicht im schwachen Wind und bekamen durch das Licht des Mondes einen surrealen Anstrich. Ohne sie wirklich zu erkennen, wusste Lars sofort, dass es Shampoo war. Ihm viel ein Stein in der Größenordnung eines Elefanten vom Herzen. Ohne zu zögern preschte er los und rief voller Vorfreude ihren Namen: "Shampoo!" Jedoch schien sie es nicht zu hören, denn sie ging langsam weiter, ohne auch nur kurzzeitig ihr gleichmäßiges Schritttempo zu verändern. Aber Lars ließ sich dadurch nicht beirren. Desto näher er ihr kam, desto wärmer wurde ihm ums Herz. Schließlich hatte er Shampoo erreicht. Keuchend legte er seine Hand auf ihre Schulter und sprach sie zärtlich an. Shampoo blieb stehen. Dann drehte sie langsam ihren Kopf. Lars Herz gefror zu Eis und schien in tausend Stücke zu zersplittern. Shampoos Augen glühten rot und starrten ihn hasserfüllt an. Dann grinste sie höhnisch, wobei sie außergewöhnlich lange Eckzähne entblößte. Im nächsten Moment holte sie mit ihrer Hand aus, deren Finger plötzlich aus langen, scharfen Metallklingen bestanden. In dem Augenblick, in dem sich die Klingen in seinen Kopf bohrten, kam Lars zu sich. Keuchend und schweißbedeckt starrte er das Gesicht vor sich an. Zuerst zuckte er angsterfüllt zurück, doch dann erkannte er Alexandra, die ihn mit großen Augen besorgt anstarrte. Langsam erkannte Lars, dass er sich im Zelt befand. "Alles in Ordnung?", fragte sie vorsichtig. Zur Antwort verbarg Lars das Gesicht in seinen Händen. "Du hast geschrieen, hattest du einen Alptraum?" Langsam ließ Lars die Hände sein Gesicht herunterrutschen und enthüllte seine Augen, die verdächtig glitzerten. Daraufhin nickte er langsam. "Ja. Von Shampoo." Mit diesen Worten stand er auf und kletterte aus dem Zelt heraus. Der Morgen befand sich noch in seinen frühesten Stunden. Der Platz vor dem Zelt war in ein schummriges Licht getaucht, da die Sonne gerade erst aufging. Bisher waren auch nur vereinzelte Vögel zu hören. Lars begab sich mit einem Handtuch zu dem kleinen Bach und entledigte sich seiner Boxershorts. Er legte sich in das flache, fließende Gewässer und ließ das eiskalte Wasser all seine Gedanken wegspülen. Zehn Minuten später stieg er heraus und rubbelte sich mit dem Handtuch gründlich trocken. Er zog seine Boxershorts wieder an. Jetzt fühlte er sich wesentlich besser. Während das Handtuch über einen Ast gehängt im Wind flatterte, trainierte Lars. Für einen Außenstehenden mochte es lächerlich ausgesehen haben, wie er mit einem imaginären Gegner kämpfte. Doch bei genauerem Hinsehen würde selbst der Laie die fließenden Übergänge und die annähernde Perfektion der Bewegungen erkennen. Zwei Stunden später war Lars gerade dabei, seinen Umgang mit Hik-Bällen an einem Baum zu trainieren, als Alexandra mit halb geschlossenen Augen aus dem Zelt heraustaumelte. Sie murmelte etwas, dass wohl "Guten Morgen" heißen sollte, schnappte sich ein Handtuch und verschwand in Richtung Bach. Lars befand, dass er genug Training gehabt hatte und machte sich daran, die Leckereien, die Kasumi ihnen mitgegeben hatte, auszupacken. Als Alexandra eine Viertelstunde später mit noch leicht feuchten Haaren wiederkam und die Köstlichkeiten erspähte, die vor Lars auf einer Decke ausgebreitet waren, warf sie schnell das Handtuch über einen Ast und lief dann so schnell sie konnte zu ihrem Bruder. Während sie es sich schmecken ließen, schaute Alexandra mehrere Male verstohlen zu Lars hinüber, der in Gedanken versunken zu sein schien. Sie ahnte, dass der Alptraum ihn doch mehr mitgenommen hatte, als sie zuerst gedacht und er vorgetäuscht hatte. Direkt nach dem Essen bauten sie das Zelt ab und verstauten alles in dem großen Rucksack, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Einige Minuten später zogen sie bereits weiter durch die Lande. Eine halbe Stunde später hatten sie sich immer noch nicht unterhalten. Alexandra wollte Lars gerne aufheitern, wusste jedoch nicht wie. Schließlich ergriff sie einfach seine Hand, einfach um zu zeigen, dass sie an seiner Seite war und ihn unterstützte. Lars sah seine Schwester verdutzt an. Sie lächelte ihn an, so dass auch Lars unwillkürlich lächeln musste. Er drückte ihre Hand einen Moment lang. Dann gingen sie weiter, Hand in Hand. Drei weitere Stunden später standen die Geschwister vor einem wenig einladenden Höhleneingang, der tief in einen Berg hineinzuführen schien. Lars zog die Karte aus der Tasche, um sich ein letztes Mal zu versichern. Daraufhin nickte er. "Hier ist es, wir sind da. Sieht nach einem gemütlichen Nachmittag aus.", bemerkte er trocken. Alexandra schluckte schwer, während Lars seine Ninjaidos aus dem Rucksack hervorkramte und über die Hände streifte. Dann befestigte er die Ninjaboules mit den Trageschlaufen an seinen Seiten. Daraufhin schlug er mit der Faust in seine andere flache Hand und rief: "Here we go!" Alexandra zog kurz eine Augenbraue hoch, beeilte sich dann aber lieber, um so nah wie möglich bei Lars zu bleiben, der schon losgegangen war. Kaum hatten sie den Tunnel betreten, umfing sie eine düstere Finsternis. Lars formte seine Hände, als würde er einen Ball umfassen und ihn dann reiben. Er kreierte einen kleinen Hik-Ball, um die nähere Umgebung zu beleuchten. "Das ist also ein Hik-Ball!", flüsterte Alexandra ehrfurchtsvoll. Lars nickte und entdeckte im selben Augenblick eine Fackel auf dem Boden, die nur darauf zu warten schien, benutzt zu werden. Lars setzte seinen Rucksack ab und wühlte darin herum, bis er ein Feuerzeug in der Hand hielt. Probehalber entzündete er es, nahm dann die Fackel und setzte sie in Brand. Er gab Alexandra die Fackel, setzte den Rucksack wieder auf und nahm sie dann seiner Schwester ab. Ängstlich blickte Alexandra nach vorne, denn der flackernde Schein des Feuers tauchte den Tunnel in ein unheimliches Licht. Daher beschloss sie, Lars freie Hand zu ergreifen und fest zu umklammern. Dann gingen sie los, immer tiefer in den Berg hinein. Nach einem Fußmarsch, der ihnen ewig vorgekommen war, tauchte vor ihnen so plötzlich eine riesige Steinkugel auf, die den Weg versperrte, dass sie beinahe dagegen gelaufen wären. Einige Sekunden lang starrten sie das große Hindernis nur verdutzt an. Lars war noch am überlegen, wie sie es bewerkstelligen sollten, die Steinkugel aus dem Weg zu befördern, als Alexandra ihm am Ärmel zog. Fragend sah Lars sie an, woraufhin sie auf die rechte Wand zeigte. Erst nachdem er die Fackel in die Richtung geschwenkt hatte, entdeckte er den recht großen Nebentunnel. Ohne lange zu überlegen gingen sie durch ihn hindurch. Nur wenige Meter weiter standen sie plötzlich in einem Raum, dessen Größe sie nicht abschätzen konnten, da das Licht der Fackel nicht weit genug reichte. Lars trat vorsichtig einen Schritt vor. Kaum hatte er den Fuß aufgesetzt, merkte er, wie die Steinplatte, auf die er getreten war, ein kleines Stück absackte. Er war gerade erst soweit, dass er bemerkte, dass der Boden in dem Raum aus vielen Steinplatten bestand, noch nicht, was das Absacken der Platte bedeuten könnte, da entflammten gleichzeitig links und rechts von ihm zwei Fackeln in Haltern an der Wand. Dies geschah mit einem lauten Fauchen, so dass Lars und Alexandra beide erschrocken zusammenzuckten. Sekunden später geschah dasselbe mit zwei weiteren gegenüberliegenden Fackeln, die weiter hinten im Raum angebracht waren. Nacheinander entzündeten sich immer mehr Fackeln, so dass schnell die gesamte Höhle, die durch Menschenhand in den Fels gehauen worden war, in ein flackerndes Licht getaucht war. Lars und Alexandra standen auf der einen Seite in dem langen rechteckigen Raum. Rechts und links an den Wänden standen jeweils sechs hölzerne Ritter mit Speeren, Schwertern und Äxten, für die jeweils eine Nische in die Felswand geschlagen worden war. Auf der anderen Seite des Raumes befand sich ein steinerner Tisch, auf dem etwas lag. "Das muss der erste Teil der Schriftrolle sein!", rief Lars aufgeregt aus. Ohne weiter nachzudenken rannte er darauf zu. Alexandra folgte ihm so schnell sie konnte, da sie sich nicht länger als eine Sekunden alleine in dieser unheimlichen Höhle aufhalten wollte. Mit glänzenden Augen blieb Lars vor dem Podest stehen und starrte ein handbreites Stück einer Schriftrolle an, welches auf der einen Seite sichtbar abgeschnitten war. Sie hatten es hier wohl mit einem Endstück zu tun. "Nur ein kleiner Griff für einen Menschen, aber ein großer Griff nach Shampoo!", sprach Lars und schnappte sich den Teil der Schriftrolle. Durch seinen Überschwang an Freude bemerkte er nicht, dass aus dem Podest seitlich durch zwei in den Boden geritzte Rillen eine Flüssigkeit herauslief. Die Rillen liefen auf die Wände zu, an denen sich auch die hölzernen Ritter befanden. Lars versuchte, die Schriftrolle abzurollen, um schon so viel wie möglich über den Standort des Nan-Bann-Spiegels zu erfahren. Aber es wollte einfach nicht gelingen, Happosai hatte wohl einen Spruch darauf gelegt, der das Abrollen erst erlaubte, wenn die drei Teile aneinandergefügt waren, vermutete Lars. Plötzlich schnappte Alexandra laut nach Luft, so dass Lars besorgt herumfuhr. Und was er sah, bereitete ihm noch größere Sorgen. Irgendetwas hatte die hölzernen Ritter zum Leben erweckt. Knarrend, krachend und quietschend bewegten sie ihre staubigen Gelenke und traten aus ihren Nischen heraus. Mit einem Mal, als hätten sie ein Kommando erhalten, marschierten sie in die Mitte des Raumes und formierten sich zu zwei Trupps, die jeweils aus zwei Reihen bestanden. Die sechs Ritter in den beiden ersten Reihen senkten zeitgleich ihre Speere. Dann erstarrten sie. Langsam ließ Lars den Rucksack von seinen Schultern gleiten, ohne auch nur den Blick von den Rittern zu nehmen, drückte Alexandra die Schriftrolle in die Hand und flüsterte ihr zu: "Versteck dich hinter dem Podest!" Sie tat wie ihr geheißen und hockte sich ängstlich mit dem Rücken gegen den die raue Felswand. Lars stand, die Arme ein wenig abgespreizt, in einiger Entfernung den hölzernen Rittern gegenüber. Jeder Beobachter wäre unwillkürlich an ein Duell im Wilden Westen erinnert worden, jedoch an ein sehr Unfaires. Plötzlich marschierten die Ritter im Gleichschritt los, direkt auf Lars zu. Dieser ging leicht in die Hocke und wartete, bis sie ihn erreicht hatten. Im letzten Augenblick sprang Lars hoch, über die Speere hinweg und landete dem erstbestem Ritter mit jeweils einem Fuß auf einem Schulterblatt. Lars erhob die rechte Hand und ließ die Klingen der Ninjaidos aus seinem Handrücken hervorschnellen. Er riss die Hand herunter und bohrte die Klingen von oben durch den hölzernen Kopf des Ritters. Dadurch wurde der Kopf glatt in der Mitte getrennt und brauch auseinander. Lars befand sich schon wieder mit einem Rückwärtssalto in der Luft, als der hölzerne Körper in sich zusammenklappte wie eine Puppe. Lars landete in der Hocke hinter der zweiten Reihe von Rittern und brachte sich mit mehreren Flickflacks nach hinten in Sicherheit. Doch die hölzernen Gesellen stürmten ihm bereits hinterher, dieses Mal wesentlich schneller als zu Beginn. Lars zog seine Ninjaboules hervor und hielt keine Sekunde zu spät zwei Schwerter in der Hand, mit denen er den Schwerthieb des ersten Ritters abwehrte. Gerade noch rechtzeitig bemerkte er aus den Augenwinkeln zwei Gegner, die sich gleichzeitig von zwei gegenüberliegenden Seiten näherten. Lars rammte ihnen jeweils ein Schwert in den hölzernen Kopf und sprang dann hoch, ohne die Schwerter loszulassen, um seinem ersten Gegner einen gewaltigen Tritt gegen den Brustkorb zu verpassen. Der Ritter flog durch die Luft, fiel zu Boden und schlidderte dann über den Boden weiter, wobei er einen Kameraden von den Beinen riss. Mit einem Ruck zog Lars die Schwerter aus den beiden Köpfen, doch anders als erwartet waren die beiden hölzernen Ritter immer noch uneingeschränkt kampffähig. Ohne zu Zögern schlug Lars dem einen Feind beide Schwerter in den Kopf und verpasste ihm einen Schlag mit der flachen Hand gegen die Brust, so dass er von ihm weg taumelte. Sofort darauf drehte Lars sich um und ließ sich nach vorne in einen Handstand fallen und klemmte den Kopf des Ritters, der ihn jetzt von vorne attackierte, zwischen seinen Füßen ein. Dann ließ er sich fallen und zog den Ritter mit aller Kraft mit sich, so dass er in einem Bogen über Lars hinwegsegelte und sein Kopf auf den harten Steinplatten zerbarst. Lars sprang auf und bog seinen Rücken gerade noch rechtzeitig zu einem Hohlkreuz durch, womit er einem Speerstich entging. Lars packte den Speer, der sich noch hinter seinem Rücken befand mit seinen Händen und riss sie nach vorne, wodurch der Speer zerbrach und Lars zwei Stöcke in den Händen hielt. Damit verprügelte er den waffenlosen Ritter nach Strich und Faden. Von der Seite näherte sich erneut der Ritter mit den beiden Schwertern im Kopf. Lars packte den Griff von einem und trat ihm vor die Brust, so dass der Ritter nach hinten flog und Lars das Schwert in der Hand hielt. "Danke sehr!", meinte Lars höhnisch und schlug dem Verprügelten kurzerhand den Kopf ab. Daraufhin fuhr er die Klinge des Schwertes ein und hielt einen Sekundenbruchteil später einen Bumerang in der Hand, den er flach über den Boden schleuderte, so dass er einem Axt schwingendem Ritter das Bein abschlug. Hilflos kippte dieser zur Seite um und krachte zu Boden, wobei die komplette Hälfte seines Oberkörpers zersplitterte. Nachdem Lars den Bumerang wieder gefangen hatte, schoss er die Seile seiner Ninjaidos ab. Sie wickelten sich um die beiden Arme eines weiteren Axtträgers. Sofort darauf riss Lars die Arme nach hinten, so dass der Ritter auf ihn zuflog, und sprang hoch, wobei er die Seile wieder einfuhr. Er streckte in der Luft die beiden Arme waagerecht zur Seite und fuhr auch beim linken Ninjaido die Klingen am Handrücken aus. Als der ungewollt fliegende Ritter in Reichweite war, hatte Lars gerade genau seinen höchsten Punkt erreicht. Er zog die Beine an und landete wie schon vorher auf den Schultern des Ritters. Zeitgleich schlug er ihm von links und rechts wie ein Raubvogel die Krallen in den Kopf. Er drückte seine Beine mit einem Ruck und aller Kraft durch, so dass der Kopf des hölzernen Ritters mit einem unschönen Krachen abbrach und Lars einen Rückwärtssalto hinlegen konnte. Noch im Flug riss er die Hände wieder auseinander, so dass er mit ausgebreiteten Armen landete und der Kopf des ehemaligen Ritters zeitgleich mit dem Rest des Körpers auf dem Boden aufschlug. Die restlichen sieben Ritter schienen ihre Taktik geändert zu haben, denn sie bewegten sich in sicherem Abstand von Lars und kreisten ihn vorsichtig ein. Lars fing an, sich im Kreis zu drehen und aufmerksam jede ihrer Bewegungen zu observieren, um nicht rittlings angegriffen zu werden, während die Ritter den Kreis unaufhaltsam immer enger zogen. Aus dem Augenwinkel registrierte Lars ein auf ihn zurasendes Schwert. Sein Arm zuckte hoch. Klirrend schlug Metall auf Metall, als Schwert und Klingen der Ninjaidos aufeinander trafen. Die Vibrationen, die durch die Kraft des Schlages entstanden, breiteten sich durch die Klingen der Ninjaidos über Lars Arm in seinem ganzen Körper aus. Lars wurde sich jeder einzelnen Stelle seines Körpers mehr denn je bewusst, da die Vibration bis in die letzte Spitze vordrang. Ein eigenartiges Gefühl der Erregung breitete sich in ihm aus. Er konnte es nicht sehen, fühlte aber auf irgendeine Art und Weise, wie hinter ihm eine Axt die Luft durchschnitt. Lars sprang keine Sekunde zu spät zur Seite. Da, wo er gerade gestanden hatte, splitterte durch den Einschlag der Axt ein Teil einer Steinplatte ab. Sofort wehrte Lars einen weiteren Schwertschlag ab. Die Ritter hatten ihn jetzt so dicht eingekreist, dass es kein Entkommen gab. Er sprang über einen flachen Schwerthieb hinüber und schlug gleichzeitig ein auf seine Brust gerichtetes Schwert mit seinem eigenen zur Seite. Die Geschwindigkeit des Kampfes wurde immer rasanter, da jetzt alle Ritter gleichzeitig attackierten. Lars wirbelte immer schneller in ihrer Mitte herum. Dadurch wurde es ihm möglich, die Ritter bis zu einem gewissen Punkt zurückzudrängen, so dass er mehr Platz zum Agieren hatte. Dennoch trafen immer schneller und öfter Metall auf Metall. Alexandra lugte hinter dem Podest vor und bekam große Augen. Lars war mit bloßen Augen nur noch verschwommen zu erkennen. "Wow...", flüsterte sie, als ihr ein Schauer über den Rücken lief. Lars bemerkte die Anstrengung kaum, so konzentriert war er. Seine Sicht war durch die Geschwindigkeit unklar. Das Einzige, was er deutlich wahrnahm waren die Waffen, die für ihn eine Gefahr darstellten. Mit jedem Angriff, den er abwehrte, steigerte sich ein ohnehin schon unglaubliches Gefühl in ihm. Er fühlte sich einfach wunderbar, eine Woge der Freude durchströmte seinen Körper. Er hatte plötzlich den Drang, sich auszudrücken, anderen ebenfalls dieses wunderbare Gefühl zugute kommen zu lassen. Ohne es zu bemerken, hatte er die Augen geschlossen und war stehen geblieben. Er hörte auch nicht, wie sein Schwert zu Boden fiel. Seine Beine schulterbreit und leicht angewinkelt, die Arme seitlich am Körper und ebenfalls leicht angewinkelt, die Hände zur Faust geballt, stand er da. Als hielte sie etwas ab, zögerten die Ritter, weiter anzugreifen. Alexandra keuchte, als Lars Körper plötzlich anfing, weiß zu leuchten. Man konnte die Quelle nicht ausmachen und das Weiß auch nicht eindeutig sehen, nur dass Lars ein eigenartiges weißes Licht ausstrahlte. Ein unglaublich breites und verzücktes Lächeln beherrschte sein Gesicht. Zuerst nur schwach, wurde das Licht jetzt immer heller. Dabei hob Lars die Unterarme langsam an und kreuzte sie vor seiner Brust. Dann öffnete er langsam die Augen und sah Alexandra direkt in ihre. Ihr kam es vor, als wenn Lars direkt in ihr Innerstes sah. Ein Gefühl der unbegrenzten Zuneigung zu ihrem Bruder breitete sich in ihr aus. Ohne es erst zu merken, lächelte sie ihn strahlend an. Daraufhin senkte Lars langsam den Kopf und schloss dabei erneut die Augen, die Unterarme immer noch vor der Brust gekreuzt. Langsam nahm das weiße Licht Gestalt an und bildete mehr oder weniger eine nun nur noch halb durchsichtige Halbkugel um Lars herum. Alexandra sah, wie dieser mit einem Mal die Arme hochriss und gen Himmel ausbreitete und den Kopf in den Nacken legte. Noch während dieser Bewegung breitete sich die leuchtend weiße Halbkugel langsam in alle Richtungen aus. Als Lars Arme nach einem Sekundenbruchteil ihren Höhepunkt erreicht hatten, ertönte plötzlich ein ohrenbetäubender Knall. Mit einem Schlag breitete sich die Halbkugel in der ganzen Halle aus. Wie in Zeitlupe sah Alexandra, wie die hölzernen Ritter wie Puppen durch die Luft geschleudert worden, als die Halbkugel sie erreichte und gegen die Wände krachten, wo sie zerbarsten. Es erinnerte sie an die Actionfilme, in denen Menschen durch die Druckwelle einer riesigen Explosion durch die Luft flogen. Nur dass das hier kein Actionfilm war. Viel zu spät schoss es ihr durch den Kopf, dass sie sich lieber in Deckung begeben sollte. Doch das Licht hatte sie schon erfasst - und raste durch sie hindurch. Einen Sekundenbruchteil später war alles vorbei. Eine Totenstille schwebte in der Halle, während Alexandra sich noch an dem Gefühl höchster Verzückung labte, dass ihren Körper ergriffen hatte. Vier Stunden früher und einige Kilometer weg von dem Geschehenen lag Benjamin friedlich schlummernd in seinem Futon. Er träumte, und zwar seinen schönsten Traum seit langem. Nabiki beugte sich über ihn und lächelte ihn leicht an. Sie hauchte liebevoll seinen Namen, wobei ihre feuchten Lippen immer näher kamen. "Benjamin..." Sie wiederholte seinen Namen immer und immer wieder und wurde dabei stetig lauter. Plötzlich verschwamm alles vor Benjamins Augen, doch Sekunden später sah er Nabikis Gesicht wieder vor sich. Doch ihr Gesichtsausdruck war alles andere als liebevoll. "Na endlich, wurde auch Zeit! Jetzt steh endlich auf!" Verwirrt starrte Benjamin sie an. "Was guckst du denn so blöd? Nun mach schon!" Langsam dämmerte es ihm. Die Realität sickerte langsam und unaufhaltsam wie Gift in sein Gehirn. Er ließ seinen angespannten Körper wieder in die Kissen zurücksinken und seufzte auf. Er spannte sich aber sofort wieder an, als Nabiki ihren Kopf erneut zur Tür hereinsteckte. "Mensch du Schlafmütze! Es gibt gleich Essen! Wenn du dich nicht beeilst, bekommst du nichts mehr ab!" Damit schlug sie die Tür hinter sich zu. Benjamin wühlte sich erneut seufzend aus seinem Futon heraus, schnappte sich ein paar frische Sachen und machte sich torkelnd in Richtung Badezimmer auf. Als er kurze Zeit später die Treppe hinunterging und das Wohnzimmer betrat, fühlte er sich schon wesentlich frischer. Eine kalte Dusche am Morgen konnte Wunder bewirken. Während dem Essen würdigte Nabiki ihren neuen Mitbewohner keines Blickes. Es herrschte eisernes Schweigen, nur die Essstäbchen unterbrachen die Stille mit ihrem leisen Klicken. Als Benjamin einige Zeit später aus dem Badezimmer trat, wo er gerade Zähne geputzt hatte, erwartete Nabiki ihn bereits. Sie wippte ungeduldig auf den Zehen. Kaum erblickte sie Benjamin, packte sie ihn am Arm und zog ihn mit sich in ihr Zimmer. "Damit deckst du den Boden und die Möbel ab." Sie zeigte auf einen Stapel alter Zeitungen und eine große Rolle Klebeband. "Die musst du dann natürlich entsprechend von der Wand wegziehen. Und dort", deutete sie auf einen großen Farbeimer mit sanft gelber Farbe, "ist die Farbe!" Damit warf sie sich auf ihr Bett, zeigte Benjamin die kalte Schulter und vertiefte sich in einen Manga. Benjamin machte sich mit äußerstem Unmut und ein wenig verwirrt an die Arbeit. Schlechter hätte der Start in den Tag nun wirklich nicht sein können. Warum bloß war Nabiki mit einem Mal so unfreundlich zu ihm? Benjamin begann, die Kommode mit Zeitungspapier und Klebeband abzudecken, die er in die Mitte des Zimmers gezogen hatte. "Nun gut.", dachte er sich. "Der Tag hätte schlechter beginnen können. Zum Beispiel durch ein nasses Erwachen im Gartenteich, wenn Genma plötzlich auf die Idee kommen sollte, mich zu trainieren. Aber Nabiki hätte mich wenigstens freundlich wecken oder sich mit mir unterhalten können. Oder mir helfen, oder mir ..." Ein entrücktes Lächeln beschrieb seine Gedanken besser als tausend Worte. Doch Nabikis wütende Stimme riss ihn unliebsam aus seinen Träumen. "Was zur Hölle machst du da?!" Benjamin blinzelte und entdeckte dann entsetzt, dass er das Bücherregal, die Kommode und den Schreibtisch quer durch das Zimmer durch Klebeband verbunden hatte, und das nicht nur einmal. Benjamin versuchte eine Erklärung abzulegen, doch er war so aufgeregt, dass nur ein verwirrtes Stottern aus seinem Mund kam. Nabiki sprang auf und rief wütend erregt: "Muss man dir denn andauernd auf die Finger schauen!? Kannst du nicht mal was alleine machen?" Benjamin wollte gerade lautstark protestieren, als Nabiki fauchend nach dem nächsten Klebestreifen griff und durchreißen wollte. Doch seine Worte blieben ihm im Halse stecken, als das Klebeband an Nabikis Hand kleben blieb und sich durch ihr wildes Fuchteln immer mehr verhedderte. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie ihre Hand zu befreien, geriet dabei aber mit einem Fuß an einen knapp über den Boden verlaufenden Klebestreifen und verhedderte sich auch dort. Während Benjamin sich noch wunderte, wo er überall Klebeband gespannt hatte, geriet Nabiki immer tiefer ins Schlamassel. Völlig hilflos musste er mit ansehen, wie sie immer mehr einer Klebebandmumie glich und schließlich mit einem kleinen Entsetzensschrei zu Boden stürzte. Erschrocken eilte Benjamin ihr zu Hilfe, übersah in seinem Übereifer jedoch ein weiteres tief gespanntes Klebeband. Er blieb daran hängen. Es blieb ihm kaum noch Zeit, sich zu wundern, wie robust dieses Klebeband war, als ihm schon das Bücherregal entgegenkippte. Er konnte es gerade noch rechtzeitig auffangen und verhinderte so, dass Bücherregal und Kopf zu Bruch gingen. Nabiki hatte sich derweil halbwegs befreit und rappelte sich mit Tränen in den Augen auf. Das war einfach zu viel der Demütigung. "Du verdammter Idiot!", schrie sie und rannte schluchzend aus dem Zimmer. "Aber...", versuchte Benjamin sich zu verteidigen und warf theatralisch die Arme in die Luft - und wusste im selben Augenblick, dass das fatal gewesen war. Ein lautes Krachen und ein stechender Schmerz am Hinterkopf bestätigten ihn, bevor er bewusstlos mit dem Regal über sich zu Boden ging. Lars hatte sich keinen Zentimeter vom Fleck bewegt. Er zitterte wie Espenlaub und starrte verwirrt und ungläubig auf seine Hände. "Was...was war das?", keuchte Alexandra und wusste selber nicht, ob sie nun das wunderbare Gefühl, welches sie gerade durchlebt hatte, oder das Licht meinte. "Ich weiß...es nicht.", flüsterte Lars. Dann begann er langsam, sich umzusehen. Seine Augen weiteten sich ein wenig, als er die zerschmetterten Ritter vor den Wänden erblickte. "War...ich das?", fragte er zögernd. Alexandra, die inzwischen aufgestanden war und noch recht unsicher auf ihren Beinen stand, nickte nur. Plötzlich huschte ein Bild durch ihre Gedanken. Sie wusste nicht, ob es nur ihre Einbildung gewesen war, aber genau zu dem Zeitpunkt, in dem die Lichthalbkugel sich blitzartig in alle Richtungen ausgebreitet hatte, meinte sie, gesehen zu haben, wie Lars riesige, weit ausgebreitete weiße Flügel gehabt hatte. Sie schüttelte ihren Kopf, wie um die Gedanken daran zu verdrängen. "Alles in Ordnung?", fragte Lars mit einem besorgten Unterton in der Stimme. "Ja", sagte Alexandra mit heiserer Stimme. Sie klärte ihren Hals und antwortete wie um sich selbst zu bestätigen noch einmal deutlich mit einem weiteren "Ja!". "Gut. Dann...dann lass uns gehen." Alexandra nickte. Plötzlich wollte sie nur noch weg von diesem düsteren Ort. Lars schien es genauso zu gehen. Er sammelte die beiden Ninjaboules auf, ließ ihre Klingen verschwinden und verstaute sie in den dafür vorgesehenen Trageschlaufen. Dann hob er den Rucksack auf und schulterte ihn. "Du hast die Schriftrolle?", blickte er seine Schwester fragend an. Alexandra nickte und zog sie aus ihrer Tasche hervor. Daraufhin brach Lars eine Fackel aus ihrer Halterung und ergriff mit der freien Hand die Alexandras. Sie gingen nacheinander durch den Zugang zu der Halle, ließen ihre Hände aber nicht los. Die beiden Geschwister waren gerade erst einige Meter durch die Finsternis in Richtung Ausgang gegangen, als hinter ihnen ein ohrenbetäubendes Rumpeln ertönte. Verdutzt und wie auf Befehl drehten sich beide gleichzeitig um. Völlig versteinert sahen sie die riesige Steinkugel auf sich zu rollen. Sie rissen ihre Köpfe herum und guckten sich mit entsetztem Gesichtsausdruck an. Dann drehten sie sich um und sprinteten los. Die Flamme der Fackel fauchte gefährlich im Wind und drohte jeden Augenblick zu erlischen. Doch das interessierte Lars im Moment nicht, denn die Steinkugel gewann hörbar an Fahrt. Sie sprinteten immer noch Hand in Hand um ihr Leben, während die Kugel mit ohrenbetäubendem Getöse immer näher kam. Langsam fingen Lars Lunge und Beine an zu brennen. Er wusste, dass es Alexandra ähnlich ergehen musste, da sie wesentlich weniger trainiert war als er. Trotzdem ging sie sein Tempo weiter mit. Plötzlich sah Lars vor ihnen einen hellen Punkt, der schnell größer wurde. Der Ausgang war nah! Er warf einen raschen Blick über die Schulter und bemerkte entsetzt, dass es ein Kampf um Millimeter werden würde. Mittlerweile rumpelte die Kugel nämlich nur gut einen Meter hinter ihnen über den unebenen, felsigen Boden. Mit zusammengebissenen Zähnen legte Lars noch einmal einen Endspurt hin. Er hatte keine Zeit, darüber zu staunen, dass Alexandra immer noch mithalten konnte, wenn auch mehr schlecht als recht. Das Pochen in Lars Kopf wurde immer lauter, so dass es bald fast den Lärm der Steinkugel übertönte. Der Ausgang kam immer näher, es waren nur noch wenige Meter. Plötzlich hatte Lars das Gefühl, als hätte ihn etwas an der Schulter gestreift. Er warf einen Blick nach hinten. Sein Herz wäre beinahe stehen geblieben, denn die Kugel rollte praktisch direkt hinter ihnen. Dieser Anblick trieb seine Beine noch ein letztes Mal an. Alexandra, die ebenfalls noch einmal nach hinten geblickt hatte, erging es genauso. "Noch zehn Meter!", schätzte Lars im Kopf. Wieder streifte etwas an seiner Schulter. "Fünf Meter!" Erneut berührte ihn die Kugel, dieses Mal aber schon wesentlich stärker. "Zwei! Eins! Ssssppprrrinnnnggg!!!!", brüllte Lars mit letzter Kraft, griff Alexandra um die Hüfte und sprang gleichzeitig mit ihr schräg zur linken Seite ab und aus der Höhle hinaus. Der Flug kam Lars vor wie eine Ewigkeit. Unendlich langsam kam der Boden auf sie zu, während sie fast waagerecht durch die Luft segelten. Als die Steinkugel ihre Beine erwischte und sie im Flug herumgeschleudert wurden, blieb Lars Herz stehen. "Es ist vorbei!", schoss es ihm entsetzt durch den Kopf. Doch die Kugel donnerte vorbei und grub sich ihren Weg durch den Wald. Äußerst unsanft nahmen die Geschwister wieder Kontakt zu Mutter Erde auf. Nach einer kurzen Weile hob Alexandra langsam den Kopf. "Ist es vorbei?", flüsterte sie keuchend, als fürchtete sie, gehört zu werden. Lars, der immer noch nicht glauben konnte, dass sie noch lebten, starrte sie nur mit offenem Mund an. Er atmete schwer und streifte schließlich langsam den Rucksack ab. Dann umarmten sie sich fest, während das Rumpeln der Kugel immer leise wurde. Erst als sie sich nach einer Weile wieder voneinander lösten, bemerkte Lars den stechenden Schmerz in seinen Beinen. Auch Alexandra verzog ihr Gesicht vor Schmerzen und zog ihre Hosenbeine hoch. Blut sickerte in den Rasen. Lars nahm sich ihrer zuerst an und heilte die kleinen Schnittwunden an ihren Beinen. Danach behandelte er sich selbst. Erschöpft warf er sich auf den Boden. Alexandra machte sich an dem Rucksack zu schaffen. Eine Viertelstunde später stieg Lars der leckere Duft von Ramen in die Nase. Er bekam plötzlich solch einen Appetit, dass er sich aufrichtete und sich Essstäbchen schnappte, um eine Nudel zu stibitzen. Doch Alexandra legte ihre Hand auf seine und warf ihm einen halb ernst gemeinten, tadelnden Blick zu. Lars ließ die Stäbchen langsam sinken, aber nicht ohne ungeduldig aufzustöhnen. Als es dann schließlich so weit war, schlürfte er die ersten Nudeln mit solch einem Heißhunger in sich hinein, dass er Sekunden später mit gurgelnden Lauten vor dem Höhleneingang herumhüpfte. Alexandra aß seelenruhig weiter und meinte ungerührt: "Wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass frisch gekochtes Essen heiß ist?" Einige Minuten später widmete auch Lars sich wieder seinen Nudeln, nun jedoch nicht, ohne jede einzelne Nudel leicht anzupusten. Nach dem Essen zog er die Karte hervor und studierte sie eingehend. Alexandra verstaute in der Zwischenzeit ihre Essutensilien. Lars stellte fest, dass die Schneise, die die riesige Steinkugel durch den Wald geschlagen hatte, wenn sie weit genug reichte, für sie eine Abkürzung darstellte. "Wir sparen eine ganze Menge Zeit!", rief er erfreut. Als Benjamin wieder zu sich kam, war er sich zuerst völlig im Unklaren, wo er sich überhaupt befand. "Wer bin ich?", fragte er halblaut und versuchte aufzustehen. Ein urplötzlicher, rasender Schmerz am Hinterkopf und das Gewicht des Bücherregals hinderten ihn daran. Keuchend sackte er wieder in sich zusammen. Er sammelte eine zeitlang seine Kräfte und schaffte es dann mit zusammengebissenen Zähnen und nicht ohne Schmerzensschreie, sich unter dem Regal herauszuwinden. Erschöpft sackte er wieder zusammen. Der Schmerz am Hinterkopf war nicht der Einzige. Sein ganzer Körper fühlte sich an, als hätte Mr. Dursley ihn als Fußmatte benutzt. Nach einer Zeitspanne, die ihm vorkam wie eine Ewigkeit, aber immer noch zu kurz, damit die Schmerzen ein wenig abklingen konnten, richtete er sich mithilfe der Wand Stück für Stück auf. Einen kurzen Moment lang spielte sein Kreislauf verrückt, so dass er fast wieder in Ohnmacht gefallen wäre. Gerade rechtzeitig sah er wieder klar. Er überblickte das Chaos - und das Herz blieb ihm beinahe stehen. Eine schmale, aber trotzdem mehr als nur gut sichtbare Blutspur zog sich durch das Zimmer. "Der Teppich!", keuchte er entsetzt. Erst im nächsten Moment kam ihm in den Sinn, dass Blut nichts Gutes bedeutete. Zögernd tastete er nach dem stechenden Schmerz an seinem Hinterkopf. Angst befiel ihn. Im nächsten Augenblick fühlte er etwas Feuchtes, Glitschiges. "Scheiße...", entfuhr es ihm ungewollt. Dann fasste er einen Entschluss. Er würde nicht zu Nabiki gehen und Schwäche zeigen. Im Gegenteil, er würde weitermachen bis zum bitteren Ende. "Und wenn ich verrecken muss!", knurrte er. Er begab sich ins Wohnzimmer, wobei er mehr torkelte als ging. "Kasumi? Bist du da? Kasumi?" Die Angesprochene kam um die Ecke und fragte freundlich: "Ja, Benjamin? Was gibt's?" Ihr Gesicht nahm entsetzte Züge an, als sie Benjamin erblickte. "Hast du mal ein bisschen Verband?" Kasumi nickte und verschwand hastig wieder. In Akkordzeit war sie wieder da und wollte Benjamin die Wunde verbinden. Doch der riss ihr das Verbandszeug aus der Hand, grummelte ein "Danke" und wickelte sich den Verband kurzerhand mehrere Male um den Kopf, so dass er aussah wie ein Stirnband. Das Ende klebte er mit einem Stückchen Klebestreifen fest, der, wie er und Nabiki ja schon ausgiebig getestet hatten, äußerst widerstandsfähig war. Benjamin war schon wieder auf dem Weg nach oben, als er sich noch einmal halb umdrehte. "Wo ist Nabiki?" Kasumi sah ihn ein wenig perplex an. "Weiß...weiß ich nicht. Ich dachte sie wäre bei dir oben!" Benjamin überhörte den letzten Satz, der einer Frage gleichkam und verschwand die Treppe hinauf. Zuerst richtete er das Bücherregal wieder auf, wobei er erneut feststellte, dass er dessen Gewicht unterschätzt hatte, als er es das erste Mal erblickt hatte, wie er bereits schmerzhaft hatte erfahren müssen. Eine Weile später war auch der letzte abtrünnige Rest Klebeband im Mülleimer verschwunden. Nun wandte Benjamin sich den Blutflecken zu. Er hatte keine Ahnung, wie man diese am Besten entfernte. Der Teppich war, wie er nebenbei bemerkte, zu seinem Glück blau, so dass man die Flecken eventuell nicht mehr ganz so gut sah, wenn er sie ein wenig auswusch. Also begab er sich in das Badezimmer, wo er unter dem Waschbecken einen Eimer, einen Lappen sowie Reinigungsmittel entdeckte. Er füllte den Eimer mit heißem Wasser und gab ordentlich Reinigungsmittel dazu, dass es nur so schäumte. Dann begab Benjamin sich zurück in das Zimmer seiner Gastgeberin und nahm sich die Flecken vor. "So ihr Fleckenzwerge, jetzt kommt der Benni!", versuchte er sich selber aufzuheitern, scheiterte aber kläglich. Er tauchte den Lappen tief in das Wasser und wrang ihn aus. Daraufhin rubbelte und schrubbte er wie verrückt. Zu seiner Freude zeigten sich schon bald die ersten Erfolge. Nach beinahe einer Stunde waren die Flecke so gut wie verschwunden, nur an einigen Stellen konnte man noch etwas erkennen, jedoch nur, wenn man wusste, dass dort einmal Blutflecken gewesen waren. Zufrieden mit sich und seinem Werk verstaute er seine Putzutensilien wieder und machte sich einigermaßen gut gelaunt wieder an die ursprüngliche Arbeit. Nachdem er die Kommode vollständig abgeklebt hatte, ertönte von unten Kasumis Stimme, die zum Mittagessen rief. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen stieg Benjamin die Treppe hinunter. Als er jedoch das Wohnzimmer betrag, bemerkte er zu seiner Erleichterung, aber auch seiner Verwunderung und Verzweiflung, dass Nabikis Platz leer war. Wortlos, wie auch alle anderen am Tisch Sitzenden, nahm er die Mahlzeit zu sich. Direkt nach dem Essen entflüchtete er wieder in den ersten Stock und widmete sich weiter der Arbeit, zu der er verdonnert worden war. Gegen frühen Nachmittag hatte Benjamin alle Möbelstücke in die Mitte geschoben und abgeklebt. "Jetzt kann ja nichts mehr schief gehen!" Zuversichtlich schnappte er sich die in dem Farbtopf hängende Rolle und begann, die Wand zu streichen. Den ganzen Nachmittag lang strich er unaufhörlich in einsamer Stille. Als es draußen bereits begann zu dämmern, kam Benjamin auf das Ende zu. Es fehlte nur noch ein schmaler Streifen Wand, der darauf wartete, seine neue Farbe verpasst zu bekommen. In dem Augenblick ging die Tür auf und herein kam Nabiki. Sie wirkte gefasst. Benjamin sah sie erwartungsvoll an, als sie sich in ihrem Zimmer umblickte. Als ihre Kinnlade nach unten klappte, freute er sich innerlich, denn er hatte sie wohl mit seiner tüchtigen und schnellen Arbeit überrascht. Doch dann bemerkte er mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, dass sie den Boden anstarrte. Zögernd wandte auch er seinen Blick gen Teppich - und erstarrte. Teppich? "Nein...", stöhnte er leise und hätte sich am liebsten selber verprügelt. "Was...was hast du getan?", keuchte Nabiki voller Entsetzen und deutete mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger anklagend auf den Teppich, der in der Nähe der Wände überall von sanftgelben Farbspritzern übersäht war. Benjamin wusste, dass er verloren hatte. "Das...es...es tut mir leid...", versuchte er sich schwach zu verteidigen. Wie konnte er nur so blöd sein und vergessen, den Boden mit Zeitungspapier abzudecken? "Es. Tut. Dir. Leid.?", schnaubte Nabiki. Die unbändige Wut gepaart mit Fassungslosigkeit in ihrem Gesicht hätte sogar ein Blinder erkannt, und dazu hätte er es gar nicht erst abtasten müssen. "Ich...ich war so übereifrig, dass...dass ich es einfach...vergessen habe..." Benjamin versuchte nur halbherzig, sich zu retten, denn er wusste, dass es unmöglich war. "Vergessen!? Muss man dir vielleicht eine Checkliste geben, auf der du abhaken musst, was du erledigt hast!? Aber wahrscheinlich würdest du dann vergessen, auf die Liste zu schauen! Hat das heute Morgen nicht gereicht? Aber nein, du musst mich gleich total fertig machen!" Benjamin ließ die Farbrolle, die er die ganze Zeit noch gegen die Wand gedrückt hatte, langsam sinken. Dabei tropfte ein weiteres Bisschen Farbe auf den Teppichboden. "Pass auf!", schrie Nabiki so laut und plötzlich, dass Benjamin die Rolle erschrocken komplett fallen ließ. Nabiki bebte vor Zorn. "Es...es tut mir leid! Ich will dich doch gar nicht fertig machen...", murmelte Benjamin leise. "Ach nein?! Seit dem du hier bist steht mein Leben plötzlich auf dem Kopf!", schrie Nabiki um so lauter. "Du solltest einfach nur die Möbel und den Teppichboden abkleben und die Wände streichen! Ist das etwa zu viel verlangt? Wie blöd bist du eigentlich?" Langsam stieg auch in Benjamin die Wut auf. "Ich bin nicht blöd, verdammt! Ich habe mich gefreut, dir zu helfen, aber du hast mich total unfreundlich behandelt! Und ein wenig Freundlichkeit kann ich ja wohl verlangen, wenn ich mich den ganzen Tag hier abschufte und dein dummes Zimmer streiche, oder?" Benjamins Stimme wurde immer lauter und erreichte zuletzt fast die Lautstärke von Nabikis. Die Tatsache, dass wohl nicht nur alle im Haus Anwesenden, sondern mittlerweile auch die Nachbarschaft ihren Streit mitbekam, störte sie zu dem Zeitpunkt beide kein bisschen. "Ohhh, du hast dich abgeschuftet? Die Tatsache, dass ich den ganzen Tag völlig verzweifelt in der Stadt herumgelaufen bin scheint dich ja überhaupt nicht zu interessieren! Ganz abgesehen davon, dass dieses Klebeband alles andere als leicht zu entfernen ist! Und mein Zimmer ist alles, aber nicht dumm! Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh doch!" Benjamin kochte. "Oh ja! Das werde ich jetzt auch tun! Solch eine Undankbarkeit habe ich ja noch nie erlebt! Und du bist nicht die Einzige, die gelitten hat!" Mit diesen Worten riss er seinen Verband mit einem gewaltigen Ruck vom Kopf. Ein gewaltiger Schmerz schoss durch seinen Kopf, als hätte ihm jemand ein Messer hineingerammt. "Na, was sagst du jetzt?", fragte er mit zusammengebissenen Zähnen und drehte sich um. Noch in der Drehung bemerkte er, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Er starrte durch das Fenster, welches er vor einer Weile geöffnet hatte, um ein wenig frische Luft zu schnappen, in die Dunkelheit hinaus. Mit einem naiven Erstaunen, als wäre er ein Außenstehender, stellte er fest, dass er keine Kontrolle mehr über seine Beine hatte und sie unter ihm nachgaben. Nabiki war zur Salzsäule erstarrt und sah mit dem blanken Entsetzen im Gesicht, wie Benjamin vornüber direkt aus dem Fenster kippte. Die Dunkelheit verschluckte ihn, als wäre das Fenster das Maul eines riesigen Ungeheuers. Nabiki hörte, wie Benjamin das Dach hinunterpolterte. Einen kurzen Moment, den Nabiki als eine Ewigkeit voll Angst, Entsetzen und Schuld erlebte, herrschte eine gewaltige, erdrückende Stille. Dann schlug Benjamins Körper mit einem dumpfen Poltern auf dem Erdboden auf, so dass Nabiki zusammenzuckte. Sie sank auf die Knie, vergrub ihr Gesicht in den Händen und begann, lauthals zu schluchzen. Lars stapfte eifrig drauflos und folgte der Schneise, während Alexandra eilig hinter ihm her hastete. Und sie hatten Glück. Die Kugel war einmal komplett durch den Wald gerollt und dann an dem Weg, den sie entlang mussten, liegen geblieben. Die Geschwister kletterten eine kleine Böschung hinauf und setzten ihren Fußmarsch auf dem befestigten Weg fort, was eine große Erleichterung für Beide war. Gegen späten Nachmittag kamen sie ihrem Ziel immer näher. Schließlich war es beinahe soweit. Lars schaute ein letztes Mal auf die Karte und zeigte dann nach vorne. "Hinter der Biegung muss es sein!", rief Lars aufgeregt und zog noch einmal an, ohne die Karte wegzustecken. Mit klopfenden Herzen stürmten die Beiden um die Ecke - und sahen sich mit einer windschiefen Hütte konfrontiert, vor der ein alter Mann auf einen Stock gestützt auf einer moosbesetzten Holzbank saß. Verwirrt hob Lars die Karte. "Hast du sie etwa falsch herum gehalten?", fragte Alexandra bestürzt. Ein Riesenschreck fuhr Lars durch die Glieder, doch dann entspannte er sich wieder. "Nein, guck!" Sie beugten sich über die Karte und kontrollierten ihren bisherigen Weg. "Wir sind an jeder Gabelung in die richtige Richtung gegangen!", stellte Alexandra verwirrt fest. "Dann muss es wohl hier sein." Lars runzelte die Stirn. Also traten sie an den alten Mann heran, der sie zunächst gar nicht registrierte. "Ähm...Entschuldigung?", fragte Lars zögernd. Er erhielt keine Reaktion. Alexandra hockte sich vor den Mann und legte ihre Hand auf die seinige. Der Alte drehte langsam seinen Kopf und fixierte schließlich ihr Gesicht. "Ah, hallo meine Hübsche!", sprach er mit zittriger Stimme. "Hallo. Wir sind auf der Suche nach dem Teil einer Schriftrolle. Können sie uns helfen?" Mit regungslosem Gesicht fragte der alte Mann: "Schriftrolle?" Alexandra zog kurzerhand den Teil der Schriftrolle aus ihrer Tasche und drückte ihn dem Mann in die zitternde Hand. Lars rückte misstrauisch ein Stück näher. Der Alte betrachtete die Rolle eingehend. Ein leichtes Grinsen huschte über sein faltiges Gesicht. "Nun, der Tag scheint gekommen zu sein. Wurde ja auch mal Zeit, dass jemand vorbeischaut. Happosai soll sie mir schließlich nicht umsonst anvertraut haben." Seine Stimme zitterte wie eigentlich alles an dem Mann, der schon viele, viele Jahre auf dem Buckel zu haben schien. Alexandra und Lars schauten sich kurz an. Der Alte drückte Alexandra die Schriftrolle zurück in die Hand und erhob sich daraufhin langsam und mühselig. "Folgt mir." Er hustete lange und humpelte dann, auf den Stock gestützt, in die Hütte hinein. Mit wachsamen Blicken taten die Geschwister, wie ihnen geheißen. Der Mann erwartete sie bereits im dämmrigen Schein einer einzigen Kerze auf einem Baumstumpf sitzend, der zusammen mit zwei weiteren Baumstümpfen ein Dreieck bildete und auf die er nun deutete. In der Mitte der drei Stümpfe befand sich ein weiterer, etwas kleinerer Baumstumpf. "Setzt euch." Wieder folgten Alexandra und Lars seinem Befehl. Daraufhin zog der Alte den mittleren Teil der Schriftrolle hervor und hielt ihn hoch. "Hier ist, was ihr sucht. Allerdings müsst ihr ein kleines Spielchen mit mir spielen, um es zu bekommen, denn ich liebe Spielchen!" Provozierend fragte Lars: "Und was ist, wenn wir es uns einfach nehmen?" Der alte Mann lachte. "Nun, das werdet ihr nicht, denn wo bleibt denn da der Spaß?" Lars verstummte und sah den Mann verwirrt an. "Das Spielchen ist ein Rätsel. Es ist recht einfach zu verstehen und hat eindeutige Regeln. Es ist euch nicht erlaubt, Fragen zu stellen. Jeder von uns Dreien zieht ein kleines Hütchen und setzt es auf, ohne es zu sehen. Dieses Hütchen kann entweder weiß oder blau sein, wobei von allen drei Hütchen mindestens eines blau ist. Jeder darf die Hütchen der anderen Mitspieler sehen, aber nicht sein Eigenes. Ihr bekommt die Schriftrolle, wenn einer von euch Beiden richtig antwortet. Wer antworten will steht auf. Dann gibt es kein Zurück mehr. Ist die Antwort falsch, verliert ihr. Antworte ich schneller, verliert ihr. Schummelt einer von euch, verliert ihr. Redet jemand, verliert diejenige Partei. Antwortet niemand innerhalb von einer Stunde, verlieren wir alle. Verstanden?" Langsam nickten Alexandra und Lars. "Nun, dann lasst uns beginnen." Er griff hinter sich und zog eine große Sanduhr hervor, die er auf den Baumstumpf in ihrer Mitte stellte. "Hinter jedem von uns steht eine Kiste mit jeweils einem blauen und einem weißen Hütchen. Ihr müsst mir wohl vertrauen, denn jeder greift hinein, sucht sich ein Hütchen aus und setzt es sich auf, ohne den Blick von der Sanduhr zu wenden. Nun los!" Sofort griffen alle drei hinein und setzten sich nacheinander ein Hütchen auf. Lars Herz pochte wie wild. Alexandra und auch der alte Mann hatten ein blaues Hütchen auf dem Kopf. Der alte Mann ergriff erneut das Wort. "Achja, dies ist ein Spielchen auf Leben und Tod. Wer verliert, wird von der Sanduhr getötet." Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, drehte der alte Mann die Sanduhr herum. "Die Zeit läuft...", flüsterte er leise und verstummte dann vollständig. Lars brauchte eine Weile, um sich wieder zu beruhigen. Dann arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren. Unaufhörlich rieselte der Sand aus der oberen in die untere Hälfte. Nachdem sich ungefähr ein Viertel des Sandes im unteren Teil häufte, herrschte noch immer Totenstille. Lars runzelte die Stirn. Eine Weile später war bereits die Hälfte des Sandes durchgerieselt, und noch immer war keiner aufgestanden. Lars bemerkte, wie ihm langsam der Angstschweiß ausbrach. Nach einem weiteren Viertel durchgelaufenen Sandes war Lars völlig durchnässt. Doch damit nicht genug, hinzu kam, dass er einen Anflug von Panik verspürte. Konzentrieren wurde ihm unmöglich. "Bitte, bitte, lass Alexandra die Antwort wissen!", betete er innerlich. Doch auch die wirkte zu seinem äußerstem Entsetzen unruhig. Ungefähr fünfundfünfzig Minuten nach Spielbeginn versuchte Lars angestrengt, die Lösung zu finden. Doch der Druck war so groß, dass es ihm einfach nicht gelingen wollte. Es kam ihm vor, als würde der Sand immer schneller durch die schmale Öffnung rutschen. Als nur noch ein kleiner Rest Sand über war, klopfte Lars Herz so schnell, dass er fürchtete, es würde gleich explodieren. Plötzlich machte der alte Mann Anstalten, aufzustehen. Lars Herz rutschte ihm in die Hose. Doch völlig unerwartet schoss Alexandra mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck in die Höhe. Der alte Mann blieb sitzen. "Ich weiß es! Mein Hütchen ist" - Lars biss sich auf die Faust - "ist..." Alexandra zögerte plötzlich. Lars biss sich so stark in die Hand, dass es anfing zu bluten. Doch er bemerkte es gar nicht, sondern starrte nur seine Schwester an. "Es ist blau!", rief Alexandra entschlossen aus. Vor Erleichterung und Erschöpfung ließ sich Lars seitlich vom Baumstumpf fallen und lächelte selig vor sich hin. Alexandra deutete seine Reaktion falsch und schlug keuchend die Hand vor den Mund. Als der alte Mann aufstand und langsam sein Hütchen vom Kopf nahm, starrte Alexandra ihn mit Tränen in den Augen an. "Nun, sehr gut mein Kind. Die Antwort war richtig, hier habt ihr die Schriftrolle." Alexandra fing vor Freude und Erleichterung an zu weinen und nahm den mittleren Teil der Schriftrolle entgegen. Lars war mittlerweile aufgestanden und umarmte sie daraufhin heftig. Dann wandte er sich, einen Arm noch um Alexandra gelegt, dem alten Mann zu. "Sollte die Sanduhr sie jetzt nicht eigentlich umbringen?", fragte er stirnrunzelnd. Der Alte lachte. "Das war nur eine kleine Lüge, um es ein bisschen spannender zu machen!", zwinkerte er den Geschwistern zu. Auf die Worte hin kamen nur ein lautes Krachen und viel Staub aus deren Richtung. Lars rappelte sich wieder auf und wischte sich den Staub von der Kleidung. "Nun, trotzdem, ähh, vielen Dank!" Während neben ihm auch Alexandra wieder auf die Beine kam, dachte Lars verwirrt: "Jetzt fange ich auch schon mit diesem "nun" an!" "Nun denn", sprach der alte Mann, woraufhin Lars zusammenzuckte, "soviel Spaß hatte ich schon seit langer Zeit nicht mehr, ich habe daher ebenfalls zu danken. Nun gehet denn hin im Namen des Happosai" - Lars und Alexandra zogen jeweils eine Augenbraue hoch und sahen sich an - "und holt euch den letzten Teil der Schriftrolle, verdammt noch mal!" Er grinste sie breit und faltig an. "Ja, ähm, das hatten wir vor.", meinte Alexandra. "Auf Wiedersehen!", rief Lars, als er sich bückte, um die Hütte zu verlassen. "Nun, das bezweifle ich zwar, aber es ist durchaus wünschenswert. Insofern wünsche auch ich euch auf Wiedersehen!" Alexandra winkte dem alten Mann ein letztes Mal zu und folgte Lars dann an das Tageslicht. Die Abendsonne stand tief, trotzdem hielt Alexandra geblendet die Hand vor die Augen. Als sie sie wieder senkte, sah sie Lars, der schon wieder in die Landkarte vertieft war. Als Alexandra näher trat, sah er auf und meinte: "Lass uns noch ein Stückchen Weg hinter uns bringen und dann unser Nachtlager aufschlagen." Alexandra nickte ihrem Bruder zu und ergriff dann mit zwielichtigen Gefühlen seine Hand. Einerseits war sie froh, dass sie bereits zwei Teile der Schriftrolle ergattert hatten, andererseits fürchtete sie sich vor der ihnen noch bevorstehenden Aufgabe. Nabiki Tendo wusste nicht, wo ihr der Kopf stand. Seitdem dieser Junge in ihr Leben getreten war, hatte sich alles verändert. Nichts war mehr, wie es vorher war. Dachte sie jedenfalls. Denn sie war ein Mensch. Und Menschen haben die Angewohnheit, egozentrisch zu denken. Am deutlichsten ist es bei Kindern, doch mit den Jahren lernen die Menschen, ihr egozentrisches Denken zu verhüllen. Einigen gelingt dies mehr, anderen weniger. Und so dachte Nabiki Tendo nicht daran, dass die Vögel immer noch zwitscherten, die Regenrinne immer noch leckte und ihr Vater immer noch einen mindestens genauso dummen Freund hatte, wie er es selber war. Aus diesem Irrtum heraus beschloss Nabiki, wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen, wobei dies ein völlig unmögliches Ziel war. Denn es gibt keine Ordnung im Leben, es sei denn, man glaubt an das vorherbestimmte Schicksal. Doch selbst dann kann man nur von Ordnung in dem Sinne reden, als dass alle vorherbestimmten Ereignisse, die auf ein vorherbestimmtes Ziel zulaufen, in ihrer vorherbestimmten Reihenfolge ablaufen. Es ist aber nicht möglich, sein Leben bis ins letzte Detail zu ordnen und vorzuplanen, wie man es vielleicht mit Aktenordnern macht. Viel zu vieles ist ungewiss, viel zu vieles obliegt dem Zufall. Trotzdem hatte Nabiki einen Entschluss gefasst, den sie zuerst überwiegend aus Reue heraus beschlossen hatte. Doch irgendwo im Unterbewusstsein wusste sie bereits, dass dies von Anfang an richtig gewesen wäre und dass sie dies eigentlich von Anfang an gewollt hatte. Aber sie war viel zu verwirrt und verstört gewesen, hatte dieses seltsame Gefühl zuerst für das Zeichen einer Krankheit gehalten. Dann hatte sie gemerkt, dass dieses Gefühl mit ihm zusammenhing und gedacht, dass es vielleicht verschwinden würde, wenn sie ihn ignorierte, ihm die kalte Schulter zeigte. Doch auch das war ein Irrtum gewesen, denn zu dem seltsamen Gefühl kam ein beinahe noch Stärkeres hinzu, welches innerhalb so kurzer Zeit bereits angefangen hatte, sie von innen her aufzufressen. Es schmerzte sie, ihn zu ignorieren oder ihm gar weh zu tun. Und das hatte sie an dem heutigen Tag mittlerweile oft genug getan, dass wusste sie. Denn auch Worte können schmerzen, manchmal sogar stärker als jede körperliche Verletzung. Daher riss Nabiki sich zusammen und sprang auf. So schnell sie ihre Beine trugen hetzte sie die Treppe hinunter durch das Wohnzimmer und nach draußen in den Garten. Sie hatte Benjamin schnell gefunden, er lag genau in einem Lichtstreifen, der von einem Fenster im Erdgeschoss ausging. "Benni!", rief Nabiki erschrocken und verzweifelt, als sie ihn erblickte. Unwillkürlich hatte sie ihn mit einem Spitznamen gerufen. Sie rannte zu ihm und fiel neben ihm auf die Knie. Er hatte eine kleine Wunde auf der Stirn, die leicht blutete. Mit beinahe mütterlicher Fürsorge schob sie eine Hand unter seinen Kopf und hob ihn an. "Hey, Benni!" Nabiki streichelte ihm vorsichtig über die Wange. Plötzlich zitterten seine Augenlider und öffneten sich dann langsam. Zuerst starrte er in die Ferne. Es dauerte eine Weile, bis Benjamin seine Augen auf Nabiki fixiert hatte. Sie lächelte ihn schräg an. Benjamins Miene regte sich keinen Millimeter. Langsam erlosch Nabikis Lächeln. "Kan...Kannst du stehen?", fragte sie zögernd. Benjamin murmelte etwas und begann aufzustehen. Als er sich dabei auf sein rechtes Bein stützte, schrie er vor Schmerzen so laut auf, dass Nabiki beinahe einen Herzinfarkt bekam. Sie kam Benjamin erschrocken zur Hilfe und stützte ihn, doch er schlug ihre Hand weg und rutschte auf Knien bis zur nahen Hauswand und stemmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht daran hoch. Nabiki, die sich zutiefst verletzt fühlte, wollte ihn stützen und zum Haus zurückführen, doch Benjamin knurrte: "Ich brauche deine Hilfe nicht!", woraufhin die junge Frau zurückzuckte und die Fäuste auf den Mund presste. Mit Tränen in den Augen sah Nabiki Benjamin hinterher, der sich unter sichtbar großen Schmerzen an der Wand entlang zur Schiebetür auf der schmalen Veranda vorarbeitete. Als er im Haus verschwunden war, hörte sie erschrockene Stimmen heraustönen, doch sie erreichten ihr Ohr nicht mehr. "Was habe ich nur getan?", flüsterte sie unter Tränen. Nabiki Tendo sank gegen die Hauswand und schluchzte in der Dunkelheit herzergreifend, immer darauf bedacht, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Einsam und allein stand sie so da, ihr Körper immer wieder gebeutelt durch heftige Schluchzattacken. Doch ihr Kummer wurde dadurch nicht, wie erhofft, weniger, sondern nahm im Gegenteil immer mehr zu. "Benjamin..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)