Shadowwalkers II von FaithNova (Kampf und Flucht) ================================================================================ Kapitel 30: Warten ------------------ Als Ashley durch den ersten Wagen, der an der Tankstelle hielt und eine Vollbremsung hinlegte, damit er die Zapfsäulen nicht über den Haufen mähte, geweckt wurde, war es schon hell. Mit einem Blick auf die Uhr konnte Ashley feststellen, dass es bereits weit nach acht Uhr morgens war. Trinity hatte zwar versprochen, dass sie sich beeilen würde, aber Ashley hatte keine Ahnung wo sie war. Sie war vor drei Tagen aufgebrochen und das sah Ashley als Zeichen, dass sie sich kaum irgendwo in unmittelbarer Nähe aufgehalten hatte, als sie Ashleys Anruf erhalten hatte. Die Ungewissheit, wann sie endlich auftauchen würde, verschlimmerte sich durch diesen Umstand noch mehr. Vor allem weil Ashley keine Ahnung hatte, wie lange es nicht weiter auffiel, dass sie hier stundenlang neben einer Tankstelle in einem geparkten Auto saß. Mit jeder Stunde, die vergangen war, seit sie Lily alleine zurück gelassen hatte, war das Risiko größer, dass die Schattengänger sie entdecken konnten, denn so sehr sich Ashley auch vorstellen konnte, dass sie Lilys Gefangennahme feierten, so sehr war ihr auch bewusst, dass sie das Hauptziel deswegen nicht unbedingt aus den Augen verlieren würden und die Suche nach ihr ganz abblasen würden. Und die Frage, wer zuerst hier auftauchen würde, zehrte an Ashleys Nerven, die sowieso schon ziemlich blank lagen. Ihr Traum, in dem ihr Isaac erschienen war, hatte sie nur ein wenig beruhigen können. Die Aussagen, die er getroffen hatten, beschäftigten sie zumindest eine Weile und sie dachte nicht über ihre anderen Probleme nach. Er hatte behauptet, dass sie das Manuskript aus einem bestimmten Grund gefunden hatte. Nun von irgendwoher dachte Ashley, dass ein Grund dafür sein konnte, dass sie wohl unter keinen Umständen den Dämonen und den Schattengängern verraten würde, was sie damit gemacht hatte. Aber was wäre, wenn Delia und sie an diesem Tag nicht angegriffen worden wären? Ashley hätte niemals vor ihr verheimlicht, dass sie dem Geheimnis auf die Spur gekommen war und schließlich hätten sie gefunden wonach sie gesucht hatten. Und das bedeutete, dass sie es Duncan ausgehändigt hätten. Er hätte dann eines der mächtigsten Schriftstücke aller Zeiten besessen. Was wäre zwischen ihr und Lily passiert? Hätten sie sich auch so zerstritten und letztlich auf eine Weise versöhnt, die sie noch näher als zuvor zusammenbrachte? Und was sie noch mehr beschäftigte, war die Frage, ob sie selbst die Schattengänger verlassen hätte und ihren Selbstmordversuch unternommen hätte. Je mehr Ashley darüber nachdachte und für sich dieses Was-wäre-wenn weiterentwickelte, desto mehr Zeit verstrich und mit dem Fortschreiten des Tages würde auch die Tankstelle belebter und Ashleys Magen protestierte um viertel nach zehn lauthals, da er seit gestern nachmittag nichts mehr zu tun bekommen hatte. Aber Ashley wagte es nicht, aus dem Auto zu steigen und in der Tankstelle etwas zu Essen zu holen. Sie wollte für die Leute, die hier her kamen gänzlich unsichtbar bleiben. Als es auf elf Uhr zuging, begann ihr Kopf wieder heftig zu pochen, eine Mischung aus Übermüdung, Anstrengung, Hunger und – was auch immer der Grund für ihre immer wiederkehrenden Kopfschmerzattacken war. Als es schon fast Mittag war und Ashley halb wieder eingedöst war, rollte ein schwarz lackierter Kleinbus auf den Parkplatz neben der Tankstelle. Ashley hatte sich in den letzten Stunden abgewöhnt, ständig aufzusehen, wenn ein Auto hier hielt oder zum Tanken an die Zapfsäulen fuhr. Deshalb blieb dieser Wagen von ihr auch gänzlich unbemerkt. Und so sah Ashley auch nicht den jungen, stämmigen Mann, der aus dem Auto auf der Fahrerseite ausstieg und sich lässig gegen die Heckklappe lehnte und das Treiben auf dem Parkplatz und bei der Tankstelle im Auge behielt. Er musterte ziemlich genau, ob sich irgendwo in der Nähe Kameras befanden, die diesen Fleck im Blick hatten. Nur einige Augenblicke später warf er eine, soeben erst angezündete Zigarettenkippe zur Seite. Daraufhin, als ob dies ein geheimes Signal gewesen wäre, öffnete sich die Beifahrertür und eine zweite Person stieg aus. Dunkel gekleidet mit einer Baseballkappe und einem weiten Kapuzenpulli, war es schwer fest zu stellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Die Person ging um die Vorderseite des Wagens herum und langsam auf das Auto zu, in dem Ashley wieder mit dem Kopf an der Scheibe lehnte. Aus den Augenwinkel schien der Mann zu beobachten, was sein Mitfahrer machte. Ashley bemerkte nicht, dass dieser nun nur einen Meter neben dem Auto stand und zu ihr hineinsah. Dann hob er die Hand – und klopfte zwei Mal sanft, aber hörbar gegen die Scheibe. Ashley schreckte wie vom Donner gerührt los. Ihr blieb die Luft weg und sie suchte nach der Quelle dieses Geräusches. Sie blickte die Person an, die nun reglos vor der Tür stand und sie ansah. Ashley fixierte sie einen Moment, dann öffnete sie die Tür, stieg aus und fiel Trinity um Hals. Die drückte sie fest an sich und Ashley merkte wie sie mit den Tränen kämpfte. Ein Teil von ihr hatte schon damit abgeschlossen, dass sie vor den Schattengängern bei ihr sein würde. Als die erste Widersehensfreude verflogen war und Ashley sich aus der Umarmung löste, sah Trinity sie ernst an. „Was um alles in der Welt ist nur passiert? Warum bist du alleine hier im Nirgendwo? Hatten du und Mum sich wieder in der Wolle?“ fragte sie wie ein sprudelnder Wasserfall. Ashley beantwortete nur die letzte Frage mit einem Kopfschütteln. Trinity merkte an ihrem Gesichtsausdruck, dass die Antwort auf die anderen Frage und jene, die daraus noch entstehen würden wohl etwas schwieriger waren. Also nahm sie sie an der Hand und zog sich in Richtung des Kleinbusses. „Na los komm mit. Das Auto bleibt hier. Soll der es haben, der es findet.“ Ashley protestierte nicht, sie folgte Trinity wie ein kleines Kind im Park. Als sie am Auto angekommen waren, kam der Mann herum und öffnete ihnen beiden die hintere Tür. Er schenkte Ashley ein freundliches, aber verhaltenes Lächeln. „Das ist Ryan, er war so nett mich das letzte Stück bis hier her zu fahren und er wird uns auch wieder zurück bringen.“ Erklärte Trinity. Ashley nickte und murmelte ein zerknirschtes „Hallo.“ Als die Tür hinter den beiden zugeworfen würde, fiel Ashley auf, dass alle hinteren Scheiben geschwärzt waren. Von außen konnte also niemand nach innen sehen. Ebenso war die Innenausstattung des Busses etwas anders, als man vermuten konnte. Die Sitzbänke gingen im hinteren Teil des Wagens in U-Form herum. Und vorne, hinter dem Fahrersitz war ein kleiner Klapptisch angebracht. Ashley lies sich auf den Sitzen nieder und schloß die Augen. Aus einem kleinen Kühlschrank, der unter einem Element der Sitzbank war, holte Trinity ein Getränk und ein Sandwich hervor. Sie lächelte und reichte es Ashley, die es wortlos, aber mit dankbarem Blick annahm und sich darüber hermachte. Inzwischen war Ryan hinter den Fahrersitz geglitten und losgefahren. Als Ashley das Sandwich in Windeseile verputzt hatte – schließlich hatte sie die letzten Stunden mit einem Bärenhunger gekämpft – fragte sie Trinity, die ihr gegenüber saß: „Wohin fahren wir?“ Trinity schürzte die Lippen und meinte: „Zu einem Zauberer, der uns über ein magisches Portal weiter bringt. Ich musste es auch benutzen, um her zu kommen, sonst hätte es ewig gedauert. Durch das Portal kommen wir zu Sam.“ Ashley nickte. An sich war ihr nicht wohl bei dem Gedanken sich bei jemandem zu verstecken, den sie nicht kannte, aber Trinity schien ihm zu vertrauen und außerdem war sie ja zu ihm gefahren, damit er ihr bei ihren anderen, jetzt völlig nebensächlich erscheinenden, Problemen helfen konnte. Eine Weile herrschte Schweigen im Bus. Ryan hatte zwar den Radio an, doch die Lautstärke war nicht ausreichend, um zu den beiden nach hinten vor zudringen. Schließlich lehnte sich Trinity vor und flüsterte: „Denkst du, dass du mir erzählen kannst, was passiert ist?“ Ashley sah sie einen Moment hilflos an. Sie wusste es irgendwie selbst nicht. Bei dem Gedanken, die Szene im Kopf zu wiederholen, als sie Lily verlassen hatte, entstand ein zentnerschwerer Stein in ihrem Magen und erste Tränen kündigten sich bereits an. Doch dann begann sie einfach zu erzählen. Dass Lily sie kurz allein gelassen hatte – insgesamt vielleicht eine Stunde – und während dieser Zeit der Sucher aufgetaucht war. Auch von dem Kampf mit ihm konnte Ashley völlig emotionslos erzählen, selbst als sie an den Punkt kam und beschrieb wie sie ihn getötet hatte – mit Kräften, welche sie vorher nie besessen hatte und bis dahin nicht kontrollieren oder annähernd kontrolliert einsetzten konnte – schien sie die Ruhe selbst zu sein. Doch als sie erzählte, dass Lily schließlich wieder kam und sie dann fortgeschickt hatte, um sich selbst als Köder da zu lassen, in der Hoffnung sie würden Ashleys Spur dadurch verlieren brach ihre Stimme und Tränen füllten ihre Augen. Sie wusste, dass Lily jetzt grade irgendwo von Duncan gefangen gehalten wurde, er sie verhören und vielleicht sogar foltern lies. Und das alles nur wegen ihr. Weil sie die Entscheidung getroffen hatte, es nicht auf sich beruhen zu lassen und zu finden, was Generationen bereits suchten. Trinity nahm sie schließlich in die Arme, als Ashley kein vernünftiges Wort hervor brachte. Schließlich meinte sie tröstend: „Mach dir keine Vorwürfe, das kriegen wir schon wieder hin. Und bis dahin wird Sam dir helfen mit dem was du kannst, besser umzugehen.“ Ashley schniefte bloß in Trinitys Schulter. Als ob mich das jetzt grade so wirklich interessiert! dachte sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)