Shadowwalkers II von FaithNova (Kampf und Flucht) ================================================================================ Kapitel 1: Das Haus am Meer --------------------------- Am späten Nachmittag dieses herrlichen Julitages gab die Sonne noch einmal ihr Bestes. Es war angenehm warm, auch wenn von Zeit zu Zeit eine angenehme Brise den Strand entlang wehte. Der Anblick war traumhaft. Das kleine Sommerhäuschen stand etwas versteckt in einer Nische zwischen zwei hohen Felsen. Von der Veranda aus konnte man kilometerweit in beide Richtungen das Ufer des Meeres beobachten. In einiger Entfernung tollten sich um diese Zeit noch viele Badegäste, doch in unmittelbarer Nähe des Hauses war weit und breit niemand zu sehen. Eine Ursache dafür war, dass dies als Privatstrand gekennzeichnet war und durch einen niedrigen und nur aus ein paar Metern entfernten Zaun von der öffentlichen Badefläche abgegrenzt war. Vom Haus selbst waren es etwa 100 Meter zum Meer und ein kleiner Steg führte noch mal 200 Meter über das Wasser hinweg. Das Geräusch von den Wellen, welche gegen das Holz des Steges schlugen und immer wieder angespült kamen, war allgegenwärtig und vermittelte ein Gefühl von Ruhe und Sicherheit. Ashley saß allein auf der Veranda in einem bequemen Korbstuhl. Sie trug blaue Badeshorts und ein Sweatshirt. Müde und gelangweilt hatte sie den Kopf auf ihren linken Arm abgestützt und starrte auf die gläserne Tischplatte vor ihr. Dort stand ein Schachbrett, welches sie aber seit einer Weile nur noch links liegen ließ. Mit sich selbst zu spielen, war definitiv nicht sehr reizvoll. Sie betrachtete ihre Reflektion im Glas des Tisches. Deutlich zeichnete sich eine hellrote, lange Narbe von ihrer Schläfe bis über die Stirn ab. Es war deshalb auch so gut zu sehen, weil Ashley ihre Haare sehr kurz geschnitten hatte. Nachdem man ihr im Krankenhaus einen Teil sowieso wegrasiert hatte, entschied sie sich, es gleich komplett kurz zu lassen. Trinity hatte ihr in den letzten sechs Wochen, in denen sie jetzt hier war, bereits zwei Mal die Haare geschnitten. Allerdings nur unter Protest. Sie hatte beim letzten Mal gemeint, ob es Ashley nicht einfach nur darum ginge, dass sie selbst und der Rest der Welt immer wieder durch die Narbe daran erinnert werden sollte, was sie versucht hatte, sich anzutun. Ashley hatte darauf nicht geantwortet. Sie dachte lange darüber nach und kam zu dem Schluss, dass es vielleicht nicht ganz der Unwahrheit entsprach. Aber es spielte auch keine Rolle, denn die einzigen Menschen mit denen Ashley seitdem sie hier war zu tun gehabt hatte, waren Trinity und Lily gewesen. Sie konnte sich nur noch verschwommen an die ersten zwei Wochen erinnern. Die meiste Zeit hatte sie geschlafen oder konnte sich nicht mehr als ein paar Stunden auf den Beinen halten. Mit der Zeit war sie wieder zu Kräften gekommen und heute war da nur noch die Tatsache, dass ihre Narbe von Zeit zu Zeit etwas zwickte. Und die etwas besorgten Hinweise von Trinity, dass ihre Genesung nicht gerade als normal zu bezeichnen war, interessierten sie nicht. Sechs Wochen war sie nun schon hier. Lily hatte Wort gehalten, sie hatte dafür gesorgt, dass man sie nur schwer finden konnte. Hunderte Kilometer von ihrer Heimat entfernt und an diesem ziemlich ausgefallenen Ort, würde Duncan sie so schnell wirklich nicht aufspüren. Allerdings war Ashley inzwischen innerlich so weit, als das sie es gerne darauf ankommen lassen würde. Sie wollte hier nur weg. Aber Lily und Trinity hatten ihr immer wieder – durchaus plausibel, das musste sie zugeben – klar gemacht, dass es sehr gefährlich sei, wenn sie diesen Ort hier verließ. Immerhin hatte Lily vor zwei Wochen arrangiert, dass Ashley mit ihrem Bruder und ihrer Nichte telefonieren konnte. Aber das machte alles hier noch viel schlimmer. Ashley fühlte sich, wie im Gefängnis. Sie konnte hier nicht weg, sie hatte nicht einmal die Möglichkeit, an einem Nachmittag wie diesem in der Stadt spazieren zu gehen. Und hier fühlte sie sich die ganze Zeit beobachtet. Zumindest hatten Lily und Trinity es aufgegeben, sie alle fünf Minuten nach ihrem Befinden zu fragen. Es war nervig, dass man sie bemutterte, wie ein kleines, hilfloses Kind. In den letzten Tagen war ihr immer wieder der Gedanke gekommen, ob es nicht besser gewesen wäre, dass Lily sie nicht gerettet hätte und Duncan sie ins Verließ gesperrt hätte. Es war schwerlich anders, als es sich hier anfühlte. Aber sie wollte das alles nicht wirklich zum Thema machen. Lily ignorierte jede ihrer Aussagen, die etwas dergeleichen andeuteten. Doch Ashley merkte, dass das nicht der Fall war, weil Lily es einfach nicht wahr haben wollte, sondern weil sie sich dadurch vor den Kopf gestoßen fühlte. Und es war teilweise sehr verdächtig, dass es immer wieder Trinity war, die in solchen Situationen stets einschritt und das Ruder noch rum reißen konnte. Ashley setzte sich auf, als sie Schritte vom Inneren des Hauses hören konnte. Die Tür ging auf und Trinity kam heraus. Sie trug ein hellblaues Sommerkleid und eine etwas albern aussehende und gänzlich unpassende rote Baseballmütze. Sie setzte sich zu Ashley, die sie dunkel ansah. Trinity zeigte auf das Schachbrett „Wer gewinnt?“ fragte sie. Ashley sah sie einen Moment etwas forsch an, dann wandte sie sich zum Tisch zurück und räumte die Figuren mit einer einzigen Handbewegung ab. „Niemand.“ Sagte sie schlicht, während sie die Figuren wieder in einer Schachtel verstaute. Trinity biss sich auf die Lippen. Als Ashley fertig war, erwiderte sie schließlich: „Und wieso nicht?“ Ashley stand auf und ging an ihr vorbei zur Tür „Weil ich ein Spiel dämlich finde, in dem es keine Rolle spielt, wenn ein Bauer für den König geopfert wird.“ Trinity nickte. „Stimmt, das ist dämlich. Aber ein Bauer, der sich geschickt ans Ende des Feldes manövriert kann zu einer Königin werden, ist das nicht eine interessante Tatsache?“ Ashley schluckte schwer, sie hatte den Türknauf schon in der Hand, ließ ihn aber los und wandte sich zu Trinity um. „Für was bitte braucht der König zwei Königinnen. Da kann es immer nur eine geben. Es ist nicht gerade toll, wenn man nur der Ersatz für etwas ist.“ Trinity sah sie direkt an. „Das hat nichts mit Ersatz zu tun. Man ist gleichgestellt. Da spielt es keine Rolle, ob man es schon von Anfang an war, oder ob es eine Weile dauert, bis man diese Position erreicht.“ Ashley schnaubte verächtlich und in ihrer Stimme schwang Wut mit „Nur dass es in dieser Position nicht möglich ist, zu teilen. Es gibt nur eine Königin an der Seite des Königs. Und der Bauer der zur Königin wird bleibt nicht mehr als eine einfache, kurzweilige Gespielin. Denn wenn das Spiel vorbei ist, wird er wieder zum Bauern.“ Bevor Ashley nach drinnen verschwinden konnte, rief Trinity ihr noch nach: „Dann solltest du ihr das besser auch so sagen.“ Aber Ashley ignorierte es. Genauso wie sie es die letzten sechs Wochen getan hatte. „Stures Pack.“ fluchte Trinity vor sich hin, bevor auch sie einige Minuten später nach drinnen ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)