lost without you von bl_and_ld (Puzzleshipping) ================================================================================ Kapitel 6: Geteiltes Leid… -------------------------- Kapitel 06: Geteiltes Leid… Ich habe immer gewusst, dass die guten Dinge im Leben nie von Dauer sind. „Ich lass dich nicht so einfach gehen. Nie.“ Diese Worte klingen jetzt so leer und das obwohl sie mir vor einigen Tagen so viel bedeutet hatten. „Von wegen ‚Ich lass dich nicht so einfach gehen. Nie.‘. Tsk…das ich nicht lache“, murmle ich zu mir selbst als ich Yamis Krankenzimmer verlasse. Ich spüre die Blicke von Tea, Joey und Kaiba mir ruhen. Sie brennen sich in meinen Rücken, bis ich im Fahrstuhl verschwinde. Joey und Tea haben nur darauf gewartet, dass sie ihren besten Freund endlich besuchen dürfen. Sogar einen riesigen Blumenstrauß haben sie dabei. Ich bin froh, als sich die Fahrstuhltüren endlich schließen. Ich lehne mich mit den Kopf an das kühle Metall. „Idiot! Idiot, Idiot, Idiot!“, fluche ich über mich selbst und meine Naivität. Ich hatte mir für einen Augenblick doch tatsächlich eingebildet, ich hätte ihn zurück. Meinen Yami. Den, der mich wirklich geliebt hat. Tja, es ist wohl so. Manche Dinge sind wirklich zu schön um wahr zu sein. Ich dachte zuerst es war nur der Schock, der ihn das hatte sagen lassen. Ich habe ihm deswegen versprochen zu bleiben und ich bin auch wirklich bei ihm geblieben. Yami schlief ein und ich saß da, auf dem unbequemsten Stuhl der Welt und wartete darauf, das er aufwachte. Ich hielt meine Versprechen schließlich immer. Ich weiß nicht mehr wie lange ich da gesessen und mir Yamis schlafendes Gesicht angesehen habe, aber irgendwann rief mich eine der Krankenschwestern zum Empfang, weil es einige Papiere zu unterschreiben gab. Leider hatte ich nicht alle Unterlagen da, um die beigefügten Fragebögen auszufüllen. Kaiba, der noch im Flur gestanden hatte, hatte mir Yamis Schlüsselkarte gegeben, damit ich die nötigen Papiere aus seinem Hotelzimmer holen konnte. Als ich seine Unterlagen durchstöbert habe, ist mir dieses eine Blatt in die Hände gefallen. Ich meine diesen Satz wortwörtlich. Als ich seine Versicherungsunterlagen hervorholte, segelte dieses Stück Papier direkt in meine Hände. Es war irgendwie so, als ob ich dieses Schriftstück finden sollte. Als sollte ich wissen, dass es existierte. Ich hatte nicht vorgehabt es zu lesen, doch der Briefkopf hatte mich stutzig gemacht. Es war das Logo der Firma darauf, die das Multifunktionsmodul hergestellt hatte, welches wir gesponsert bekommen haben. Ich sollte mich wohl berichtigen: Welches wir angeblich gesponsert bekommen haben. Der Zettel stellte sich nämlich als Rechnung heraus. Eine, die auf Yamis Namen lief…und meine Güte war das Gerät teuer. Mir wird jetzt noch schwindelig, wenn ich an die Summe denke, die da auf dem Blatt stand. Ich war deswegen völlig verwirrt, doch noch während ich mir die Frage stellte, warum Yami dieses Modul gekauft hat, so kannte ich eigentlich auch schon die Antwort darauf. Er hatte es für mich getan. Yami hatte mir doch zugehört gehabt, wenn ich ihm bei der Preview auf ein fertiges Video davon vorgeschwärmt hatte, was ich mit diesem neuen technischen Spielzeug noch alles hätte aus den Aufnahmen herausholen können. Ich hatte gedacht, das geht bei ihm zum einem Ohr rein und zum anderen wieder raus, doch scheinbar hatte ich mich da geirrt. Den ganzen Weg zurück ins Krankenhaus hatte ich mich gefragt, warum Yami es so hatte aussehen lassen, als sei das Gerät uns kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Erst während ich mir an dem Automaten in der Cafeteria eine heiße Schokolade holte, wurde es mir plötzlich klar. Er hatte das Modul für mich gekauft – um mich glücklich zu machen – aber ohne mir dabei das Gefühl geben zu wollen, ich sei ihm dafür etwas schuldig. Einfach nur, um mir eine Freude zu machen, obwohl er selbst wohl gar nicht verstand, warum ich von dem Gerät so begeistert war. Ich weiß noch wie mir bei dem Gedanken die Tränen in die Augen geschossen sind und gleichzeitig hätte ich am liebsten losgelacht. Das erinnerte mich so sehr daran, wie er früher gewesen ist. So hätte er sich verhalten, als er noch ‚mein‘ Yami gewesen ist. Tief in mir wurde die Hoffnung geweckt, dass irgendwo unter der Fassade des eingebildeten Stars mit übergroßem Ego, doch noch der Mann steckte, den ich bis heute nicht aufhören kann zu lieben. Es war aber wohl doch nichts mehr, als Wunschdenken. Es war nicht einmal der Schock oder eine unfallbedingte Amnesie. Es waren nur die Medikamente. Nichts weiter. Zumindest glaube ich das. Sich jetzt wieder Hoffnungen zu machen da wäre mehr, als das, was der Arzt mir gesagt hat, könnte ich einfach nicht ertragen. Das leichte Ruckeln sagt mir, dass der Fahrstuhl bald zum Stehen kommt. Ich trete einen Schritt zurück. Als die Fahrstuhltür sich öffnet sprinte ich sofort raus und dann um die Ecke zu den Toiletten. Die Frau, die am Empfang sitzt, sieht mich komisch an, aber das ist mir egal. Mir ist plötzlich so schlecht. Ich stelle mich vor einen der Spiegel und mache den Wasserhahn des darunterliegenden Waschbeckens auf. Als ich hier heute ankam, habe ichgelächelt Ich habe mich darauf gefreut Yami zu sehen. Jetzt waren da wieder Tränen in meinen Augen. Wenige Minuten können das Leben wirklich verändern. Es ist nur so, dass es sich eher so anfühlt, als wäre das, was sich verändert hatte, nur eine Illusion gewesen. Während ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritze, fällt mir wieder ein, was der Arzt zu mir gesagt hat. „Wir haben seine Medikamente heute abgesetzt. Er scheint eine Unverträglichkeit dagegen zu haben. Herr Athem hat ein hohes Fieber aufgrund dieser Medikation bekommen und hat halluziniert. Ist Ihnen da etwas aufgefallen? Hat er sich anders benommen als gewöhnlich oder vielleicht von Dingen gesprochen, die in der Vergangenheit lagen?“ Ich hatte zwar mit dem Kopf geschüttelt, aber in Wahrheit ha es mir einen riesigen Schrecken eingejagt. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut Yami zu sehen, doch als der Arzt mir sagte, dass er unter Halluzinationen gelitten hatte, wurde mir klar, dass er die letzten Jahre einfach vergessen hatte. Für einige sehr schön Tage, hatte er in der Vergangenheit gelebt. In der Zeit, als wir noch ein Paar waren. So gesehen, war er wirklich der alte Yami gewesen. „Jetzt ist er aber wieder klar“, hatte Dr. Legrand gemeint und mich dabei angelächelt. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, dass das für mich nicht Gutes hieß. War ich ein böser Mensch, weil ich mir wünschte, dass mein Ex – Freund noch eine Weile vor sich hin halluzinierte? Ich war so froh gewesen, für eine Weile den alten Yami wiederzuhaben. War es denn zu viel verlangt, dass ich mich dieser Illusion ein bisschen länger hingeben wollte? Ein Teil von mir hat es auch immer noch getan. Vielleicht habe ich da auch noch nicht ganz begriffen, was es hieß, dass er ‚wieder klar‘ war. Ich glaube ich hatte mein Gesicht vorhin verzogen, als der Arzt mich in sein Zimmer gelassen hatte. Mir haben einfach die Worte gefehlt. Ich wusste nicht, was ich ihm hätte sagen können. Yami hat mich so neugierig angeschaut, als wollte er wissen, was ich in seinem Krankenzimmer zu suchen hatte. Da war nichts mehr in seinen Augen. Keine Wärme, keine Liebe. Sein Gesicht war so verschlossen wie immer. Bar jeder Emotion, die verraten könnte, was er dachte. Das war nicht mehr der Mann, der mich gebeten hatte nicht zu gehen. Das war nicht mehr derjenige, der mir gesagt hatte, dass er mich nie gehen lassen würde. Diese Erkenntnis hat mir fast die Tränen in die Augen getrieben. „Ich hab doch gesagt...ich lass dich nicht alleine", diese gehauchten Worte hatten meinen Mund verlassen, noch ehe ich überhauptüberlegt hatte, was ich da sagte. Irgendwie fühlte ich mich betrogen. Ich hatte ihm versprochen ihn nicht u verlassen und jetzt war er es, der wieder weg war. „Hab doch nichts gesagt...? Aber ich freu mich wenn du mich besuchst." Yami hatte noch nicht einmal verstanden, was ich meinte. Das hat mich vorhin irgendwie sauer gemacht. Warum war es immer nur ich, der hier jemanden nachtrauerte, den es scheinbar schon lange nicht mehr gab? Ich unterdrückte meine Gefühle vorhin. Ich habe mir selbst gesagt, dass ich ihm nicht vorwerfen konnte, dass nicht mehr wusste, was er gesagt hatte. Ich habe mir eingeredet, es war nicht seine Schuld, dass jedes Fünkchen Hoffnung, was ich noch gehabt hatte, wieder dabei war abzusterben und dass ich mich so einsam fühlte, wie noch nie zuvor. Ich hatte Yami danach gefragt wie es ihm ging, doch das war ein großer Fehler gewesen. Seine arrogante Antwort hatte mich echt zur Weißglut gebracht. „Hm,...den Umständen entsprechend. Bin ja anscheinend ziemlich stillvoll auf den Boden geknallt..." Wie konnte er so etwas einfach so locker sagen? Er wäre fast gestorben! Es hätte alles so viel schlimmer kommen können, als eine Gehirnerschütterung, angeknackste Rippen und Prellungen… „…und es wäre alles deine Schuld gewesen…“, flüsterte ein feines Stimmchen in meinem Kopf. Ich glaube, dass war der Grund, warum ich daraufhin so ausgetickt bin. Meine Angst…ich hätte ihn fast für immer verloren. Yami wäre fast tot und das nur wegen mir und meiner Nachlässigkeit. „Manchmal kannst du ein richtiges Arschloch sein“, habe ich ihn angeschrien und er hat mich für einen Moment tatsächlich so angesehen, als würde ich ihm nichts Neues erzählen. Auch meine Standpauke darüber, wer sich alles um ihn gesorgt hatte. Hey, sogar Kaiba war wirklich verängstigt gewesen und das ist etwas, was meiner Meinung nur passieren würde, wenn seinem kleinen Bruder etwas zustoßen würde. Ich glaube ich war etwas zu schroff zu ihm. Sonst entschuldig Yami sich nie, aber dieses Mal hat er es getan. „Tut mir Leid, sollte nicht so rüberkommen.“ Diese Worte waren ehrlich gemeint. Ich musste ihm nicht einmal in die Augen sehen, um das sagen zu können. Meine Wut war augenblicklich verflogen. Ich seufzte und lächelte müde. Meine Hand streckte sich ganz von alleine aus und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er hatte es schon immer gehasst, wenn ihm die längeren Strähnen in die Augen gefallen sind. Es ist eine kleine Berührung gewesen. Früher nicht einmal der Rede wert, doch es gab kein ‘früher‘ mehr und dieser Gedanke ist genug, um mich unsagbar traurig zu machen. Ich hatte mich neben ihm aufs Bett gesetzt und gewartet. Gewartet, dass er etwas sagt. Dass er etwas tut. Dass er mir einen Grund gibt, um noch ein bisschen länger zu bleiben. Doch Yami schwieg. Vielleicht gab es auch gar nichts mehr, was wir uns zu sagen hatten. Dieses Mal werde ich nicht noch einmal wiederkommen. Es hat doch sowieso keinen Sinn. Wir sind einfach nicht dafür bestimmt zusammen zu sein. Vielleicht ist es besser wenn ich akzeptiere, dass es nie wieder so sein wird, wie es einmal war. Wie viel kann diese Beziehung schon wert gewesen sein, wenn sein Wunsch nach Ruhm und sein Ego sie zerstören konnten? ********** Seit meinem letzten Besuch bei Yami habe ich mich in meinem Schneideraum verkrochen – na ja, es ist eher so was wie ein ‚Schneidecontainer‘ oder ein ‚Schneidewohnwagen‘, aber das ist eigentlich egal. Ich hatte keine Lust irgendeinem aus der Crew zu begegnen. Schon alleine wenn ich mir ab und an einen Kaffee holte, höre ich immer, wie gut er sich macht und wie sehr sie hoffen, dass er bald wiederkommt. Nicht das ich mir wünschen würde, dass es Yami schlecht geht oder er nicht mehr gesund wird, aber es zehrt an meinen Nerven ständig von ihm zu hören. Die letzten Tage konnte ich sowieso genug zu tun. Kaiba hat mich nach dem Besuch im Krankenhaus konsultiert. Wer auch immer es war, der Yami und mich dabei aufgenommen hat, als wir uns geküsst hatten – Korrektur: als er mich geküsst hat – hat sich immer noch nicht gemeldet um seine Forderung zu stellen. Wir hatten jetzt beide den Verdacht, dass wer auch immer es war einen Skandal provozieren wollte. Kaiba hat mich deswegen damit beauftragt, mir den Ausschnitt noch mal genau anzusehen. „Vielleicht fällt ja deinem geschulten Auge etwas auf den anderen Aufnahmen auf“, hatte er gemeint. Ich frage mich immer noch, was mir da auffallen sollte. Ich habe von dem Tag etwa zweihundert Stunden an Filmmaterial. Rohaufnahmen, Bildsequenzen die vorherausprobiert wurden, verschieden Perspektiven von bestimmten – oder auch fast allen – Szenen. Dann gab es da noch die Aufnahmen, die aus Versehen gemacht worden sind von Leuten, die einfach nur vergessen haben die Kamera auszumachen und ganze dreizehn Stunden bestanden doch tatsächlich aus verschwommenen Bildern, die beim scharf stellen der Linse entstanden sind. Zu allen Überfluss hatte Kaiba gemeint, dass es vielleicht besser wäre auch noch zwei Tage vor dem Abend der Außenaufnahmen zu überprüfen, weil mir vielleicht jemand auffallen würde, der sich anders verhielt. Das ich nicht lache, als würde derjenige mit einem Schild durch die Gegend laufen, auf dem geschrieben stand: ‚Ich plane Yami Athem in einer kompromittierenden Situation zu erwischen, zu filmen und die Aufnahmen dann meistbietend zu verkaufen.“ Ganz sicher nicht! Es war eher dieser letzte Punkt, der Kaiba und mir Kopfzerbrechen bereitete. Hätte derjenige, der uns küssend gefilmt hat erpresst, wäre die Sache einfach gewesen. Schweigen konnte man erkaufen und weiteren Erpressungsversuchen konnte man vorbeugen, doch wenn dieses Video den Weg in die Medien schaffte, war nicht nur Yamis und meine Karriere beendet. Joey, Tea und der Rest unserer Crew hätten keinen Job mehr und selbst auf Kaiba würde es ein schlechtes Licht werfen, weil er uns ja so zu sagen gedeckt hatte. Das Leben war einfach nur unfair im Moment! Ich drehte meinen Blick vom Computerbildschirm weg und rieb mir meine müden Augen. Ich hätte gerne Yami für diese ganze Misere verantwortlich gemacht, aber wenn ich ganz ehrlich zu mir war, dann wusste ich, dass er nicht dafür verantwortlich war, dass jemand einfach eine Kamera drauf gehalten hatte, als er mich geküsst hatte. Ich bin eigentlich auf die Person sauer, die es gemacht hat und auf die gesamte Gesellschaft, denn welcher bescheuerte Vollidiot hat diese seltendämliche Regel aufgestellt, dass keine Berühmtheit ein Privatleben haben konnte? Seit Stunden schaue ich mir schon diesen verdammten Kuss an. Es ist wie eine abstrakte Negativspiegelung zu dem ersten Kuss, der mich hat verrückt werden lassen nach Yami. Ich hasse es mir dieses Bild anzusehen. Ich weiß auch so wo ich geendet bin…wo unsere Beziehung geendet ist. Ich muss mir dafür nicht auch noch das Video von diesem verzweifelten Versuch die Verantwortung für eine Entscheidung auf mich abzuwälzen. Dieser letzte Moment – der wo ich ihn ohrfeige und er einen Schritt zurück tritt – weckt in mir den Wunsch mich an glücklichere Zeiten zu erinnern. Ich will das bittere Lachen dieser Nacht nicht hören. Ich stoppe das Video genau in dem Augenblick, als Yami mich enttäuscht ansieht. Seltsam…fast so als hätte ich seine Träume zerstört. Meine Augen brennen und ich weiß, dass die Tränen nicht mehr lange auf sich warten lassen werden. Ich hasse mich manchmal für meine eigene Schwäche. Dafür, dass ich Yami einfach nicht loslassen kann oder zumindest die Erinnerung daran, wie es einmal gewesen ist. Als er diese Halluzinationen unter den Medikamenten hatte, war er mehr er selbst gewesen, als in den Jahren, seitdem seine Karriere begonnen hatte. Nur, vielleicht sah ich das falsch. Vielleicht war ja dieses stolze Ich, das wahre Ich von Yami. Vielleicht existiert er gar nicht mehr so, wie ich ihn in Erinnerung habe. Im Krankenhaus hat er so verletzlich und schwach ausgesehen. Er hatte mich gebraucht und mir hat es fast schon körperlich weh getan ihn so zu sehen. Es war schließlich meine Schuld, dass er in diesem Krankenhausbett lag. „Küss mich“, hallt seine Stimme in meinem Kopf wieder. Es war nur eine kleine Bitte, doch alles in mir war sofort bis aufs Äußerste angespannt. Was sollte ich tun? War es wieder nur ein Trick? Ein Versuch mich halten zu wollen, obwohl es nichts mehr gab? In diesem Augenblick war er jedoch wieder der alte Yami und ich hatte ihn so sehr vermisst. „Du musst nicht, wenn du nicht willst..." In seiner Stimme hatte so viel Enttäuschung gelegen. Er hatte nicht verstanden, warum ich ihn nicht küssen wollte. Er hatte da ja noch gedacht, wir wären noch zusammen. Er hatte sich nicht mehr an die vergangenen zwei oder vielleicht auch drei Jahre erinnert. Auch wenn ich das damals nicht gewusst hatte, so habe ich doch herausgehört, dass die Enttäuschung nicht gespielt war. Er hatte sich in dem Moment genauso einsam gefühlt, wie ich es die ganze Zeit gewesen bin. „Du hast gesagt...dass du hier bleibst...bleibst du auch wirklich hier? Muss ich keine Angst haben, dass du einfach weg bist? Dieser Traum, er geht mir nicht mehr aus dem Kopf und ich liebe dich...ich habe dich immer geliebt und ich werde dich immer lieben. Egal, was passiert...k…kannst du dich erinnern, damals? Als wir im Gras lagen und uns das erste Mal geküsst haben? Das war so schön, das werde ich nie vergessen...u…" Er hätte gar nicht weitersprechen müssen, denn mein Verstand hatte schon vorher ausgesetzt. Als ich meine Lippen auf seine legte, war es anders als unser letzter. Er war nur die flüchtige, zarte Liebkosung, die man jemanden gibt, um ihn zu trösten. Seine Hand an meiner Wange…das war wie früher. Es endete einfach viel zu schnell. Als wir uns voneinander lösten, sah ich in seinen Augen, dass er glücklich war. Ich…ich dagegen war noch verwirrter als vorher. Ich habe mich selbst nicht mehr verstanden in diesem Moment. „Egal, was ich tun werde...ich werde dich immer lieben..." Wieder ein Versprechen, dass plötzlich so hohl klang. Ich glaube früher hätte er es wirklich getan. Um mich gekämpft und mich immer geliebt. Es ist nur, dass es jetzt eher so ist, wie bei mir. Ich glaube, wir begehen beide den gleichen Fehler. Wir hängen beide sehr an dem, was früher einmal war. Der Unterschied ist nur, dass ich an dem Menschen hänge, der er einmal gewesen ist und Yami der hängt an der Beziehung, die wir einmal gehabt haben. Er glaubt, er könnte beides haben: Seinen Ruhm und jemanden, der ihn wirklich um seinetwillen liebt. Das Problem ist nur, dass ich nicht diese Person sein kann. Ein letzter Blick auf das Standbild auf meinem Monitor, um mich noch einmal zu erinnern, wo wir jetzt stehen, dann will ich eine Pause machen. Es ist traurig, wie es mit uns beiden geendet ist, doch vielleicht war es unvermeidlich. Die guten Dinge im Leben sind schließlich nie von Dauer. Trotzdem kann ich das traurige Seufzen nicht zurückhalten, als ich den Monitor ausschalte. „Manchmal frage ich mich echt, warum du es dir so schwer machst, wen du ihn noch so liebst.“ Ich drehe mich erschrocken um und sehe Joey in der Tür stehen. Er hat zwei Pappbecher in der Hand und grinst mich schief an. Ich atmete erleichtert auf und schenkte ihm meinerseits ein kleines Lächeln. „Was suchst du hier? Solltest du nicht im Krankenhaus bei Yami sein?“, fragte ich ihn, als er einfach so hineintrat und die Tür hinter sich schloss. Seine eigene Frage ignoriere ich mit Absicht. Joeys senkte seinen Blick. Seine Augen wurden etwas dumpf und leuchteten nicht mehr. „Er lässt niemanden mehr in sein Zimmer. Sogar Kaiba hatte Mühe ihn zu überreden, ihn hereinzulassen“, murmelte er, als er mir einen der Pappbecher in die Hand drückte. Kaffee mit Milch und Zucker. Ich verzog etwas den Mund, als ich das heiße Getränk herunterschluckte. Na ja, zumindest hatte er daran gedacht, dass ich es süß mag. Außerdem sollte ich wohl nicht so mäkelig sein. Das ist das erste Mal seit zwei Jahren, dass Joey mal auf mich zugekommen ist. Ich frage mich, was ihn dazu gebracht hat. Er zeigt auf den Monitor, der jetzt schwarz ist. „Versuchst du immer noch rauszufinden, wer euren Kuss aufgenommen hat?“, fragt er und ich kann ihn nur überrascht anstarren. „Wo…woher weißt du…?“, stottere ich total baff. Er kann unmöglich so viel gesehen haben, bevor ich ihn bemerkt habe. Selbst das Standbild, das er gesehen haben könnte, hatte nur so ausgesehen, wie einer unserer Streits, die ja auch schon öfters mal vorkamen. „Ich habe dieselben Aufnahmen bei Se…Kaiba gesehen. Er war total ratlos, weil bisher weder ein Erpresserschreiben angekommen ist, noch ist das Video im Internet oder bei irgendwelchen Sendern aufgetaucht. Er wusste nicht was es zu bedeuten hatte und nicht wie er darauf reagieren sollte.“ Er nahm einen Schluck Kaffee und ich starrte ihn weiter an. Wie konnte er dabei so ruhig bleiben? Hatte er keine Ahnung, was das Ganze für ihn bedeutete? Das diese Aufnahmen vielleicht das Ende von Yamis Karriere sein könnten? „Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum er sich solche Sorgen macht“, redete Joey einfach weiter, „wenn das Video gezeigt wird, dann kommt halt eben raus, dass ihr beide mal zusammen wart. Es heißt ja nicht, dass Yami schwul ist. Du bist der einzige Kerl, mit dem er zusammen war…du bist überhaupt der einzige Mensch, mit dem er jemals zusammen war und jeder, der danach nicht mehr sein Fan ist, der war auch vorher nie ein wirklicher Fan gewesen. Die Tatsache, dass er dich liebt macht ihn ja zu einem schlechteren Sportler oder zu einem schlechteren Menschen.“ Für jemanden, der so temperamentvoll und hitzköpfig ist, wie Joey, sind das ganz schön weise Worte. Das ist aber typisch für ihn. Er hatte es schon früher oft geschafft mich mit der Art, wie er die Dinge sah zu überraschen. „Es wäre vielleicht einfacher, wenn ihr noch zusammen gewesen wärt, dann hätte man die Flucht nach vorne machen können und eure Beziehung bekannt geben können, aber wenn es rauskommt könnt ihr ja wieder ein Paar sein“, fügt Joey hinzu und schaut mich dabei fragend an. Es ist fast schon ein bisschen traurig das zu hören. Joey stellt sich das so leicht vor, doch in Wahrheit ist es so verdammt kompliziert. Ich schüttle den Kopf und sehe zu, wie der Funke der Hoffnung, der in seinen Augen geleuchtet hat, verschwindet. Ist er wirklich so enttäuscht davon, dass Yami und ich nicht zusammen kommen? Warum? Ich weiß, er ist sein bester Freund, aber ist das nicht etwas zu viel Anteilnahme? „Es ist zu viel passiert Joey. Wir werden nie wieder zusammen sein“, sage ich ihm ganz deutlich. „Aber…aber er war nie glücklicher, als damals, als ihr noch zusammen wart und du…du warst es auch. Die Karriere, der Sport…das macht ihn einfach alles fertig. Früher…früher da warst du da und du warst sein Halt Yugi. Jetzt wo du nicht mehr da bist, da hat er nur noch den Adrenalinkick. Er…er lebt ja praktisch nur noch dafür. Du hast es doch selbst bemerkt, dass seine Stunts und Sprünge immer waghalsiger werden“, sagte er und seine Stimme hat einen flehenden Unterton, der mir nicht gefällt. „Er liebt dich und er will dich zurück und ich glaube Yami ist wirklich so dumm, dass er denkt, das du zurückkommst und bei ihm bleibst, wenn du dir sorgen um ihn machst. Ich glaube er versucht dich daran zu erinnern, dass du versprochen hast auf ihn aufzupassen…“ Seine Stimme klingt müde und kraftlos. So als hätte er einen Kampf oder so hinter sich. Ich bin mir nicht sicher, was es heißt, aber der Wunsch in mir ihn zu trösten, wird so groß, dass ich ihm einfach nachgebe. Ich gehe die paar Schritte auf Joey zu und lege ihm die Hand auf die Schulter. „Ich verstehe einfach nur nicht, warum du es ihm so schwer machst Yugi“, flüstert er und sieht mich dabei mit diesen großen, braunen Augen an. „Er liebt dich und selbst ein Blinder könnte sehen, dass du ihn auch noch immer liebst. Da war nichts mit dieser dummen Trulla, die du damals bei ihm im Zimmer erwischt hast. Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen“, redete Joey weiter auf mich ein. „Yami war sogar ziemlich verletzt, weil du ihm sowas zugetraut hast. Er hat dich so abgöttisch geliebt…“ „Nein! Nein Joey!“, schreie ich ihm schon fast entgegen. „Du hast kein Recht dazu mir Vorwürfe zu machen oder mir zu sagen, wie sehr Yami mich angeblich geliebt hat oder wie sehr er glaubt mich immer noch zu lieben. Das ist nämlich gar nicht wahr.“ Ich atme tief ein und aus. Mein Herz rast, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Die Tränen, die ich vorhin so erfolgreich verdrängt habe, fallen jetzt zu Boden. Sie brennen in meinen Augen . Ich weiß, dass Joey mich anschaut. Vermutlich denkt er ich bin wahnsinnig geworden und vielleicht hat er ja auch irgendwie Recht. Doch das hier ist meine Chance und vielleicht kann ich es ihm ja so erklären, dass er es versteht und nicht mehr nur mir die Schuld gibt an dem Auseinanderbrechen der Beziehung. Ein letztes Mal tief durchatmen, dann bin ich so weit. „Ich weiß, dass zwischen ihm und dieser…dieser Frau nichts war“, sage ich nun viel gefasster, doch die Tränen laufen immer noch meine Wangen hinab. „Ich habe nie daran geglaubt, dass er mich betrügt…zumindest nicht mit einer Frau oder einem anderen Kerl…aber er hat mich betrogen…mit seiner Karriere, wenn man es so will. Mit dem Ruhm und der Zuwendung, die all die anderem ihm gaben.“ Ich wische mir mit der Hand über die Augen, um die Tränen endlich zu stoppen, doch Joey schaut mich so mitleidig an, dass es mir wieder einen Stich mitten ins Herz versetzt und ich von Neuem anfange zu heulen. „Ver…versteh mich nicht falsch ich…ich bin nicht neidisch auf die Berühmtheit, die er erlagt hat. Yami hat ha…hart dafür gearbeitet und ich gö…gönne sie ihm mehr als jeder andere. Ich ha…hasse ihn nur da…dafür, dass er sich davon so sehr hat verändern lassen.“ Ich weiß, dass Joey mich noch nicht versteht, aber ich denke, er wird es noch. Ich lasse mich wieder auf den Drehstuhl vor dem Monitor, bevor ich weiterrede. „Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, wenn ich zu euch komme, wenn ich meinen Abschluss gemacht habe. Ich hatte keine Ahnung, dass Yami schon lange nicht mehr Yami war, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Ich ignorierte die vergessenen Verabredungen, die nicht beantworteten Anrufe und ich ignorierte die Klausel in seinen Verträgen, dass er für die Öffentlichkeit als Single dastehen musste. Es war mir egal, weil jede er Nacht zu mir kam. Ich war damals sein Anker. Ich war damals der Mensch, den er gebraucht hat, aber schon bald wurde aus dem ‘jede Nacht‘ ein ‘manchmal‘ und daraus dann ein ‘wenn es die Zeit erlaubt. Ich hatte nie an seiner Treue gezweifelt, aber bald schon musste ich feststellen, dass Yami seine Karriere so wichtig war, dass er keine Rücksicht mehr auf mich nahm oder auf unsere Beziehung.“ Ich sah Joey an. Sein Blick war voller Skepsis. Er dachte, ich jammere zu viel und nehme mich zu wichtig und ich konnte es ihm noch nicht einmal übel nehmen, weil ich genau das Gleiche auch schon so oft von mir gedacht habe. „Weißt du wie weh es tut, wenn der Mensch, den du über alles liebst mit einer anderen Person vor deinen Augen flirtet? Weißt du wie verletzend es ist, wenn man seinen Freund anruft, um ihn unauffällig Bescheid zu sagen, dass man jetzt die Party verlässt, weil der Rest der Welt ja nicht wissen darf, dass er dein Freund ist und er nicht einmal abnimmt, sondern nur auf das Display schaut und dich wegdrückt? Weißt du wie verdammt erniedrigend es ist, wenn dein Freund zu anderen Leuten sagt, du seist niemand? Drei Jahre lang habe ich das mitgemacht und habe mich nur an diese Momente geklammert, in denen wir zusammen waren, aber irgendwann gab es ja noch nicht einmal die…“ Ich versuche die Wut in mir zu unterdrücken, die jedes Mal in mir hochkommt, wenn ich daran zurückdenke. „Es ist nicht so, dass ich Yami quälen will und deswegen nicht zu ihm zurückgekehrt bin. Ich hatte nur Angst davor, irgendwann ganz aus seiner Welt zu verschwinden. Jeden Tag bin ich ein Stück unsichtbarer für ihn geworden. Ich wurde immer unwichtiger in der Welt, in der er leben wollte und an dem Abend bevor ich diese Möchtegernschauspielerin in seinen Bett erwischt habe, da war ich zum ersten Ma absolut unsichtbar gewesen. Er hat weder bemerkt, dass ich gegangen bin, noch ist es ihm in den Sinn gekommen, mal nachzusehen, ob ich überhaupt ins Hotel zurückgekehrt bin. Am nächsten Morgen – als ich die Möchtegernschauspielerin in seinem Bett vorgefunden habe, da hat er zu mir gesagt, ich sollte mich nicht so anstellen. Ich wäre nicht seine Mutter und es würde mich nichts angehen, warum ihrer beider Kleider im Zimmer verteilt lagen.“ Ich schenke Joey ein kleines, trauriges Lächeln. Seine Augen sind nach unten gerichtet und ich glaube so etwas wie Bedauern in seinen Augen zu sehen. „Ich war sein Freund Joey, wenn es mich nichts angegangen ist, dass da plötzlich eine nackte Frau in seinem Bett lag, wen sollte es dann überhaupt noch angehen?“ „Das…das habe ich nicht gewusst. Ich dachte…weil Yami nur von der Tussi was gesagt hatte…du wärst nur wegen ihr sauer“, stottert er niedergeschlagen. „Nein. Die war es nicht. Ich bin einfach nur endgültig aus seiner Welt verschwunden. Ich hatte keinen Platz mehr darin und er…er hat mich auch nicht unbedingt halten wollen. Glaub mir, es ist besser so. Es ist besser, wenn ich nach dieser dämlichen Welttournee wieder nach Domino zurückkehre…wenn sie jetzt überhaupt noch stattfindet.“ Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Joey ist still. Er bewegt sich nicht einmal. Ich frage mich, warum er überhaupt hergekommen ist. Ist es nicht ein bisschen zu spät, um ein gutes Wort für seinen besten Freund einzulegen? Ich verstehe ja, dass er sich Sorgen macht, weil Yami niemanden mehr zu sich ins Krankenzimmer lässt, aber ich werde ihm da genauso wenig weiterhelfen können. Yami will mich auch nicht sehen, das weiß ich. Wir sind uns mittlerweile zu fremd. „Ich habe gedacht, ich hätte eine Chance, wenn ihr beide es vielleicht schafft“, sagt Joey ruhig, aber ich kann da etwas traurig. Bitter. So als hätte er gerade die letzte Hoffnung aufgegeben. Neugierig geworden fragte ich ihn: „Eine Chance? Was für eine Chance? Auf was Joey?“ Er antwortete mir nicht gleich. Zuerst schien er zu überlegen, ob er es mir sagen sollte oder nicht und danach öffnete und schloss er mehrfach seinen Mund, so als suche er nach den richtigen Worten um anzufangen. Dann seufzte er einfach und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Du hast gesagt, es war schlimm für dich langsam aus Yamis Welt zu verschwinden…aber as ist, wenn man gar nicht aus der Welt von jemand anderen verschwinden kann, weil man nie Platz darin hat?“ Ich sah ihn total verwirrt an. Ich wusste nicht, was er meinte. Mein Blick musste schon alles gesagt haben, den Joey erklärte es mir. „Ich hatte vor drei Jahren einen One Night Stand. Es war jemand, den ich kannte. Jemand in den ich verliebt war. Ich…hatte es nicht geplant. Er war betrunken und ich habe…habe mich einfach hinreißen lassen. Ich hatte aber nie vor ihn je wieder darauf anzusprechen. Noch bevor es dämmerte, bin ich aus seiner Wohnung verschwunden. Er konnte sich zum Glück an nichts mehr erinnern. Zumindest für die erste Zeit. Ich war froh darüber, denn anders als du hatte ich nie Angst irgendwann so aus seinem Leben verschwinden zu können. Ich habe von Anfang an gewusst, dass ich da nicht rein gehöre.“ Vor drei Jahren? Da waren wir auch unterwegs gewesen. Ich weiß noch nicht einmal mehr wo. Europa? Australien? Vielleicht auch in der Karibik…ich kann mich nicht mehr erinnern. Das schränkt jedoch den Kreis der Verdächtigen sehr weit ein. Es muss jemand aus der Crew gewesen sein. So viele Veränderungen hatten wir nicht gehabt. Eigentlich arbeiten heute alle noch hier, die auch vor drei Jahren in dem Team waren. Sicher, einige sind abgesprungen, aber das waren meist sowieso nur freiwillige Helfer, die wir vor Ort ab und an mal engagiert hatten. Joey hatte gesagt, er kannte ihn schon vorher…und wenn er sich immer noch Hoffnungen macht, dann ist diese Person auch immer noch hier in unserem Team. Es ist auch eine männliche Person, also scheidet Tea schon mal aus… Ja, mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren, denn obwohl ich eigentlich gar nicht neugierig sein will, frage ich mich, wer Joey so verletzt hat. Er wirkt wirklich deprimiert. Gar nicht mehr so gut gelaunt wie sonst immer. „Du hast gesagt ‘die erste Zeit‘? Heißt das jetzt erinnert er sich wieder? Be…bedrängt der Typ dich etwa?“, frage ich deswegen weiter. Ich muss einfach wissen, was ihn so bedrückt. „Nein…ja…also nein, er bedrängt mich nicht. Er ist manchmal etwas stur und möchte unbedingt seinen Willen haben, aber er zwängt sich nicht auf und ja, er hat sich später wieder daran erinnert. Ich weiß zwar nicht wieso, aber seitdem ist er total versessen darauf mit mir auszugehen und mich kennen zu lernen…dabei bin ich unter seinem Niveau.“ „Ach komm Joey“, rede ich auf ihn ein, „du bist toll und jeder wäre glücklich dich als seinen Freund zu haben. Du bist unter niemandes Niveau und jeder der das sagt, dem kannst du ruhig eine reinhauen. Der hat es verdient. Ich kläre das sogar mit…“ Noch während ich rede geht mir ein Licht auf. Ein Teil von mir versteht Joey plötzlich verdammt gut und möchte ihn gerne trösten. Ein anderer Teil von mir – der dumme Teil von mir – fragt sich, wie so etwas überhaupt passieren konnte und ob die Welt, wie wir sie kennen jetzt dem Untergang geweiht ist. Leider ist es dieser Teil von mir, der zuerst spricht. „Kaiba?! Du hast tatsächlich mit Kaiba geschlafen?“, rufe ich aus und Joey legt mir sofort die Hand vor den Mund und zischt mir zu: „Nicht so laut. Es muss nicht die ganze Welt erfahren.“ Plötzlich fällt mir ein, was er vorhin gesagt hat und meine Augen werden ein Stück größer. „Wuuuu wisd in Faiwa werliewt?“, frage ich während er immer noch seine Hand gegen meinen Mund presst. Er nickte nur. Ich schaffte es mich von seiner Hand zu befreien und schaute ihn nur ungläubig an. Ich war zu geschockt über Joeys kleine Offenbarung, als das ich etwas dazu sagen konnte. Er stand da in meinem Schneiderraum, in dem eigentlich jeder zu groß wirkt außer mir und er sah so verloren und einsam aus, dass mir klar wurde, dass meine Reaktion, obwohl sie wohl die natürlichste war – nicht unbedingt die Richtige war. Er fühlte sich schon schlecht genug. Ich musste dieses Gefühl nicht noch verstärken, in dem ich mich so benahm, als sei er geisteskrank. „Wa…was ist danach passiert?“, frage ich ihn krächzend und räuspere mich. Das ist immer noch die Überraschung, die in meinen Knochen sitzt. Joey schaut mich an, als hätte er nicht erwartet, dass ich ihn das frage. Wer kann es ihm verübeln? Ich hätte es auch nicht erwartet. „E…er hat mich um ein Date gebeten und ich habe ihm einen Korb gegeben“, sagt Joey langsam. „Ich habe ihm klipp und klar gesagt, dass ich es besser finde, wenn es bei einen One Night Stand bleibt und das ich nicht mehr von ihm will. Ich habe damals schon nicht daran gedacht, dass etwas aus uns werden kann. Ich musste die ganze Zeit an seinen Ex – Freund denken und was für ein eine große Nummer er in der Geschäftswelt war. Er hatte Kaiba erst kurz zuvor abserviert und…na ja…ich habe mir gedacht, dass Kaiba vielleicht nur einen Ersatz sucht…jemanden, den er klein halten kann. Ich war einmal dabei, als er mit ein paar Typen aus diesem einen VIP Club geredet hat, aus dem ich ihn damals abgeholt habe und ich habe nicht die Bohne verstanden, von dem was die da gefaselt haben. Ich…ich glaube einfach nicht, dass ich in diese Welt passe. Ich wäre ihm nie ebenbürtig, sondern immer so was wie sein kleiner Sozialfall.“ „Aber du sagst doch selbst, dass du ihn liebst? Wieso…wieso machst du es dir dann so schwer?“, fragte ich ihn. „Du und Yami, ihr wart ein glückliches Paar. Ihr wart Freunde, bevor ihr zusammengekommen seid und selbst davor konnte man sehen, was für starke Gefühle ihr einander entgegenbringt. Eure Beziehung hat dieses Business nicht überlebt, wie soll es da zwischen mir und Kaiba funktionieren?“, fragte Joey mich zurück. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und brachte es noch mehr durcheinander, als es vorher schon war. Er seufzte leise und ich verstand was er meinte. „Wir…wir sind so verschieden und…ich bin mir bis heute nicht sicher, was Kaiba eigentlich von mir will. Ich will nicht, dass er irgendwann später feststellt, dass ich doch nicht gut genug für ihn bin, weil ich nicht so schlau bin…oder so etwas“, fuhr Joey fort. „Aber Joey, nur weil es mit mir und Yami nicht funktioniert hat, heißt es doch nicht, dass du und Kaiba keine Chance habt. Es ist nun mal so, dass sich Menschen verändern. Yami hat sich in den letzten Jahren verändert und ich habe das auch. Wir…wir haben uns einfach auseinander entwickelt. Wer sagt dir denn, dass du und Seto nicht perfekt für einander seid, eben weil ihr so unterschiedlich seid? Es heißt ja nicht umsonst, ‚Gegensätze ziehen sich an‘“, gab ich ihm zu bedenken. Er lachte leise. Nicht weil er fröhlich war oder erleichtert. Nein, dieses Lachen klang verbittert. „Und was mache ich, wenn er mir das Herz bricht? Was mache ich, wenn es nicht klappt und er feststellt, dass ich wirklich unter seinem Niveau bin? Sag mir Yugi, kommt man so einfach über ein gebrochenes Herz hinweg?“, schreit er mir entgegen. Ich kann seine Wut wirklich gut verstehen, wer bin ich schon ihm Beziehungsratschläge zu geben? Doch ich kann nicht anders, als ihm noch einen letzten Rat zu geben. Vielleicht ist es, weil ich sehe, wie sehr er sich selbst unglücklich macht, vielleicht auch nur, weil er mich dadurch so sehr an mich selbst erinnert. „Du musst es aber auch riskieren Joey oder glaubst du, dass Kaiba ewig auf dich wartet? Was passiert, wenn jemand anderer ihn dir vor der Nase wegschnappt? Könntest du es ertragen ihn mit jemand anderen zusammen zu sehen, während du immer noch heimlich in ihn verliebt bist?“, frage ich ihn ruhig. Er schaut mich an, als wäre es ihm zum ersten Mal in den Sinngekommen, dass das passieren könnte. Bevor er allerdings zum Nachdenken kommt und sich vielleicht irgendwelche sinnlose Argumente ausdenkt, um sich einzureden, dass sie keine Chance haben, rede ich weiter. „Hör mal, ich weiß, es ist schwer jemandem wie ihm zu vertrauen, weil er sich emotional gesehen wahrscheinlich so dumm anstellt, wie ein Ochse beim Klavierspielen, aber eben deswegen musst du ihm diesen Versuch auch zu Gute halten. Er bemüht sich um dich. Er möchte es zumindest probieren und einer Beziehung mit dir eine Chance geben. Ich weiß, das klingt nicht nach sehr viel, aber du musst es auch mal aus seiner Perspektive sehen: Das ist für Kaiba schon ein riesiger Schritt.“ Während ich spreche durchfährt mich ein Geistesblitz, wie ein Mensch selten einen hat. ‚Perspektive‘ ist das Zauberwort. Während Joey immer noch grübelt, setze ich mich wieder an den Computer und mache den Monitor an. Ich spule das Bild zurück, bis es wieder ganz am Anfang ist. Joey schaut mich erst wütend an, weil ich mich plötzlich mit etwas anderem beschäftige – ich konnte seine wütenden Blicke im Rücken spüren – dann aber sah er, das ich mir wieder das Video anschauen wollte und er wurde neugierig. „Was machst du da? Hast du etwa eine Idee, wer das aufgenommen haben könnte?“, wollte Joey wissen. Ich schüttelte den Kopf, während ich versuchte das Standbild der Umgebung etwas schärfer zu bekommen. „Nein, aber ich glaube ich habe eine Idee, wie ich herausfinden kann, wer das aufgenommen hat. Ich fühle mich fast wie ein Idiot, weil ich nicht schon früher drauf gekommen bin.“ Für den Satz erntete ich einen verständnislosen Blick. Während ich also darauf wartete, dass das Programm das Bild schärfer stellte, erklärte ich Joey was ich meinte. „Ich habe nur immer direkt auf den Aufnahmen nach etwas gesucht, was denjenigen verraten könnte, der uns gefilmt hat. Ich habe auf den anderen Videos nach jemandem gesucht, der sich auffällig benommen hat, dabei brauche ich das alles gar nicht. ‚Perspektive‘ ist das Zauberwort.“ Das Bild ist fertig, doch bevor ich es abspiele, drehe ich mich mit dem Stuhl um und durchwühle ich den Stapel von Papieren auf meinem kleinen Klapptisch. Nach einigem Suchen habe ich die Rolle mit den Plänen, die ich brauche. „Außer meiner Kamera, die da auf den Schienen entlanggeführt wurde, gab es nur noch fünf andere. Sie sollten die Umgebung und Yami aus der Ferne filmen. Ich kann Kamera drei, eins und vier ausschließen, weil die auf der anderen Seite der Schienen standen und das Podest und meine Kamera uns verdeckt hätten, wenn wir von da aus aufgenommen worden wären. Kamera zwei und fünf waren aber genau in der richtigen Position um uns ohne Probleme drauf zu haben.“ „Ah und du willst versuchen anhand der Perspektive herauszufinden, welche der beiden es war?“, fragte Joey mich, dann aber überlegte er noch einmal. „Das nützt dir doch aber nicht, weil du nicht weißt wer an der Kamera dran war.“ „Natürlich weiß ich das Joey. Ich bin der Chef, wenn es um die Aufnahmen geht. Ich teile die Leute je nach Erfahrung für die Kameras ein und sie bleiben immer genau da, wo ich sie eingeteilt habe.“ „Wieso bist du dann noch nicht eher auf die Idee mit der Perspektive gekommen?“, beschwert er sich. „Seto ist wegen diesem Video fast an die Decke gegangen. Er war in den letzten Tagen ein nervöses Wrack.“ „Zum einen ist es mir egal, wie es deinem heimlichen Schwarm dabei ging, diesen Kuss zu sehen, denn glaub mir, ich war wesentlich panischer als er es je sein könnte. Yamis und mein Ruf stehen hier irgendwie auf dem Spiel und ich Angst, dass ich von einer Meute nerviger, neugieriger Reporter verfolgt werde, wenn das jetzt so kurz vor meinem Ausstieg publik wird und das kann ich in meinem neuen Leben echt nicht gebrauchen. Zum anderen habe ich nicht wirklich auf den Anfang dieses Videos geachtet, weil Kaiba ja darauf bestanden hatte, dass ich alle Filme, die wir haben sichte, um festzustellen, ob sich jemand auffällig benommen hatte.“ Ich lasse die Aufnahme jetzt Bild für Bild laufen, so kann ich die Umgebung besser erkennen. Ich rolle den Plan aus, den ich extra für diese Aufnahmen bei Nacht angefertigt habe. Ich halte meinen Zeigefinger über dem Punkt, an dem ich den Anfang der ausgelegten Schienen gekennzeichnet habe. Kamera zwei hätte nicht die riesige Pinie mit auf dem Bild gehabt, wenn sie uns gefilmt hätte. Dazu stand sie an der verkehrten Stelle, aber von der Position von Kamera fünf, wäre dieser Baum ganz gut sichtbar gewesen. „Es war Kamera fünf“, murmle ich eher zu mir selbst als zu Joey. „Da war eingeteilt…“ Meine Finger fahren über die Initialen, die neben dem grünen Kreuz auf dem Plan gekritzelt sind. „Das kann nicht sein!“, schreit alles in mir, doch kein Ton verlässt meine Lippen. Meine Finger sind plötzlich ganz taub und mein Körper erstarrt. Die Karte rutscht mir auch den Tisch vor mir und sie wäre wohl auch auf dem Boden gelandet, hätte Joey sie nicht aufgefangen. Neugierig schaut auch er zu dem Kreuz von Kamera fünf. „‚T. M.‘…hm…ist…ist das nicht unser Praktikant? Thomas…Thomas Melt? Oder Melto, oder so? Hat er euch etwa aufgenommen?“ „Thomas Milton“, berichtige ich ihn. „Vie…vielleicht war es ja nur ein Versehen? Vielleicht hat er uns gefilmt, es aber gar nicht gemerkt und die Bilder dann einfach mit dem Rest auf meinen Laptop gezogen?“ Meine Stimme klingt hysterisch und ich weiß, dass ich mir nur versuche etwas vorzumachen. Es gibt einen Zoom im Video. Genau an der Stelle, als Yami mich küsst. Das kann niemand ‚aus Versehen‘ tun. Vielleicht war ja aber wenigstens das Uploaden auf mein Festplatte nur ein Zufall. Vielleicht hatte Thomas ja einfach nicht gewusst, was er mit den Bildern anfangen sollte? Vielleicht war er ja einfach zu verwirrt um die Aufnahmen zu löschen? Vielleicht hatte er sie ja wirklich unbeabsichtigt abgespeichert? „Hm…jetzt macht das irgendwie Sinn…“, murmelt Joey. Ich schaue ihn fragend an. Ohne das ich ein Wort sagen muss, versteht Joey, was ich wissen will und erklärt mir, was er meint. „Er war im Krankenhaus. Thomas meine ich. Er war im Krankenhausbevor Yami beschlossen hat, dass er niemanden mehr sehen will.“ Das kann nicht sein! Thomas würde mir das nicht antun. Er würde mich nicht erpressen…er würde das dem Rest unserer Crew nicht antun. Er würde nicht… „Bi…bist du dir denn sicher, dass er bei Yami war?“, frage ich in einem ziemlich verzweifelten Versuch die Fakten zu verleugnen. „Er ist mir auf der Station entgegengekommen. Aus der Richtung, in der Yamis Zimmer liegt. Außerdem, wenn sollte er den anderes im Krankenhaus besuchen kommen?“, erwidert Joey scharf. Er ist sauer, dass kann ich an seiner Stimme heraushören. „Aber…aber wieso?“, stammle ich und es ist mir peinlich, wie piepsig und verloren meine Stimme klingt. Es ist alles so unlogisch. Thomas hätte doch zu Kaiba gehen können, wenn er Geld haben wollte oder er hätte mich unter Druck setzen können. Ich fühle mich gerade ziemlich hintergangen und ich verstehe nicht, warum er ausgerechnet zu Yami gegangen ist. Thomas ist doch schon eine Weile dabei. Er weiß doch, dass Kaiba das gesamte Krisenmanagement übernimmt. Yami ist eher der unvernünftige Typ, der sogar rotzfrech sagen würde: „Na und? Mach doch. Gib das Video doch der Presse. Mir doch egal.“ „Wahrscheinlich will der Kerl kein Geld“, meint Joey. Ich fühle mich, als könnte er meine Gedanken lesen und das ist bei Joey immer etwas unheimlich. Er sieht mich dabei auch noch so intensiv an, als hätte ich etwas damit zu tun. „Wahrscheinlich wollte er Yami nur verunsichern und ihn als Konkurrenten ausschalten“. Spricht er weiter. Doch seine Worte ergeben für mich keinen Sinn. Wieso Konkurrent? Thomas will kein berühmter Extremsportler sein und Yami versteht gerade mal so viel von Kameras, dass er sie ein und ausschalten kann. Dann jedoch sickert bei mir durch, was Joey meint. „Spinn doch nicht. Thomas will nichts von mir. Für ihn bin ich so was wie sein kleiner Bruder. Er will nur auf mich aufpassen und…“ Während ich das so sage, wird mir klar, was passiert ist. Thomas hat es einfach missverstanden. Er hat diese Szene wahrscheinlich wirklich aus Versehen gefilmt, aber er hat etwas Falsches da hineininterpretiert. „…mich beschützen“, beende ich meinen Satz. Joey sieht mich absolut skeptisch an, aber er hat ja auch keine Ahnung, wie das die Beziehung zwischen mir und Thomas aussieht. „Ich kläre das mit ihm. Ich kümmere mich darum, dass er das alles nicht an die große Glocke hängt“, sage ich zu Joey und greife nach meinem Handy. Mein Blick fällt dabei auf das Steuerungsmodul. Es ist eigenartig, wie sentimental mich dieser Anblick macht. Und plötzlich ist er da. Dieser Gedanke, den ich vorher so gut verdrängt habe. Dieses Mal lässt er mich nicht so einfach los. Yami will mich auch nur glücklich machen. Er hat mir mit diesem Gerät eine Freude gemacht und das nur, damit ich glücklich war. War es denn wirklich so unwahrscheinlich, dass da irgendwo in ihm drin noch der Mann war, den ich geliebt habe? Diese Geste sagte so viel aus und er hatte nicht einmal ein Lob oder irgendeine Art der Gegenleistung dafür erwartet. Vielleicht hatte ja Joey Recht und ich machte es mir viel zu schwer? Vielleicht war ich so besessen davon, dass Yami nicht mehr der war, der einmal gewesen ist, dass ich all die Zeichen nicht sah? Ich griff nach meiner Jacke. Bevor ich das mit Thomas klären würde, wollte ich noch einmal ins Krankenhaus und mit Yami sprechen. Vielleicht gab es ja doch eine Chance für uns? Joey verstand zwar nicht wo ich hin wollte, doch er ließ sich ohne Widerworte nach draußen begleiten. Er weiß ich werde das Problem mit den Aufnahmen klären und das ist ihm fürs Erste genug. ********** Es ist eine halbe Stunde her, seitdem ich den Entschluss gefasst habe mit Yami noch einmal zu reden und uns eine Chance zu geben. Jetzt komme ich mir vor wie ein Idiot. Ich stehe hier im Flur der Station und beobachte wie mein Ex – Freund mit einem der Pfleger flirtete. Ganz offen und ohne darauf zu achten, ob sie jemand beobachtet. Ich fühle mich gerade wie in einem dieser schrecklichen Liebesfilme, in denen die Zeit stehen bleibt, wenn der Protagonist den geliebten Menschen nach der Trennung mit einer anderen Person sieht oder gerade reinkommt, wenn der Freund oder die Freundin gerade dabei ist, es mit einem anderen oder einer anderen zu treiben. Die Welt hört für eine Sekunde wirklich auf sich zu drehen. Alles ist still und der gesamte Körper ist für diesen kurzen Moment taub. Man spürt nichts, bis eine Sekunde später die Erkenntnis einsickert, dass das was man sieht die Realität ist. Dann tut jeder Atemzug und jeder Herzschlag weh. Ich weiß gerade nicht, was mich fassungsloser macht – was mich mehr schmerzt – dass er jetzt mit jemanden flirtet, nachdem er mir vor einigen Tagen noch versichert hat, er würde mich niemals gehen lassen oder dass er so unvorsichtig ist es in aller Öffentlichkeit zu tun, wo ihn jeder sehen kann. Ein Flirt ist es plötzlich wert sich öffentlich zu outen und gegen die Verträge zu verstoßen, die er abgeschlossen hat? Ein unbekannter Typ reicht aus, um ihn seine Karriere zu riskieren? Wirklich? „Und ich nicht?“, höre ich ein kleines Stimmchen in meinem Kopf fragen. Was ist jetzt anders? Warum jetzt und warum bei so einem Kerl? Wieso war ich es nicht wert gewesen? Warum war ich nicht genug gewesen? Warum hatte seine Karriere im Vergleich zu unserer Beziehung weniger Bedeutung, als dieser Flirt bei demselben Vergleich? So viel zu meiner Theorie er könnte doch noch wirklich etwas für mich empfinden und nicht nur so tun als ob, weil er meine Nähe einfach so gewohnt war. Nun, wenn er über mich hinweg ist, dann werde ich vielleicht jetzt gehen können. Kaiba wird mich nicht mehr hier halten können. Dann soll er mich doch verklagen weil ich mich nicht an meinen Vertrag halte. Es ist besser als hier zu bleiben und mir anzusehen, wie Yami sein Leben weiterlebt. Es ist irgendwie unfair, dass er das jetzt kann, denn ich habe meins die letzten zwei Jahre still gelegt und nur für seine Karriere gearbeitet. Wie heißt es doch so schön: ‚Das Leben ist hart, aber unfair.“ Genauso fühlt es sich gerade an. ********** Ich bin wieder in meinem Schneideraum. Alle meine persönlichen Dinge habe ich zusammengepackt. Das Ticket zurück nach Domino ist bezahlt und am Flughafen hinterlegt. Meine Koffer sind auch gepackt. Kaiba hat zu mir gemeint es gebe keinen Grund mehr mich halten zu wollen, weil der Rest der Welttournee sowieso ausfallen würde wegen dem Unfall. Er hat Recht und irgendwie war ich erleichtert, dass es so einfach war, aber ein kleiner Teil von mir ist sich sicher, dass unser Chef andere Gründe dafür hat, dass er mich jetzt gehen lässt. Ich werde das jetzt aber nicht hinterfragen. Ich bin zufrieden, dass ich endlich gehen kann. Ich habe nur noch eine Sache zu erledigen. Ich habe Kaiba einen Brief hinterlassen, den er heute, wenn mein Flieger geht von dem Rezeptionsmitarbeiter des Hotels bekommen wird. In diesem habe ich ihm erklärt, dass Thomas die Aufnahmen von dem Kuss gemacht hat. Ich habe geschrieben, dass es ein Versehen war. Nichts weiter als ein dummer Zufall. Jetzt muss ich Thomas nur dazu bringen, dass er auch bei der Story bleibt. Ich will nicht, dass er die Stelle hier verliert. Was auch immer er gemacht hat, dass Yami niemanden mehr sehen wollte, er hat es für mich getan und irgendwie ist es schön zu wissen, dass ich jemanden genug bedeute, dass er mich mit allen Mitteln beschützen will. Ich habe gerade die CD eingelegt, als es leise an der Tür klopft. „Komm rein Thomas, es ist auf“, rufe ich hinter mich, während ich versuche das Video an die richtige Stelle zu spulen. „Du wolltest mich sehen Yugi?“, fragte er. „Ja, ich wollte dir etwas zeigen. Setz dich schon mal“, antworte ich. Noch ist der Bildschirm schwarz, die Aufnahmen sind etwa an der Stelle, ab der ich ihm das Video zeigen will, doch vorher muss ich Thomas noch etwas sagen. „Ich weiß, dass du mich und Yami gesehen hast. Den Kuss meine ich“, beginne ich ohne Vorworte. Er schaut mich absolut überrascht an. So als hätte ich ihn bei etwas ertappt. Er sieht ein bisschen schuldig aus, aber das wundert mich nicht. Thomas ist ein guter Mensch und sein schlechtes Gewissen plagt ihn bestimmt. „Die Szene ist auf meiner Festplatte gelandet. Ich habe sie sofort Kaiba gezeigt. Wir beide hatten Panik, dass uns ein riesiger Skandal bevorstand, als keine Erpresserforderung kam.“ „Nein, nein, nein. Ich würde dir nie solch Schwierigkeiten machen Yugi. Niemals. Ich wollte nie Geld. Ich habe…das Video nur dazu benutzt, damit dieser eingebildete Lackaffe dir vom Leib bleibt. Nur weil er der Star ist, denk er, er kann sich alles erlauben.“ Thomas fährt sich frustriert durchs Haar. Es ist immer wieder dasselbe Lied. Er konnte Yami von Anfang an nicht leiden. Ich weiß nicht, woran es genau lag, aber ich glaub er erinnerte ihn einfach zu sehr an die Art von Mensch, die er selbst vor dem Tod seines Bruders gewesen ist. „Er…er hat dich geküsst Yugi…und…und du hattest Tränen in den Augen. Es war ganz klar, dass du nichts von ihm wolltest. Bei dem Frauenverschleiß, den er hat, wundert es mich gar nicht, dass er es mit dem anderen Geschlecht versucht. Wahrscheinlich hat er alle schon durch und will sich jetzt auch andere Möglichkeiten erschließen“, grollt Thomas leise. Er hat seine Hände vor Wut zu Fäusten geballt, doch auch ich merke, dass ich sauer werde. „Thomas“, sage ich scharf und schaffe es so, dass er mich überrascht ansieht. „Sag jetzt lieber nichts weiter. Du könntest es später noch bereuen.“ Er will irgendetwas erwidern, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. „Du hast Recht. Ich wollte nicht, dass er mich küsst, aber das lag nicht daran, dass ich seine neueste Jagdtrophäe werden sollte. Ich habe es dir an dem Abend eigentlich auch gesagt: Er war ein Feigling und das hat mir fast das Herz gebrochen.“ „Ich…ich verstehe nicht…“, stammelt mein Assistent. „Lass mich dir etwas zeigen.“ Ich starte das Video auf meinem PC. Das Bild zeigt eine alte Schaukel. Yami sitzt auf den oberen Balken, an dem die Ketten befestigt sind. Er grinst. Er hatte gerade einige Überschläge an der Schaukel geübt und war dann auf den Verbindungsbalken geklettert, weil ihm langweilig war. Das Grinsen wird breiter, als er etwas entdeckt, das auf dem noch nicht zu sehen war. „Komm schon Yugi, ich weiß doch, dass du es auch kannst. Lass die Kamera, Kamera sein und leiste mir Gesellschaft.“ Ein Sprung, ein paar Schritte, die ausgestreckte Hand, die zu der Wippe hindeutete. „Mal sehen, ob wir sie gemeinsam im Gleichgewicht halten können“ Unser gemeinsamer Versuch das Gleichgewicht zu halten, der Sturz, der Kuss. All das noch einmal zu sehen, bevor ich wirklich ging, war irgendwie schön. Eine Erinnerung an den Anfang, jetzt da alles vorbei war. „I…Ich verstehe nicht…“, stammelte Thomas. Sein fassungsloses Gesicht ist irgendwie witzig. Ich kann einfach nicht verhindern, dass ein amüsiertes Lächeln über mein Gesicht huscht, dann werde ich jedoch wieder ernst. „Das Video habe ich vor etwa sieben Jahren aufgenommen. Wir waren zusammen. Ein kleines bisschen mehr als fünf Jahre. Früher, da war Yami anders. Er war ein bisschen so wie du es jetzt bist. Er hat versucht mich zu beschützen und mich glücklich zu machen. Egal wie es aussehen mag, ich weiß, dass er mir die gesamten fünf Jahre, die wir ein Paar waren treu war“, sage ich und mache das Video aus. Ich hole die CD aus dem Deck und packe sie in die Hülle zurück. „Als es vor zwei Jahren endete, wollte ich nur schnell weg, doch ich war an meinen Vertrag gebunden. Yami…er hat es nicht akzeptiert, dass es vorbei war. Er hat gedacht, ich hätte unsere Beziehung beendet, weil ich dachte, er hätte mich mit einer Frau betrogen, dabei war das mit der komischen Schauspielerin in seinem Bett nicht einmal ein Grund sich aufzuregen. Es war sein Verhalten, an diesem Morgen. Er hat gesagt, ich sollte mich nicht in sein Leben einmischen. Damals stand es schon sehr schlimm um unsere Beziehung. Diese ganze Geschichte mit der Berühmtheit…dem Star sein…das hat ihn verändert. Irgendwann war diese Karriere wichtiger geworden als ich. Da war der Grund warum ich es damals beendet hatte. Er hat es zugelassen, dass ich nicht mehr in sein Leben passe. Er hat mich hinausgedrängt.“ Ich drücke Thomas die CD in die Hände. Ich brauche sie nicht mehr. Es ist nicht gesund für mich, wenn ich mich an etwas hänge, dass nicht mehr da ist. „Mach damit was du willst. Ich will nur noch meine Ruhe haben. Ich will nach Hause und ein normales Leben führen“, sage ich leise. „Das was du da aufgenommen hast, war nur sein feiger Versuch mir eine Entscheidung aufzudrängen, die nur Yami selbst treffen kann. Seine Karriere oder ich.“ „Du…du gehst?“, fragt er mich unsicher. Ich nicke. „Kaiba hat mich aus dem Vertrag entlassen. Ich fliege in etwa drei Stunden. Ich habe ihm einen Brief hinterlassen, in dem ich ihm erklärt habe, dass du nie vorhattest dieses Video an die Presse zu verkaufen oder von Kaiba oder Yami Geld zu verlangen. Mit etwas Glück kannst du sogar die Stelle hier behalten“, erzähle ich Thomas. „Aber so gesehen…habe ich den Idioten doch erpresst, damit er dich in Ruhe lässt. Ich habe gedroht es zu veröffentlichen, wenn er nicht die Finger von dir lässt“, murmelt mein Assistent, doch er scheint nicht besorgt zu sein. „Du solltest den Mann für den du arbeitest vielleicht nicht unbedingt als einen Idioten bezeichnen“, rate ich ihm grinsend. „Du könntest gefeuert werden.“ „Also erstens arbeite ich für dich und nicht für Kaiba oder den so genannten Star, zweitens ist er ein Idiot, wenn ein Haufen kreischender Fans, die ihn bewundern, weil er sich in Lebensgefahr begibt, dir vorzieht und drittens werde ich hier sowieso nicht länger bleiben. Was soll ich noch in dieser Crew, wenn du nicht mehr hier bist? Arbeiten kann ich überall. Ich bin da nicht so festgelegt“, erklärt mir Thomas. Ich bin wirklich gerührt, dass er auch jetzt noch versucht mich aufzumuntern. Er scheint immer noch geschockt zu sein, dass ich mit Yami zusammen war. Er starrt zumindest die CD in seinen Händen einen Moment lang an, als wäre es eine Bombe oder so. He, he im übertragenem Sinne ist sie das ja auch. Dann zuckte er aber mit den Schultern und schmeißt sie in den Mülleimer neben dem Arbeitstisch. „Komm, ich fahre dich noch bis zum Flughafen“, bietet er mir an und öffnet die Tür. Ich nehme das Angebot gerne an. So spare ich das Geld fürs Taxi und kann mich noch richtig von ihm verabschieden. ********** Irgendwie habe ich gedacht, es wäre einfacher zu gehen, aber es fühlt sich so endgültig an. Ich sitze hier alleine im Wartebereich des Flughafens. Noch eine halbe Stunde bevor das Boarding beginnt. Es ist niemand da, der mich verabschiedet. Thomas hat mir angeboten noch mit mir zu warten, bis ich ins Flugzeug steige, aber ich wollte das nicht. Er hat genug zu tun, wenn er wirklich auch kündigen will. Ich will mir noch einen Kakao holen. Es ist eine Weile her, dass ich was Süßes hatte. Als ich in meine Jackenasche greife, um das Portmonaise rauszuholen, streifen meine Finger etwas, das sich ziemlich kalt anfühlt. Ich ziehe es hervor. Es ist ein MP3 – Player, an dem ein Post – it klebt. ‚So einfach kannst du dich auch nicht davonschleichen. Ich habe dir eine Play – List erstellt für den Flug. Hör dir Song 12 an! Meine Nummer habe ich dir ins Handy eingespeichert, als du bei K. warst. Ruf mal an. J.‘ Ich merke das ich lächle. Joey hat an mich gedacht. Er will mit mir in Kontakt bleiben. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das freut. Neugierig geworden stecke ich die Ohrstöpsel in meine Ohren und mach den Player an. Ich spule vor, bis Lied zwölf. Es trifft mich wieder wie ein Schlag, obwohl ich den Song schon kenne. I know I can be a little stubborn sometimes A little righteous and too proud I just want to find a way to compromise 'Cos I believe that we can work things out. I thought I had all the answers never giving in But baby since you've gone I admit that I was wrong All I know is I'm lost without you I'm not gonna lie How am I going to be strong without you I need you by my side If we ever said we'll never be together and we ended with goodbye don't know what I'd do ...I'm lost without you I keep trying to find my way but all I know is I'm lost without you I keep trying to face the day I'm lost without you How am I ever gonna get rid of these blues Baby I'm so lonely all the time Everywhere I go I get so confused You're the only thing that's on my mind Oh my bed is so cold at night and I miss you more each day Only you can make it right no I'm not too proud to say All I know is I'm lost without you I'm not gonna lie How am I going to be strong without you I need you by my side If we ever said we'll never be together and we ended with goodbye don't know what I'd do ...I'm lost without you I keep trying to find my way but all I know is I'm lost without you I keep trying to face the day I'm lost without you If I could only hold you now and make the pain just go away Can't stop the tears from running down my face Oh All I know is I'm lost without you I'm not gonna lie How am I going to be strong without you I need you by my side If we ever said we'll never be together and we ended with goodbye don't know what I'd do ...I'm lost without you I keep trying to find my way but all I know is I'm lost without you I keep trying to face the day I'm lost without you Hosted by Animexx e.V. 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