Damals von Akai-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sie befanden sich in einem Zimmer des Rathauses in Tokyo. Wie so viele andere auch war es sehr schäbig. In dieser Welt gab es beinahe nichts mehr. Draußen regnete es in Strömen jenen Regen, der alles auffraß. Sakura und Shaoloan schliefen tief und fest, während Fye vor dem sitzenden Kurogane stand. "Ich... will nur niemanden ins Unglück stürzen, indem ich ihm zu nahe komme.", murmelte Fye ernst mit einem traurigen Blick. Daraufhin schwiegen sie sich an, wurden aber im nächsten Moment schon von Kusanagi und Yuto gestört. Sie wollten mit ihnen reden. Kurogane stand auf, doch bevor er ging, packte er Fye am Arm. "Wie ich schon sagte, es geht mich nichts an und ist mir egal.", sagte er. Fye erwiderte nur: "Ja, ich hab's gehört. Also kümmere dich am besten nicht um mich..." "Ich meinte, deine Vergangenheit ist mir egal.", erklärte widerum Kurogane und ließ seinen Arm los, "Also... Reiß dich zusammen und erkenne dein jetziges Ich endlich an!" Damit verließ er den Raum, ohne sich noch einmal umzublicken. Er kann das nur sagen, weil er meine Vergangenheit nicht kennt. Das war das erste, was mir durch den Kopf schoss. Hätte er sie gekannt, hätte er nicht so geredet. Sicher nicht. Vollkommen sprachlos sah ich ihm hinterher, bis ich schließlich ein paar Schritte nach hinten ging und mich an die Wand lehnte, an ihr herab auf den Boden sank. Ich konnte es nicht fassen. Dass er so etwas einfach so sagen konnte. Dass er wirklich glaubte, das ginge so einfach. Ich bekam einen kleinen Lachanfall und legte eine Hand an die Stirn. "Das ist aber nicht so leicht für mich.", flüsterte ich in den Raum, ohne dass es jemand gehört hätte. Gleich darauf schloß ich die Augen, denn - wie sollte es auch anders sein? - meine Erinnerungen schlugen auf mich ein. Meine Kindheit. Der Turm und die Grube, aus denen es so lange Zeit kein Entrinnen gegeben hatte. Ich sah alles wieder so deutlich vor mir, als wäre ich an all diese Orte, an denen ich bisher gelebt hatte, zurückgekehrt. Angefangen hatte alles in dem Land, in dem ich geboren worden war. Meine Heimat, dem Reich Valeria. Mein Bruder und ich waren Königssöhne. Wären wir allein geboren worden, wäre wahrscheinlich alles anders gekommen. Doch so war es nicht. Mein Bruder und ich, wir waren Zwillinge. Und nicht nur das, wir waren Zwillinge mit einer großen magischen Kraft. Doch selbst, wenn wir diese nicht besessen hätten, hätte das auch nichts daran geändert, dass im Reich Valeria Zwillinge als Unglücksbringer angesehen wurden. Somit war es unsere Schuld, dass unser Vater an einer Krankheit starb, dass das Getreide nicht mehr wuchs, dass das Wasser verdarb und dass sich schließlich unsere Mutter das Leben nahm. Es war unsere Schuld, denn wir hatten es gewagt, zu zweit auf die Welt zu kommen. Es war unsere Schuld, denn wir waren 'die unheilvollen Zwillinge'. Man nannte es einen Fluch. Wir waren noch Kinder, als all das geschah. Der ältere König, unser Großvater, entschied, uns einzusperren. Je größer das Unglück für die unheilvollen Zwillinge, desto besser sollte es dem Reich und seinen Bewohnern gehen. Bevor er das aber tat, machte er uns einen Vorschlag. Nur als Zwillinge waren wir 'gefährlich', deshalb wäre die Alternative, dass einer von uns beiden sterben sollte. Man ließ uns die Wahl, wer es sein sollte - Fye oder Yuui. Es war unsere Entscheidung. Wir standen als Kinder vor unserem Großvater, der verlangte, uns zu entscheiden, wer von uns sterben sollte. Wir sagten kein Wort. Wir hielten uns nur an den Händen, drückten sie einen Moment und sahen uns einfach nur an. Wir wussten, dass wir uns niemals hätten entscheiden können. Niemals. Wir hatten doch nur uns. Das gesamte Reich gab uns die Schuld an allem. Sie hassten uns. Wenn man mit diesem Hass und dieser Gleichgültigkeit aufwächst, klammert man sich an alles, was man kriegen kann. Wir hatten nur uns. Wie hätten wir aufeinander verzichten sollen? Genauso gut hätte man uns auch gleich beide töten können. Das hätte keinen Unterschied gemacht. So sperrte man uns ein. Es gab eine riesige Grube in einem Tal, in dem Magie keine Wirkung hatte. Dort wurden die Leichen der bestraften Sünder unseres Reiches hineingeworfen. Durch die Magie, die jedem aus unserem Reich innewohnte, verwesten die Körper nie. Für etwas anderes hätten wir unsere Magie nicht einsetzen können. Sie hielt uns nur am Leben, auch ohne Wasser oder Nahrung. Einfach so, denn von allein konnten wir nicht sterben. Man hätte uns schon eigenhändig töten müssen. Doch das taten sie nicht, weil das nur noch größeres Unglück bedeutet hätte. Nein, sie steckten uns in ein Sündergewand, warfen mich in die Grube und sperrten meinen Bruder ganz oben in den Turm, der in der Mitte der Grube stand. Von dort konnte er nicht weg. Er hatte keine Chance, aber ich. Ich dachte, wenn ich nur aus dieser Grube heraus käme, dann könnte ich meine Magie wieder benutzen und uns von dort wegbringen. Ich kletterte. Ich kletterte und kletterte und stürzte doch immer wieder ab. Irgendwann brannten meine Finger. Sie bluteten, doch ich versuchte es wieder. Wieder und wieder und wieder. Ich hatte nur ein verdammtes Ziel - uns beide irgendwie von dort weg und in ein anderes Land zu bringen. Dafür habe ich gelebt. Dafür habe ich gekämpft. Ich wollte die einzige Person, die mir bis dahin wirklich wichtig gewesen war, retten. Daher behielt ich den einzigen Plan bei, den ich hatte: Klettern. Klettern und meinem Bruder immer wieder zurufen, dass wir zusammen überleben und fliehen würden. Ich weiß nicht, wie lange wir an diesem Ort waren. Ab und zu wurden ein paar Menschen zu mir hinunter geworfen. Ich fing an, die Körper aufzustapeln und mir das Klettern damit ein wenig zu vereinfachen. Ich schaffte es trotzdem nicht. Mein Haar wurde immer länger, meine Kleidung dreckiger und mein Körper ausgezehrter. Und ich bin sicher, meinem Bruder ging es nicht anders. Dann kam der Tag, an dem nicht nur ein Mensch zu mir in die Grube geworfen wurde. Es waren viele, sehr viele. Solche Tage kamen immer wieder. Es dauerte nicht allzu lange, bis ein Kind darunter war. Tote Kinder, tote Greise. Menschen, die nicht wie all die anderen das Sündergewand trugen. Unschuldige Menschen, wie mir bald klar wurde. Ich wusste nicht, was geschehen war. Ich wusste nur, dass es etwas schreckliches war. Später erhielt ich meine Antwort. Ich fand bei einer der Leichen einen Brief an andere Länder, in dem um Hilfe gebeten wurde. Dort stand auch, der König, unser Großvater, sei dem Wahnsinn erlegen und das alles sei ebenfalls unsere Schuld. Weil wir am Leben waren. Weil es uns gab. Nur deshalb. Und wieder stellte ich mir dieselben Fragen wie eh und jeh. Warum war all das unsere Schuld? Was hatten wir denn böses getan? Was hatten wir verbrochen? War es denn wirklich nur die Tatsache, dass wir zu zweit waren? Weil wir lebten? Wirklich nur, weil wir lebten? Ich hatte das noch nie wirklich glauben können. Alle anderen durften doch auch leben, oder? Warum dann wir nicht? Konnten die Menschen in Valeria wirklich so herzlos sein? Wütend warf ich den Brief weg und kletterte wieder die Wand hoch. Ich wollte raus, nur noch raus. Doch ich rutschte wieder ab. Ich versuchte es wieder und wieder, bis noch jemand zu mir herunter stürzte. Es war unser Großvater und er lebte noch. Er kam auf mich zu und ich konnte sehen, dass er wirklich wahnsinnig war. Er machte mir Angst, so furchtbare Angst. Er sagte, alle anderen Menschen seien bereits tot, es gebe nur noch uns drei. Er sagte auch, dass alles unsere Schuld sei. Nur unsere, weil es uns gab. Danach nahm er ein Schwert und ging weiter auf mich zu. Wieder hatte ich Angst, solche Angst... Ich dachte, er bringt mich um. Doch er tötete sich selbst. Seine letzten Worte handelten davon, dass mein Bruder und ich die einzigen noch lebenden Menschen in diesem Reich waren. Davon, dass wir dazu verdammt seien, zu leben und für unsere Sünden zu büßen. Ich schrie. Ich schrie und konnte nicht mehr aufhören. Ich dachte, ich selbst werde wahnsinnig. Das war wohl die größte Krise, die ich bis zu diesem Zeitpunkt gehabt hatte. Ich war auch vorher nicht wirklich glücklich gewesen. Wir hatten nie richtig frei lachen und unser Leben einfach genießen können. Nur manchmal konnten wir ein wenig lächeln. Wenn wir unter uns waren. Wenn wir allein waren. Doch auch dann war es stets nur ein trauriges Lächeln. Zu mehr waren wir in Valeria nicht fähig. Nur weil wir geboren wurden? Weil wir lebten, waren wir automatisch Sünder? Und ich fragte mich, ob es in einem anderen Land auch so kommen würde. Ob wieder alle sterben würden, nur weil wir beide am Leben waren. Ich war am Ende. Ich konnte nicht mehr, hatte alle Hoffnung aufgegeben. So verging die Zeit. Mein Haar wurde noch länger, meine Verzweiflung immer größer. Bis ich dann, eines Tages, eine Stimme hörte, die mich fragte, ob ich von dort weg wolle. Ich dachte zuerst, das wäre ein Traum. Doch ich irrte mich. Ich sprach tatsächlich mit Feiwan Read. Er sagte, es gebe noch andere Länder. Er sagte, Zwillinge seien nicht überall ein Fluch. Er sagte, er könnte uns helfen, doch es könnte nur einer von uns mitkommen. Nur einer. "Du oder der andere.", das waren seine Worte. Und wieder standen wir vor der Wahl. Ich war geschockt. Ich konnte nichts sagen. Ich konnte nicht denken. Ich konnte gar nichts. Und noch während ich darüber nachdachte, was ich sagen oder tun sollte, stürzte mein Bruder herab. Der Boden war voller Blut. Er war wohl sofort tot. Er sagte nichts mehr, bewegte sich kein bisschen. Ich schrie seinen Namen. Ich schrie. Ich zitterte. Ich konnte es nicht glauben. Feiwan fragte, ob ich die Zeit zurückdrehen wolle. Er fragte, ob ich meinen toten Bruder wieder zum Leben erwecken wolle, wenn es ginge. Er sagte auch, dass ich dafür etwas für ihn tun müsse. Er erklärte mir alles. Dass jemand kommen würde, um mich zu holen. Dass ich verflucht sei. Dass ich für ihn auf eine Reise gehen würde. Er sagte, dass der Junge aus Japan - Kurogane - meinem Wunsch im Weg stehen würde und ich ihn deshalb beseitigen müsse, sollte es erforderlich werden. Dass in die Welt, in der ich fortan leben würde, zwei Federn fallen würden. Er sagte mir auch, wofür ich sie verwenden sollte. Er sagte, ich sei fortan sein Agent. Solange, bis sich sein Wunsch erfüllt habe. Und dann war er weg. Wieder verging die Zeit, ich weiß nicht, wie viel. Und dann kam König Ashura. Er holte uns zu sich, in seine Welt. Er brachte uns nach Ceres, in sein Schloss. Meinen Bruder legten wir in eine Art Glassarg, den wir in ein Wasserbecken hinab ließen - zusammen mit meinem abgeschnittenen Haar und einem Flourit. Der König erklärte mir, es sei ein Stein, der einem im Ceres Schutz gebietet. Er gab mir auch meinen vollen Namen. Noch in Valeria nannte ich ihm den Namen meines Bruders als den meinen. Ich sagte ihm, ich sei Fye. Ich übernahm den Namen meines Bruders, warum weiß ich nicht genau. Vielleicht wollte ich meinen eigenen auslöschen. Vielleicht wollte ich mich ihm auch näher fühlen. Ab dem ersten Tag in meinem neuen Zuhause war ich 'Fye de Flourite aus Ceres'. Er sagte auch, dass er eine Bitte an mich habe. Diese jedoch sollte noch Zeit haben. Fortan lebte ich in Leval-Castle und klammerte mich an den König, das Volk von Ceres und vor allem an meinen Wunsch. An die Hoffnung, meinen Bruder eines Tages wieder lebendig vor mir zu haben. Die Hoffnung, ein normales, glückliches Leben mit ihm verbringen zu können. Die Jahre zogen ins Land. Ich wurde älter und größer. Immer wieder setzte ich meine Magie zum Wohl der Menschen ein. Eines Tages fand ich auch die beiden Federn, von denen Feiwan geredet hatte. Aus einer von ihnen erschuf ich Chi. Sie sollte bei meinem Bruder bleiben. Die Leute waren nett zu mir. Eigentlich hatte ich ein recht gutes Leben erhalten. Doch lachen, oder auch nur lächeln konnte ich eine sehr lange Zeit nicht. Sehr wahrscheinlich wirkte mein Gesicht nach außen hin sehr kalt und distanziert. Vielleicht sogar leblos, wie eine leere Hülle. Und wer weiß, vielleicht war ich das ja sogar? Immerhin hatte ich meine zweite Hälfte verloren. Diese Leere, die dabei zurückblieb, diesen Schmerz werden nur sehr wenige nachvollziehen können. Oder gar verstehen. Wenn ich an ihn denke, tut es auch heute noch so unerträglich weh. Er fehlt mir. Er fehlt mir einfach. Nichts und niemand könnte ihn in meinem Leben ersetzen. Niemals. Ich weiß noch, an dem Tag, an dem ich die Federn fand... Ich rettete ein Dorf vor einer Schneelavine, indem ich sie mithilfe meiner Magie umleitete. Die Leute dieses Dorfes waren überglücklich und dankbar. Ich wehrte jeden Dank ab. Ich wollte gerade gehen, als ein kleines Mädchen meinen Mantel festhielt. Ich werde sie nie vergessen, wirklich nicht. Manchmal sehe ich sie noch vor mir, mit ihren kurzen Haaren, den großen Augen und den kleinen, bleichen Sommersproßen auf der Nase. Sie sagte, sie wäre noch glücklicher, wenn ich lachen würde. Einen Moment lang fragte ich mich, warum. Sie kannte mich doch nicht einmal. Was sollte sie das interessieren? Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich nicht richtig lachen konnte. Dass ich es nicht gewohnt war. Sie sagte, ich solle es üben. Und sie zeigte mir, wie es ging. Den ganzen Weg zum Schloss zurück ging mir das nicht aus dem Kopf. Ich und lächeln? Wie würde das überhaupt aussehen? Was würde man denken? Konnte ich das wirklich einfach so erlernen? Als ich bei den Wachen ankam, hatten die beiden eine wirklich kleine Meinungsverschiedenheit darüber, wie sinnvoll es sei, über das kalte Wetter zu klagen. Und ich versuchte es. Ich lächelte sie kurz an. Meine Güte, was waren sie überrascht? Als hätten wir in unserem kalten Land plötzlich strahlendsten Sonnenschein gehabt. Wenn ich so darüber nachdenke, müssen sie bis dahin stets nur meine Trauermiene gesehen haben. Einen Augenblick dachte ich sogar, es wäre falsch gewesen, zu lächeln. Doch sie rieten mir, es öfter zu tun. Auch für den König, dass er sich sicher darüber freuen würde. Das machte mich noch nachdenklicher. Ich wollte gern etwas tun, das ihn glücklich machen würde. Ich hatte ihm viel zu verdanken und er war mir wichtig. Sehr wichtig. Man könnte sagen, er kam auf der Rangliste direkt nach meinem Bruder auf Platz zwei. An diesem Tag fragte ich ihn, was genau seine Bitte sei. Wir unterhielten uns und es lief darauf hinaus, dass ich jeden töten sollte, der den Menschen dieses Landes Schaden zufügte. Ganz egal, wer es wäre. Und er gab mir das Tattoo, das ich der Hexe als Bezahlung für meinen Wunsch gab. Es sollte verhindern, dass meine Kräfte weiter ansteigen, so dass ich ihn durch einen der Flüche, die noch immer auf mir lasten, töten könnte, wenn seine Kräfte stärker wären als meine. Der König brachte mir viele Zauber bei. Eines Tages sagte er mir, ich solle lachen. Ich lachte, doch es war nur aufgesetzt. Es war nicht echt. Und es verschwand sofort wieder. Ich wuchs heran. Die Menschen im Schloss waren so ziemlich die einzigen, mit denen ich wirklich etwas zu tun hatte. Der König, Chi... Die Wachen und alle anderen Angestellten. Und mit der Zeit wurde mein Lachen echter. Es war nicht mehr so falsch und aufgesetzt wie zuvor. Als ich schließlich erwachsen war, begannen Angriffe. Menschen wurden attackiert und getötet. Sie wurden erbarmungslos abgeschlachtet, wie Tiere. Einer nach dem anderen. Wir wussten nicht, wer oder was die Ursache dafür war. Wir nannten es nur 'Bestie'. Ich wollte mein Versprechen halten. Ich wollte mich auf die Suche machen und diese Bestie vom weiteren Töten abhalten. Doch König Ashura hielt mich auf. Ein paar Wochen später sah ich mir einen Tatort an. Dieses Mädchen von damals war unter den Opfern. Es reichte. Ich wollte endlich etwas unternehmen. Ich wollte diesen Morden ein Ende bereiten, damit wir endlich wieder sicher sein konnten. Damit die Menschen in diesem Land sicher sein konnten. Ich eilte zum Schloss zurück. Ich wollte noch einmal mit dem König reden. Doch was ich dort vorfand, hätte ich nie erwartet. Nicht in den haltlosesten Fantasien. Der König war die Bestie. Er stand da vor mir, Blut an den Händen und die Leichen der Angestellten zu seinen Füßen. Wieder war ich fassungslos. Wie er da so da stand, diese Gleichgültigkeit in den Augen... Er sprach davon, sich neue Opfer suchen zu gehen. Ebenfalls völlig gleichgültig. Wir kämpften nicht wirklich miteinander. Ich verwendete einen Fluch, den ihn in Schlaf versetzte. Ich konnte es nicht. Ich konnte ihn nicht töten. Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Warum ich es nicht konnte. Angst? Hemmungen? Sanftmut, wie der König es nannte? Oder doch Schwäche? Wer weiß das schon? Fest steht aber, dass ich den Mann, der uns beide aus diesem Tal geholt hat, nicht töten kann. Ich konnte es nicht und kann es weiterhin nicht. Ich frage mich, wie er sich das überhaupt vorgestellt hat. Er rettet mich und meinen Bruder. Er nimmt uns auf. Er ist der erste, der jemals freundlich zu uns war. Er lehrt mich alles. Er wird mir wichtig. Und dann soll ich ihn einfach töten können? Töricht, oder? Ich legte ihn in einen zweiten Glassarg neben meinem Bruder in das Becken. Danach machte ich mich auf den Weg zur Hexe der Dimensionen und dort traf ich auf die anderen. Kurogane, Shaolan, Sakura und Mokona. Und wir machten uns auf die Reise. Nun sind wir in Tokyo. Und dieser aggressive Grobklotz sagt mir etwas von wegen 'die Vergangenheit vergessen'. Wie soll ich das machen? Wenn noch immer beide Flüche auf mir liegen? Wenn ich ständig daran denken muss, dass der König jeden Moment wieder aufwachen kann? Wenn irgendwann herauskommt, dass ich sie angelogen habe? Von Anfang an? Dass ich zu ihrem Feind gehöre? Dass ich ein Verräter bin? Ja, ich würde all das gern vergessen. Liebend gern. Doch es geht nicht. Es geht einfach nicht. So sehr ich die Zeit mit ihnen auch genieße. Und so gern ich auch mit ihnen reise, mit ihnen lache - wirklich lache, so sehr habe ich Angst vor dem, was zwangsläufig kommen wird. Früher oder später. Manchmal wünschte ich, wir könnten ewig so weiter machen. Ewig so durch die Welten reisen. Doch ich weiß, dass das nicht möglich ist. Er saß noch eine Weile so an der Wand und grübelte nach, erinnerte sich und fragte sich, wie die Zukunft wohl aussehen würde. Ab und zu blinzelte er eine einsame Träne weg, bis er schließlich erschöpft einschlief. Erst kurz darauf betrat Kurogane den Raum wieder. Als er Fye so sah, schüttelte er nur kurz seufzend den Kopf, bevor er ihn auf die Arme hob und in das zweite Bett legte. "Trottel.", murmelte er und ging wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)