Kiss, kiss - bang, bang von Leuchtender_Mond (Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.) ================================================================================ Kapitel 15: Die Liebenden ------------------------- Die Liebenden: Sie fordern uns zu einer klaren Entscheidung auf. Dabei sollen aber Herz und Verstand gleichermaßen sprechen, denn die Karte steht für die Vereinigung von Gegensätzen – nicht nur in Herzens- und Partnerschaftsdingen. November 2007, Paris, Frankreich Atemu stöhnte leise. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren und seine Schultern brannten. Er versuchte, sich zu rühren, aber es funktionierte nicht. Auch das Öffnen seiner Augen half ihm nicht dabei, den Grund hierfür zu ergründen, denn es war so dunkel, dass er ohnehin nichts sah. Das ermutigte ihn genauso wenig, wie das, was seine wieder erwachenden Sinne ihm sagten. Er lag auf der rechten Seite auf einem kalten Boden und der Grund dafür, dass er sich nicht rühren konnte, war, dass seine Hände auf seinem Rücken gefesselt waren, wovon sie sich schon ganz taub anfühlten. Auch seine Füße waren gefesselt. Atemu verdrehte die Augen und biss sich auf die Lippen. Alles tat ihm weh. Er versuchte, sich mit etwas abzulenken und das naheliegenste war der Gedanke daran, wem er seine missliche Lage zu verdanken hatte. Viele Personen gab es dazu nicht, die meisten hätten ihn sofort umgebracht. Die einzige Person, die ihn vielleicht am Leben gelassen hätte, war Tsukasa-sama – auch, wenn Atemu nicht verstand, weswegen, wo er Yuki doch gebeten hatte, dem Oyabun auszurichten, dass er nicht austreten würde. Da er Yuki vertraute und somit nicht infrage stellte, dass sie dies auch getan hatte, blieb nur eine Möglichkeit: Tsukasa-sama war noch nicht nach Japan zurückgekehrt und Yuki hatte noch keine Gelegenheit gehabt, es ihm zu sagen. Somit war dies der Versuch, ihn von einem Austritt abzuhalten. Am liebsten hätte Atemu irgendwo gegengetreten oder lauthals geflucht, ob dieser Zeitverschwendung, aber dazu kam er nicht. In sein Schicksal ergeben die Augen schließend, wartete er ab, was man nun mit ihm zu tun gedacht. Schön wurde das sicher nicht, er war lange genug bei den Yakuza um genau zu wissen, dass sie nicht zimperlich mit einem Pentito umgingen. Er wusste nicht, ob er es Glück oder Unglück nennen sollte, dass er nicht lange warten musste, ehe jemand kam und ihn grob an der Schulter hochriss. Glück, dass er nicht länger im Ungewissen warten musste, aber Unglück, da sich seine Situation bestimmt nicht verbessern würde. Die Fesseln an seinen Beinen wurden gelöst, sodass er den Weg selbst zurücklegen konnte, was sich allerdings auch ohne die Fesseln als schwierig erwies, da seine Füße so schlecht durchblutet waren. Er humpelte mühsam hinter dem Mann her, bemüht, so würdevoll wie möglich auszusehen. Während sie den Weg zurücklegten, sah Atemu sich verstohlen um. Er hatte sich im Keller eines Hauses befunden, dass, wie er erkennen konnte als sie das Erdgeschoss erreichten und Atemu aus dem Fenster sehen konnte, sich mitten Paris befand. Im Nachhinein könnte er sich verfluchen für die Dummheit, ausgerechnet in Paris, einer der Stützpunkte der Yakuza in Europa, beschlossen zu haben, auszusteigen. Wo war er nur mit seinen Gedanken gewesen?! Aber jetzt war es ohnehin zu spät. Aus reiner Gewohnheit prägte er sich die Umgebung ein, auch, wenn er sich dessen bewusst war, dass er hier vermutlich nicht würde fliehen können. Im besten Falle würde er gar nicht fliehen müssen. Aber das würde schwierig werden, er kannte Tsukasa-sama, zwar nicht gut, aber ein paar Mal hatte er ihn getroffen. Er war fünfundsechzig Jahre alt und dreizehn Jahre davon hatte er wegen Mordes im Gefängnis verbracht. Zu dieser Zeit war Atemu zwar noch nicht geboren gewesen, aber die Erfahrung hatte Tsukasa-sama geprägt und ihn strenger werden lassen. Atemu atmete ein paar Mal tief durch um seine Nerven zu beruhigen, dass hier würde schwer werden und vermutlich nicht ohne ein paar Blessuren von Statten gehen. Einem Oyabun gegenüber war man zu absolutem Gehorsam verpflichtet, das Aufnahmeritual war nicht umsonst so aufwendig und gipfelte in einem Schwur auf Lebenszeit. Aber Atemu hatte nie geschworen. Er war Mitglied aufgrund seines Vaters, er gehörte dazu, irgendwie war das immer ohne Schwur möglich gewesen, seine Tante hatte ihre Finger im Spiel gehabt. Jetzt, wo es darauf ankam, fragte Atemu sich, ob sie damit gerechnet hatte, dass er einmal in eine solche Situation geraten würde. Die Türen zu einem großen Raum wurden aufgestoßen. Der Boden war gefliest, die Decke hoch und in einem Sessel an der Glasfront mit Panoramablick über Paris saß Tsukasa-sama und trank Sake. Hinter dem Sessel stand vollkommen unbeweglich der Shateigashira, also der drittwichtigste Anführer innerhalb der Yamaguchi-gumi. Der zweitwichtigste, also der Wakagashira, war wohl in Japan geblieben um die Dinge in Abwesenheit des Oyabun zu regeln. Im Raum verteilt standen mehrere ranghöhere Mitglieder, genannt die „große Brüder“, und ihrer aller Blicke waren auf ihn gerichtet. Nur einer sah ihn nicht an – und das war Tsukasa-sama selbst. Dieser blickte versonnen seinen nun leeren Masu an. Atemu hörte, wie hinter ihm die Türe abgeschlossen wurde und straffte unwillkürlich die Schultern, soweit es die Fesseln an seinen Händen erlaubten. Es war dunkel, draußen, bestimmt war es mitten in der Nacht des Tages, an dem er entführt wurde – woran ihm jegliche Erinnerung fehlte. Er wusste, dass er mit Yuugi gelaufen war – und dann, mitten drin brach seine Erinnerung ab und setzte erst wieder im Keller dieses Hauses ein. Es verging eine geraume Weile, ehe ein Wort fiel. „Willkommen, mein Lieber.“, sagte Tsukasa-sama und lächelte freundlich. „Danke.“, erwiderte Atemu trocken. Er gab sich keinen Illusionen hin. Und in der Tat kam Tsukasa-sama nun schnell zur Sache. Er legte die Fingerspitzen aneinander und sah Atemu über den Rand seiner Fingerspitzen hinweg an. „Mir kam das Gerücht zu Ohren, du wolltest uns verlassen. Ich wäre sehr betrübt, erfahren zu müssen, dass es wahr wäre… du würdest so gemütliche Zusammentreffen wie diese hier doch sicherlich vermissen!“ Atemu erinnerte sich nicht, häufig an Treffen teilgenommen zu haben, geschweige denn, sie genossen zu haben. Er wollte grade etwas sagen, auch, wenn er noch nicht so ganz wusste, was, da sprach Tsukasa-sama weiter. Seine Stimme klang weiterhin ruhig, sogar freundlich, aber seine Augen waren lauernd und kalt. „Du weißt, was wir mit jenen tun, die uns verraten, die ihren Schwur brechen… du hast es selbst oft für uns getan. Es wäre bedauerlich, dich zu verlieren.“ Die Blicke, die von allen Seiten auf Atemu ruhten, waren lauernd. Aber Atemus‘ Aufmerksamkeit richtete sich einzig und alleine auf seinen Oyabun. Er atmete tief durch, blickte ihm in die Augen und sagte dann:„Ich habe nie etwas geschworen.“ Weiter kam er nicht, da unterbrach ihn Tsukasa-sama auch schon. „Ah. Und deswegen siehst du kein Verbrechen darin, uns zu verraten? Der Schatten deines Großvaters wird dich nicht ewig schützen. Denk immer daran – auch er wurde erschossen.“ Es lag zum ersten Mal Härte in seiner Stimme. Atemu zögerte eine Sekunde, ein falsches Wort hier konnte sein Leben sehr schnell beenden. Ein falsches Zögern aber auch, denn als er nichts sagte, spürte er den Lauf einer Waffe an seinem Hinterkopf. Er erstarrte und sah Tsukasa-sama an, der den Befehl zu schießen geben musste. Die Sekunden zogen sich wie Stunden. Aber dann schüttelte der Oyabun den Kopf und der Mann hinter Atemu trat ein paar Schritte zurück. Die Pistole verschwand und Atemu atmete unbewusst auf. Er mochte ein Profi sein, aber niemand blieb ruhig, wenn man ihm eine Waffe an den Kopf hielt. „Ich gedenke nicht, ein Pentito zu werden und die Omertà zu brechen.“, sagte er schnell. Tsukasa-sama hob eine Augenbraue:„Cu è surdu, orbu e taci, campa cent’ anni ‘mpaci.”, zitierte er ein sizilianisches Sprichwort, welches ganz klar auf die Cosa Nostra, die dortige Mafia abzielte. Atemu neigte den Kopf. Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre in Frieden. Wie wahr. „Never open your mouth, unless you’re in the dentist chair.“, erwiderte Atemu und zitierte dabei einen Mafioso. Tsukasa-sama lächelte:„Ich sehe, wir verstehen uns.“ Atemu nickte und die Spannung im Raum löste sich merklich. „In Ordnung.“, sagte Tsukasa-sama aufgeräumt, lies sich seinen Masu füllen und kippte den Sake herunter, „Du wirst uns nicht verraten, aber bei uns bleiben willst du auch nicht, verstehe ich das richtig?“ Atemu legte den Kopf schräg. „Nicht ganz. Ich würde weiter für euch arbeiten, aber eine direkte Mitgliedschaft…“ „Hmm…“, machte der Oyabun und betrachtete Atemu eine ganze Weile stumm. Der reckte das Kinn und sah unerschrocken zurück, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug. „Du bist mutiger, als gut für dich ist.“, stellte Tsukasa-sama fest und schien dabei wider Willen beeindruckt. Atemu lächelte. Trotz der Fesseln wusste er, dass er nichts mehr zu befürchten hatte. „Schön, schön. Wir melden uns über deine Tante bei dir, wenn wir etwas wollen. Du kannst Aufträge ablehnen – aber nicht zu viele. Ansonsten lassen wir dich in Ruhe. Und jetzt löst dem Jungen die Fesseln, damit ich Sake mit ihm trinken kann!“ Bereits beim Sake Trinken bemerkte Atemu, dass seine Handgelenke blutig waren von dem Seil, welches gescheuert hatte. Aber da das und eine kleine Platzwunde an seiner Stirn seine einzigen Verletzungen waren, befand er, dass er noch gut davongekommen war, innerlich hatte er sich bereits darauf eingestellt, zu einem Yubitsume, dem Abtrennen eines Fingers oder mehr, gezwungen zu werden. Sake mit Tsukasa-sama trinken war da um Welten besser. Eine Sache hatte er da aber noch auf dem Herzen, worauf er den grade so gut gelaunten Oyabun gleich ansprach… Es verging noch eine Woche, ehe Atemu zu Yuugi zurückkehren konnte. Die Wunde an der Stirn war von einem großen, weißen Pflaster bedeckt und die Schürfwunden an den Handgelenken verkrustet und würden somit bald verheilt sein. Es war ein unglaublich gutes Gefühl, nach Hause zurückzukommen. Atemu hatte Schuldgefühle, Yuugi so lange warten zu lassen, aber er konnte den Yakuza ja nicht zeigen, wie wichtig ihm der Junge geworden war, sie hatten ihn nur zähneknirschend ziehen lassen – weil sie nicht auf ihn verzichten konnten und dies der einzige Weg gewesen war, ihn zu behalten. Wenn sie einen Weg finden würden, ihn zu erpressen… nein, darauf konnte Atemu verzichten. Außerdem hatte er ja bewusst sein Handy verloren, damit Yuugi es finden und seine Tante anrufen konnte und sich somit keine Sorgen machen musste. Als er dann nach Hause kam, war er dennoch ein wenig enttäuscht, Yuugi dort nicht vorzufinden. Also duschte er erst einmal ausgiebig und als er danach in sein Schlafzimmer ging um sich anzuziehen, öffnete er die Haustüre, damit er Yuugis‘ Heimkehr schnell bemerken würde. Er trug grade erst seine Jeans und das Lederband mit dem Ankh daran um den Hals, als er Schritte draußen hörte. Yuugi! Er ging rasch nach draußen – wo Yuugi grade vor ihm floh. Schnell hastete er ihm hinterher und packte ihn an der Schulter, um ihn umzudrehen. Eine Sekunde starrte Yuugi ihn erstaunt an, dann hob er die rechte Hand und verpasste ihm eine Ohrfeige. Atemu war so verblüfft, dass er Yuugi los lies und mit der Hand kurz seine Wange berührte. „Du Idiot! Wo warst du?“, brüllte Yuugi und wollte ihm gleich noch eine verpassen, aber diesmal war Atemu darauf vorbereitet und fing seine Hand ab. „Komm rein und ich erklär‘s dir.“, murmelte er, drehte sich um und ging voraus in die Wohnung. „Atemu!“, wisperte Yuugi, als er Atemus‘ Rücken sah. Atemu schmunzelte und schloss die Tür hinter Yuugi. „Gefällt’s dir?“, fragte er. Yuugi nickte. Die beiden ließen sich auf dem Sofa nieder und Yuugi versank ganz in der Betrachtung von Atemus‘ Rücken. Schmunzelnd ließ er es zu, denn zugegebenermaßen war dieser mittlerweile recht beeindruckend. Die Tätowierung, welche das Symbol der Yamaguchi-gumi darstellte, war verschwunden – oder besser, überdeckt. Überdeckt von einem chinesischen Glücksdrachen, welcher sich über Atemus‘ gesamten Rücken erstreckte und bei jeder Bewegung von Atemu schien es, als würde sich der Drache schlängeln. Es war eine exzellente Arbeit ganz in schwarz und der Kopf befand sich dort, wo vormals das Yakuza-Symbol gewesen war. „Das muss doch weh getan haben!“, wisperte Yuugi und strich mit den Fingern über die Tätowierung. Atemu verzog das Gesicht:„Sehr. Das ist noch traditionell gestochen.“ Yuugi seufzte, halb bewundernd, halb mitleidig. Aber dann fiel ihm wieder ein, was seine erste Sorge gewesen war und er setzte sich so, dass er Atemu ins Gesicht sehen konnte. „Wo warst du also in der vergangen Woche? Doch nicht etwa nur dieses Tattoo machen lassen?!“ Atemu lächelte leise und schüttelte den Kopf. „Nein, dann hätte ich dir doch vorher etwas gesagt.“ Yuugi grummelte in seinen nicht vorhandenen Bart, dass er Atemu dies auch geraten haben wollte. Dieser schmunzelte, atmete dann aber tief durch, um Yuugi die ganze Geschichte zu erzählen. „Ich hatte ein weniger erfreuliches Zusammentreffen mit den Yakuza, da sie noch nicht wussten, dass ich den Austritt rückgängig gemacht hatte.“, begann er und entlockte Yuugi damit einen erschrockenen Ausruf. „Es ist mir nichts passiert!“, wehrte Atemu schnell ab, aber jetzt nahm Yuugi Atemu genauer in Augenschein. Eben hatte die Tätowierung ihn so sehr abgelenkt, dass er Atemus‘ weitere Verletzungen gar nicht bemerkt hatte. Aber jetzt strichen seine Finger besorgt über das Pflaster auf Atemus‘ Stirn. Der lächelte Yuugi beruhigend an und erklärte:„Nur eine kleine Platzwunde, als sich mich niedergeschlagen und entführt haben, es tut kaum weh – wenn man nicht grade Druck auf die Wunde ausübt.“ Yuugis‘ Finger verschwanden schnell wieder, kehrten aber zu Atemus‘ blutig gescheuerten Handgelenken zurück, welche noch nicht vollständig verheilt waren. „Sind das…?“, fragte Yuugi mit zittriger Stimme. Atemu neigte den Kopf. „Fesselspuren, ja. Halb so schlimm.“ Das Lächeln auf seinen Lippen war aufmunternd, auch, wenn es Yuugi nicht ganz überzeugen konnte. Er ergriff Atemus‘ Hände, während er seiner Geschichte lauschte:„Wie du dir denken kannst, war man über meinen Austritt nicht erfreut, aber ich konnte sie davon überzeugen, dass es nicht meine Absicht sei, sie zu verlassen, zumindest nicht endgültig. Also haben wir einen Deal ausgehandelt, der hauptsächlich darin besteht, dass ich zwar noch für sie arbeite, aber nur dann, wann ich es will. Im Gegenzug verliere ich natürlich ihren Schutz, aber das geht schon in Ordnung. Da ich also kein Yakuza mehr bin, musste natürlich auch das Tattoo verschwinden und so habe ich mich dazu entschieden, es überdecken zu lassen…“ Yuugi legte den Kopf schief:„Das ist also gut, ja?“, fragte er unsicher und Atemu bestätigte lächelnd:„Ja, das ist es. Aber ohne den Schutz der Yamaguchi-gumi werde ich wohl dafür sorgen müssen, dass auch du dazu in der Lage bist, dich zu verteidigen.“ Er machte eine bedeutungsschwere Pause. Dann grinste er. „Deine Ausbildung in Selbstverteidigung werde ich also fortsetzen. Und ich kaufe dir eine Waffe und bringe dir bei, mit ihr umzugehen.“ Yuugi verschlug es die Sprache, aber als er sich einmal gefasst hatte, fiel er einem sehr überraschten Atemu um den Hals, der die Umarmung nach kurzer Irritation erwiderte. Am nächsten Tag war Atemu erfreut zu sehen, dass Yuugi das Training fortgesetzt hatte, sodass er ihn am frühen Nachmittag, der Zeit, zu der sie sich vor Atemus‘ Entführung immer eine kleine Pause gegönnt hatten, durch Yuugi bisher vollkommen unbekannte Straßen führte. Langsam aber sicher erhärtete sich in Yuugi der Verdacht, dass man hier keinen legalen Geschäften nachging, was ihn instinktiv dazu brachte, sich dichter bei Atemu zu halten, auch, wenn die Fassaden weiterhin ordentlich waren und er nichts zu Gesicht bekam, was ihm hätte Angst machen müssen. Aber es lag eine seltsam angespannte Atmosphäre in der Luft und der ein oder andere Blick, der ihnen zugeworfen wurde, bereitete Yuugi Sorge. Er war erleichtert, als Atemu ihn schließlich durch eine der Türen in das Innere eines Ladens geleitete – und erstaunt, als er feststellte, dass sie sich bei einem Friseur befanden. Was sollte das denn werden? Atemu aber grinste nur und wandte sich an eine der Mitarbeiterinnen. „Excuse moi, mademoiselle. Je voudrais savoir, que la propriétaire est là?“, fragte er höflich. Die junge Frau nickte und ging ins Hinterzimmer, von wo aus Yuugi sie rufen hörte:„Fiona! Un chalant!“ Es dauerte daraufhin nicht lange, da kehrte die Friseuse in Begleitung einer brünetten Frau zurück, welche, kaum, dass ihr Blick auf Atemu gefallen war, lächelte und ihn einlud, mit ihr zu kommen. Als die beiden im Hinterzimmer verschwanden, folgte Yuugi ihnen. Und endlich verstand er, weshalb sie hier waren. Dies hier war nur oberflächlich betrachtet ein Friseursalon. Eigentlich war es eine Waffenhandlung. Das Hinterzimmer war vollgestopft mit allen Arten von Schusswaffen, von denen Yuugi je gehört hatte und auch mit jenen, von deren Existenz er nie gewusst hatte. Trotz der Fülle war es sehr ordentlich und Yuugi staunte mit offenem Mund, während Atemu am Verkaufstresen mit der Frau ein paar Höflichkeiten austauschte. Offensichtlich kannten sie sich schon länger und als Yuugi seine Sprache wiedergefunden hatte und sich zu den beiden gesellte, erklärte Atemu, dass die Frau Fiona hieße und die beste Waffenhändlerin in ganz Frankreich sei, dass er seine Waffen bereits seit Jahren von ihr bezog und dass er gedachte, Yuugi heute seine erste Pistole zu kaufen. Fiona schenkte Yuugi zu diesen Worten ein freundliches Lächeln, welches so gar nicht zu den Waffen um sie herum passen wollte, sodass es Yuugi schwer fiel, dieses zu erwidern. Er zwang seine Mundwinkel trotzdem dazu, sich nach oben zu ziehen. „Nicht so schüchtern, ich verspreche auch, heute ausnahmsweise nicht zu beißen!“, versprach sie und berührte Yuugi kurz an der Schulter. Es war eher die Geste als die Worte, die Yuugi dazu brachte, tatsächlich ruhiger zu werden, auch, wenn er nicht wusste, wie sie das getan hatte. Irgendwie machte sie es ihm leicht, sich in ihrer Nähe zu entspannen. Während Yuugi noch diesen Gedanken nachhing, huschte Fiona bereits leise singend durch die Gänge ihres Lagers und suchte einige Waffen heraus, während sie dabei immer wieder innehielt und einen prüfenden Blick auf Yuugi warf – oder eine plötzliche Tanzeinlage zu ihrem gerade gesungenen Lied einlegte, in das sich der ein oder andere schiefe Ton mischte. Aber das machte sie Yuugi nur sympathischer. Atemu beobachtete das Ganze schmunzelnd. Er kannte sowohl die Gesangs- als auch die Tanzeinlagen der Waffenhändlerin und Yuugis‘ Reaktion auf selbige amüsierte ihn. Als Fiona zu den beiden zurückkehrte, hatte sie eine Auswahl an Waffen in einen Schuhkarton geworfen. „So, das sind alles recht neue Waffen, sehr leicht und keine von denen hat einen Drall oder sonst etwas, was man beachten müsste.“, erklärte sie und lud das Duo mit einer Handbewegung ein, ihr zu folgen, als sie eine Treppe hinter der Theke hinunterstieg. Es überraschte Yuugi nicht mehr, im Keller einen Schießstand vorzufinden – wohl aber, mit einem auffordernden Blick eine der Waffen in die Hand gedrückt zu bekommen. „Was?“, entfuhr es ihm, was Atemu zum Schmunzelte brachte und er legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Probier sie ruhig alle aus. Es geht nicht darum, wie gut du schießt, sondern darum, mit welcher Waffe du klar kommst.“, erklärte er. Zögerlich nickte Yuugi und nahm die Waffe mutiger in Hände. Aber bevor er dann schießen konnte, stoppte Atemu ihn erneut. „Yuugi, halt die Waffe grade und nicht so schief. Wir wissen, dass du noch nie geschossen hast, also musst du nicht versuchen, cool auszusehen. Halt die Waffe grade, hab einen sicheren Stand und versuch einfach nur, die Zielscheibe zu treffen.“, mahnte er ihn, ehe er sich etwas abseits neben Fiona stellte und Yuugi beim Schießen zusah. Es dauerte bestimmt eine Stunde, denn Yuugi probierte die Waffen nicht nur einmal aus. Allein, das Ergebnis blieb das Gleiche: Yuugis‘ Kugeln waren ein Stück zu weit rechts. Zwar hatte niemand erwartet, dass Yuugi gleich ins Schwarze traf, aber der Makel war dennoch nicht zu übersehen – und blieb auch, als Atemu und Fiona gleichermaßen Tipps zur Begradigung gaben. So ging Atemu die Kellertreppe noch einmal nach oben, ging zielstrebig an den Waffen vorbei, bis er fand, was er suchte und kehrte damit zu Yuugi zurück. Dass er schon häufig hier gewesen war und sich bestens auskannte, könnte nicht offensichtlicher sein. „Hier, probier die.“, sagte er zu Yuugi und hielt ihm eine vergleichsweise schwere, schwarze Waffe hin. Yuugi nahm sie, probierte sie aus – und der zweite Schuss traf ins Schwarze. Atemu grinste. Yuugi dagegen war mehr als erstaunt uns sah Atemu verblüfft an:„Wow, wie hab ich das gemacht?“ „Ganz einfach, wenn du schießt, dann mit Rechtsdrall. Das ist ein Colt M1911 – und er hat einen Linksdrall, das gleicht das aus. Es ist immer noch eine Halbautomatik, also solltest du keine Probleme haben.“ Yuugi nickte verblüfft. Mit einem Lächeln wandte Atemu sich an Fiona:„In Ordnung, wir nehmen die, plus Munition, und ich brauche noch eine Walther P99.“ Sie gingen zurück in den Verkaufsraum, Atemu kaufte eine ganze Menge Dinge und Yuugi sah stumm zu. Dann verließen sie den Friseursalon mit einer großen Tüte, mit dem Logo eines Bekleidungsgeschäfts darauf. Von da an änderte sich Yuugis‘ Tagesablauf. Morgens uns abends trieben sie nach wie vor Sport, vormittags lehrte Atemu ihn Selbstverteidigung, was sich ziemlich in die Länge zog. Entgegen Yuugis‘ Erwartungen ging es weniger darum, Schlagtechniken zu erlernen, nein, die gesamte erste Zeit verbrachte Yuugi damit, Grundhaltungen und Hinfallen zu lernen, ehe nach einer ganzen Weile erste Verteidigungstechniken hinzukamen. Die Nachmittage verbrachten sie in dem Friseursalon, wo Yuugi schießen lernte, etwas, was ihm Angst und Sicherheit gleichzeitig vermittelte. Es ging bereits auf Weihnachten zu, die Straßen und Schaufenster quollen über vor Weihnachtsdekoration, als ein Anruf das ruhige Leben der beiden beendete. Atemu sagte es Yuugi beim Abendessen, als er ihn über ein Glas Rotwein hinweg beobachtete. „Yuugi, ich habe einen Auftrag bekommen und ich werde ihn annehmen.“ Yuugi biss sich auf die Lippen und Atemu befürchtete schon, dass er etwas dagegen hätte, aber was Yuugi dann sagte, versetzte Atemu einen regelrechten Schock:„Ich möchte mitkommen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)