Kiss, kiss - bang, bang von Leuchtender_Mond (Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.) ================================================================================ Kapitel 14: Der Mond -------------------- Der Mond: Er symbolisiert das Dunkel und die Nacht – und damit unsere Ahnungen und Träume. Die können positiv sein, meist bleiben aber nur Ängste und Unsicherheit haften. Sie gilt es auf dem Weg zu neuen guten Erfahrungen zu überwinden. Oktober 2007, Paris, Frankreich Obwohl Atemu Yuugi sofort nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus hatte trainieren wollen, verschoben sie diese Pläne um eine Woche und genossen die sorgenfreie Zeit, die ihnen somit vergönnt war. Atemu telephonierte am Morgen nach seiner Entlassung mit Yuki, welche ihm berichtete, dass Sato-san den Auftragsmörder auf Atemu angesetzt hatte – eine Tat, für die Tsukasa-sama sie mit dem Tod bestraft hatte. Das verblüffte Atemu dann doch sehr, aber als Yuki ihm erklärte, dass Tsukasa-sama zwar nicht begeistert gewesen war, als sie ihm erklärt hatte, dass Atemu nicht länger für ihn arbeiten wolle, ihn aber dennoch noch nicht ganz aufgeben wollte, dämmerte ihm, dass dies eine Art Erpressungsversuch war, da er nun in der Schuld des Oyabun stand. Zögerlich vertraute er Yuki also an, dass er seinen Entschluss, auszutreten, noch einmal überdenken werde, was Yuugi, der dem Gespräch lauschte, mit einem Lächeln quittierte. Und auch Yuki hätte nicht erleichterter sein können und versprach, Tsukasa-sama sofort davon in Kenntnis zu setzen, sobald dieser von einer geschäftlichen Angelegenheit aus dem Ausland zurückgekehrt sei. Eine einzige unangenehme Sache also trübte bloß diese Woche und das war der Besuch auf der Polizeistation, auf den Atemu bestanden hatte, gleichwohl es Yuugi entsetzte und ängstigte. Aber Atemu erklärte ernsthaft, dass jeder normale, unschuldige Mensch, der angeschossen worden war, sich dafür interessieren würde, ob man den Täter fassen würde, weswegen es wichtig war, dass er die Polizei fragte, wenn er bei dieser einen unschuldigen Eindruck hinterlassen wolle. Zähneknirschend hatte Yuugi zugestimmt, hatte aber dennoch vor der Wache gewartet und es nicht gewagt, Atemu bis mit hinein zu begleiten. Letzen Endes war Atemu trotz seiner anfänglichen Enttäuschung über Yuugis‘ Fernbleiben aber froh darüber, denn das Treffen mit den Polizisten wurde kein Zuckerschlecken. Sie hatten ihn immer noch im Verdacht, mehr über den Angriff auf sich zu wissen als er zugab, auch, wenn sie dies weder beweisen konnten, noch den Angreifer kannten. Das allerdings hinderte sie nicht daran, ihm zu drohen. Atemu zeigte sich gebührend eingeschüchtert, auch, wenn ihn die Drohgebärden wenig beeindruckten. Im Grunde genommen war es Atemu herzlich egal, ob sie den Auftragsmörder, den Sato-san geschickt hatte, finden würden oder nicht. Da Sato-san tot war, würde er es nicht noch einmal versuchen, da es bedeuten würde, ein unnötiges Risiko einzugehen, ohne dafür bezahlt zu werden. Und Atemu war Profi genug, um den Angriff nicht persönlich zu nehmen. Es war nur ein Job gewesen. Er glaubte nicht, dass die Polizei den Mann finden würde, ebenso wenig wie sie ihm selbst auf die Schliche kommen würden. Recht genervt verließ er eine halbe Stunde später das Polizeirevier, vor welchem Yuugi sich auf die Treppenstufen gesetzt hatte und unruhig zur Tür schaute. In dem Augenblick, da Atemu heraustrat, breitet sich aber ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er kam Atemu entgegen, der ihm in einer beruhigenden Geste die Hand auf die Schulter legte. Zu solchen Berührungen kam es in letzter Zeit häufiger und Yuugi wurde sich seiner Sache immer sicherer, aber es fehlte ihm schlichtweg der Mut, Atemu darauf anzusprechen. Also umtanzten sie einander wie Katz und Maus ohne dass etwas geschehen würde. Es war eine Erleichterung, diesen Besuch bei der Polizei hinter sich zu wissen. Dementsprechend leicht waren ihre Schritte, als sie die überfüllte Rue de Rivoli entlang schritten und schließlich den Jardin des Tuileries betraten, in dem sie sich schon häufiger aufgehalten hatten. Bei der Größe des Parks dauerte es eine Weile, ehe die Seine in Sicht kam. Yuugi wollte sich sogleich in den Schatten eines Baumes setzen, aber Atemu hielt ihn mit einem verschlagenen Lächeln auf den Lippen davon ab. Er zog seine Jacke aus, legte sie auf den Boden unter dem Baum und setzte sich darauf. Aus dieser Position schaffte er es irgendwie, obgleich er, dadurch dass er saß und Yuugi stand, mehrere Köpfe kleiner war als Yuugi, ihn von oben herab anzugrinsen. „Du wolltest, dass ich dich ausbilde. Aber damit du dich verteidigen kannst, musst du als erstes ausreichend Kondition haben. Also schlage ich vor, dass du bis zu der Statue dort hinten läufst und dann wieder zurück. Das Ganze machst du… sagen wir zehn Mal.“, erklärte er mit einem äußerst sadistischen Lächeln. Yuugi starrte entsetzt zu der Statue hinüber, die so weit weg war, dass sie nur als weißer Schemen in der Ferne auszumachen war. „Was? Aber ich habe keine Sportkleidung an!“, protestierte er. Er hatte zwar Training gewollt, aber doch kein so hartes und das gleich am Anfang! Aber diesen Einwand ließ Atemu, der sich gemütlich unter dem Baum räkelte, nicht durchgehen:„Du hast gar keine Sportkleidung, also macht es keinen Unterschied. Und da unsere Wohnung eine Waschmaschine hat, ist das gar kein Problem. Los, lauf!“ Yuugi schnaubte – aber er lief los. Die ersten beiden Runden waren auch noch kein Thema, aber als Yuugi zum dritten Mal zu Atemu zurückkehrte hatte er bereits einen hochroten Kopf und sein Atem ging um einiges schneller. Atemu lächelte ihm nur faul zu:„Schön weiterlaufen.“ Yuugi presste die Lippen zusammen, aber er lief tapfer weiter. Als er beim nächsten Mal wiederkam, kaute Atemu auf einem Grashalm herum, warf Yuugi nur einen kurzen Blick zu und kommentierte:„Schneller.“ Yuugi, dem der Schweiß übers Gesicht lief, hielt an und grummelte:„Du liegst auch nur faul herum!“ Atemu zog eine Augenbraue hoch:„Ja, ich wurde angeschossen, ich darf mich nicht anstrengen. Glaub mir, ich würde lieber mit dir laufen. Also los, du hast noch sechs Runden.“ Leider konnte Yuugi dem nicht widersprechen, also lief er weiter, allerdings schaffte er es nicht wirklich, schneller zu laufen. Atemu bemerkte es auch und als Yuugi zum fünften Mal wiederkehrte, die Hälfte also hinter sich hatte, aber keuchte wie eine Dampflock und ein so rotes Gesicht hatte, dass er wirkte wie eine überreife Tomate mit einem schlimmen Sonnenbrand, richtete Atemu sich leicht besorgt auf. Er hatte ja gewusst, dass Yuugi, da dieser immer nur mit Lernen beschäftigt gewesen war und niemals Sport betrieben hatte, keine Kondition hatte, aber scheinbar stand es noch schlimmer um besagte Kondition, als er geglaubt hatte. Also hinderte er ihn am Weiterlaufen und rief mit sanfter Stimme seinen Namen:„Yuugi. Komm, gib mir deine Hand.“ Erschöpft nach Atem ringend blieb Yuugi vor Atemu stehen und streckte ihm seine Hand hin. Mit einem geübten Griff umfasste Atemu das dargebotene Handgelenk und maß den Puls. Er zählte hundertsiebenundneunzig Schläge, was Grund genug für ihn war, den Kopf zu schütteln und Yuugi mitzuteilen, dass er erst einmal eine Pause machen solle. Yuugi war zu erschöpft, um seine Freude darüber kundzutun, er wollte sich einfach nur noch ins Gras sinken lassen und nichts tun, aber dazu ließ Atemu es nicht kommen. „Nein! Setz dich nicht hin, gehe ein bisschen auf und ab, bis dein Puls sich beruhigt hat.“, wies er Yuugi an, der entsetzt zurückstarrte:„Was? Atemu, ich kann nicht mehr!“ Der Angesprochene nickte ruhig. „Ja, ich weiß. Aber wenn du dich jetzt hinsetzt, riskierst du einen Kreislaufzusammenbruch. Also bitte warte noch ein wenig.“ Dies immerhin sah Yuugi ein, sodass er dessen Rat befolgte und unschlüssig ein wenig auf und ab ging, bis der Schwindel nachließ und seine Beine sich nicht mehr anfühlten, als bestünden sie aus Pudding. Dann ließ er sich neben Atemu fallen, der ihn mit einem mitleidigen Lächeln bedachte und ihm eine bereits geöffnete Wasserflasche hinhielt. Dankbar ergriff Yuugi sie und trank in großen Schlucken und so durstig, dass das Wasser über sein Kinn rann. Es war ihm herzlich egal. Dann endlich fühlte er sich besser und reichte die Flasche zurück an Atemu. Während dieser sie verstaute bemerkte er kopfschüttelnd:„Deine Kondition ist noch schlechter, als ich gedacht hatte, Yuugi.“ Yuugi seufzte:„Ich kam ja nie zum Sport! Ich musste doch für die Schule lernen, meine Eltern wollte es so…“ Sein Blick glitt in die Ferne. Nachdenklich musterte Atemu ihn. „Vermisst du sie?“, fragte er leise. Der Blick, den er daraufhin als Antwort erhielt, erstaunte Atemu ebenso sehr wie die Antwort. „Nein… nein eigentlich nicht. Meine Eltern waren beinahe wie Fremde für mich und … oh Gott, es ist herzlos, das zu sagen, aber ich vermisse sie nicht. Ich vermisse meine Freunde… aber nicht meine Eltern.“ Atemu blinzelte leicht verwirrt. Obgleich er selbst niemals ein gutes Verhältnis zu seinem Vater gehabt hatte und seine Mutter gar nicht kannte, so wusste er doch, dass er damit ein Einzelfall war. Das war ein wenig überraschend, aber wenn er daran dachte, was er über Yuugi gelesen hatte, dann machte es durchaus Sinn, dass er sich von seinen Eltern eingeengt gefühlt hatte. „Du wolltest also nicht in dein altes Leben zurück?“, fragte er verblüfft. Yuugi legte den Kopf schräg und beobachtete einen Vogel dabei, wie er in der Erde herum pickte, in dem hartnäckigen Versuch, einen Wurm zu erwischen. „Nicht unbedingt. Es geht mir eigentlich recht gut hier, ich bin viel freier. Ich vermisse eben nur meine Freunde…“, erklärte er langsam und wirkte dabei ganz so, als würde ihm das jetzt erst bewusst werden – und als würde diese Erkenntnis ihn überraschen. Überrascht war in jedem Fall auch Atemu, der zwar gewusst hatte, dass Yuugi vernünftig genug war, um bei ihm zu bleiben, aber nicht, dass er dies sogar gerne tat. Er räusperte sich:„Wenn genug Zeit verstrichen ist, kannst du ja wieder mit ihnen sprechen.“, versprach er aufmunternd. Yuugi lächelte, aber als Atemu ihn dann darauf aufmerksam machte, dass er nun ja weiter laufen könne, verschwand das Lächeln und machte einem höchst verdrießlichen Gesichtsausdruck Platz. Es kam Yuugi wie eine halbe Ewigkeit vor, die Atemu ihn laufen ließ, und als er grade glaubte, es wäre vorbei und er hätte es hinter sich, da verlangte Atemu Liegestützen und Klimmzüge, die Yuugi an den Rand der Verzweiflung trieben, sodass er regelrecht erleichtert war, als Atemu befand, er könne noch ein paar Runden laufen. Als der Tag zu Ende ging verfluchte ein auf der kleinen Couch in ihrer Wohnung liegender Yuugi sich selbst für den Wunsch, Kampfsport erlernen zu wollen. Einzig die Tatsache, dass Atemu sich in der Küche befand um zu Kochen und er somit hätte aufstehen müssen, wenn er mit ihm reden wollte, hinderte ihn daran, seinem Lehrer mitzuteilen, dass er seinen Entschluss rückgängig machen wollte. Am nächsten Morgen verfluchte er nicht mehr sich selbst, sondern viel mehr Atemu, der ihm einen Muskelkater in Armen, Beinen und Bauch verschafft hatte, sodass Yuugis‘ Bewegung einer gewissen Komik nicht entbehrten. Doch Atemu verkniff sich sein Grinsen wohlweislich, als er Yuugis‘ Gesichtsausdruck sah. Mit vorsichtigen und ungelenken Bewegungen ließ Yuugi sich an den Küchentisch fallen und jaulte leise, weil seine Beinmuskeln diese Bewegung offenbar nicht mochten. Atemu stand auf um den Tisch zu decken und vor allem, um sein Grinsen vor Yuugi zu verbergen. Und obwohl dieser protestierte, ließ Atemu ihn auch heute wieder Sport betreiben. Gegen Mittag schrie Yuugi Atemu lautstark an und verließ grollend den Park, eine halbe Stunde später war er aber wieder da. Atemu saß seelenruhig im Park und hatte auf ihn gewartet. Bei Yuugis‘ Erscheinen lächelte er kurz, ehe er erneut Anweisungen gab, die von Yuugi mit zusammengepressten Lippen befolgt wurden. Nach wenigen Tagen war Yuugis‘ Muskelkater verschwunden und als er bemerkte, dass sich seine Kondition tatsächlich verbesserte, begann er auch, Spaß an der Sache zu haben. Nach einer Woche beschloss Atemu, dass Yuugi eventuell doch Sportkleidung benötigte und als sie in einem Geschäft fündig geworden waren, kaufte Atemu sich selbst gleich auch welche. Mitte Oktober kam er dann zu dem Schluss, dass er langsam wieder beginnen könnte, Sport zu machen und von da an musste Yuugi nicht mehr im Kreis laufen sondern joggte in aller Herrgottsfrüher und bei Sonnenuntergang noch einmal mit Atemu an der Seine entlang. Besonders das Joggen morgens bereitete Yuugi trotz der Kälte großes Vergnügen und als der Oktober in den November überging und Atemu mittlerweile auch wieder dazu in der Lage war, Liegestützen und ähnliches zu machen und damit Yuugi einen Minderwertigkeitskomplex bescherte, als dieser sah, wie nahezu perfekt Atemu alle diese Übungen beherrschte, begann Atemu Yuugi erste Techniken in Selbstverteidigung beizubringen. Yuugi war furchtbar aufgeregt an dem Nachmittag, als Atemu erklärte, er werde nun mit der eigentlichen Ausbildung in Selbstverteidigung beginnen. Dass Atemu erläuterte, die erste Übung sei gleichzeitig auch die wichtigste, steigerte diese Aufregung nur noch. Umso größer war die Enttäuschung, als Atemu ihm endlich sagte, was diese überaus wichtige Technik sei: Hinfallen. „Das kann ich schon lange.“, grummelte Yuugi unzufrieden und ließ sich demonstrativ auf den Hintern plumpsen. Atemu schüttelte den Kopf, auf seinen Zügen lag wieder dieses nachsichtige Lächeln, durch welches Yuugi sich stets wie ein Kleinkind behandelt fühlte. „Schau.“, erklärte Atemu, „Wenn du hinfällst, dann musst du vorsichtig sein, wenn du rücklings fällst, darfst du nicht mit dem Steißbein, Rücken oder Kopf aufkommen, wenn du vorwärts fällst, musst du schnell wieder aufstehen können. Wenn du von einer Höhe stürzt, darfst du dich nicht verletzen, wenn du aufkommst. Wenn du, von wo auch immer fällst, darf das nicht bedeuten, dass du geschlagen bist – du darfst dich bei dem Sturz nicht verletzen, du musst sofort wieder hochkommen können. Verstehst du?“ Yuugi nickte langsam, es klang logisch und auch, wenn er sich etwas Spektakuläreres erwartet hatte, so schien dies doch etwas wirklich Nützliches zu sein. Also begannen sie mit dem Training und Yuugi musste feststellen, dass es schwieriger war, als er gedacht hatte. Wenn Atemu es Yuugi vorführte, wirkte das Ganze sehr gekonnt und elegant, aber Yuugi hatte den Eindruck, als mache er selbst sich grade furchtbar zum Idioten. Yoko-Ukemi, also das rücklings Hinfallen klappte meistens, aber O-chuga-eri, was bedeutete, vorwärts zu fallen und im Anschluss gleich wieder aufzustehen, war schwieriger und nachdem Yuugi sich zweimal den Kopf so heftig angestoßen hatte, dass sie eine Pause hatten einlegen müssen, weil er vor Kopfschmerzen nur noch Sterne vor Augen sah, änderte Atemu seine Technik und führte Yuugis‘ Bewegungen. Yuugi wurde furchtbar rot, als er Atemus‘ Hände auf den seinen spürte und sein Rücken gegen Atemus‘ Brust gelehnt war. Allerdings sah Atemu das Ganze sehr professionell und leitete Yuugi nur so weit an, wie es unbedingt nötig war. Und in der Tat klappte es so nach kurzer Zeit recht gut, auch, wenn Yuugi sich noch nicht traute, von irgendwo herunterzuspringen – aber das verlangte Atemu am ersten Tag auch noch nicht. Er ließ Yuugi nur wiederholen, was er bisher erlernt hatte, aber er hörte schon relativ früh auf, denn aus eigener Erfahrung wusste er, dass einem bei dieser Übung sehr schnell schwindlig werden konnte. Also aßen sie in ihrer kleinen Wohnung zu Abend, Ravioli aus der Dose, dann gingen sie wie immer gemeinsam joggen. Obwohl Atemu so lange verletzt gewesen war, konnte es Yuugi immer noch nicht mit ihm aufnehmen, sodass es vorkam, dass Atemu ein Stück vorauslief, dann aber immer auf Yuugi wartete und sie gemeinsam weiterliefen. Auf der Pont du Carrousel verlor Yuugi Atemu aus den Augen, aber er machte sich keine Gedanken darüber, lief ihre gewohnte Strecke einfach weiter und hielt nach Atemu Ausschau, der sicherlich irgendwo grinsend und ohne die geringsten Anzeichen von Erschöpfung auf ihn wartete. Doch er sah ihn nirgends. Als er schließlich in ihrer Wohnung ankam, war Atemu nicht da. Das erstaunte Yuugi zwar, aber er dachte sich nichts weiter dabei, vielleicht hatte Atemu beschlossen, heute eine längere Route zu nehmen, da seine Gesundheit wieder vollständig hergestellt war. Also setzte Yuugi sich vor den Fernseher und wartete. Aber Stunden später war Atemu immer noch nicht eingetroffen und Yuugi begann, sich zu Sorgen. Er holte seine Jacke hervor und ging die Straßen ab, die sie entlanggelaufen waren, aber er war nirgendwo. Yuugis‘ Blick suchte alle Ecken ab und er musste mehr Glück als Verstand gehabt haben, als er Atemus‘ Handy fand. Er nahm es auf, aber es lieferte ihm keine Hinweise, natürlich nicht. Aber ihm begann zu dämmern, dass dieses ein größeres Problem war, als das Atemu vielleicht etwas Verdächtiges gesehen hatte. Höchst beunruhigt ging er nach Hause, er fand keine weiteren Hinweise, aber damit hatte er auch nicht gerechnet. Fieberhaft überlegte er, was er tun könnte, aber ihm fiel nichts ein. Zur Polizei konnte er unmöglich gehen, denn sie hatten schon genug Schwierigkeiten, auch ohne, dass er versuchte, sich irgendeine haarsträubende Geschichte für Atemu auszudenken. Er kannte auch niemanden, den er kontaktieren könnte… Er schlief schlecht, in dieser Nacht. Am nächsten Morgen sprang er auf und hastete in Atemus‘ Zimmer in der Hoffnung, er könne in der Nacht zurückgekehrt sein, doch Atemus‘ Laken waren unbenutzt und das Zimmer leer. Er rannte durch alle Zimmer der Wohnung, aber er war nirgendwo. Verzweifelnd seufzend sank Yuugi am Küchentisch nieder und verbarg das Gesicht in Händen. Was sollte er nur ohne Atemu tun? Er war vollkommen auf sich alleine gestellt und dabei hatte er doch keine Ahnung. Ein Geräusch weckte seine Aufmerksamkeit. Eine Sekunde hob er verwirrt den Kopf, ehe ihm aufging, was das für ein Geräusch war. Es war ein protestierender Handyakku. Natürlich! Er hatte ja noch Atemus‘ Handy und darin war die Nummer von seiner Tante eingespeichert! Sie könnte er anrufen. Schnell sprang er auf und fand Atemus‘ Handy auf dem Sofa. Der Akku blinkte und Yuugi lief weiter in Atemus‘ Zimmer, wo er das Ladegerät für das Handy suchte. Als er es gefunden hatte, sprintete er zurück ins Wohnzimmer. Das Handy war still. Schnell schloss Yuugi das Handy an das Ladegerät an, aber als er es dann einschalten wollte, verlangte das Handy den Pincode. Yuugi fluchte, denn den kannte er nicht. Jetzt war er wirklich alleine. Er verbrachte einen sehr unruhigen Tag, indem er die meiste Zeit rastlos wie ein Tiger in einem Käfig auf und ab lief, aber es geschah nichts, weder zum Guten, noch zum Schlechten. Am nächsten Morgen zwang Yuugi sich dazu, joggen zu gehen und anschließend seinen gesamten Tagesablauf, wie er ihn mit Atemu gehabt hatte, zu imitieren. Er hegte in seinem Hinterkopf immer noch die Hoffnung, dass Atemu vielleicht nur hatte abtauchen müssen und das er sich umsonst so sehr sorgte und er deswegen nicht so nervös sein sollte. Wenn Atemu zurückkam – und das würde er bestimmt! Schon morgen! – dann würde er doch sicherlich erwarten, dass Yuugi mit dem Training nicht aufgehört hatte. Also trainierte Yuugi weiter, aber mit jedem Tag, der verging, wurde er verzweifelter. Yuugi verbrachte eine ganze Woche in dieser Ungewissheit. Die Bäume hatten ihre Blätter verloren und allmorgendlich bedeckte Raureif den Boden. Yuugi fühlte sich genauso trist wie die Landschaft es war. Aber dann, eine Woche nach Atemus‘ plötzlichem Verschwinden, als Yuugi grade vom Sport nach Hause kam, sah er, dass die Türe weit offen stand. Er konnte Schritte im Inneren hören. Yuugis‘ Herz setzte einen Schlag aus. Jemand war in seine Wohnung eingebrochen. Die Gedanken, die er die ganze Woche über verdrängt hatte, stürzten plötzlich und mit entsetzlicher Intensität über ihn herein. Jemand musste Atemu angegriffen haben – und Atemu hatte nicht überlebt. Und jetzt waren sie hier und wollten ihn auch töten. Yuugi atmete viel zu schnell, sein Herz pochte schmerzhaft in seiner Brust und das Blut rauschte in seinen Ohren. Panik ergriff Besitz von ihm und er konnte nicht klar denken, konnte sich nicht rühren. Es schien ihm unendlich lange zu dauern, ehe er es schaffte, sich zu rühren, aber als er das tat, da waren seine Schritte viel zu laut in seinen Ohren. Und wohl nicht nur in seinen Ohren. Der Mörder aus der Wohnung hatte sie auch gehört – und er kam auf ihn zu. Yuugi schrie auf, wirbelte auf dem Absatz herum und floh. Aber er kam nur drei Schritte weit, dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter, die ihn ruckartig herumdrehte. Yuugis‘ Knie wurden weich und entsetzt starrte er in das Gesicht über ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)