Kiss, kiss - bang, bang von Leuchtender_Mond (Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.) ================================================================================ Kapitel 12: Die Gerechtigkeit ----------------------------- Die Gerechtigkeit: Das heißt nicht nur, dass wir unser Recht bekommen, sondern auch, dass wir mit den Folgen unserer Taten konfrontiert werden. Die Karte steht für Fairness und Gleichgewicht der Kräfte. Juli 2007, Paris, Frankreich Das Café war klein, aber überfüllt mit Touristen. Entsprechend lange dauerte es, ehe sie ihren Café auch vor sich hatten und Yuugi beobachtete amüsiert, wie Taoka-sama ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippte. „Sind Sie ohne Kaffee überhaupt überlebensfähig?“, fragte er amüsiert und erhielt ein Grinsen zur Antwort. Dann aber wurde Taoka-samas Miene todernst als er sagte:„Nein. Nicht eine Minute.“ Yuugi kicherte:„Das sollte ich mir wohl merken.“ Amüsiert zog Taoka-sama die Augenbrauen in die Höhe:„Ach ja? Sollte ich mich vor dir in Acht nehmen müssen?“ „Nun, Sie haben mir die Waffe gegeben…“, erklärte Yuugi, immer noch grinsend. „Und wie gut können Sie mit der umgehen?“, fragte Atemu forsch, was das Lächeln von Yuugis‘ Gesicht wischte:„Gar nicht – würden Sie es mir beibringen?“ Dieses Mal war Atemus‘ Überraschung echt, aber als er anhob zu sprechen kam der lang ersehnte Kellner mit zwei Café au Lait. „Merci beaucoup.“, sagte Taoka-sama zu dem Kellner und klang dabei so steif, dass die Ironie kaum zu überhören war und der Kellner fluchtartig den Tisch verließ um zum nächsten Gast zu gehen. Yuugi schüttelte lächelnd den Kopf, ehe er die Tasse an seine Lippen führte – nur um sie fluchend Sekunden später zurück auf den Tisch zu stellen. „Heiß.“, erklärte er dem fragend schauenden Taoka-sama. Aber dann brachte er das Gespräch wieder zurück auf die Waffe:„Werden Sie mir nun beibringen, mit der Waffe umzugehen?“ Taoka-sama nahm einen tiefen Schluck des Kaffees, scheinbar ohne sich an der Hitze zu stören, ehe er bedächtig antwortete:„Nein.“ „Warum nicht?“, begehrte Yuugi auf. Taoka-sama maß ihn mit einem langen Blick, so lang, dass Yuugi sich unwohl unter diesem Blick zu fühlen begann. Unter Kopfschütteln erklärte Atemu dann langsam:„Aus dem gleichen Grund, aus dem ich dich nicht getötet habe.“ Yuugi schwieg. Und Taoka-sama verzog den Mund, weil er lieber italienischen Kaffee getrunken hätte. „Also, was haben Sie sich gedacht, wie es weitergeht?“, fragte Yuugi mit schläfriger Stimme, während er zur Sonne hochblinzelte. Es war eine Woche später, die beiden saßen schon wieder an der Seine, aber in der brütenden Mittaghitze blieb die erhoffte Kühlung vom Fluss her aus, wenn man nicht grade hereinsprang. Und dazu fühlten sich die beiden nicht verleitet. Die Hitze machte allerdings vor allem Yuugi zu schaffen, der davon ganz schläfrig wurde und zu dieser Zeit meist nur faul und müde irgendwo herumlag, während Taoka-sama mit einem nachsichtigen Lächeln daneben saß. In der vergangenen Woche hatten sie Taoka-samas Beruf mit keinem weiteren Wort mehr erwähnt, auch nicht die Waffe, die nach wie vor in Yuugis‘ Koffer lag. Sie teilten immer noch ein Zimmer, wechselten sich aber darin ab, auf der Couch und im Bett zu schlafen. Die Woche hatten sie, ähnlich wie in Rom, damit verbracht, sich die Stadt anzusehen, wobei Yuugi allerdings von dieser Stadt nicht annähernd so begeistert war wie von Rom – was wohl daran lag, dass Taoka-sama Rom Paris einfach vorzog und da Taoka-sama erneut den Reiseleiter gespielt hatte, hatte sich dieses Gefühl wohl auf Yuugi übertragen. Aber es war Mittag und zu dieser Zeit bekam Taoka-sama Yuugi nicht einmal unter Androhung von Waffengewalt (nicht, dass er es versucht hätte) dazu, etwas anderes zu tun, als faul im Gras zu liegen. So hatten sie etwas Obst erstanden und sich mit selbigen ins Gras gesetzt um abzuwarten, bis die Hitze vorüber war. Sie waren nicht die einzigen, die auf diese Idee gekommen waren, viele Menschen saßen um sie herum im Gras und fächelten sich mit allen Mitteln Luft zu. Die vielen Menschen störten sie allerdings wenig, denn es waren keine Japaner darunter, sodass sie, solange sie sich in ihrer Landessprache unterhielten, auch brisante Themen anschneiden konnten, ohne, dass jemand sie verstand. Taoka-sama ließ sich neben Yuugi ins Gras sinken und kaute an einer Pflaume herum, während er langsam antwortete:„Wir warten.“ Yuugis‘ Müdigkeit erwies sich als ansteckend. „Wir warten immer.“, grummelte Yuugi unzufrieden, „Wir könnten stattdessen einmal etwas nützliches tun!“ „An was denkst du dabei?“, fragte Taoka-sama ohne echtes Interesse in der Stimme. Solange es so heiß war, würden sie ohnehin nichts tun. Aber bei Yuugis‘ Antwort klang dessen Stimme nicht mehr ganz so schläfrig sondern eifrig:„Sie könnten mir beibringen, mit der Pistole umzugehen! Sie haben selbst gesagt, dass Sie abwarten wollen, ob es noch weitere Verfolger gibt, aber wenn es nun welche gäbe, dann wäre es doch besser, wenn ich mich verteidigen könnte und Ihnen kein Klotz am Bein wäre!“, argumentierte er mit zunehmender Leidenschaft. Taoka-sama stieß laut die Luft aus und musterte Yuugi abschätzig. „Das Thema hatten wir. Und meine Meinung hat sich nicht geändert. Ich bin bisher auch so ganz gut zurechtgekommen und wüsste nicht, weshalb ich daran etwas ändern sollte.“ Yuugi gab ein gefrustetes Seufzen von sich. Was musste der Kerl auch so ein Starrkopf sein?! Yuugi hatte noch nie erlebt, dass er in irgendeinem Punkt nachgegeben hätte, immer machte er die Regeln und erwartete, dass Yuugi sich ohne weiteres daran hielt. Was Yuugi allmählich ziemlich störte. „Wie viele Beziehungen hatten Sie in ihrem Leben?“, fragte er mürrisch während er Taoka-sama trotzig die Kirschen aus der Hand klaubte um sie dann langsam Stück um Stück von den Stängeln abzubeißen und zu essen, die Kirschkerne spuckte er soweit er konnte fort. „Keine, nur One-Night-Stands.“, erwiderte Taoka-sama ruhig, was Yuugi zur nächsten Frage führte:“Und wie viele Freunde hatten Sie je?“ „Keine.“, erwiderte Taoka-sama als sei dies die größte Selbstverständlichkeit auf Erden:„Man ist besser beraten, sich nur auf sich selbst zu verlassen.“ Yuugi spuckte den letzten Kirschkern in Richtung des Älteren, wozu er sich bäuchlings drehte und aus dieser Position Taoka-sama mitleidig ansah:„Sie tun mir leid.“ „Schwachsinn!“, sagte dieser heftig, „Ich will dein Mitleid nicht und abgesehen davon ist es auch völlig überflüssig!“ Mit diesen Worten wandte er den Blick ab und starrte stur in den wolkenfreien Himmel. Yuugi seufzte erneut. „Sie machen es einem ja auch nicht grade leicht, es in Ihrer Gegenwart auszuhalten.“, sagte er leise. Auf diese Worte folgten einige Minuten des Schweigens, Yuugi bekam schon ein schlechtes Gewissen, denn diese Aussage resultierte nur aus seinem Ärger, in Wahrheit fühlte er sich eigentlich immer sehr wohl in der Gegenwart des anderen. Hatte er ihn nun verärgert? Aber dann fragte Taoka-sama kaum hörbar:„Was?“ Zugegebenermaßen war Yuugi überrascht, überhaupt eine Reaktion zu bekommen und so stotterte er sich eine Antwort zusammen:„Na ja… es ist schwer, mit ihnen zu reden, ohne sich unterlegen zu fühlen.“ Taoka-sama schien es überraschender zu finden, dass Yuugi diese Aussage überhaupt machte, als den Inhalt selbiger. „Ich bin dir überlegen, Yuugi.“, erwiderte er in dem Ton, in dem Eltern ihren Kindern zum fünften Mal erklären, dass die Herdplatte heiß ist. „Zum Glück sind Sie so bescheiden…“, spöttelte Yuugi. Taoka-sama setzte sich auf um Yuugi in die Augen zu sehen. „Damit hat das nichts zu tun, Yuugi. Aber dies ist mein Metier, ich kenne mich wesentlich besser aus als du, wenn es darum geht, sich gegen Auftragsmörder zur Wehr zur setzen. In diesem Punkt bin ich dir überlegen, da ist jede Diskussion überflüssig.“ „Das ist richtig, aber Sie bestimmen hier über mein Leben. Ich habe ein Recht, selbst darüber zu bestimmen – oder zumindest habe ich ein Mitspracherecht, wenn Sie schon mehr Ahnung haben.“, versuchte Yuugi es. Langsam neigte Taoka-sama den Kopf:„Also gut.“ Yuugi lächelte erfreut: Das ging leichter als er gedacht hatte. „Heißt das, ich darf Sie duzen?“ Eine Sekunde lang sah es so aus, als wolle Taoka-sama den Kopf in den Nacken legen und laut lachen, aber dazu besaß er dann doch zu viel Selbstbeherrschung, sodass er lediglich schmunzelte. Yuugi bedauerte das, er hatte sein Gegenüber noch nie Lachen hören. Aber die Antwort Taoka-samas machte das mehr als wett:„Ich habe mich schon gefragt, weshalb du das nicht schon lange tust.“ ~*~*~*~ Atemu spielte gereizt mit dem Kaffeelöffel herum. Er hatte sich gleich drei Tassen aufs Hotelzimmer kommen lassen während Yuugi grade duschte. Er hörte ihn in der Dusche nebenan, während er die zweite Tasse leerte. Das Gespräch an der Seine lag eine Woche zurück und er hatte festgestellt, dass es sehr angenehm war, von Yuugi mit seinem Vornamen angesprochen zu werden. Immerhin war er mit Ausnahme seiner Tante der einzige Mensch, der das noch tat. Jedes Mal, wenn Yuugi der Name über die Lippen kam – was zugegebenermaßen selten war und wenn, dann so schüchtern, als fürchte er, Atemu könne ihn dafür auffressen – wurde Atemu ganz warm. Aber etwas störte Atemu immer noch, etwas, dass ihn seine Freude über die neue Vertrautheit mit Yuugi hintenan stellen ließ. Seit er so viel Zeit mit Yuugi verbrachte, blickte er nur noch selten auf sein Handy, sodass er erst mit drei Tagen Verspätung bemerkte hatte, dass er einen Anruf verpasst hatte – nun ja, mittlerweile sieben verpasste Anrufe, aber alle von derselben Nummer. Er kannte die Inhaberin dieser Nummer, sie hatten mehrfach Geschäfte miteinander abgeschlossen – hieß, Atemu hatte mehrfach Menschen für sie getötet. Sie war eine japanische Geschäftsfrau namens Hina Sato und Atemu wusste ohnehin nicht, wie er noch weitere Konkurrenten für sie aus dem Weg räumen sollte, ohne, dass das auffiel. An sich wäre es nicht so schlimm gewesen, dass er ihr nicht sofort antwortete, was ihm eher Sorge bereitete, war, dass sich auch seine Tante schon bei ihm gemeldet hatte. Sie hatte ihm auf die Mailbox gesprochen und dezent darauf aufmerksam gemacht, dass er sich schnell um diesen Auftrag kümmern solle, wenn er nicht noch mehr Ärger bekommen wolle. Aber Atemu tat nichts. Immer, wenn er daran dachte, was er würde tun müssen, musste er an Yuugi denken und an das Entsetzen, was er in seinen Augen gesehen hatte, als er ihm von seinem Leben berichtet hatte. Atemu trank die dritte Tasse Kaffee in einem Zug aus. Aus dem Badezimmer erklang das Geräusch des Föns. Und das vor Atemu liegende Handy begann zu klingeln. Atemu starrte es an als käme es von einem anderen Stern. Erneut die Geschäftsfrau. Atemu wusste, dass er den Anruf beantworten sollte. Aber es fiel ihm so schwer. Nebenan hörte er Yuugi leise singen, irgendeinen Ohrwurm. Mit einem tauben Gefühl in den Fingern nahm Atemu den Anruf an und hielt sich den Hörer ans Ohr:„Ja?“ „Ich habe einen Auftrag für Sie.“ „Dafür habe ich im Augenblick keine Zeit.“ „Ja, das merke ich. Deswegen sollten Sie sich Zeit nehmen.“ „Das ist unmöglich.“, lehnte Atemu entschieden ab, doch davon hatte er wohl nichts mehr, denn die Antwort kam schnippisch zurück:„Ich melde mich bei Ihrem Oyabun!“ Dann war die Leitung tot. Atemu fluchte. Aber im nächsten Augenblick lächelte er schon wieder, denn Yuugi betrat den Raum. Das ungute Gefühl wurde er trotzdem nicht los. Drei Tage später hatte Atemu sich endlich dazu durchgerungen, seine Tante Yuki anzurufen. Yuugi war solange nach einem passenden Mittagessen suchen. Diese freie Zeit also hatte Atemu dazu genutzt, sich an ein schattiges Plätzchen zu suchen und die einzige Nummer, die in seinem Handy eingespeichert war, zu wählen. Es dauerte auch nicht lange, ehe sein Anruf beantwortet wurde. Die Stimme seiner Tante klang gehetzt, aber auch erleichtert, als sie seine Stimme hörte. Eigentlich erübrigten sich damit schon seine Fragen, denn die Stimme seiner Tante gab ihm Auskunft genug. Er zwang sich dennoch, mit ihr zu sprechen. „Yuki.“ „Atemu! Endlich meldest du dich! Was ist denn los bei dir, ich hab seit einer Ewigkeit nichts mehr von dir gehört und nun so etwas! Sag mal, hast du den Verstand verloren?! Nimm diesen Auftrag an, du hast riesigen Ärger am Hals, wenn du es nicht tust! Tsukasa-sama tobt vor Wut! Sato-san lässt nicht locker und wenn du nicht bald etwas unternimmst hast du ernsthafte Schwierigkeiten!!“ Seine Tante seufzte tief, ehe sie mit ruhigerer Stimme weitersprach:„Und, wie geht es dir?“ Atemu lachte leise, auch, wenn an der Situation eigentlich nichts Witziges zu finden war. Wenn Tsukasa-sama – also der aktuelle Oyabun der Yamaguchi-gumi – wütend auf ihn war, dann hatte er Grund zur Sorge. „Eigentlich geht es mir gut. Bis auf diese Sache… Ich werde den Auftrag nicht annehmen.“, erklärte er bestimmt und beobachtete, wie Yuugi versuchte, einen der Straßenhändler abzuwimmeln, der mit bunten Perlen unter seiner Nase herumfuchtelte. Der Anblick hatte etwas derart Komisches, dass Atemu nicht umhinkam, die Mundwinkel zu verziehen. Aber die Worte seiner Tante, die vorwurfsvoll an sein Ohr drangen, holten ihn zuverlässig zurück auf den Boden der Tatsachen:„Atemu das kannst du nicht tun! Nicht nur Sato-san würde dir nicht verzeihen! Tsukasa-sama war schon so ungehalten weil du deinen letzten Auftrag nicht ausgeführt hast, noch einmal wird er dir nicht verzeihen!“ Atemu spürte wie sein ganzer Körper taub wurde und seine Beine gaben nach. Er fiel mehr als das er sich setzte, den Schmerz, als seine Knie auf das Gras trafen, spürte er kaum. Panik machte sich in ihm breit, ein Monster in seinem Inneren, dass ihm die Luft abschnürte, sodass er nur ein würgendes Geräusch von sich gab. Man wusste, dass er Yuugi nicht getötet hatte? Es war alles umsonst gewesen, sie waren immer noch Gejagte?! „Wer?“, keuchte er atemlos vor Entsetzen in den Hörer, „Wer weiß, dass ich den Auftrag nicht ausgeführt habe?“ Yuki antwortete umgehend, aber dennoch erschien es Atemu, als würde sie Jahre zögern, ehe ihre Stimme beruhigend an sein Ohr drang:„Keine Sorge, Atemu. Tsukasa-sama und ich wissen davon, aber ansonsten niemand, auch nicht dein Auftragsgeber. Tsukasa-sama hat einige Männer nach Wien geschickt, die den Jungen töten sollten, aber scheinbar… nun, ich weiß nicht, weshalb du ihn beschützt, aber du hast hoffentlich gute Gründe, dass er den ganzen Ärger wert ist!“ Atemu neigte den Kopf, ehe ihm bewusst wurde, dass Yuki das ja gar nicht sehen konnte. „Ja natürlich!“, beeilte er sich zu sagen, aber er wusste, dass seine Tante ihm nicht glauben würde. Sie seufzte vernehmlich. „Also gut. Dann töte ihn nicht aber pass auf dich auf! Aber diesen neuen Auftrag…“ Ihre Besorgnis war beinahe mit Händen greifbar. „Du kannst Tsukasa-sama sagen, dass ich diesen Auftrag nicht ausführen werde. Ich werde überhaupt keine Aufträge mehr ausführen. Ich höre auf.“ Atemu klang bei diesen Worten beinahe wie ein trotziger Teenager, aber es war ihm bitter ernst. Seine Tante dagegen war schockiert und flüsterte in den Hörer:„Oh Atemu, das kannst du nicht tun! Das wird furchtbare Konsequenzen haben. Tsukasa-sama hat wegen meines Vaters häufig genug ein Auge zugedrückt, was dich betrifft, aber das! Das wird er nicht tolerieren.“ Atemu schnaubte. „Ich bin weit genug weg um mir darum keine Gedanken machen zu müssen und ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Es ist ja nicht so, als wollte ich jetzt zur Polizei gehen und alle verraten, ich will nur meine Ruhe. Und ich mache diese Entscheidung nicht mehr rückgängig, Yuki, das kannst du Tsukasa-sama auch sagen. Ich werde schon auf mich aufpassen! Aber ich muss jetzt auflegen…“, fügte er hinzu, als er sah, dass Yuugi, den Verkäufer immer noch im Schlepptau, auf ihn zukam. „Sei bitte vorsichtig…“, klang die Stimme seiner Tante noch aus dem Hörer, dann beendete Atemu das Telephonat mit gerunzelter Stirn. Aber wie so häufig in letzter Zeit hielt diese Sorge und schlechte Laune nicht an, denn Yuugi zerstreute sie binnen Sekunden. In diesem Fall tat er das, indem er sich zu dem Straßenhändler umdrehte und in einer Lautstärke, die Atemu ihm gar nicht zugetraut hätte, schrie:„Je ne veux achète rien! Alors, du balai!“ Atemu konnte nicht anders als zu grinsen, während Yuugi sich schwer atmend mit dem Mittagessen neben ihn ins Gras fallen ließ. ~*~*~*~ Als der Juli dem August wich, war Atemus‘ Wunde vollständig geheilt. Paradoxerweise ging es Atemu deswegen nicht besser, im Gegenteil, immer häufiger bemerkte Yuugi einen besorgten Gesichtsausdruck bei ihm, gleichwohl Atemu diesen vor Yuugi zu verbergen suchte. Allein, es gelang ihm nicht. Yuugi wusste nicht, was ihn bedrückte, er versuchte, Atemu zu beobachten, ohne dass dieser es bemerkte, aber einen erprobten Auftragsmörder zu überlisten war ein wenig viel für einen einfachen Schüler, sodass Yuugis‘ Bemühungen nur sehr selten von Erfolg gekrönt waren. Hin und wieder jedoch, wenn Yuugi sich aus Atemus‘ Blickfeld entfernte, entdeckte ihn dieser bei seiner Rückkehr zumeist mit seinem Handy in der Hand, welches rasch verschwand, sobald Yuugi sich näherte. Yuugi hatte keine Ahnung, mit wem Atemu sprach und auch nicht, woher seine Sorge rührte. Er hatte Atemu mehrfach danach gefragt, aber dieser verstand es, das Thema auf so meisterliche Art zu wechseln, dass es Yuugi erst am Abend bewusst wurde, wenn er im Bett oder auf der Couch lag, die Decke anstarrte und den vergangenen Tag Revue passieren ließ. Eigentlich hatte Yuugi ja angenommen, dass, nachdem Atemu ihm so viel über sich erzählt und ihm sogar erlaubt hatte, ihn zu duzen, er nicht mehr so distanziert sein würde, aber das hatte sich als Irrtum erwiesen. Er war genauso unnahbar wie immer geblieben, wenn nicht sogar schlimmer, da es nun so offensichtlich wurde, dass er etwas vor Yuugi verbarg. Unruhig versuchte Yuugi sich auf der Couch eine bequemere Schlafposition zu suchen. Sie lebten nun bereits seit Wochen in diesem Hotelzimmer, Yuugi hatte Atemu gefragt, wie lange sie wohl noch hier wohnen bleiben würde, da das doch sicherlich zu teuer sei, aber Atemu hatte nur grinsend mit einer Hand voll Kreditkarten zurückgewunken. Dennoch… mehr denn je fühlte Yuugi sich rastlos und er hatte fest vor, dass er morgen Atemu bitten würde, ihm etwas beizubringen, wenn schon nicht den Umgang mit der Waffe, die immer noch in seinem Koffer lag, dann doch zumindest ein paar einfach Dinge in Sachen Selbstverteidigung. Das wäre ja wohl nicht zu viel und es sollte der Motivation, was immer diese auch sein mochte, welche Atemu zu seinen Taten bewegte, nicht hinderlich sein. Yuugi seufzte leise, als er spürte, wie der Schlaf begann, ihn zu übermannen. Morgen würde er Atemu fragen… Es war noch recht früh am Morgen, als sie das Hotel verließen. Der Berufsverkehr war schon unterwegs, aber ansonsten waren die Straßen noch recht leer. Sie hatten bereits vor einiger Zeit begonnen, woanders als im Hotel zu frühstücken und so hielten sie es auch an diesem Morgen. Erst als sie hinterher durch die mittlerweile belebten Straßen von Paris gingen, hatte Yuugi den Mut, das Thema Selbstverteidigung zur Sprache zu bringen. Doch er hätte keine Angst haben müssen, denn es ging erstaunlich leicht, Atemu schien sogar angetan von der Idee, Yuugi diesbezüglich etwas beizubringen und er versprach, Yuugi gleich morgen zu trainieren. Doch Yuugis Freude wurde sehr schnell getrübt, denn erneut trat ein abwesender Ausdruck in Atemus‘ Gesicht. Yuugi seufzte, aber das bemerkte Atemu nicht. Also murmelte Yuugi etwas davon, dass er sich ein paar Früchte bei dem Obsthändler auf der anderen Straßenseite kaufen wolle. Atemu nickte abwesend und holte sein Handy aus der Tasche. Yuugi seufzte noch lauter, während er trotz roter Ampel über die Straße lief. Der Kauf war schnell abgewinkelt, Yuugi kehrte um. Aufgrund der Autos konnte er die Straße nicht gleich überqueren um zu Atemu zurückzukehren. Dieser packte grade sein Handy zurück in seine Jackentasche. In diesem Augenblick hallte ein lauter Knall über den Platz. Menschen schrien und Yuugi blickte sich erstaunt um, er hatte nicht verstanden, was der Knall zu bedeuten hatte. Sein Blick fiel auf Atemu. Und Yuugi begriff. Ein zweiter Schuss hallte über den Platz und Atemu fiel wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten wurden. Yuugi waren die Autos mit einem mal vollkommen egal, er schrie Atemus‘ Namen ohne es zu merken oder damit irgendetwas zu bewirken und rannte über die Straße. Atemu lag am Boden, den Kopf in Yuugi Richtung gewandt, die Augen offen. Sein Atem ging rasselnd und schwach. „Nein!“, flüsterte Yuugi, obwohl die Realität immer noch nicht zu ihm durchgedrungen war. Es erschien ihm so unwirklich und surreal, wie ein Albtraum – aber er konnte nicht erwachen. „Atemu, nein, sag etwas!“, flüsterte Yuugi und nahm Atemus‘ Kopf in seine Hände. Atemu röchelte, er schien etwas sagen zu wollen, doch als er den Mund öffnete, drang kein Wort heraus, sondern nur Blut. Yuugi spürte, wie sich Tränen der Verzweiflung in seinen Augen sammelten, eine Menschenmasse stand um sie herum, irgendjemand rief den Notarzt an, aber Yuugi nahm das alles nicht wahr, er starrte auf Atemu herunter und die Verzweiflung in ihm machte ihm erst bewusst, wie sehr er ihn mochte und wie wenig er ihn verlieren durfte. „Atemu!!“, wisperte er eindringlich und wünschte sehnlichst, er wüsste, was man in einer solchen Situation tun müsste, doch er hatte keine Ahnung. Atemu röchelte etwas. Dann schlossen sich seine Augen langsam und sein Kopf fiel nach hinten. Er rührte sich nicht mehr. Yuugi schrie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)