Kiss, kiss - bang, bang von Leuchtender_Mond (Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.) ================================================================================ Kapitel 5: Die Herrscherin -------------------------- Die Herrscherin: Sie ist das Symbol für Wachstum, Fruchtbarkeit und Kreativität. Sie kann sowohl für eine Schwangerschaft stehen wie auch für Wachstum in anderen Lebensbereichen. Außerdem verkörpert sie künstlerische Energie sowie Ideen- und Erfindungsreichtum. Juni 2007, Domino, Japan Der Mann seufzte tief. Das Erscheinen des Jungen war gut, natürlich war es das. Jetzt konnte er ihn töten. Er wartete, beobachtete die Lichter in der Wohnung des Jungen an und aus gehen und als sie eine halbe Stunde alle aus waren schlich er sich hinter dem Jungen in die Wohnung. Vor der Schlafzimmertüre atmete er noch einmal tief durch, dann öffnete er die Türe langsam und ging mit der Beretta 92 FS im Anschlag auf den Jungen zu. Den Fehler mit dem Messer würde er nicht noch einmal machen. Mit der Pistole konnte er aus Distanz töten, er würde dieses Gesicht nicht sehen müssen, dieses faszinierende Gesicht, welches immer zu lächeln schien, immer Freundlichkeit ausstrahlte… Ehe er sich versah hatte er sich auch schon über den Jungen gebeugt und konnte, kaum, dass sein Blick auf den friedlich Schlafenden gefallen war, den Blick nicht mehr abwenden. Sonnenstrahlen fielen auf das Gesicht des Jungen. Es wirkte noch schöner als das Mondlicht. Das war die erste Erkenntnis. Die zweite Erkenntnis war, dass er die gesamte Nacht damit verbracht hatte, dem Jungen beim Schlafen zuzusehen. Er sprang von der Fensterbank – er hatte sich auf die Fensterbank gesetzt? – und warf einen letzten Blick auf den Jungen. Er wusste, er würde es nicht können, er würde ihn nicht töten können. Er wusste, er benötigte eine Lösung. Er atmete tief durch – und verließ die Wohnung. Er musste sich etwas einfallen lassen. ~*~*~*~ Der Blick des Jungen wanderte kritisch durch den Raum. Doch es war alles so, wie er es am Abend zuvor verlassen hatte, nichts war verändert. Wie es schien, hatte ihn diese Nacht niemand heimgesucht. Er seufzte. Es war schon ein seltsames Gefühl, sich nun wieder in das Bett zu legen und zu versuchen, wieder ruhig zu schlafen. Gut hatte er demnach auch nicht geschlafen, aber immerhin hatte er überhaupt geschlafen. Der unruhige Schlaf hatte darüber hinaus dazu geführt, dass er früh genug erwacht war um sich nicht hetzen zu müssen. So setzte er Kaffee auf, und wusste dann erst einmal gar nichts mit sich anzufangen, bei so viel Freizeit. Etwas unruhig ging er in der Wohnung auf und ab – ein seltsames Gefühl war es immer noch. Gestern hatte er noch beim Schlosser angerufen, dieser würde morgen alle seine Türschlösser austauschen und in einer Woche würde auch seine Alarmanlage installiert werden, zu welcher sein Vater ihn gestern Abend noch überredet hatte. Danach würde er sich sicher besser fühlen. Sicher!, bestärkte er sich selbst, während er vorsichtig an dem heißen Kaffee nippte. Dennoch blieb seine Ruhe rein äußerlich, als er zur Schule ging, den Unterricht verfolgte, mit seinen Freunden alberte und schließlich in seine Wohnung zurückkehrte. Seine Schulsachen landeten unbeachtet in der Ecke und er ging erst einmal in die Küche. Die leere Kaffeetasse vom Morgen stand noch auf der Anrichte und so räumte er sie in die Spülmaschine. Er wollte grade überlegen, was er zum Mittagessen zubereiten solle oder ob er doch lieber den Pizza-Service bemühen wollte – wozu war man schließlich reich genug andere für sich kochen zu lassen? – da wurde sein Blick wie magisch von etwas angezogen. Auf seinem Küchentisch lag ein Briefumschlag. Ein großer, weißer Briefumschlag, mitten auf dem Tisch, kaum zu übersehen. Seltsam genug, dass er ihn noch nicht bemerkte hatte. Zögerlich trat er näher während sein Herz wie wild pochte. Er traute sich kaum, den Umschlag in seine Hand zu nehmen, als befürchte er, dieser könne durch seine Berührung explodieren. Die Botschaft, welche dieser Brief übermittelte, war an sich schon sehr beängstigend. Erneut war jemand in seiner Wohnung gewesen. Einfach so. Sehr langsam und vorsichtig nur nahm er ihn in die Hand und drehte ihn erst einmal in Händen. Jedoch gab er keine Auskunft darüber, was drinnen sein könnte, er war nicht beschriftet, aber sauber zugeklebt. Langsam sank der Junge auf einen der Stühle. Sein Herz raste immer noch und er spürte Panik in sich aufsteigen. Mit tauben Fingern schickte er sich an, den Briefumschlag zu öffnen, doch bei dem Zittern seiner Finger war das gar nicht so leicht. Als der Brief schließlich offen war, fielen zwei Dokumente heraus. Neugierig besah er sie sich. Bei einem der beiden Dokumente handelte es sich, wie er erstaunt feststellen musste, um eine Boarding-Card. Der Junge runzelte die Stirn. Ein Flug erster Klasse am heutigen Abend, gebucht auf seinen Namen. Dachte irgendein Unbekannter tatsächlich, nur, weil er in seine Wohnung eingebrochen war, würde er nun tun, was er wollte, und in das Flugzeug steigen? Wo flog es überhaupt hin? Auf dem Ticket standen jedoch nur die Kürzel für die jeweiligen Flughäfen, der Name des Zielflughafens war übertuscht worden – offensichtlich wollte da jemand, dass er ins Ungewisse flog. Der Startflughafen immerhin war ihm bekannt, NRT war das Kürzel des Flughafens in Tokio, Narita. Wofür allerdings FCO stand, das wusste er nicht. Aber das war ja auch nicht wichtig. Er würde sowieso nicht fliegen. Vor allem, da der Flug bereits in drei Stunden gehen würde – so kurzfristig konnte er doch nicht weg, vor allem mitten in der Schulzeit nicht. Kopfschüttelnd legte er die Boarding-Card beiseite und nahm das andere Dokument zur Hand. Hierbei handelte es sich um einen einfachen Notizzettel, maschinell beschrieben. Darauf vermerkt war lediglich eine Uhrzeit – und zwar in einer halben Stunde, wie er mit Blick auf die Uhr feststellte. Der Junge runzelte die Stirn, er hatte keine Ahnung, was diese Notiz nun sollte. Kopfschüttelnd schob er die beiden Dokumente zurück in den Umschlag und legte ihn beiseite. Er würde auf keinen Fall in dieses Flugzeug steigen. Immer noch fand er diesen Brief mehr als beängstigend, doch er war fest entschlossen, sich davon nicht in die Flucht schlagen zu lassen. Er erhob sich so ruckartig, dass sein Stuhl nach hinten umkippte. Seufzend hob er ihn wieder auf, ehe er seinen Kühlschrank plünderte und sich endlich etwas zu Essen machte. Doch noch während er eine halbe Stunde später beim Mittagessen saß wurde er schon gestört – durch ein Läuten an der Tür. Er war schon aufgestanden und durch den Flur gehastet um die Türe zu öffnen, da fiel sein Blick auf die Uhr. Es war genau die Uhrzeit, welche auf der Notiz in dem Briefumschlag angegeben war. Stand nun der Einbrecher vor der Tür? Wäre es nicht besser, die Türe nicht zu öffnen? ~*~*~*~ Der Mann rieb sich seufzend die Schläfen. Er hoffte, dass er das Problem nun aus der Welt geschafft hatte. Wenn der Junge im Ausland war, dann würde man wohl nicht mehr von ihm verlangen, ihn zu töten, denn das würde ja bedeuten, dass er ihm hinterher reisen müsste. Das konnte er ablehnen, er könnte sagen, er habe ja noch mehr zu tun. Wohl war ihm bei der Sache dennoch nicht. Er hoffte einfach nur inständig, dass er den Auftrag damit verlöre, denn er wusste, dass er den Jungen nicht würde töten können. Jemand anders sollte das tun. Er hatte diese Situation nicht unter Kontrolle – und er hasste es, wenn er eine Situation nicht unter Kontrolle hatte. Aber mit etwas Glück hatte sich das Problem nun gelöst. Er könnte ja die Mutter des Jungen töten, das würde seinen Vater wohl genauso beeindrucken. Seufzend leerte er die fünfte Tasse Espresso in dieser Stunde, verzog leicht das Gesicht aufgrund des sehr bitteren Geschmacks – nichts war so stark wie echter italienischer Espresso – und erhob sich. Espresso und nun eine kalte Dusche, das sollte hoffentlich genügen, um den Jungen zu vergessen. Sein Leben begann sich wieder zu normalisieren, der Albtraum der letzten beiden Tage schien vergangen und er genoss seine Dusche. Jedoch war es ihm nicht vergönnt, diese allzu lange zu genießen, denn das Läuten seines Handys hinderte ihn daran, länger unter dem kühlen Nass zu verweilen. Er beendete die Dusche und beantwortete den Anruf – welcher mal wieder von seinem Auftragsgeber kam. Er verdrehte die Augen – und sprach eisig wie immer in den Hörer. „Was?“ ~*~*~*~ Der Junge hatte die Stirn gegen die Türe gelehnt, die Hand am Türgriff, aber die Türe zu öffnen getraute er sich nicht. Es hatte bereits zum zweiten Mal geläutet und der Junge bereute es, keinen Spion in der Tür zu haben, sodass er nicht sehen konnte, wer da draußen stand. Es läutete zum dritten Mal. Der Junge holte tief Luft, dann riss er die Türe auf, bereit, sich dem Lauf einer Waffe zu stellen. Aber da war keine Waffe auf ihn gerichtet. Nur ein freundlich lächelnder, älterer Herr. „Ja bitte?“, fragte der Junge den Fremden. Er war etwas verwirrt, hatte er doch mit einem Angriff gerechnet. Doch dieser Mann war klein, dürr und lächelte – er wirkte so harmlos, wie es nur möglich war. Der Mann gab freundlich Auskunft, seine Stimme verstärkte den „Großvater-Effekt“ nur noch:„Sie hatten ein Taxi bestellt, junger Mann.“ „Ein Taxi…?“, stammelte der Junge verwirrt. „Aber ja!“, der Mann, offensichtlich der Taxifahrer, nickte lebhaft, „Es sind nun 15:30 Uhr, und um diese Uhrzeit hatten sie ein Taxi zum Flughafen Tokio-Narita bestellt!“ „Natürlich…“, erwiderte der Junge. Offensichtlich hatte jemand ihm die ganze Arbeit abgenommen – und wollte sicher gehen, dass er tatsächlich in dieses Flugzeug stieg. Aber er war fest entschlossen, eben das nicht zu tun. „Also dann, wollen wir?“, fragte der Mann, er lächelte freundlich, offensichtlich war er entweder ein guter Schauspieler oder hatte keine Ahnung. Sein freundliches Lächeln ließ den Jungen eher zu letzterem tendieren. Aber was sollte er denn nun nur sagen? „Ich ähm… ich befürchte, dass mir etwas dazwischen gekommen ist und ich die Reise nun doch nicht werde antreten können…?“, kam es unsicher über seine Lippen. „Aber, aber! Junger Mann, das können sie doch nicht machen, sie haben den Urlaub doch gemeinsam mit einem Freund gebucht, der wird sicher enttäuscht sein, wenn sie nun nicht fahren würden.“ „Das geht sicher in Ordnung!“, wehrte der Junge ab doch nun schaute der Taxifahrer ihn mit einem unergründlichen Blick an:„Freundschaft ist etwas sehr kostbares. Das sollten sie niemals leichtfertig aufs Spiel setzen!“ „Ja…“, nickte der Junge zu dem Kommentar zu Freundschaft. Dummerweise fasste der Taxifahrer dies als Zustimmung, zu fliegen, auf. Grade, als er dagegen protestieren wollte bot der Taxifahrer an, ihm beim Tragen der Koffer zu helfen. „Sehr freundlich.“, hatte er das Angebot schneller angenommen als er sich die Sache überlegt hatte. Der Mann lächelte freundlich, ganz offensichtlich war er stolz darauf, eine Freundschaft gerettet zu haben. Dabei wollte er den Menschen, der in seine Wohnung eingebrochen war, niemals sehen – höchstens, um ihm zu verklagen. Der Junge betrat seine Wohnung wieder – Koffer packen würde ja doch nichts bringen, da er keine Ahnung hatte, wo die Reise hingehen sollte, also konnte er sich genauso gut mit seiner Kreditkarte versorgen. So packte er den Umschlag des Fremden, sein Portmonee – der Personalausweis befand sich darin, wie er mit einem kurzen Blick sicherstellte – und kramte nach seinem Handy. Da erst merkte er es – eine Sache war nun doch gestohlen worden – und das war sein Handy. Also war er gezwungen, in ein womöglich fremdes Land zu reisen und dabei mit niemandem in Kontakt treten zu können, da er über kein Mobiltelephon mehr verfügte. Niemand würde wissen wo er war. Der Junge biss die Zähne zusammen und schloss sich dem Taxifahrer an. Sie gingen die Treppen hinunter, das Taxi stand im Parkverbot, gleich vor der Tür. Rasch setzte sich das Auto in Bewegung, immerhin hatten sie etwas verlorene Zeit aufzuholen. Der Junge lehnte sich zurück und starrte aus dem Fenster, während die vertraute Umgebung an ihm vorbeizog. Der Magen zog sich ihm bei dem Anblick zusammen. Er fragte sich, wann er zurückkehren würde und unter welchen Umständen, denn wer konnte schon wissen, was auf ihn zukommen würde, die Ahnungslosigkeit trieb ihn in den Wahnsinn. Die Fahrt zum Flughafen dauerte seine Zeit, der kleine Ort Domino war immerhin eher ländlich gelegen, auch, wenn man dies im Zentrum nicht merken würde. Dann fuhren sie auf die Autobahn auf und der Junge wandte den Blick ab. Das mulmige Gefühl in seiner Magengegend ließ ihn so oder so nicht los, davon konnte ihn nichts ablenken. Und jeder Meter, der sie dem Flughafen näher brachte, machte ihn nur noch nervöser – auch, wenn sie dem Flughafen nur sehr langsam näher kamen, denn sie gerieten sogleich in einen Stau. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde und in seiner Phantasie malte er sich schon die schlimmsten Vorstellungen aus. Da ging es ihm selbst im Stau noch zu schnell. Als der Flughafen erreicht war, zitterten die Beine des Jungen, es fiel ihm schwer, auszusteigen. Sich am Autodach festhaltend schaffte er es dennoch, der Taxifahrer bemerkte es nicht. Der Junge fragte, wie viel er ihm schuldig sei, doch der Mann wank ab:„Dein Freund hat bereits bezahlt, nun beeil dich, damit du den Flug noch bekommst.“ Da hatte er in der Tat Recht, hastig verabschiedete sich der Junge, der Taxifahrer wünschte ihm eine schöne Reise und dann eilte der Junge schon über den großen Flughafen, fand rasch das richtige Terminal und stellte sich dann an, um die Sicherheitsschleusen zu passieren. Erst als er durch den Metalldetektor trat fiel ihm auf, dass er noch hätte umkehren können, dass er einfach ein anderes Taxi für den Weg zurück hätte nehmen können und der Albtraum hätte ein Ende gehabt. Doch nun hatte er die Sicherheitsabsperrungen übertreten und befand sich in der Wartehalle, nun gab es kein Zurück mehr. Er rannte den ganzen Weg, denn nun, da er einmal hier war, konnte er den Flug genauso gut nehmen, vermutlich würde es ihm eh nichts mehr bringen, wenn er ihn verpasste, dann würde sich der Einbrecher wohl nur etwas neues ausdenken. Er reichte der Stewardess seine Boarding-Card, sie wünschte ihm einen guten Flug und dann saß er auch schon im Bus, gemeinsam mit einer Menge anderen Menschen. Es herrschte allgemeine Vorfreude, das Wort Urlaub viel häufig. Welcher Flughafen verbarg sich nur hinter dem Kürzel FCO? Scheinbar ging es aus Japan hinaus. Der Junge begann, sich unbehaglich zu fühlen, doch er traute sich nicht, einen seiner Mitreisenden zu fragen, wo der Flug denn hinginge – immerhin sollte man meinen, er müsse es wissen. Er starrte auf seine nervös ineinander verschlungenen Finger. Dann kam ihm noch ein Gedanke: Müsste der Einbrecher nicht auch hier sein? Immerhin hatte der Taxifahrer gesagt, dass ein Freund für sie beide gebucht hatte. Hektisch sah er sich um, doch niemand schien ihm verdächtig – aber er war wohl auch nicht darin ausgebildet, solche Dinge zu erkennen, während der Einbrecher sicher darin begabt war, nicht erkannt zu werden. Der Bus hielt an, die Passagiere stiegen aus dem Bus aus und in das Flugzeug ein. Der Junge suchte sich seinen Platz, am Fenster, immerhin. Es dauerte noch eine Weile, dann begannen drei Stewardessen – eine vorne, eine in der Mitte und eine hinten im Flugzeug – die Sicherheitsanweisungen zu geben. Hierbei erst erklang endlich, endlich das Reiseziel durch die Lautsprecher – und dem Jungen fiel die Kinnlade hinab. „Welcome Ladies and Gentlemen on our flight from airport Tokyo-Narita to airport Rome-Fiumicino…” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)