Kiss, kiss - bang, bang von Leuchtender_Mond (Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.) ================================================================================ Kapitel 1: Der Magier --------------------- Der Magier: Er symbolisiert Tatkraft, Mut und aktive Lebensgestaltung. Er ist kämpferisch, dabei aber wohl überlegt und klar im Denken. Er weiß, was er will, kennt seine Stärken und setzt sie gezielt ein. Er ist der, der immer den ersten Schritt tut. Juni 2007, London Eine klare Nacht, keine Wolke verdunkelte den Himmel. Dennoch waren weder Mond noch Sterne zu sehen, da sie nicht hell genug waren, um gegen die vielen Lichter am Erdboden anzukommen. London schlief nicht, gerade nachts nicht. Dem Mann, der einsam seinen Weg von der City Hall weiter östlich, die Themse entlang ging kümmerten die Lichter jedoch nicht. Er war zum ersten Mal in London, heute früh eingetroffen, doch hatte er sich auf keine Sightseeing Tour begeben und auch die großen Einkaufsstraßen hatte er bewusst gemieden. Dennoch wusste er, wo er hinwollte, bereute nicht die historischen und kulturellen Besonderheiten dieser Stadt nicht gesehen zu haben. Nicht einmal der Anblick der nun vor ihm auftauchenden berühmten Tower Bridge vermochte ihn in Begeisterung zu versetzen. Unberührt ging er weiter, überquerte die Brücke schnellen Schrittes und doch mit innerer Ruhe, nach außen hin Gelassenheit und Arroganz ausstrahlend. Gleichwohl viel los war, geriet er in keine Menschenmasse, denn auf Armeslänge kam niemand an ihn heran. Er sah eigentlich nicht gefährlich aus, im Gegenteil, er war schmal und recht klein, und doch war es, als traute sich niemand an ihn heran, als würde ein siebter Sinn die Menschen instinktiv davor zurückhalten, ihm zu nahe zu treten. Der Mann war der Ansicht, dass dieser siebte Sinn wesentlich klüger sei als der eigentliche Mensch. Er hatte seinen Grund zu der Annahme. Ohne auch nur mit einem einzigen Menschen angestoßen zu sein bestieg er die Londoner U-Bahn, Tower Bridge Approach, bekam sofort einen Sitzplatz und starrte während der gesamten Fahrt nur auf das schwarz der unterirdischen Wege, völlig desinteressiert an dem, was um ihn herum geschah. Dabei regte sich hier zum ersten Mal eine Gefühlsregung in ihm. Er hasste es, U-Bahn zu fahren. Zu viele Menschen. Lieber wäre er zu Fuß gegangen, hätte die frische Luft geatmet, doch in einer Stadt war an frische Luft ohnehin nicht zu denken, Städte stanken furchtbar, nun ja, sie waren im allgemeinen furchtbar. Der Gestank, die Lautstärke, die vielen Menschen… Er hasste Städte. Doch seine Arbeit hatte ihn hierher geführt und wenn er schon einmal hier war, so konnte er auch die U-Bahn nehmen um es möglichst schnell hinter sich zu bringen. St. James’ Park, der Mann entstieg der U-Bahn, endlich seinem finalen Ziele nahe. Die letzten paar Meter ging er zu Fuß. Die Menschenmengen hatten sich ein paar Straßen weiter verloren, hier befand sich ein Wohngebiet, wenn auch ein äußerst exklusives. Es war dem Mann egal. Ruhig ging er weiter, achtete nicht auf die Fassaden und edlen Vorgärten. Erst, als er an seinem Ziel angelangt war, stoppte sein Schritt, er hob den Kopf und sah an dem Haus hinauf. Ein großes Haus. Aber er hatte ja einen Plan. Ein gut bewachtes Haus. Aber er hatte ja Erfahrung. Er lächelte. Doch seine Augen lächelten nicht mit. Eine Weile noch stand er da und besah sich das Haus, prägte sich ein, was er sah. Die Fassade erinnerte an einen griechischen Tempel, Säulenverziert und aus weißem Marmor. Das Haus umfasste drei Stockwerke, sowie laut Plan einen Keller. Auch der Garten musste groß sein, bedachte man die Entfernung von Haus und Mauer. Das schmiedeeiserne Tor zum Eingang gewährte jedoch keinen großen Einblick auf den Garten, sodass der Mann einen Schritt weiter gehen musste. Dann griff er in seine Jackentasche, zog ein Paar schwarzer Handschuhe hervor und streifte sie sich über. Als er in den Schatten trat, war er kaum mehr zu sehen, seine schwarze Kleidung und das kurze, schwarze Haar ließen ihn unauffällig verschwinden, sogar die dunkelbraunen Augen schienen dazu beizutragen. Doch der Mann gedachte nicht, im Schatten zu verweilen. Er sah sich nur nach einer geeigneten Stelle um, um die hohe, mit Efeu bewachsene Mauer, die das Anwesen umgab, zu überqueren. Er wurde auch recht blad fündig. Lächelnd, weil das Efeu es ihm so leicht machte erklomm, er die Mauer, setzte jedoch nicht gleich über sondern verharrte in der Dunkelheit. Seine Augen spähten über das Gelände. Es schien alles ruhig, doch der Mann wusste, dass der Schein trog: Ein Mann wie der Bewohner dieses Hauses – der Mann hatte sich nie die Mühe gemacht nachzusehen, wie der Mann hieß, dem sein Besuch galt – würde niemals unbewacht bleiben. Und er sollte Recht behalten. Der vom Efeu verdeckte Stacheldraht auf der Mauer zeugte davon. Umsichtig kletterte der Mann darüber. Kurz blieb er hierbei auf der Mauer hocken, besah sich auch den Garten. Dieser machte einen äußerst gepflegten Eindruck, ein Kiespfad führte vom Tor bis zur Tür, der Rasen war ebenmäßig geschnitten was nur vereinzelt von kleinen Hecken durchbrochen wurde. Die einzige Unregelmäßigkeit bestand aus einem kleinen Gartenteich auf der rechten Seite. Ein letztes Mal huschten seine Augen über den Garten, dann sprang er ab. Als seine Füße leise auf dem englischen Rasen auf der anderen Seite aufkamen blieb er gleich in der Deckung des Efeus. Diese Pflanze war ein Segen, schützte sie ihn doch vor den Überwachungskameras, welche vor dem Haus angebracht waren, wie man ihm mitgeteilt hatte. Besagte Überwachungskameras hatten seine geübten Augen auch schnell gefunden. Ein leises Runzeln seiner Stirn verriet, dass sie für ihn durchaus eine Herausforderung waren, denn sie waren nicht nur geschickt positioniert sondern auch noch beweglich, rotierten in einem bestimmten Winkel ähnlich den automatischen Wassersprenklern auf einem Tennisplatz. Eine ganze Weile blieb der Mann deswegen im Schatten des Efeus stehen und beobachtete, welche Kamera zu welchem Zeitpunkt welchen Bereich filmte. Dann atmete er einmal tief ein und wieder aus. Er musste schnell sein, aber nicht zu schnell, er durfte nicht zu früh zögern, aber auch nicht zu spät, er durfte nicht eine Kamera übersehen. Tat er es doch, war er tot. Der Mann lächelte. Er liebte Herausforderungen. Er passte den richtigen Augenblick ab, dann lief er los, huschte wie ein Schatten über den gepflegten Rasen. Dort verharren, hier sprinten, dort den Umweg um den Gartenteich und schließlich Deckung hinter einer Säule an der Eingangstüre suchen. Nicht, dass er vorgehabt hätte, die Eingangstüre zu benutzen. Türen zu benutzen um in ein Haus zu gelangen war schon beinahe eine Seltenheit geworden, ebenso wie er Fenster zu diesem Zweck mied. Besonders hier. Also musste er sich nach einem anderen Eingang umsehen. Den Gebäudeplan, den er sich ins Gedächtnis rief, lieferte ihm denn auch die Antwort. Zum Glück war das Anwesen schon recht alt, zwar modernisiert, aber in seinen Grundstrukturen erhalten um den rustikalen Charme zu wahren. Der Weg war nicht weit, dennoch nahm er einiges an Zeit in Anspruch, da er erneut den Kameras ausweichen musste, doch schließlich stand er an der Westseite des Hauses, immer in Bewegung, denn hier gab es keinen Schutz vor den Kameras als seine eigene Geschwindigkeit. Doch unbeschadet erreichte er den alten Schacht zur Belieferung der Heizkohlen. Obwohl seit Jahren ungenutzt befand er sich in einem einwandfreien Zustand, was der Mann mit einem spöttischen Lächeln registrierte. Geschmeidig glitt er den Schacht hinab, fand sich Sekunden später im Keller des Hauses wieder. Der Raum, in dem er landete, hatte wohl einstmals zum Lagern der Kohle gedient, da diese aber nun nicht mehr benötigt wurde stand der Raum leer. Mit schnellen und lautlosen Bewegungen durchquerte er den Raum, öffnete die Türe einen winzigen Spalt und spähte in den dunklen Flur. Dieser war noch ganz im altertümlichen Stil des Hauses gehalten, eng und mit Holzpaneelen getäfelt, jedoch lange nicht mehr richtig renoviert und kaum beleuchtet. Die bereits an die Dunkelheit gewöhnten Augen des Mannes konnten jedoch kein Hindernis ausmachen, sodass er es wagte, die Türe etwas weiter zu öffnen. Immer noch nichts. Er huschte hinaus in den Gang, verschloss die Tür sorgfältig hinter sich. Stehen bleiben. Lauschen. Nichts. Vorsichtig schlich er weiter, bis zur Treppe, spähte hinauf. Oben konnte er die Silhouette eines Schrankes von einem Mann ausmachen. Erneutes Stirnrunzeln. Nicht, dass der Mann ein Problem gewesen wäre, aber aus seiner jetzigen Position konnte er nicht erkennen, ob da noch mehr Männer waren. Nun, es führte kein Weg daran vorbei, das Risiko einzugehen. Er würde leise sein müssen. Vorsichtig betrat er die erste Stufe. Ein Glück, dass es eine Steintreppe war, Holz hätte womöglich noch verräterische Geräusche von sich gegeben. Sehr langsam und sehr vorsichtig schlich er weiter, immer höher. Das Haus war wirklich alt, der Stein wich schon Trittspuren auf. Er war nur noch zwei Stufen von dem Mann entfernt, er konnte sein After-Shave deutlich riechen und verzog ein wenig die Nase. Dann umschloss seine Hand das kleine Messer, er überwand die letzten beiden Stufen und attackierte den Mann hinterrücks. Mit der linken Hand hielt er ihm den Mund zu, mit der rechten durchbohrte er das Herz des Mannes von hinten. Kurz zuckte dieser in seinen Armen, jedoch bereits von seinem Mörder unbeachtet, der ihn leise zu Boden gleiten ließ, damit das Geräusch seines Sturzes niemanden auf den Plan rufen konnte. Unterdessen suchten seine Augen die Umgebung schon nach weiteren Gefahrenquellen ab, konnten jedoch keine erkennen, weshalb er seinen Weg im Schutz der Schatten fortsetzte. Hier oben setzte sich der von außen erkennbare griechische Stil fort, viele Säulen, viel Marmor und große Hallen und Flure. Nichts für den Mann, der sie nun heimlich durchschritt. Doch immerhin bedeutete es, dass das Gebäude sehr übersichtlich und somit leicht einzunehmen war. Zwei Flure und drei tote Wachmänner weiter kam er schließlich an die weiße Holztreppe in den ersten Stock – dort, wo sich laut Plan das Schlafzimmer des Eigentümers befand. Am Fuße der Treppe befanden sich zwei Wachmänner. Leise unterhielten sie sich um sich die Nacht zu vertreiben. Der Mann schüttelte innerlich den Kopf. So viele Wachen, und doch so sinnlos, denn es würde nichts bringen, nichts mehr nützen, ihn nicht aufhalten. Abgesehen davon: Wie konnte man nur so schlafen, umgeben von so vielen Menschen? Viele Menschen um sich herum zu haben war etwas, was der Mann nicht mochte. Er liebte seine Freiheit. Der Mann nährte sich den beiden Kaffee trinkenden Wachmännern von hinten – Angriffe von hinten waren ihm lieber, weniger Aufwand, weniger Geschrei. Dumm war nur, dass die beiden Männer sich unterhielten, sodass er sofort bemerkt werden würde. Ein wenig bedauernd zog er seine Beretta 92 FS, der Schalldämpfer war schon aufgeschraubt. Er hätte sie sich gerne für spätere aufgehoben, da er nicht gerne während der Arbeit nachlud – zu hohes Risiko. Doch blieb ihm grade wohl keine andere Möglichkeit, also hob er die Pistole, zielte kurz und schoss. Die Kugel zertrümmerte den rechten Lungenflügel des Mannes, Blut und Kaffee spritzten, als er zu Boden sank. Der Reaktion des zweiten Mannes erfolgte schneller, als es dem hinter einer marmornen Säule verborgenen Angreifer lieb war, sein Kaffeebecher segelte beinahe zeitgleich mit dem seines toten Kollegen zu Boden und schnell hintereinander hallten drei Schüsse seiner FN Browning GP durch die Halle. Stumm fluchend suchte der Mann hinter seiner korinthischen Säule Deckung, wartete, bis die Schüsse verstummt waren. In einem Moment der Stille spähte er kurz hinter der Säule hervor, war jedoch sogleich wieder gezwungen Deckung zu suchen, da weitere zwei Schüsse auf ihn abzielten. Marmorsplitter schlitterten über den schwarz-weiß gekachelten Boden. Der Mann hinter der Säule war durchaus verärgert – der Lärm würde noch andere auf den Plan rufen, was ärgerlich wäre, denn er wollte doch sein Flugzeug zurück in die Heimat heute noch bekommen. Da konnte er sich keine Verspätung leisten. Als erneut Stille einkehrte trat er hinter der Säule hervor, hob die Pistole und drückte ab. Er machte sich keine Mühe zu zielen, er traf auch so, ein glatter Kopfschuss. Schnell lief er weiter, vermutlich würden bald andere Männer hierher strömen, doch wenn er sich geschickt anstellte, würde er dies zu seinem Vorteil nutzen können. Mit schnellen Schritten huschte er die Treppe hinauf, drückte sich, kaum oben angelangt, in den Schatten eines Vorhangs, welcher ein riesiges Fenster zierte, und wartete angespannt ab. Er hätte sich nicht mehr Zeit lassen dürfen, eilige Schritte rannten an seinem Versteck vorbei und im fahlen Licht der überall im Flur angebrachten Nachtlichter sah er die Silhouetten mehrerer Männer vorbeilaufen. Der fließend weiße Stoff der Gardine verlieh ihnen, da von dem Mann durch sie gesehen, einen beinahe gespenstischen Eindruck. Kaum, dass sie vorbei waren – ihre Schritte waren noch nicht ganz verhallt – da trat der Mann aus seinem Versteck heraus, schlich den Flur entlang und verfluchte hierbei das Licht, welches ihn sofort auffallen lassen würde, ihm selbst aber eine Herausforderung bot, da die Statuen im flackernden Licht einen recht lebendigen Eindruck machten. Der Flur hier oben war nicht ganz so pompös, man bemerkte, dass es hier oben in den familiäreren Bereich des Hauses ging. Zwar ging nichts von dem Luxus verloren, doch die Größe war etwas geschmälert, was jedoch eher einen freundlichen Eindruck hervorrief. Nicht, dass der Mann dem Beachtung geschenkt hätte. Als er dann jedoch einen Menschen erblickte wusste er, dass er sein Ziel erreicht hatte. Der letzte Wachmann. Er stand an der Schlafzimmertüre, welche von zwei kleinen, ägyptischen Säulen gesäumt wurde, des Gesuchten, die Browning schon in Händen. Der Mann verharrte, sann auf die lautloseste und schnellste Möglichkeit ihn zu töten und beschloss, sich die Säule, an welcher der Mann lehnte, zu nutzen zu machen. Der Mann schlich an die Säule heran, lehnte sich mit dem Rücken gegen sie, ebenso wie der Wachmann, sodass sie ohne die Säule Rücken an Rücken gestanden hätten. Jetzt musste es schnell gehen. Das Drahtseil flog schnell um die Säule herum, in der rechten Hand behielt der Mann das eine Ende, seine linke fing das andere Ende mit dem kleinen Beschwerer zum leichteren Werfen gekonnte auf. Ein kräftiger Zug an beiden Enden, der Wachmann röchelte. Der Mann verminderte den Druck um keinen Deut, wartete, bis der andere aufhörte zu röcheln, dann erst ließ er los, rollte das Drahtseil wieder auf, während er sich mit einem Blick den Flur entlang davon überzeugte, jegliche Gefahrenquellen ausgeschaltet zu haben. Dann erst zog er seine Beretta erneut hervor, hielt sie schussbereit in der rechten Hand, während die linke die Türe öffnete. Schnell huschte er herein, schloss sofort die Türe wieder und sah sich mit vorgehaltener Pistole im Zimmer um. Doch die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig, denn hier wartete niemand mehr auf ihn, nur dem Mann, zu dem er gewollt hatte lag ruhig schlafend im Bett. Das Zimmer war ziemlich groß, verfügte über drei große Fenster, ein gewaltiges Himmelbett, einen alten Sekretär aus Eichenholz sowie weitere kostbare, antike Einrichtungsgegenstände. Der Man lächelte beruhigt und steckte die Pistole weg während er langsam zu dem großen Bett herüber schlenderte. Der Mann lag dort, schlief, sich der Gefahr, in welcher er schwebte, keineswegs bewusst. Friedlich ruhte er in den mit Satin bezogenen Decken und Kissen, lag vollkommen entspannt da. Der Blick des Mannes war gelassen und kalt. Der Schlafende war ihm egal, solange er nur selbst an sein Ziel gelangte. Entspannt setzte er sich auf die Bettkante und begann dann mit seiner Arbeit. Er zog sein Messer, wischte sorgfältig das Blut des hiermit getöteten Wachmannes ab, ehe er es langsam an die Kehle des schlafenden Mannes legte. Sorgfältig setzte er das Messer an, auf seinen Lippen lag ein sanftes Lächeln, so, wie Eltern lächeln, wenn sie ihre neugeborenen Kinder zu Bett bringen. Auch er würde ihn zum schlafen bringen – für immer. Sanft legte er seine linke Hand auf den Mund des Mannes, hinderte ihn somit schon im Keim am schreien. Dann erst drang das Messer langsam und tief in den Hals des Schlafenden, durchtrennte mit einem sauberen Schnitt die Halsschlagader. Ein dicker Strahl Blut floss über die behandschuhten Hände, doch ließ der Mann sich davon nicht abhalten, zog das Messer wieder aus der Wunde und sah den Mann an, sah ihm lächelnd in die Augen. Die Augen des schmalen, blonden Mannes blickten zurück, groß und angsterfüllt. Doch so sehr sich der recht kleine Mann auch unter ihm wand, es nützte ihm nichts. Zu tief war die Wunde, zu gut platziert. Sein Mörder hatte gewusst, was er tat, denn er hatte es schon oft getan, konnte auf jahrelange Erfahrung zurückblicken. Wie schon so oft spürte er das Leben aus dem Menschen unter sich rinnen spüren. Er starb während sein Mörder ihm in die Augen sah, sanft lächelnd in die Augen sah und dabei zusah, wie das Leben langsam aus ihm wich. Dann erst stand er auf, strich dem Toten die Augen zu und verschwand aus dem Fenster. Der Rückweg durch den Garten wurde schwieriger, sehr viel schwieriger, denn der Garten war nicht länger leer. Überall Wachmänner, nur auf der Suche nach ihm. Lächeln. Noch eine Herausforderung an diesem Tage. Schnell trugen seine Füße ihn über den Rasen, verharrten wann immer möglich hinter einem der Büsche. Freilich war dies ein schwieriges Unterfangen, denn immer noch musste er sich vor den Überwachungskameras in Acht nehmen, da er es sich nicht leisten konnte, der Polizei sein Gesicht zu liefern. Er war niemals erwischt worden oder hatte auch nur einen Hinweis auf seine Person hinterlassen. So sollte es auch bleiben. Erneut hockte er hinter einem Busch, ihm fiel auf, dass jeder nach einer anderen Pflanze roch, der letzte hatte Rosenduft verströmt, dieser hier roch nach Holunder. Der angenehme Duft legte ein Lächeln auf sein Gesicht – für eine gute Tasse Tee ließ er schon gerne einmal alles andere warten. Doch grade hatte er keinen Tee da und so konzentrierte er sich lieber auf seinen Beruf – töten. Die Beretta hatte er schnell in Anschlag gebracht, gezielt hallten seine Schüsse über das Gelände, ein Toter stürzte in den Teich, andere auf den Rasen. Der Mann lief weiter. Rufe wurden hinter ihm laut. Schnell war die Mauer erklommen, er verharrte oben obgleich er dort ein leichtes Ziel darstellte, drehte sich noch einmal um und verschoss die letzten seiner fünfzehn Patronen und sprang dann auf der anderen Seite der Mauer herunter. Schnell lief er die Straße hinunter, als er die Biegung zur U-Bahn Station erreichte zog er die Handschuhe aus und vergewisserte sich, dass nirgendwo an seiner Kleidung Blutspuren hafteten, ehe er die Rolltreppe in die Tiefe nahm. Ein Blick auf die Uhr – perfekt, er würde seinen Flug auch noch erwischen. Juni 2007, Flughafen London-Gatwick Das Flugzeug stieg in den Himmel auf, ließ das nächtliche London mit all‘ seinen Lichtern, gespiegelt in der Themse, hinter sich zurück. Die meisten Passagiere hatten sich schon in die von den Stewardessen ausgeteilten Decken und Kissen gekuschelt und dösten, beziehungsweise schliefen schon. Der Mann aber hatte weder Decken noch Kissen beachtet, sondern sah von seinem Platz in der letzten Reihe am Gang nur ruhig seine Mitreisenden an, wartete, bis die meisten von ihnen in Morpheus Armen gewiegt wurden. Dann erhob er sich, ging auf leisen Sohlen zur Toilette und verschloss hinter sich sorgfältig die Türe. Als er sich umdrehte und in den Spiegel sah, blickte ihm ein schwarzhaariger Mann mit braunen Augen, recht kleiner Statur und kaffeebraunem Teint entgegen. Das Spiegelbild lächelte sarkastisch. Dann trat der Mann näher an den Spiegle heran, hob mit der linken Hand das rechte Augenlid an und nahm die Kontaktlinse vom rechten Auge, ehe seine rechte Hand das linke Lid hielt und er auch die andere farbige Kontaktlinse entnahm. Die beiden verbrauchten Linsen spülte er anschließend in der Toilette herunter. Als er wieder in den Spiegel sah, blickte ein Paar rubinroter Augen zurück. Der Mann griff sich in die schwarzen Haare, packte fest zu und riss einmal kräftig an seinen Haaren. Langsam löste er die Perücke ab, zerkleinerte sie und versteckte sie bei sich. Dann versuchte er, sein eigenes Haar zu kämmen, doch war dies bei seinem wirren, blonden Haar schon immer die einzige Herausforderung in seinem Leben gewesen, welcher er nicht gewachsen war. Seufzend gab er den Versuch auf, wusch sich Gesicht und Hände. Als er jetzt erneut in den Spiegel blickte, sah er einen Mann mit unbändigem blondem Haar mit schwarzen und lilafarbenen Strähnen, roten Augen, kleiner Statur und kaffeebraunem Teint. Er lächelte wieder. Dann kehrte er zu seinem Platz zurück. Es würde noch einige Stunden dauern, ehe sie in Japan landen würden. Das Flugzeug flog weiter durch die Nacht, die Passagiere schliefen, nur der Mann saß wach da und aß einen Obstsalat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)