Nur ein Sommer von Alaiya ([LoveSetsuna] [InoriHayate]) ================================================================================ Kapitel 1: Unter dem Sternenhimmel ---------------------------------- “For my part I know nothing with any certainty, but the sight of the stars makes me dream.” (Vincent Van Gaugh) „Setsuna!“ Ihr Ausruf schallte über die nächtliche Wiese, doch das andere Mädchen drehte sich nicht um, reagierte nicht auf ihre Stimme. Dabei war sie sich sicher, dass sie es war. Sie musste es einfach sein. Sie war endlich zurückgekehrt. „Setsuna!“, rief sie erneut. Sie wollte zu ihr laufen, doch irgendwie kam sie ihr nicht näher. „Setsuna!“ Warum reagierte sie denn nicht? Konnte sie sie denn nicht hören? Oder war sie es letzten Endes doch nicht? Oder… Wollte sie sie etwa gar nicht sehen? „Setsuna!“ Ihre eigene Stimme klang verzweifelt. Was war das für ein Stechen in ihrer Brust? „Setsuna!“ Endlich drehte sich das Mädchen, das mitten auf dem mit Klee überwachsenen Hügel stand, um und sah sie an. Ein trauriges Lächeln prägte ihr Gesicht. Doch ehe sie etwas sagen konnte, ehe sie zu ihr laufen konnte, wurden ihre Züge von dem unnatürlich hellen Licht einer über den Himmel schießenden Sternschnuppe erhellt. Dann warsie verschwunden. Setsuna. „Setsuna…“ Love schrie nicht mehr, als sie aus dem Schlaf aufwachte. Dazu hatte sie diesen Traum schon zu oft in den vergangenen Wochen und Monaten gehabt. Schon lange wartete sie darauf, dass Setsuna nach Colver Town zurückkehrte, doch bisher vergebens. Weder Setsuna, Westar und Soular waren zurückgekehrt, noch waren es Tarte und Chiffon und mit jedem Tag, der verging, schienen die Dinge, die vor fast zwei Jahren in der Stadt passiert waren, wie ein Traum. Love richtete sich auf und blieb eine Weile sitzen, ehe sie die Füße aus dem Bett schob und aufstand. Es war kurz vor zwei, aber eigentlich war es ohnehin egal, denn der folgende Tag würde der erste Tag der Sommerferien sein. Der zweite Sommer, seit sich ihre Wege getrennt hatten. Der zweite Sommer ohne Setsuna. Sie streckte die Hand nach einem auf ihrem Schreibtisch stehenden Bild aus. Es war das Foto, das sie gemacht hatten, ehe Setsuna gegangen war. Love, ihre Eltern und Setsuna, wie sie alle vor dem Haus der Familie standen und lächelten. Wieso hatte sie damals gelächelt? Wieso fühlte sie sich jetzt so schlecht? Sollte sie nicht froh sein? Hieß es nicht, dass es Setsuna gut ging und in Labyrinth alles wieder in geraden Bahnen verlief? Aber konnte es nicht auch das Gegenteil heißen? Wieso ließ Setsuna nichts von sich hören? Love seufzte, stellte das Bild auf den Tisch zurück und klatschte sich selbst mit beiden Händen auf die Wangen. „Ach Love, was hast du nur?“, fragte sie sich selbst laut. „Das passt doch gar nicht zu dir so ein Trauerkloß zu sein!“ Langsam ging sie zur halboffenen Balkontür und sah auf die nächtliche Straße hinab. „Das passt doch gar nicht zu mir…“ „Love!“, rief Miki genervt aus und sorgte so dafür, dass das Mädchen im rosanen Trainingsanzug aufschreckte. „Du hast schon wieder den Einsatz verpasst! Was ist heute los mit dir?“ Die Angesprochene seufzte nur und ging zur Parkbank hinüber, auf der die Handtücher der drei Mädchen lagen, wo sie zu ihrer Wasserflasche, die neben den der anderen beiden auf dem Boden stand, griff. Nachdem sie getrunken hatte, ließ sie sich mit hängendem Kopf auf der Bank nieder. „Tut mir leid“, murmelte sie ohne die anderen anzusehen. „Ich habe letzte Nacht nur nicht gut geschlafen.“ Dabei verriet ihre Stimme jedoch, dass das nicht alles war, was sie bedrückte. Nun seufzte auch Miki und ging zum an einem kleinen Lautsprecher angeschlossenen MP-Player, der ebenfalls auf einer der im Halbkreis aufgestellten Bänke stand und schaltete ihn aus. „So hat das keinen Sinn…“ Es herrschte kurzes Schweigen, bis Inori, die letzte im Bunde, sich zu Love gesellte. „Bist du sicher, dass sonst alles in Ordnung ist?“, fragte sie vorsichtig. Immerhin war es äußerst selten, dass Love einmal nicht gut gelaunt und voller Energie war und wenn hielt dies auch selten länger als eine halbe Stunde an. Heute jedoch wirkte Love schon seit dem frühen Morgen abwesend und nahezu depressiv – und das an ihrem ersten Ferientag. „Ja“, erwiderte Love und lächelte sie halbherzig an. „Ich hatte nur einen seltsamen Traum.“ „Einen Traum?“, fragte Inori nach, auch wenn ihre Freundin nicht so aussah, als würde sie darauf antworten wollen. Miki, die mit verschränkten Armen neben ihnen stand, war keine große Hilfe. Dies war vielmehr der Besitzer der Stimme, die nun hinter ihnen erklang. „Ich weiß, was ihr jetzt braucht, gnah. Donuts!“ Die Stimme gehörte einem dunkelhaarigem Mann mittleren Alters, dessen Gesicht von einem Dreitagebart geziert wurde, während eine helle Schürze seinen Bauch verdeckte. Inori sah ihn an. „Vielen Dank, Kaoru-chan“, meinte sie lächelnd und meinte die Worte auch aufrichtig. So nahmen die Mädchen ihre Sachen und begleiteten den Mann, dessen Nachnamen nur wenige kannten, zu seiner bunten Donutbude, die praktisch direkt an dem kleinen Platz im Stadtpark stand, auf dessen Bühne sie mindestens einmal wöchentlich ihr Tanzprogramm übten. Eigentlich sollte ihr Training nun – in den Sommerferien – intensiver sein, hatten sie doch Zeit und einen Auftritt auf dem in vier Wochen stattfindenden Clover Town Sommerfest, doch dieser erste Tag war das genaue Gegenteil gewesen. Während Kaoru einen Korb frischer Donuts, aus deren Mitte eine Herzform ausgestochen war, vor sie stellte, fragte sich Inori einmal mehr, ob der Mann überhaupt Umsatz machte, so oft wie er sie und auch andere Bewohner der Stadt auf seine Donuts einlud. Doch umso seltsamer erschien ihr Love heute, als sie nur lustlos in ihren Donut biss, ohne Spur von ihrer üblichen Begeisterung für die Mehlspeise. „Ist wirklich alles in Ordnung, Love-chan?“, fragte sie schließlich noch einmal. „Ja“, kam die leise Antwort. Auch Miki beobachtete ihre Freundin nun etwas besorgt, selbst nur spärlich an ihrem Donut knabbernd. „Man könnte fast meinen, du hättest Liebeskummer“, stichelte sie, wohl mit dem Ziel das andere Mädchen aufzumundern. „Nein“, erwiderte Love immer noch recht unmotiviert und zwang sich offenbar zu einem matten Lächeln. „Es ist wirklich alles in Ordnung.“ „Ist was mit Daisuke?“, fragte das größte der drei Mädchen unbeirrt weiter. Love schwieg kurz. „Nein. Es ist wirklich alles okay. Ich hatte letzte Nacht einen seltsamen Traum, dass ist alles.“ Nun nahm sie sich einen weiteren Donut und verschlang ihn mit nur zwei Bissen. „Alles in Ordnung“, meinte sie dann grinsend, auch wenn Inori sich sicher war, dass auch dieses Grinsen gezwungen war. Eine Weile überlegte sie noch, ob sie nicht weiterfragen sollte, beschloss aber dann, das Thema zu wechseln, da ihre Freundin offenbar nicht darüber reden wollte. „Was ich noch sagen wollte“, begann sie. „Ich… Es tut mir leid, aber ich fürchte, ich werde in der nächsten Woche nicht so viel Zeit, wie ich dachte.“ „Ich habe auch Schwimmtraining“, erwiderte Miki, das gewechselte Thema aufgreifend. „Außerdem habe ich nächstes Wochenende ein zweitägiges Shooting.“ „Und was soll ich dann machen?“, schmollte Love, nun etwas mehr sie selbst. Inori sah sie mitleidig an. „Es tut mir leid, aber du weißt, dass mein Vater die Praxis nicht alleine leiten kann.“ Damit nahm sie Bezug auf ihre Mutter, die sich vor einer halben Woche das Bein gebrochen hatte, als sie mit den Hunden der Tierklinik am Fluss ausgegangen und ziemlich ungeschickt gefallen war. „Mein Vater sucht aktuell eine Hilfe, aber so lange wir niemanden finden, muss ich ihm helfen.“ „Ja, ich weiß“, seufzte Love und ihr Blick wurde wieder abwesend. „Was hältst du davon, wenn ich euch etwas aushelfe, Buki?“, fragte sie dann auf einmal. „Natürlich“, erwiderte das andere Mädchen, in der Hoffnung das dies ihre Freundin aufheitern würde, obwohl sie sich nicht sicher war, inwiefern Love eine Hilfe sein könnte. „Ich schlage es meinem Vater vor.“ „Gut.“ Erneut lächelte Love, doch noch immer war eine leichte Traurigkeit in ihren Zügen zu erkennen. „Ansonsten kann die junge Dame ja mir Gesellschaft leisten, gnah!“, schlug Kaoru-chan vor und sah die Gruppe der Mädchen durch das Herzloch eines Donuts an. Die Dunkelheit hatte sich über Clovertown gelegt und die Uhr auf Loves Nachttisch zeigte an, dass es kurz vor Mitternacht war. Seit mehr als einer Stunde lag sie nun wach, nachdem sie am Abend schon früh ins Bett gegangen, doch auch sehr bald wieder von demselben Traum erwacht war. Obwohl sie müde war, wollte sie nicht wieder schlafen. Sie war den Traum leid, sie war es Leid an Setsuna zu denken, auch wenn sich die Gedanken gleichzeitig nicht verdrängen ließen. Setsuna. Love merkte, wie sich ihre beiden besten Freundinnen sorgen um sie machten. Nicht nur sie. Sie wusste, dass sich auch Kaoru-chan Sorgen machte und viele andere. Heute und auch an vergangenen Tagen, an denen es besonders schlimm gewesen war, hatte sie besorgte Gesichter gesehen, war sie gefragt worden, ob denn alles in Ordnung war. Auch ihre Eltern machten sich Sorgen. Und niemanden hatte sie davon erzählt. Niemanden hatte sie von den Träumen erzählt. Doch sie wusste, dass zumindest ihre Mutter wusste, was sie bedrückte. Sie sah es in ihrem Blick, auch wenn Ayumi Momozono es nicht ausgesprochen hatte. Dabei wollte sie – Love – nicht, dass man sich um sie Sorgen machte. Sie wollte, dass die Menschen um sie herum glücklich waren. Sie wollte selbst glücklich sein. Warum vermisste sie sie nur so? Setsuna. Vielleicht machte sie im Moment alles falsch. Immer wieder merkte sie, dass sie andere verletzte, dass sie ihnen nicht helfen konnte. Noch immer hatte sie Daisuke keine Antwort geben können und mittlerweile hatte sich zwischen dem Jungen und ihr meist ein schmollendes Schweigen ausgebreitet, zumindest von seiner Seite aus. Dabei wollte sie ihn nicht als Freund verlieren. Sie konnte nur nicht mehr für sie sein. Manchmal fragte sie sich, wie lange es noch dauern würde, bis er ein anderes Mädchen fand. Nein, sie hatte ihn nie verletzen wollen, aber sie konnte ihm nicht antworten. Aber auch darüber hatte sie nicht mit ihren Freundinnen gesprochen. Sie sollten sich nicht noch mehr Sorgen machen. Dabei war es so gar nicht sie selbst, ihre Probleme zu verschweigen. Sie war nie sonderlich leise oder schweigsam gewesen, sie war Love, alle kannten sie als das fröhliche Mädchen der Stadt, das versuchte allen zu helfen. Das wusste sie. Sie wollte den anderen helfen, aber im Moment konnte sie es nicht. Vielleicht sollte sie mit jemanden darüber reden. Mit ihrer Mutter. Mit ihren Freundinnen. „Setsuna…“, flüsterte sie und merkte, wie eine einzelne Träne über ihre Wange lief. Sie fuhr zu ihrer Wange und tastete mit ihrem rechten Zeigefinger nach der Träne. Dann hob sie die Hand und sah auf den einzelnen Tropfen Salzwassers, der an ihrer Fingerspitze im Licht der Straßenlampe glitzerte. Sie sah auf die Uhr. Der Minutenzeiger hatte die zwölf gerade überschritten. Es war zwei Minuten nach Mitternacht und sie wusste, dass sie so keinen Schlaf finden würde. Vielleicht sollte sie ins Wohnzimmer gehen und fernsehen. Aber vielleicht… Ihr Blick fiel auf die Balkontür, die auch diese Nacht nur leicht angelehnt war. Ohne weiter darüber nachzudenken nahm sie ihre kurze Hose vom Stuhl und auch ein helles Top, ehe sie leise, damit ihre Eltern es nicht bemerkten, ins Erdgeschoss ging und sich vor der Tür ihre Sandalen anzog. Sie wusste nicht, was es war, doch irgendwas zog sie aus dem Haus. Vielleicht war es auch nur der Drang zu laufen, all die Dinge, die sie verwirrten und die wie eingesperrt in ihrem manchmal so kleinen Zimmer herumschwirrten, hinter sich zu lassen. Wegzulaufen? Vielleicht auch das. Sie wollte wieder so sein, wie sie eigentlich immer war. Die fröhliche, hilfsbereite Love, die für andere da sein konnte. Sie wollte sich nicht länger fragen, wo Setsuna war, wann sie wieder kam. Sie wollte einen freien Kopf bekommen, wollte wieder trainieren können, mit Inori und Miki Spaß haben. Ohne die ganzen Fragen im Kopf. Ohne die Gedanken an Setsuna. Sie achtete nicht darauf, wohin sie lief. Auf einmal spürte sie weiches Gras unter ihren Füßen und als sie sich das erste Mal richtig umsah, merkte sie, dass ihre Schritte sie scheinbar von ganz allein zu den Hügeln jenseits der Stadt geführt hatten. Überall auf ihnen blühte der Klee, der der Stadt ihren Namen gegeben hatten und der auch einst ihr Zeichen gewesen war – das Zeichen von Pretty Cure. Vier Herzen, die zu einem vierblättrigen Klee verschmolzen. Mit einem wehmütigen Lächeln bückte sie sich. Sie konnte es nicht erklären, doch wie so oft fand sie nach nur kurzem Suchen den vierblättrigen Klee, den andere sehr lange vergeblich suchten. Das Zeichen für Glück. Vorsichtig riss sie den einzelnen Stängel der Pflanze los und hob ihn hoch, hielt ihn lächelnd vor den Sternenhimmel. Sie wusste, dass sie Glück hatte. Sie hatte immer viel Glück und wusste es zu schätzen. Deswegen war sie immer fröhlich gewesen und konnte anderen helfen. Sie war ein glückliches Mädchen. Und während sie das Kleeblatt und den Himmel dahinter betrachtete, sah sie tatsächlich eine Sternschnuppe, so wie die in ihren Träumen, nur nicht so hell, nicht so auslöschend. Ihr Licht war sanft und hoffnungsweckend. Stimmte es wirklich, dass Sternschnuppen wünsche erfüllten? Durfte sie sich wirklich etwas wünschen? Sie ließ die Hand mit dem Kleeblatt sinken, lächelte. Doch mit einem Mal fiel ihr Blick auf die Kuppe des nächsten Hügels. Sie war nicht die einzige, die sich hier mitten in der Nacht auf die Kleefelder verirrt hatte. Für einen Moment fragte sie sich, ob es vielleicht ein weiterer Traum war, ob sie vielleicht noch schlief, aber trotzdem konnte sie sich nicht davon abhalten, ihren Namen zu rufen. „Setsuna!“ Konnte es wirklich sein? Im Gegensatz zu ihren Träumen drehte sich das Mädchen auf dem anderen Hügel um, lächelte sie an, auch wenn sie nichts sagte. „Setsuna!“, rief Love erneut aus. Ohne noch einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, ob sie noch träumte oder was das Mädchen hier machte, lief sie los, auf das andere Mädchen zu – ohne zu wissen was sie sagen sollte, tun sollte. Sollte sie sie fragen, wieso sie nicht vorher gekommen war? Sollte sie ihr böse sein? Doch das einzige, was Love tun konnte, als sie Setsuna – sie war es wirklich! – erreichte, war ihre Arme um sie zu werfen. „Setsuna“, hauchte sie noch einmal – konnte es kaum glauben. Sie merkte, wie Tränen über ihre Wangen liefen. „Setsuna.“ Da erwiderte das andere Mädchen ihre Umarmung. „Ich bin wieder da“, flüsterte sie. „Ich bin wieder zu hause.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)