Kein Zurück von Erdnuss91 (Der Sand der Zeit steht niemals still) ================================================================================ Kapitel 18: Weiter gehen ------------------------ Eigentlich sollte ich die letzten beiden Tage mit Reita zusammen wieder zur Schule gehen. Jedoch hatte ich mich strikt geweigert auf irgendetwas reagieren, geschweige denn das Bett zu verlassen oder etwas zu essen. Erst hatten sie besorgt reagiert und versucht ruhig auf mich einzureden. Jedoch schlug die Besorgnis rasch in Wut und Unverständnis um. Aber trotz allem schafften sie mich nicht aus der Lethargie rauszuholen, egal wie sehr sie sich bemühten. Und ich hatte einfach keine Kraft mehr dafür gegen mich selbst zu kämpfen. Und das macht mir extreme Angst: Habe ich wirklich schon aufgegeben auf eine Besserung der Depression zu hoffen? Selbst als Reita mich auf den Rücken schlug blieb ich ruhig und zog mir nur noch einmal richtig die Decke über die Schultern. Dabei hätte ich doch eigentlich reagieren müssen, da er mir doch ziemlich wichtig ist.Und durch die ganzen Schläge von meinem Großvater auf meinen Rücken hätte es einfach irgendeine Emotion auslösen sollen. Manchmal ist es für mich noch schlimmer die Lethargie als die ganzen Selbstmordgedanken zu ertragen. Wer soll mir bloß helfen können, wenn ich es noch nicht einmal selbst schaffe? Als ich meinen Psychologen für die Essstörung in der Küche gehört hatte, dachte ich erst an eine Einweisung an die Psychiatrie. Und um ehrlich zu sein war es mir in diesem Moment auch vollkommen egal gewesen. Ob ich nun hier daheim im Bett liege oder in einer Psychiatrie auf der Geschlossenen: Was ist schon der Unterschied, außer vielleicht die Kamera an der Wand? Und es kam dann überraschenderweise auch völlig anders als erwartet. Erst hatte mich der Psychologe mit ganz komischen Fragen versucht aus der Reserve zu locken und er schaffte es tatsächlich mich auch zum Aufstehen zu bewegen. Er schaffte es sogar, dass ich den Raum verließ und die Treppen runter ging ohne direkt auf dem Absatz kehrt zu machen. Dann redeten wir zusammen mit Aiko im Wohnzimmer und beide überredeten mich zusammen dazu zum Arzt zu gehen. Aiko war ziemlich besorgt gewesen, da ich scheinbar ziemlich müde und geschwächt ausgesehen habe. Nachdem ich ja letzte Woche wegen der Mittelohrentzündung nicht in der Schule war, hatte ich mich gar nicht getraut am Freitag zu erwähnen wie schlecht es mir nach wie vor geht. Ich hatte einfach Angst vor der Reaktion, da ich keinem zusätzliche Arbeit machen wollte. Im Vergleich zu Reita habe ich schließlich nur eine einfache Erkrankung und ich schäme mich schon quasi dafür überhaupt damit zum Arzt zu gehen. Dabei weiß ich selbst, dass eine Mittelohrentzündung alles andere als harmlos ist und ich das ruhig hätte erwähnen können. Ich kann mir einfach diese unglaubliche Angst vor Aiko, Fumiko und Reita nicht erklären und eigentlich geben sie mir ja auch absolut keinen Grund dafür. Warum muss ausgerechnet die Angststörung jetzt so zuschlagen? Der Psychologe kann sich meinen plötzlichen Stimmungsumschwung nicht erklären und er hat zur Vorsicht eins der Medikamente etwas erhöht, damit wenigstens mein Körper etwas zur Ruhe kommen kann. Gegen Abend hätte mich am liebsten der Arzt direkt da behalten, da mein Fieber plötzlich schon wieder so hoch war und meine Blutwerte nicht okay waren. Ich bekam direkt eine Infusion und noch mehr Antibiotika. Aiko hatte mich nur wieder mit heimgeholt, da ich sie unter vielen Tränen angefleht hatte. Ich wollte nicht ganz alleine dort bleiben. Daheim war das Fieber wieder weg durch die Medikamente und Fumiko bestand darauf, dass ich heute wieder zur Schule gehe. Eigentlich sehe ich das ja genauso, jedoch habe ich unglaublich Angst davor. Und ich weiß nicht warum ich so eine schreckliche Angst habe. Der Psychologe meinte auch, dass es mich entweder triggern wird oder der Alltag bringt mich tatsächlich dazu wieder ruhiger zu werden. Er wollte sich jedoch nicht festlegen auf eine Sache und das hilft mir gerade absolut nicht weiter. Fumiko will wohl mit aller Kraft verhindern, dass ich wieder in der Psychiatrie lande. Und da ich ja wieder ständig in der Schule fehle, könnte das Jugendamt wieder Ärger machen. Zudem ist es der Sachbearbeiterin ein Dorn im Auge, dass Uruha wegen akuter Selbstmordgefahr und anderem behandelt wird und Reita ja schon wieder so lange daheim war. Fumiko weiß überhaupt nicht ob Reita vor mir oder ob ich vor Reita und Uruha beschützt werden soll. Sie ist auf jeden Fall sauer auf die Sachbearbeiterin, da ich laut den Psychologen ruhig weiter ambulant behandelt werden kann. Gestern Abend war ich auf Reitas Sofa eingeschlafen, jedoch war ich um kurz nach Mitternacht wieder wach und konnte mich einfach nicht dazu bringen ruhig liegen zu bleiben. Aus dem Grund war ich auch ins Wohnzimmer gegangen um ganz leise Fernseher zu gucken. Als Aiko sich für die Arbeit am fertig machen war kam sie kurz zu mir ins Wohnzimmer um mich zu umarmen und mir noch einmal zu versichern, dass niemand von mir heute erwartet so wie immer zu sein. Ehe sie fuhr stellte sie mir noch Kräutertee, meine Tabletten und einen von Reitas Aufbaudrinks hin. Widerwillig nahm ich beides zu mir und zog mir schon einmal in Uruhas Zimmer meine Schuluniform samt Mundschutz an. Und jetzt gerade gehe ich voller innere Unruhe zusammen mit Reita zur Schule. Er ist ziemlich ruhig und schon nach der Hälfte des Weges ist er vollkommen verschwitzt im Gesicht. Setzt ihm das alles wirklich so sehr zu? Warum wollte er dann unbedingt nach Hause? Und wenn sie tatsächlich die künstliche Ernährung absetzen, was wird dann aus ihm? Heute Morgen hatte er nur ein bisschen an seinem Drink genippt und hatte auf seine Mutter ziemlich gereizt reagiert. Oder mache ich mir zu viele Gedanken um ihn? Nach der Hälfte des Weges begegnen wir Aoi, der um ehrlich zu sein genauso schlecht drauf ist wie Reita. Direkt meine ich zu den beiden, dass ich schon einmal vorgehe und beeile mich dann auch um nicht die geballte Wut zu spüren zu bekommen. Ich weiß gar nicht auf wen sie jetzt schon wieder sauer sind, aber vermutlich sind sie auch auf mich wütend wegen der letzten beiden Tage. Die Ohrenschmerzen sind echt ätzend heute und mir fällt es tatsächlich ziemlich schwer das Gleichgewicht zu behalten. Heute wird es nicht gut laufen, aber ich kann ja nicht ewig zu Hause bleiben. Kurz vorm Schultor begegne ich Jun, der mich verwundert anguckt. Direkt spricht er mich auch an: „Na du? Warum rennst du denn vor den anderen beiden weg?“ Zögerlich antworte ich: „Die sind mal wieder schlecht drauf und ich hab heute Morgen keine Lust auf Streit. Zudem ist Reita immer noch ziemlich sauer auf mich und ich will nicht schon wieder geschlagen werden.“ Leise lachend umarmt Jun mich kurz und wir gehen schweigend zusammen in die Klasse. Es dauert auch nicht lange bis sich Reita laut schnaufend neben uns setzt. Er ist wirklich kalkweiß im Gesicht und ich traue mich kaum ihn in irgendeiner Weise anzusprechen. Als er nach den ersten zwei Stunden wortlos mit seiner Medikamententasche verschwindet mache ich mir unglaubliche Sorgen um ihn. Soll ich ihm nachgehen? Oder wird er mich dann nur abwimmeln? Ich will nicht, dass er nur wegen mir durchhält. Die letzten paar Wochen habe ich die Schule auch ohne ihn überlebt, also wieso zum Henker ist er heute mitgekommen? Ihm ging es ja wahrscheinlich schon heute Morgen nicht gut. Warum nur ist mir so schrecklich schwindlig heute? Warum kann ich nicht einmal einfach nur funktionieren? Jun schnappt sich plötzlich meine Hand und meint nur: „Bleib bitte hier, ja? Reita findet es nicht so prickelnd, wenn man ihm in dem Zustand hilft. Und so wie du heute herum eierst bist du ihm sowieso keine große Hilfe.“ Resigniert seufze ich und beschließe einfach nur auf Reitas Rückkehr zu warten. Leider kommt Reita auch für den Rest des Tages nicht wieder, weshalb ich zusammen mit Jun und Reitas Tasche zum Krankenzimmer gehe. Warum hat er sich nicht abholen lassen? Oder will er seiner Mutter nicht noch mehr Probleme bereiten? Oder hat er etwa Angst davor wieder im Krankenhaus bleiben zu müssen? Nachdem ich leise angeklopft habe gehen wir rein. Es scheint nur ein Bett belegt zu sein, bei dem auch noch die Vorhänge zugezogen wurden. Leise frage ich: „Reita? Ich hab deine Tasche hier. Wenn du mich nicht sehen willst, dann stell ich die einfach hier hin und geh wieder.“ Mit heiserer Stimme antwortet er mir: „Danke, stell sie bitte ab. Ich komm später heim, ja?“ „Okay, Rei-chan. Bis später“, verabschiede ich mich von ihm. Verärgert stelle ich die Tasche an die Wand und verlasse mit Jun den Raum. „Warum ist er nur so ein sturer Esel? Mich hat er ja auch nicht in Ruhe gelassen als es mir so schlecht ging, also warum muss ich ihn jetzt in Ruhe lassen?“, frage ich. „Wahrscheinlich redet er später mit dir darüber, Ru-chan. Reita hasst es einfach vor anderen Schwäche zu zeigen und das weißt du auch“, erklärt mir Jun. ~ Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis Aiko mit Reita heimkommt, welcher sich auch direkt im Wohnzimmer unter meiner Decke verkrümelt. Um Reita nicht unnötig zu belästigen gehe ich in die Küche und frage einfach Aiko: „Was war los mit Rei-chan?“ „Er hatte sich wohl mehrfach übergeben trotz Medikamente und er war danach einfach zu müde um zurück in den Unterricht zu gehen. Er war eben kurz bei seinem Arzt und hat auch was gegen die Halsschmerzen und alles bekommen. Und noch zwei Infusionen, weshalb wir auch so lange da waren. Du kannst ruhig zu ihm gehen und ihm etwas Gesellschaft leisten. Ich hab mit ihm etwas über die letzten paar Tage geredet und ihm tut es übrigens Leid, dass er gegenüber dir so aggressiv war. Ich denke einmal die Medikamente setzen ihm so zu“, erläutert mir Aiko. Lächelnd umarme ich Aiko und mache mich direkt auf ins Wohnzimmer. Dort setze ich mich neben Reita welcher direkt ein Stück meiner Decke über mich legt. Direkt meint er: „Es tut mir Leid wegen heute Morgen. Ich hätte direkt einem von euch Bescheid geben sollen, dann hätte ihr euch nicht so große Sorgen machen brauchen. Und später wollte ich einfach keinen sehen, weil ich total fertig war mit allem. Geht es dir wieder etwas besser?“ Warum redet Reita nur so ungern über sich selbst? „Mir geht es wieder um einiges besser und es freut mich, dass du heute nicht im Krankenhaus bleiben musstest. Bleibst du morgen auch noch daheim?“ „Morgen soll ich wieder in die Schule, sofern es mir wieder besser geht. Ich hoffe dein Schultag war heute um einiges besser als meiner? Du klangst ziemlich verärgert, als du mir die Tasche gebracht hattest“, erkundigt sich Reita. Manchmal fasziniert es mich schon, dass Reita mich so gut einschätzen kann. „Es war ziemlich anstrengend und Jun musste mir ziemlich viel helfen. Aber ansonsten war es ganz okay, obwohl ich etwas wegen deinem Verhalten verärgert war. Jedoch hab ich nach der Schule mit Jun darüber geredet und ich bin jetzt deshalb auch nicht mehr sauer“, versichere ich ihm. Warum will Reita unbedingt bei mir sitzen, wenn er sich kaum noch wach halten kann? Seufzend lege ich meine Decke richtig über Reita und gehe in sein Zimmer seine Decke holen. Zurück im Wohnzimmer setze ich mit samt Decke auf die andere Couch, da sich Reita in der Zwischenzeit hingelegt hat. Nach einiger Zeit setzt sich Aiko neben mich und zieht mich in eine Umarmung. „Na wie war dein Tag heute? Hoffentlich bist du nicht sauer auf uns, weil wir dich einfach in die Schule geschickt hatten. Laut der Lehrerin ging es dir zwischenzeitlich nicht so gut, magst du mir erzählen was los war?“, bittet mich Aiko. „Ich bin nicht sauer auf euch, sondern auf die vom Jugendamt. Mir war nur ziemlich schwindlig und mir fiel es schwer geradeaus zu gehen. Ich hab eben schon die Tabletten nach dem Abendessen genommen und jetzt geht es mir auch um einiges besser als heute Morgen“, versichere ich ihr. „Du siehst auch nicht mehr ganz so blass aus wie heute Morgen. Ich denk einmal Ende der Woche bist du wieder komplett gesund und kannst dann das Wochenende bei deiner Mama genießen. Reita geht es dann gewiss auch wieder etwas besser, vielleicht könnt ihr dann ja was zusammen unternehmen“, schlägt Aiko vor. Ich hatte ganz vergessen gehabt, dass wir ja am Wochenende bei meiner Mama sein werden. Irgendwie hab ich immer noch nicht ganz verstanden, warum ich so oft zu meiner Mama gehen muss. Ich mein unter der Woche passt ja auch die Oma auf mich auf, also warum nicht auch am Wochenende? Oder wurde das mit dem Jugendamt vereinbart, da sie ja meine leibliche Mutter ist? Mir tut Reita auf alle Fälle Leid, da er ziemlich viel momentan zurück stecken muss. Fumiko wird diese Woche noch einmal mit Aoi zusammen zu Uruha fahren und deshalb arbeitet sie auch zusätzlich, damit sie das ganze überhaupt finanzieren kann. Aiko scheint auch Überstunden anzuhäufen aus dem gleichen Grund. Wobei ich mir bei Reita nie ganz sicher bin, ob ihm das überhaupt wirklich etwas ausmacht? Vielleicht ist er zur Zeit auch einfach nur so niedergeschlagen, da er ja schon wieder krank ist? -------- Disclaimer: Hiermit verdiene ich keine Geld, keine der Charaktere gehört mir Vor der Op hatte ich mich schon innerlich mit den Konsequenzen angefreundet und hatte um ehrlich zu sein nicht damit gerechnet, dass ich ganz andere Einschränkungen haben werde. Sorry also für jegliche Fehler im Text oben :( Mittlerweile ist aber soweit alles wieder halbwegs okay :) Danke für die lieben Wünsche und fürs lesen ♥ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)