Kryptonit von Ur (Jeder Held hat eine Schwäche) ================================================================================ Kapitel 33: Erwachen -------------------- So! Es hat ein bisschen gedauert diesmal, aber die Uni hat mein Leben gefressen und es erst kürzlich wieder ausgespuckt. Dieses Semester liegt eine Menge an und ich denke, dass es zwischenzeitlich noch mal zu Pausen kommen kann, aber ich bemühe mich wie immer, euch nicht zu lang warten zu lassen. Das Kapitel ist kurzer Fluff, ich brauchte es als Überleitung fürs nächste ;) Viel Spaß damit und einen guten Start in die Woche wünsche ich euch! Liebe Grüße, PS: Ich widme das Kapitel Katja und Steffi, weil die beiden gerade Plüsch brauchen. ________________________________ Mein Gehirn fühlt sich ziemlich beduselt an. Es ist sehr warm und ich habe das Gefühl, tief in die Matratze eingesunken zu sein. Im Schneckentempo gleite ich aus meiner konfusen Traumwelt in die Realität und stelle träge fest, dass sich nackte Haut an meiner nackten Haut ziemlich angenehm anfühlt. Es dauert einige Sekunden, bis dieser Gedanke in meinem Kopf Fuß gefasst hat und der Wachzustand hämmert mir mit voller Wucht seine Faust ins Gesicht. Nackte Haut. An meiner. Warm. Viel wärmer, als es wäre, wenn man allein im Bett läge. Mein Gedächtnis wird sehr schnell zurückgespult und in einem undeutlichen Schleier erinnere ich mich daran, dass Chris mich wie ein Mädchen die Treppe hochgetragen hat. Und ich hab… Himmelherrgott, ich hab ihn praktisch dazu gezwungen, sich zu mir ins Bett zu legen. Das heißt, dass die Beine unter meinem Bein und der Bauch unter meinen Fingerspitzen und die Schulter unter meinem Kopf zu Chris gehören. Und dass ich so eng an ihm dran liege, als wäre ich ein Kraken und… Das darf doch alles nicht wahr sein! Mein Herz rast, als ginge es um mein Leben, und ich öffne langsam die Augen, während ich mir inständig wünsche, dass Chris noch tief und fest schläft und ich mich unbemerkt ins Bad schleichen und dort vor Scham sterben kann. Pustekuchen. Als ich meine Augen geöffnet habe, blicke ich direkt in ein Paar brauner Iriden, die mich gespannt anschauen. Auf Wiedersehen Leben, es war schön mit dir. »Morgen«, sagt Chris. Einfach so. Als wäre es total ok, dass ich an ihm dranklebe wie eine Klette und wir beide nur Shorts anhaben und… oh, nicht drüber nachdenken, nicht drüber nachdenken… zu spät. Hastig ziehe ich meinen Arm, meinen Kopf und mein Bein von ihm zurück, zerre mir mit einem kläglichen Wimmern die Decke über den Kopf und drehe Chris den Rücken zu. »Ich werde hier nie wieder rauskommen!«, klage ich jämmerlich. Ich höre Chris glucksen. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, entgegnet er. Was soll ich dazu sagen? Er hat sich ja auch nicht betrunken an jemanden rangeschmissen, der komplett außerhalb seiner Reichweite liegt. Meine Matratze soll sich auftun und mich verschlingen. »Und ich werde nie wieder Alkohol trinken!« Ein leises Glucksen dringt gedämpft an meine Ohren und im nächsten Moment spüre ich wie Chris sich erhebt. Ich drehe mich wieder zurück zur anderen Seite und wage einen Blick unter der Decke hervor. Das war eine ausgesprochen schlechte Idee. Chris steht da in Shorts und ansonsten trägt er nichts. Natürlich nicht. Denn genauso ist er gestern Nacht zu mir ins Bett gekrochen, nachdem ich ihn gezwungen habe. Oh Gott, das ist alles so peinlich. Und das Problem in meiner eigenen Shorts ist auch peinlich. Männliche Körper sind ätzend, wenn man bemüht ist, seine Gedankengänge zu verbergen. Chris sieht sogar kurz nach dem Aufstehen viel zu gut aus. Seine dunklen Haare stehen in alle Himmelsrichtungen von seinem Kopf ab und ich sollte besser nicht anfangen, all die Vorzüge seines fast nackten Körpers zu beschreiben, sonst lässt mein Körper mich nie zufrieden. »Ich geh mal ins Bad«, meint Chris gelassen und verschwindet aus meinem Zimmer. Ich wage es, mich aufzusetzen. Ein leicht verzweifeltes Stöhnen verlässt meine Lippen. Wo hab ich mich da nur reingeritten? Was um alles in der Welt hab ich mir dabei gedacht, mich an Chris zu kuscheln, ihn mich hier rauf tragen zu lassen und ihn dann zu nötigen, hier ins Bett zu kommen? Ich weiß wirklich nicht, ob mir jemals schon mal irgendetwas so dermaßen peinlich gewesen ist, und das will was heißen. Immerhin wurde ich ein Jahr lang in der Schule fast jeden Tag gedemütigt. Aber das hier ist Chris. Chris ist wichtig. Und ich will nicht, dass er mich total beknackt findet. Was denkt er jetzt wohl über mich? Dass ich total verzweifelt bin, um mich derartig an ihn ranzuwerfen, obwohl ich doch genau weiß, dass ich keine Chance habe? Eigentlich will ich gar nicht wissen, was er denkt. Ich will einfach nur im Boden versinken und nicht mehr denken müssen. All diese Grübelei hat wenigstens einen Vorteil. Der Inhalt meiner Shorts beruhigt sich wieder und ich kann aufstehen, um das Fenster zu öffnen und kalte Herbstluft herein zu lassen. Ich fröstele ein wenig und schlüpfe in Chris‘ übergroßen Pullover, den ich mitgebracht habe. Er ist riesig, aber unheimlich warm und gemütlich, wie damals schon, als Chris ihn mir vor seiner Haustür umgehängt hat. Es ist eindeutig der falsche Zeitpunkt, um in Nostalgie zu schwelgen. Ich schlüpfe in meine Jeans und haste aus dem Zimmer in den Flur. Das Rauschen des Wassers sagt mir, dass Chris im Gästebad duscht, also husche ich in das andere Badezimmer und schließe die Tür hinter mir. Meine Haare sehen in etwa aus wie ein geplatztes Kissen. Mir ist ein wenig übel. Wahrscheinlich vom Alkohol. Und ich hab leichte Kopfschmerzen. Das ist dann wohl das, was man einen Kater nennt. Großartig, wirklich. Während ich Zähne putze und meine Haare zähme, starre ich in den Spiegel und stelle zum einhundertsten Mal fest, dass ich in jeder Hinsicht durchschnittlich aussehe. Ich bin blass und mein Gesicht ist alles andere als außergewöhnlich. Ziemlich klein bin ich auch noch. Na ja, ok. Ich bin fast genauso groß wie Leon. Also wahrscheinlich normal groß. Aber ich komme mir winzig vor im Vergleich zu Chris, der über einen Meter neunzig groß ist. Ich muss immer hoch sehen, wenn ich ihn anschaue. Blöde Metapher, aber genau den gleichen Größenunterschied fühl ich auch was unsere Persönlichkeiten angeht. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, dass ich gestern Nacht betrunken und auf ziemlich peinliche Art und Weise auf sein Treppchen gestiegen bin, dann wird mir nur noch schlechter. Chris wird in mir sicherlich nie irgendwas anderes sehen als eine Art kleinen Bruder. Ob das normal ist, dass man bei einem Kater im Selbstmitleid versinken möchte? Als ich runter in die Küche komme, sind alle bis auf Leon schon da. Chris ist wohl auch noch nicht fertig im Bad. Ich bin ganz froh, dass ich ihm entkommen konnte, aber die vier strahlenden Gesichter, die mir jetzt entgegen blicken, schicken mir heiße Schauer über den Rücken. »Ist was gelaufen?«, fragt Lilli total aufgeregt und ich spüre deutlich, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt und ich am liebsten aus der Küche fliehen möchte. Allerdings kann ich mich nicht wirklich rühren. »Natürlich nicht«, krächze ich peinlich berührt und starre auf den Küchenfußboden. »Was heißt hier natürlich? So wie Chris dich den ganzen Abend mit den Augen auffressen wollte…« »Ihr wart so niedlich!« »Diese Fotos werd ich dir entwickeln und allen anderen auch und…« Mir wird eine Digitalkamera unter die Nase gehalten und ich blicke hinunter auf… oh… Hilfe. Chris, der mich im Brautstil trägt. Na toll. Ein Klick zurück und ich sehe mich, wie ich an Chris‘ Schulter lehne und ausgesprochen zufrieden aussehe. Umwerfend. Es gibt einen Haufen Beweisfotos und… hatte ich schon erwähnt, dass ich jetzt gern sterben würde? »Ihr habt im selben Zimmer geschlafen«, meint Sina ein wenig atemlos. »Im selben Bett«, fügt Felix hinzu. Ich schlucke trocken und nicke. Prompt werde ich von vier Paar Armen umarmt. »Was’n hier los?«, kommt Leons verschlafene Stimme von der Tür her und ich werde aus der Massenumarmung entlassen. Leons Haare stehen genau wie meine vorhin in alle Richtungen ab und er sieht reichlich zerknautscht aus. Plötzlich kommt mir der Gedanke, dass Felix und Leon im selben Bett garantiert immer miteinander… irgendwas machen. Wieso muss ich jetzt daran denken? Mein Gehirn bringt mich noch um! »Wir bewundern gerade die Bilder, die ich gestern Abend gemacht hab«, erklärt Sina schmunzelnd, während Leon in die Küche getapst kommt. Felix lächelt kaum merklich und fährt ihm behutsam durch die Haare. Leon lehnt sich gegen seinen Freund und ich muss zum gefühlt hundertsten Mal feststellen, dass die beiden ein ziemlich tolles Pärchen abgeben. Sie zanken zwar dauernd, aber sie gehen auch sehr liebevoll miteinander um, wenn man ein bisschen genauer hinsieht. »Ihr seid alle Spanner«, informiert Leon die anderen. Sina gluckst. »Ich wollte nur sehen, ob sie wirklich zusammen in einem Bett schlafen«, meint sie und zuckt mit den Schultern. Mein Kopf braucht ein bisschen Zeit, um diese Information aufzuarbeiten. »Moment… gibt es da… noch ein Foto, von dem ich wissen sollte?«, frage ich ziemlich heiser und Sinas Grinsen ist so breit, dass es mich ziemlich beunruhigt. Sie drückt kurz auf ihrer Kamera herum und im nächsten Augenblick bekomme ich ein weiteres Foto unter die Nase gehalten. Sina hat offensichtlich das Licht angeschaltet, um das Bild zu machen. Ich war zu betrunken und Chris offenbar zu tief am Schlafen, als dass wir es gemerkt hätten. Mein Herz veranstaltet einen Trommelwettbewerb mit sich selbst. Wir liegen genauso wie wir heute Morgen aufgewacht sind. Mein Kopf ruht auf Chris‘ Schulter, Chris‘ Finger liegen locker auf meiner Hüfte und ich habe ein Bein über Chris‘ Unterkörper geschoben. Mein Gesicht ist komplett in seiner Halsbeuge vergraben und Chris fallen die braunen Haare ins Gesicht und er… lächelt. Im Schlaf. Oh Gott. Lass mich sterben. »Wie niedlich ist das bitte?«, sagt Sina und Nicci seufzt leise. Leon verdreht die Augen und murmelt etwas Unverständliches. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen. Kein Ton kommt heraus. »Hab ich was verpasst?«, kommt es von der Tür her. Chris steht da in Jeans und ohne Shirt. Mein Gesicht wird heiß, Leon stöhnt empört angesichts von Chris‘ freiem Oberkörper und ich verlasse die Küche fluchtartig und schließe einen Moment später meine Zimmertür hastig hinter mir. Das sind Dinge, die ich nie haben werde und ich sollte mir das wirklich in Erinnerung rufen. Ich werd nie neben Chris aufwachen und es normal finden. Weil wir nie wie Felix und Leon sein werden. Chris ist außerhalb meiner Reichweite und Fotos wie diese sollten mich nicht so in unbändige Freude versetzen. Mal abgesehen davon, dass es mir peinlich ist. Chris‘ Lächeln auf diesem Foto hat meinen Magen einen dreifachen Salto machen lassen. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn es… »Alles ok?« Ich zucke zusammen und drehe mich zur Tür um. Es ist kalt im Zimmer, weil das Fenster immer noch geöffnet ist, aber ich spüre die kalte Oktoberluft kaum, weil mir vor lauter Verlegenheit immer noch sehr heiß ist. Chris schließt die Tür vorsichtig hinter sich und setzt sich auf die Bettkante. Er trägt immer noch kein Shirt und ich sehe, wie sich eine Gänsehaut auf seinem Oberkörper ausbreitet. Verlegen schließe ich das Fenster und starre nach draußen. Ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll. »Geht so«, antworte ich ehrlich. »Ich kann Sina die Kamera klauen und die Bilder löschen«, schlägt Chris vor. Ich sehe zu ihm auf. Na wunderbar, er hat sie also auch schon bewundert. Ich schüttele seufzend den Kopf. »Schon ok. Ich mag die Bilder. Ich darf nur nicht dran denken, dass ich sturzbetrunken und peinlich war, als sie aufgenommen wurden«, nuschele ich resigniert, aber ehrlich. Was hilft es zu leugnen? Chris weiß schließlich, dass ich in ihn verliebt bin. Chris schaut hoch zu mir und legt den Kopf ein wenig schief. »Ich hätte ›Nein‹ sagen können«, sagt er leise. Ich blinzele und sehe ihn verwirrt an. »Hm?«, lautet meine glorreiche Antwort darauf. »Als du gesagt hast, dass ich zu dir ins Bett kommen soll. Ich hätte wieder gehen können«, meint er. Mein Gesicht muss in etwa aussehen wie eine Verkehrsampel. »Wahrscheinlich wäre ich zu allem Überfluss in Tränen ausgebrochen und hätte alles noch peinlicher gemacht«, vermute ich kleinlaut. Chris schmunzelt leicht und klopft neben sich aufs Bett. Ich gehe zögerlich zu ihm hinüber und setze mich neben ihn. »Als Sina reinkam und das Licht angemacht hat, war ich noch wach«, erklärt er sachlich. Ich halte einen Augenblick den Atem an und starre in Chris‘ braune, ehrliche Augen. »Ok…?« »Es hat mich nicht gekratzt, dass sie ein Foto gemacht hat. Es macht mir nichts, dass wir in einen Bett gepennt haben. Und dir muss es echt nicht peinlich sein. Ich bin in der Schulzeit mal betrunken und nackt durchs Haus eines Kumpels getorkelt, weil ich das Klo gesucht hab und dann ist mir seine Mutter über den Weg gelaufen. Das war peinlich«, erzählt Chris grinsend und mit einem bedeutungsschweren Blick. Ich muss lachen und er sieht zufrieden darüber aus, dass ich jetzt nicht mehr ganz so winzig bin. »Du hast gelächelt. Auf dem Foto«, nuschele ich verlegen. Chris streckt die Hand aus und wuschelt mir kurz durch die Haare. Dann steht er auf und streckt sich ein wenig, ehe er zu seinem Kleiderhaufen hinüber geht und sich ein T-Shirt über den Kopf zieht. Dann sieht er lächelnd zu mir herüber. »Mag daran liegen, dass es nicht so übel war, nachts jemanden zum Kuscheln zu haben«, antwortet er und geht dann wieder zur Tür hinüber. »Kommst du? Es gibt Frühstück und deine Ma will wissen, wie es gestern war.« Es dauert ein paar Sekunden, bis mein Gehirn Chris‘ Aufforderung verarbeitet hat. Ich kann nicht wirklich klar denken, nachdem Chris das mit dem Kuscheln gesagt hat. Mein Herz ist gerade durch die Decke geflogen und hat einen dauerhaften Mietvertrag mit Wolke sieben abgeschlossen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)