Kryptonit von Ur (Jeder Held hat eine Schwäche) ================================================================================ Kapitel 2: Bonbon ----------------- Tada! Hier haben wir einen Einblick in Christians Leben und in seine Innenleben ;) Ich wünsche euch viel Spaß damit und danke für die lieben Kommentare zum letzten Kapitel! Liebe Grüße :) ______________________________ »Du sollst jetzt gehen!« »Vergiss es, ich gehe nirgendwohin, bis du mir nicht erklärt hast, wieso-« »Raus hier!« Ich verdrehe die Augen. Es ist doch immer dasselbe. Die lauten Stimmen dringen aus dem Zimmer nebenan. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es halb neun ist. Eigentlich würde ich gern noch schlafen, denn heute ist der einzige Tag in der Woche, an dem ich nicht früh aufstehen muss. Aber Sina macht das mal wieder unmöglich. Sina und ihr Männerverschleiß. Sie ist meine Mitbewohnerin. Nein, eigentlich bin ich ihr Mitbewohner. Wir wohnen zusammen, seit ich mit dem Studium begonnen habe. Sie ist über ein Jahr älter als ich und gerade hat sie offensichtlich einen dieser hartnäckigen Kerle am Hintern kleben, die nicht einsehen wollen, dass Sina nur mit ihnen schlafen wollte. Und sonst nichts. Mit einem leisen Seufzen erhebe ich mich. Ich habe nichts anderes als Boxershorts an. Unmotiviert reiße ich erst meine Tür auf, mache zwei Schritte nach rechts und reiße dann Sinas Tür auf. Sie trägt nur einen String Tanga. Aber das stört mich nicht. Ich muss so ziemlich der einzige Mann in ihrem Leben sein, den sie mit ihrem D-Cup nicht beeindrucken kann. Vielleicht durfte ich deswegen bei ihr einziehen. Der Typ, der mich jetzt anstarrt, ist fast einen Kopf kleiner als ich, hat kurze Haare und einen Kinnbart. »Wer ist das denn?«, knurrt er, macht aber unweigerlich einen Schritt rückwärts. Ich muss mir ein Grinsen verkneifen, während Sina zufrieden aussieht. »Mein Mitbewohner. Und jetzt geh!«, sagt sie und verschränkt die Arme vor ihren Brüsten. Der Typ schnappt sich mit einem sauren Blick auf mich seine Klamotten und zieht sich hastig an. Ich finde seinen Kinnbart lächerlich. Als er schließlich weg ist, stöhnt Sina genervt auf und fährt sich durch die Haare. »Hat sich das Spektakel wenigstens gelohnt?«, erkundige ich mich bei ihr und beobachte, wie sie sich eins von meinen uralten Shirts über den Kopf zieht und dann barfuß und mit nacktem Hintern an mir vorbeispaziert. »Nein, nicht wirklich. Es hat recht viel versprechend angefangen. Aber ich glaube, ich hätte ihm vorher keinen blasen sollen. Als es dann soweit war, war er nach ungefähr vier Sekunden fertig und ich musste es mir selber machen, um überhaupt irgendwie auf meine Kosten zu kommen. Männer sind nach dem Sex für nichts zu gebrauchen«, sagt sie trocken, kramt im Kühlschrank nach Milch und kippt diese dann über ihr Müsli. Ich grinse. »Wir sollten vielleicht mal miteinander schlafen«, sage ich amüsiert. Sie lacht und setzt sich mit ihrem Müsli an unseren Küchentisch. Abgesehen davon, dass ich nicht auf Frauen stehe, ist sie wirklich sehr hübsch. Ihr brünettes, gewelltes Haar steht ihr gerade zerzaust vom Kopf ab, sie hat sehr sinnliche Lippen und einen Körper, der gut auf ein Playboy- Magazin passen würde. Aber egal wie tough sie immer tut, ich weiß, dass sie einen Kerl sucht, mit dem sie es länger aushalten kann. »Ja, sollten wir. Aber du bist ja schwul. Alle guten Männer sind vergeben oder schwul«, mampft sie mit dem Mund voller Müsli. Ich setze mich grinsend zu ihr an den Tisch und strecke mich ein wenig. »Ich könnte die Augen zumachen«, schlage ich grinsend vor. Sie macht eine Bewegung, als wolle sie mich mit Müsli bewerfen. Abgesehen davon, dass ich Sinas Mitbewohner bin, ist sie auch noch meine beste Freundin. »Tolle Idee«, meint sie sarkastisch und schiebt sich den letzten Löffel Müsli in den Mund, dann hebt sie die Schale an die Lippen und trinkt die Milch leer. Ich wische ihr schmunzelnd den Milchbart von der Oberlippe, nachdem sie fertig ist. Sie grummelt leise und fährt sich durch die zerzausten Haare. »Ich will einen durchschnittlichen Kerl haben, der nicht zu gut aus sieht, nicht blöd ist und nicht arbeitslos. Es kann doch nicht sein, dass es so was nirgends gibt!«, sagt sie und schiebt schmollend die Unterlippe vor. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. »Dann falle ich aus deinem Beuteschema ja schon mal raus«, sage ich und sie streckt mir die Zunge aus. »Arroganter Arsch«, meint sie, aber sie lächelt. Ich zwinkere. »Ich liebe dich auch!« Ich gehe vor der Uni joggen, springe danach unter die Dusche und fahre dann mit meinem blauen Uralt- Golf zur Uni. Sina scherzt immer, dass ich mir einen silbernen Volvo anschaffen soll. Das würde die Mädchen zum Kreischen bringen und wenn ich dann verkünde, dass ich schwul bin, würde ihr Weltbild zerbrechen. Manchmal spinnt sie ziemlich. Ich habe eine sehr zähe Vorlesung über organische Chemie, dann treffe ich mich mit ein paar Freunden zum Essen in der Mensa. Es ist Anfang Mai und draußen ist der Himmel blau. Genau das richtige Wetter für Grillen, Sport und ein gemütliches Bier am Abend. Aber darauf muss ich noch ein paar Stunden warten. Zuerst hab ich noch ein sterbenslangweiliges Seminar über Experimentalchemie. Wahrscheinlich würde ich da nicht mehr hingehen, wenn ich es nicht mit Felix zusammen habe. Und der steht schon vorm Raum, als ich ankomme. Er unterhält sich mit ein paar Kerlen aus seinem Semester. Zum ungefähr vierhundertsten Mal stelle ich fest, dass er viel zu hübsch für einen Mann ist. Als er mich sieht, grinste er und winkt. In seinen Augen sehe ich dieses verliebte Strahlen, das er schon seit mehreren Wochen hat. Seit er mit seinem Leon zusammen ist. Ich kann seine Geschmacksverirrung immer noch nicht ganz fassen, aber immerhin weiß ich, dass ich das Richtige getan hab. Beim Verkuppeln helfen, meine ich. Auch wenn ich nicht leugnen kann, dass ich etwas wehmütig bin. Felix ist mittlerweile der beste Kumpel, den ich habe. Weil man mit ihm wunderbar über alles reden kann. Und man kann unglaublich viel Mist mit ihm bauen. Wie so oft spüre ich, dass meine Laune sich unweigerlich bessert, wenn ich ihn ansehe und wenn ich neben ihm stehe und wenn er mit mir spricht. Das ist ziemlich ungesund und ich weiß das. Aber was will ich schon dagegen machen? Ich bin zufrieden damit, dass er zufrieden ist. Und Gott sei Dank bin ich nicht Hals über Kopf verliebt in ihn. Höchstens ein wenig verknallt. Damit kann ich leben. Ich bin ohnehin nicht besonders für Beziehungen geeignet. Auch wenn ich zugeben muss, dass Felix der Erste ist, mit dem ich es vielleicht hätte ausprobieren wollen. Ich lehne mich neben ihm an die Wand und begrüße die andere mit Handschlag. »Hast du die Aufgaben gemacht?«, will Felix wissen. Ich grinse. »Sicher. Ich setz mich doch nicht in dieses langweilige Seminar, damit ich am Ende meine Credits nicht kriege«, sage ich und buffe ihn leicht mit der Schulter an. Er lacht. Ich freu mich jedes Mal, wenn er lacht. Wie konnte dieser Volltrottel nur so lange auf dem Schlauch stehen? Felix ist schon seit Ewigkeiten in ihn verliebt gewesen und der Idiot hat es einfach nicht gemerkt. Obwohl Felix wirklich ziemlich auffällig ist, wenn er verliebt ist. Aber immerhin. Nach über zwei Jahren haben sie es gebacken bekommen. Und jetzt ist Felix mit einem homophoben Gefühlskrüppel zusammen. Dazu habe ich ihm schon gratuliert und er ist zwischen Empörung und Amüsement geschwankt. »Als würdest du deine Credits nicht kriegen, du elender Streber«, sagt Felix verschmitzt. Vermutlich hat er Recht. Ich bin Kursbester. Auch wenn das vielleicht daran liegt, dass ich einer der wenigen bin, die schon im vierten Semester sind. Das kommt davon, wenn man im zweiten Semester keine Lust auf das Seminar hat und es nachmachen muss. Wir fluchen ein wenig auf die nervige Dozentin, verabreden uns für später tatsächlich zum Grillen und dann kommt Frau Dr. Schiller auch schon angewackelt, schließt die Tür auf und hievt ihren riesigen Berg Unterlagen vorn auf das Pult. Gott sei Dank hab ich Felix neben mir. Sonst würde ich vor Langeweile vermutlich einschlafen. »Wir hatten… du weißt schon«, flüstert Felix zwei Stunden später. »Wieso flüsterst du?«, will ich lachend wissen. Wir sitzen draußen aufm dem Campus, mitten auf einer Wiese voller Gänseblümchen. Vor uns haben wir die neuen Aufgaben ausgebreitet, die wir heute bekommen haben. Je früher man diesen Mist abarbeitet, desto eher kann man seine Freizeit genießen. »Damit uns keiner hört«, sagt er empört und boxt mich gegen die Schulter. »Aber hier ist doch keiner«, erwidere ich amüsiert. Die nächste Gruppe Studenten sitzt mit Becks Lemon vier Meter entfernt von uns und schwatzt so laut, dass sie uns garantiert nicht verstehen. »Na ok«, lenkt er grinsend ein und sein Gesicht leuchtet wie die Maisonne, »wir hatten Sex.« Ich schmunzele, während ich das Periodensystem zu Rat ziehe. »Tatsächlich? Und, lag er oben, dein kleiner Macker?«, will ich wissen und kann mir einen spöttischen Unterton nicht verkneifen. Felix schnaubt und grinst verhalten. »Nein, lag er nicht«, erklärt er und notiert sich mit Bleistift irgendetwas auf seinen Unterlagen. »Hatte ich auch nicht erwartet«, gebe ich zu und runzele leicht die Stirn, ehe ich ebenfalls etwas notiere. »War’s gut?« Will ich diese Dinge wissen? Eigentlich nicht. Aber er hat sonst niemanden, mit dem er drüber reden kann. Und er ist nun mal mein bester Kumpel. »Es war… ziemlich toll«, sagt er und klingt nun eindeutig verlegen. So erlebt man ihn nur selten. Meistens lässt er nur seine selbstbewusste Seite raushängen. Aber ich kenne ihn mittlerweile ziemlich gut und weiß, dass sein Ego nicht immer so groß ist, wie er tut. »Aber ich wollte ihn nicht fragen, ob er’s auch gut fand. Da wäre ich mir irgendwie blöd vorgekommen«, sagt er nachdenklich. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um nicht zu glucksen. »Besser so. Er wird dir schon zu verstehen geben, wie er’s fand. Wenn’s ihm gefallen hat, dann kommt er garantiert heute oder morgen wieder an«, versichere ich ihm nuschelnd und blättere in den Unterlagen herum. Felix seufzt verträumt, rollt sich auf den Rücken und starrt in den azurblauen Himmel. »Chris, du musst dich auch mal verlieben«, sagt er und strahlt der Sonne entgegen, als wäre es ein Wettbewerb, »es ist klasse.« Ich schnaube nur und schmunzele. »Tatsächlich? Wenn ich so an die letzten zwei Jahre denke, war es eher weniger toll«, gebe ich zu bedenken. Er grummelt und wirft mir einen gespielt missmutigen Blick zu. Seine Augen sind toll. Aber am tollsten sind seine Lippen. Die laden wirklich unverschämt doll zum Küssen ein. »Ach na ja, es kann doch nicht immer so einfach sein. Dafür ist es jetzt umso toller«, meint er und wendet sich wieder dem Himmel zu. Felix brüstet sich immer mit seiner guten Menschenkenntnis. Die will ich ihm auch gar nicht absprechen. Aber nur, weil Leon so leicht zu durchschauen ist, heißt das nicht, dass er jeden Menschen so gut durchschauen kann. Er hat noch nicht einmal bemerkt, dass ich ihn damals wirklich gern geknutscht hab. Und dass ich diese ganze Eifersuchtstour mit Leon genossen hab. Mich durchschaut er nämlich nicht. Und darauf achte ich auch sehr genau. Ich hab keine Lust, dass unsere Freundschaft den Bach runtergeht. Zwischen Aufgaben und Grillen liegen noch drei Stunden Zeit und ich war heute noch nicht mit Pepper draußen. Pepper ist meine Sheltie- Hündin. Meine jüngeren Schwestern haben sie damals beim Spazierengehen gefunden, da war sie total abgemagert und verschreckt. Wir haben sie aufgepäppelt und ich hab sie zu mir genommen. Zu Hause haben wir einfach keinen Platz für noch einen Hund gehabt. Mein Vater ist Tierarzt. Und wir haben eine große Menge Viecher zu Hause rumlaufen. Das bleibt bei vier Kindern und einem großen Haus mit Garten wohl nicht aus. Als ich die Wohnungstür aufschließe, kommt sie mir schwanzwedelnd entgegen und lässt sich zufrieden ihr flauschiges Fell kraulen. Ich nehme sie mit in mein Zimmer, um meine Sachen abzustellen, kurz meine Emails zu checken und dann mit ihr Gassi zu gehen. Während ich meinen Laptop hochfahre, höre ich, wie Sina aus der Dusche kommt. Dann klingelt es. Aber ich bin zu faul, um aufzustehen und lese eine Mail von einem meiner Chemieprofs, der mich zum ungefähr hundertsten Mal fragt, ob ich nicht Lust hätte, ein Tutorium zu übernehmen. Habe ich aber immer noch nicht. Hatte ich schon vor einem Jahr nicht. Ich höre Sinas Stimme durch meine offene Tür. »…Christians neues Bonbon?« Ich runzele die Stirn und sehe auf. »Bist du überhaupt schon achtzehn? CHRISTIAN? Was hast du wieder angestellt? Ist der Junge überhaupt volljährig?« Ich stöhne auf. Keine Ahnung, von was sie da wieder redet. Die letzte Affäre war zwei Jahre älter als ich, da bin ich mir sehr sicher. Ich trete in den Flur, Pepper folgt mir auf dem Fuße. Vor unserer Wohnungstür steht Anjo, sein Kopf ist hochrot und in der Hand hält er meinen Kapuzenpulli, den ich ihm umgehängt habe. Sina hat die Hände in die Hüften gestemmt. Ihre Entrüstung verpufft ein wenig dadurch, dass sie nur ein Handtuch um ihren ansonsten nackten Körper geschlungen hat und ihr die feuchten Haare vom Kopf abstehen. Anjo sieht so aus, als würde er entweder gleich ohnmächtig werden, oder aber Hals über Kopf die Flucht ergreifen. »Ich wollte… dein Pulli… also…«, stammelt er und wird sogar noch röter. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass das geht. Sinas Blick wandert von mir zu ihm und ich seufze ergeben. »Danke«, sage ich also und nehme den Pulli entgegen. Ich bin nicht sicher, was ich jetzt tun soll, aber es war ja irgendwie klar, dass Sina mir die Entscheidung abnimmt. »Komm doch rein«, sagt sie freundlich und Anjos Augen weiten sich, als sie ihn anlächelt und ihn in die Wohnung zieht. Dann ist die Wohnungstür auch schon zu und ich habe einen Gast. Toll. Ich will mit Pepper raus und dann mit Felix und den anderen grillen. Das kommt mir grad ziemlich ungelegen. »Ich will nicht stören«, sagt Anjo und senkt den Kopf. Herrje, der Junge braucht dringend Selbstbewusstsein. So ein winziges Ego hab ich noch nie gesehen. Selbst Leon hat mehr Ego als dieser Knirps. »Komm mit ins Wohnzimmer. Willst du was trinken? Wir haben Saft, Cola, Sprite…« Ich sehe zu, wie Sina den Jungen ins Wohnzimmer komplimentiert und schließlich folge ich ihr kopfschüttelnd. Pepper folgt mir. So hab ich den Nachmittag eindeutig nicht geplant. 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