Memories von abgemeldet (Boy next door ~ what's your secret?) ================================================================================ Kapitel 2: ~Somebody's Voice~ ----------------------------- Ein Schmerz durchzuckte mich. Tausend flammende Hände berührten meine Haut, so fühlte sich das zumindest an. Ich fiel... in eine gähnende Leere. Niemand befand sich um mich herum, außer dem schwarzen Nichts. Langsam, sehr langsam tauchte ich in die tiefe Verzweiflung dieser Hölle. Dann hörte ich Stimmen. Manche waren mir bekannt, andere nicht. Auch meine Mutter hörte ich wieder, sie beredete etwas mit einer anderen Person, die durch erhabene Stimme zu ihr sprach. Ich verstand nicht, was sie sagten, alles war so nahe- und gleichzeitig so fern. Meine Augen ließen sich nicht öffnen. Schon wieder. Ich konnte mich nicht bewegen. Schon wieder. Diese Stimme, die nun meinen Namen rief, die mir so seltsam bekannt vorkam, und die mein Herz bei jedem Wort höher schlagen ließ. Schon wieder. Vorsichtig öffnete jemand meine Hand. Noch immer war ich am ganzen Körper gelähmt. Ich war tot. Und doch nicht. „Mein Ohrring“, hörte ich diesen Jemand sagen, Bitterkeit und Trauer lag in seiner Stimme, „gib ihn mir wieder.“ Etwas Kleines, Kaltes fiel in meine Hand. Aber das... konnte doch nicht sein! Wie war das möglich? Ich schreckte auf. Mein Zimmer sah ganz normal auf. Ich holte meine Jacke vom Schreibtischstuhl und kramte in der seitlichen Tasche herum. Er war noch da. Der Ohrring war noch da. Ich atmete auf. Ein kalter Schauer kam über mich. Schon wieder einer dieser Träume. Und jedes Mal wurden sie deutlicher. Sollten sie mir am Ende noch vor der Zukunft warnen? Ich hatte schon viel von Menschen gehört, die ihre Zukunft geträumt hatten. Quatsch! Langsam, aber sicher glaubte ich, nun endgültig verrückt zu werden. Was sollte mein Ohrring mit der ganzen Geschichte zu tun haben? So langsam begann ich, am Wahrheitsgehalt der Geschichte, die Mom mir über das Schmuckstück erzählt hatte, zu zweifeln. Aber es musste doch stimmen. Wie hätte ich mir sonst diese Träume erklären können? Waren es am Ende die Erinnerungen, und ich erfuhr nun endlich, woher ich den Ohrring bekommen hatte. Auch meine Mutter war im Traum vorgekommen, das bedeutete, sie wusste eventuell mehr, als sie zugeben wollte. Doch was war mit dieser Stimme... diese Stimme, die ich schon seit Jahrtausenden zu kennen schien und dieses unkontrollierbare Herzrasen in mir verursachte? Fragen durchdrangen meinen Kopf und bewirkten damit furchtbare, pochende Kopfschmerzen, als wollten die Gedanken aus meinem Inneren in die Freiheit fliehen, um außerhalb meines unwissenden Wesens den unstillbaren Antwortenhunger zu besänftigen. Ich bemerkte nicht, wie ich die Augen langsam schloss und mein Geist in die ruhige Welt des Schlafes hinüberglitt. Anscheinend war ich am nächsten Morgen so abwesend, dass Chiaki irgendwann einmal wütend auf den Frühstückstisch haute. „Das ist ja nicht zu fassen!“, rief er aufgebracht, „ich ertrage diese Stille nicht, also sag verdammt noch mal, was los ist.“ „Ähm...“, wenn ich die Wahrheit erzählen würde, dann würden mich meine Eltern garantiert zum Psychiater schicken, also kam ich mit einer kleinen Notlüge aus: „Ich... bin müde. Hab heute Nacht schlecht geschlafen.“ Zweifelnd nickte Dad mir zu, sagte aber nichts mehr. Bald darauf war ich aufbruchsbereit und machte mich auf den Weg zur Schule. „Hallo Natsu...“, bevor die Nervensäge Shinji ausreden konnte, landete schon meine Faust in seinem Gesicht. Ich ging zufrieden weiter meines Weges, während der Typ mir verdattert hinterher starrte. Leider hatte er sich schnell wieder gefangen und nahm die Verfolgung auf. „Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“, fragte der Violetthaarige grinsend. „Das geht dich nichts an!“, fluchte ich genervt, „was willst du überhaupt?“ „Ach, deine Eltern haben mir erzählt, du hattest heute Nacht Alpträume und...“, weiter kam Shinji nicht, denn ich war dem explodieren gefährlich nahe: „Sooo? Ha- haben sie das?“ Wahrscheinlich sah ich gerade aus wie ein kochender Hexenkessel kurz vor dem überschäumen. Aber das war mir egal. Dieser Idiot! Was glaubte der eigentlich, sich überall einzumischen! So langsam platzte mir wirklich der Kragen! „Also“, er griff nach meiner Hand, „Natsuki-chan, soll ich dich jetzt in die Schule fahren, oder nicht?“ Ich atmete aus. „Blödmann! Bilde dir bloß nichts ein!“ Ich hinterließ einen roten Abdruck meiner Hand in seinem Gesicht und machte mich endlich auf den Weg zur Schule. Kaum war ich in die nächste Seitengasse eingebogen, lehnte ich mich an die Wand und seufzte laut. Diese Träume machten mir echt zu schaffen. Ich hatte sie eigentlich schon von Geburt an, aber zurzeit wurden sie immer schlimmer... immer deutlicher. Ich fasste an meinen Kopf. „Was ist bloß los mit mir?“ Etwas berührte mein Bein. Ich schreckte auf. Eine kleine, schwarze Katze blickte mich an. „Na, wer bist du denn?“, fragte ich und nahm das kleine Wesen auf den Arm. „Mau“, große, unschuldige Augen blickten mich an. Ich lächelte. Über mir flatterte ein Schmetterling vorbei. Die Katze sprang aus meinen Armen und jagte dem Insekt hinterher. Die beiden waren so unbekümmert und frei. Warum konnte ich nicht auch auf diese Art leben? Weshalb musste ich diese furchtbaren Alpträume haben, die mich so verwirrten und innerlich verletzten? Mir stockte der Atem. Etwas Klappriges, Weißes lehnte zwischen zwei Mülltonnen an der Mauer. Ein großer Bilderrahmen. Meine Beine zitterten... und gaben unter dem gewaltigen Druck nach. Um mich herum wurde alles schwarz. Ich befand mich... keine Ahnung. Alles war äußerst merkwürdig. Vor mir stand dieser weiße Bilderrahmen. Moment. Das war kein Bilderrahmen. Das war... ein Tor?!? Ich erschrak. „Das weiße Tor“, murmelte ich. Wie mir dieser Name in den Sinn kam, wusste ich nicht. Es war... wie eine Erinnerung. Ich wusste, wenn ich dieses Tor passieren würde, wäre ich ausgelöscht. Ich würde nicht mehr existieren. War das nun wirklich mein Ende? Ich tat einen Schritt. Und noch einen. Langsam bewegte ich mich auf mein Verderben zu. Ich dachte schon, es wäre endgültig vorbei mit mir, da hörte ich jemanden rufen. „Warte!“ Ich drehte mich um und erblickte einen komplett in schwarz gekleideten Mann. „Komm zu mir!“ Er war das Böse. Ich spürte den Hass, die Mordlust und Gewalt in seiner Stimme. Er war bereit zu töten. „Komm, Fynn Fish!“ Meinte er mich? Ich hatte furchtbare Angst vor dieser Person. Doch... er war kein Mensch. Das spürte ich. Trotz allem. Und ich wusste, um zu überleben, musste ich seinen Befehlen gehorchen. Ich musste mich... ihm anschließen. Mein Kopf dröhnte. Alles um mich herum verschwamm vor meinen Augen. Blitze schienen auf mich einzuschlagen und der Donner brüllte seine Wut besonders laut heraus. Was passierte? Langsam erreichte ich wieder festen Boden unter den Füßen. Ich befand mich in der engen Gasse. Es war alles nur ein Traum gewesen. Ein Hund kam des Weges und beschnüffelte mich, setzte seine Reise dann aber desinteressiert fort. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich zwischen zwei Mülltonnen auf dem Boden lag. Ich war wohl umgekippt. Angeekelt sprang ich auf und klopfte meine Kleidung ab. Schon die ganze Zeit begleiteten mich furchtbare Kopfschmerzen, was ich nun wahrnahm. Erschöpft wagte ich einen Blick auf meine Uhr. „Was? Schon 10.00 Uhr abends?“, rief ich erschrocken. Jetzt hieß es: Schnell nach Hause. Meine Eltern machten sich bestimmt schon furchtbare Sorgen. Ich rannte. Es waren nur ein paar Meter und trotzdem legte ich einen Spurt hin als gälte es, einen neuen Weltrekord im Sprinten aufzustellen. Ich erblickte schon das große Wohnhaus, doch sah ich niemanden warten. Weder an einem der Fenster, noch an der Tür. „Ha-Haben... d-die gar nichts bemerkt?“, langsam zweifelte ich, ob sich überhaupt irgendjemand Sorgen gemacht hatte. Leise betrat ich die große Vorhalle mit den ganzen Briefkästen und Klingelknöpfen. Menschenleer. Nicht mal erleuchtet war es hier. Ich stieg langsam und erwartungsvoll die Treppe hinauf, vielleicht warteten sie ja alle vor meiner Haustüre. Irrtum. Da stand niemand. Langsam wurde ich richtig wütend. Murrend stampfte ich auf die Wohnungstür zu und riss sie auf. Nicht mal hier brannte Licht. Schon wollte ich vor Zorn gegen die Wand treten, da hörte ich Stimmen aus der Küche. Starr vor Schreck blieb ich stehen und lehnte mich an die Wand. „Beruhige dich, Schatz!“, das war Dad. Jemand schluchzte. Bestimmt meine Mutter. „Wo kann sie denn so lange herumstreunen?“, eindeutig Miyakos Stimme, „es verstößt gegen das Gesetz, wenn sich Minderjährige nach zehn Uhr auf der Straße befinden!“ Das war typisch. Immer mit irgendwelchen Regeln ankommen, wenn man sie grad am wenigsten brauchte. Mom hatte das früher auch genervt. Hatte sie zumindest erzählt. „Warum tut sie uns das an?“, heulte Marron, „bestimmt wurde sie entführt oder so. Meine arme, kleine Natsuki!“ Es tat mir furchtbar Leid. Ich wollte furchtbar gerne meine Deckung verlassen, bis mir einfiel, dass mich dann höchstwahrscheinlich eine Standpauke Stärke 10 erwartete. Also entschloss ich mich, leise vorbei zu schleichen und auf mein Zimmer zu gehen. Hinterher bereute ich es. Als ich sah, wer da so lässig auf meinem Schreibtischstuhl lehnte, hätte ich die Tür am liebsten gleich wieder zugeschlagen. Aber die Strafpredigt, die mich erwarten würde, wenn alle merkten, dass ich wieder zu Hause war, wollte ich mir ersparen, also entschloss ich mich, diesen Idioten Shinji erst einmal mit tausend Blicken zu töten. „Keine Sorge“, meinte er cool, „ich habe weder dein Tagebuch gelesen noch sonst irgendwelche deiner heiligen Sachen angefasst!“ „Ich besitze gar kein Tagebuch!“, zischte ich, „was hast du hier überhaupt zu suchen?!“ „Na...“auf einmal wurde der Blick des Neunzehnjährigen sehr ernst, „ich habe auf dich gewartet.“ Was passierte? Shinji stand auf und... drückte mich an sich? „Du sollst doch nicht einfach weglaufen“, meinte er leise. Ganz perplex harrte ich einige Sekunden aus, um mich zu fassen. Dann holte ich zum Schlag aus, „HÄNDE WEG!!“, und verpasste dem Blödmann eine saftige Ohrfeige. „Du Idiot!“, die Wut schien mich zu beherrschen, „ich hasse dich!“ Shinji fing an zu lächeln. „Was grinst du so blöd!?“, fuhr ich ihn an. „Das habe ich... schon einmal gehört“, murmelte er. Genervt riss ich meine Zimmertür auf, um hinaus zu gehen. Ein großer Fehler. Meine Eltern und Miyako standen davor und hatten wahrscheinlich alles mitbekommen. „Äh...“, ich entschloss mich erst einmal zum Unschuldsblick. „Natsuki, meine Kleine!“, Mom fiel mir um den Hals. „Marron, lass das!“, Chiaki mahnte: „Wir müssen ein ernstes Wörtchen miteinander reden, kleines Fräulein!“ „Ach, Schatz, lass uns das Morgen klären!“, bat meine Mutter ihren Ehemann, „es ist schon viel zu spät.“ „Du hast Glück, dass wir so müde sind“, meinte Vater und zwinkerte Marron zu: „Sie wird ihre gerechte Strafe erhalten.“ Ich verdrehte die Augen und ging in mein Zimmer. Da ich den ganzen Tag verschlafen hatte, würde ich wohl ein paar Stunden wach liegen. Fünf Minuten später wurde meine Tür aufgerissen und Shinji kam erneut hereingeschneit. Im Pyjama. Er legte einen Schlafsack neben meinem Bett auf dem Boden. „Was soll das denn werden?“, keifte ich, „verschwinde sofort aus meinem Zimmer!“ „Deine Eltern haben mich gebeten, auf dich aufzupassen“, erklärte der Violetthaarige grinsend, „damit du nicht wieder davonläufst.“ Sollte das etwa die Bestrafung sein. Aber das konnten die doch nicht machen. Warum wollten die mir das antun? Ich war am Verzweifeln. Schon wollte ich anfangen, zu schreien, da hörte ich Shinji lachend sagen: „Keine Sorge. Ich bleibe bei dir...“ „Ich... bleibe bei dir... Fynn!“ Ich erstarrte. War das etwa...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)