Glaube von Noel_Kreiss (...) ================================================================================ Kapitel 11: Freunde ------------------- Er fiel... und fiel... immer weiter in die Tiefe, zog eine Spur schwarzer, sich von seinem Körper lösende und verschwindende Partikel hinterher. Einzig und allein die an ihm vorbeiziehenden und von seinen Augen noch erblickte Schlosswände und der Schmerz verrieten ihm, dass er noch da war. Für den Moment war er das noch... aber gleich nicht mehr. Roxas war sich bewusst, dass er nun am Ende war, verschwunden, vom Antlitz der Welt gelöscht zu sein, noch bevor er auf dem Boden aufkommen würde. Und doch wollte er es nicht... er wollte nicht sterben... Mit einem Krachen schlug der Körper des vergehenden Niemands auf einem Vorsprung an der Schlosswand auf. Er fühlte keinen Schmerz, obwohl er sich normalerweise sicher alle Knochen gebrochen hätte, wenn er so hart und ungebremst aufgeschlagen wäre. Mit halb geöffneten Augenlidern sah Roxas auf dem Rücken liegend nach oben zum schwarzen Himmel. Das Herz dort leuchtete weiterhin ungerührt auf die Welt, die niemals war, Kingdom Hearts war dort, wo es immer war. Es würde nicht befreit werden... es würde in Xemnas Besitz bleiben... all diese Herzen, die Roxas und Xion gesammelt hatten... würden niemals wieder frei sein. Sein Versprechen... er hatte es doch versprochen... es war ihr letzter Wunsch... „Ich...“ Schwerfällig hob Roxas die Hand zu dem Mond empor, als wolle er ihn ergreifen und setzte sich mit Mühe halb auf. „Kingdom... Hearts...“ Sein Körper löste sich weiter auf. „Naminé...“ Er war müde... er konnte nicht mehr... „Xion... Axel...“ Der Arm senkte sich, seine Augenlider flatterten, schwere Erschöpfung und Leere erfassten ihn. „...Sora...“ Erschlafft sackte er zur Seite, rutschte über die Kante des Vorsprunges und stürzte weiter in die Finsternis hinab... Das Nichts... der endlose Raum... er schwebte darin, schwerelos, allein... tot? „Wo bin ich...“ „Wer ist da?“ „Wer bist du?“ „Ich bin... Ich“ „Das bin ich auch...“ „Bist du Ich?“ „Ich bin ich selbst...“ „Schön, so etwas sagen zu können ohne es zu lügen...“ „Was meinst du?“ „Jemand, der nicht einmal existiert, der kein Herz hat, kann so etwas nicht ohne zu lügen behaupten, das verstehe ich jetzt... Ich verschwinde einfach... ich sterbe... und nichts bleibt von mir zurück. Ich bin ein Niemand... kein existierendes Wesen. Ich hätte zu dir zurückkehren sollen, damit ich wenigstens noch irgendwo vorhanden bin. Was für ein schlechter Scherz, dass ich das erst begreife, wo es zu spät ist...“ „Ich verstehe nicht...“ „Du bist Sora, oder?“ „...Woher weißt du das? Wer bist du?“ „Ich bin... Du.“ „...!“ „Du musst das nicht verstehen... ich verstehe es selbst nicht komplett... aber immerhin habe ich einmal mit dir geredet, wenn auch nicht von Angesicht zu Angesicht...“ „...“ „...“ Ein gleißendes Licht umhüllte ihn, die andere Stimme verschwand aus seinem Bewusstsein, Sora verschwand so plötzlich, wie er gekommen war... und Roxas war wieder allein... So war es also... dies war sein Ende... dass es so kommen musste... er verstand es nicht... Erst Xion, dann Axel, nun er selbst... sie alle... hatten das Gleiche Schicksal...? Zu sterben? Zu Verschwinden? Nichts zurückzulassen außer eine Erinnerung, einen Grabstein im Zeugnis der Existenz? Eine Muschel in Xions Fall? War das ihr aller Schicksal...? Allein zu sterben... alleine ins Nichts zu wandern... allein... „Du bist nicht allein.“ Diese Stimme... „Du darfst nicht aufgeben, du hast noch Kraft übrig, Roxas.“ Das war... „Lass Kingdom Hearts frei.“ Er öffnete die Augen. In dem hellen endlosen Raum stand sie vor ihm, schwarze Haare, blaue Augen... „Ich kann nicht.“ „Das hört sich nicht nach dir an, Roxas, so etwas zu sagen.“ Roxas wandte den Blick von ihr ab. „Was soll ich sonst sagen. Dass ich den Tod überwinden werde und heldenhaft Kingdom Hearts befreien und siegen werde?“ „Na, das wäre für dich etwas zu angeberisch, kannst du mir folgen?“ Als er den Kopf wieder hob, stand plötzlich Axel neben Xion und sah ihn streng an. „Du solltest deinen Hintern da hochschwingen und das zu Ende bringen. Ich will nicht umsonst gestorben sein.“ „...Ihr seid tot... und ich konnte nichts dagegen tun... nicht einmal durch Kingdom Hearts‘ Freilassung würde das etwas ändern... es würde gar nichts ändern...“ „Sag sowas nicht, Roxas.“, sagte Xion erschrocken und kam näher auf ihn zu. „Es würde etwas ändern, es würde die Pläne der Organisation durchkreuzen.“ „Sie hat Recht, Kleiner.“, stimmte Axel ihr zu und trat ebenfalls vor den Blonden, der die beiden nach wie vor nicht ansah. „Du hast uns beiden einen Gefallen versprochen. Für sie sollst du Kingdom Hearts freilassen und für mich sollst du den Typen in den Arsch treten, schon vergessen?“ Roxas schüttelte den Kopf. „Nein... aber ich kann das nicht mehr... ich bin tot...“ „Bist du nicht.“, entgegnete Xion unwirsch und packte ihn an den Schultern. „Dein Wille, Roxas! Dein Wille, daran zu glauben! Der Glaube, der dich so weit gebracht hat! Der Glaube daran, dass alles wieder gut wird. Hast du ihn vergessen?“ „Mein... Glaube...? Ach ja...“ Roxas hob den Blick, sein Gesicht war ausdruckslos, als er in Xions Augen blickte. „Was soll ich damit? Er hat mir nicht geholfen. Im Gegenteil, wegen ihm musste Axel auch noch sterben!“ „Wow, ich bin gestorben, weil ich dir freiwillig geholfen habe.“, sagte Axel und kratzte sich dann kurz am Kopf. „Nachdem Naminé mir den nötigen Schubs gegeben hat... aber ich wusste, auf was ich mich einlasse. An meinem Tod trifft dich keine Schuld.“ „Und an meinem bist du auch nicht schuld.“, fügte Xion hinzu. „Ich wollte das selbst, damit Xemnas mir nichts mehr befehlen kann und ich dir die Kraft zurückgeben konnte, die ich dir genommen habe und dir mein kopiertes Schlüsselschwert zu übertragen. Wirf alles nicht weg, nur weil du jetzt denkst, es wäre alles vorbei! Du bist noch nicht am Ende!“ „Was kann ich schon noch tun...“, murmelte Roxas „Weitermachen! Einfach weitermachen, die Sache zu einem guten Ende bringen. Du kannst das, ich weiß das!“, sagte Xion energisch. „Ganz genau, Roxas.“, meinte Axel und klopfte ihm kurz auf die Schulter. „Du hast das Zeug dazu.“ „... meint ihr?“ „Ja.“ „Sicher doch.“ „Dann... habe ich noch eine Frage...“, fing Roxas an und er sah sie beide mit schwachem Lächeln an. „Seid ihr wirklich hier oder passiert das nur in meinem Kopf...?“ „Natürlich passiert das in deinem Kopf, aber was hält dich davon ab, zu denken, dass wir nicht wirklich hier sind und dich aufbauen?“, entgegnete Axel schulterzuckend. „Nichts, oder?“ „Außerdem sind wir immer bei dir... solange du uns nicht vergisst.“, sagte Xion lächelnd. „Das werde ich nicht... niemals... Danke, Xion, Axel.. wir sehen uns wieder, nicht wahr? Freunde?“ Roxas streckte die Hand aus, Xion und Axel legten ihre auf seine. „Beste Freunde.“ Mit einem Mal schlug Roxas die Augen auf und streckte die Hand aus, bekam einen Vorsprung an der Schlosswand zu fassen und hielt sich daran fest. Grimmige Entschlossenheit durchflutete ihn, spülte die Schmerzen und Trauer hinweg, erlaubte einer letzten, nicht von ihm selbst zu kommenden Kraft in ihm, sich zu entfalten und ihn zu durchströmen. Obwohl sein Körper immer noch im Verschwinden inbegriffen war, fühlte er sich nun dennoch in der Lage, noch einen letzten Ansturm zu starten, einen letzten Versuch, Kingdom Hearts zu befreien, seinen Glauben zu erfüllen. Der Königsanhänger erschien in seiner freien Hand, er zog sich an dem Vorsprung hinauf und sah zu dem Mond empor... „Nun denn, wir haben heute schwere Verluste hinnehmen müssen, aber wir konnten den Verräter erledigen.“, sagte Xemnas zu Xigbar, Xaldin und Luxord. „Sobald Sora aufwacht werden wir unseren Plan weiter fortführen. Auch wenn wir nur noch so wenige sind, sobald wir genug Herzen gesammelt haben, werden wir-“ Als er die ungläubigen Gesichter seiner Untergebenen sah, die an ihm vorbeistarrten, stockte Xemnas und drehte sich um... Mit einem Satz erschien Roxas auf der Kante der Turmspitze, augenscheinlich schwer erschöpft, er war dabei zu sterben, und dennoch funkelten seine Augen den Superior mit einer unerbittlichen Entschlossenheit an. In der rechten Hand hielt er das Schlüsselschwert. Einem Moment starrten sie sich an, die ehemalige Nummer XIII und die anderen Organisationsmitglieder, ein schmales, leeres Grinsen schlich sich auf die Züge des Verräters – dann stieß Roxas sich schnell von der Kante ab, schraubte sich in die Höhe, Kingdom Hearts entgegen, das Schwert erhoben. „Nein!“, schrie Xemnas und schoss zusammen mit seinen Untergebenen Laser, Speere und Karten ab. Mitten im Flug wurde Roxas erwischt. Ihm stockte der Atem, er verlor erneut die Kontrolle über seinen Körper, sein Arm senkte sich – und verschwand. Das Schlüsselschwert fiel nach unten und kurz darauf löste sich seine Hand auf und langsam sein ganzer Arm. „Nein... nicht jetzt...!“ Der Mond nahm sein ganzes Blickfeld ein. Sein Körper löste sich auf. Ein schwarzer, einsamer Punkt vor dem hellen Kingdom Hearts. „Ich werde nicht...“ Er hob den linken Arm, als fast die Hälfte von ihm verschwunden war. In einem strahlenden Licht erschien das Schlüsselschwert und richtete sich auf den Mond. Das Gesicht halb aufgelöst, fixierte Roxas‘ linkes Auge weit aufgerissen sein Ziel. „...HIER VERLIEREN! KINGDOM HEARTS!“ Ein heller Lichtstrahl schoss aus dem Königsanhänger auf Kingdom Hearts zu, weiter und immer weiter bohrte er sich in die Höhe, bis er den Mond selbst zu berühren schien. Und dann ertönte ein lautes Geräusch wie von einem sich öffnenden Türschloß. Der Mond begann grell zu leuchten, ließ den finsteren Himmel und die düstere Welt in hellem Licht erstrahlen. Das Licht wurde immer greller, es erfasste Roxas übrigen Körper. Und anstatt sich in der Dunkelheit aufzulösen, nahm ihn das Licht in sich auf. Zusammen mit Kingdom Hearts verschwand er in dem Licht. Der zerschmetterte Mond ließ einen Regen aus Herzen niedergehen, der von der entgeisterten Organisation XIII beobachtet wurde. „Xion... Axel... ich habe es geschafft...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)