Glaube von Noel_Kreiss (...) ================================================================================ Kapitel 5: Versuch ------------------ Als er das Portal verließ, fand sich Roxas in einer ziemlich heruntergekommenen und dunklen Eingangshalle eines Hauses wieder, das früher bestimmt einmal sehr prachtvoll gewesen sein musste. Der Boden war dreckig und staubig, hier und da lagen ein paar Glassplitter herum und die Tür an der rechten Seite der Halle war zertrümmert und offenbar nicht mehr durchquerbar. Roxas gegenüber und in der Mitte des Raumes befand sich eine kleine Vitrine, in der das Modell eines kleinen, in den Augen des Niemands etwas abstrakten Gebäudes stand, ein wenig dahinter führten links und rechts Treppen nach oben, wahrscheinlich zu anderen Räumen. Zwischen den Treppen befand sich ein Durchgang mit einer Glasscheibe am Ende, die den Blick in eine Art Garten gewährte. An der linken Seite der Halle befand sich eine Tür. Roxas sah sich um, diesen Ort kannte er nicht, auch wenn ihm das leichte Dämmerlicht, das vor der Glasscheibe in den Garten schien, irgendwie bekannt vorkam. Hinter ihm trat Naminé aus dem dunklen Portal, welches dann verschwand. „Wo sind wir hier?“, fragte Roxas. „Im alten Herrenhaus von Twilight Town, du müsstest es kennen.“, antwortete das Mädchen. „Naja, von außen, ich war noch nie hier drin...“ Er sah sich erneut um, in ihm regte sich plötzlich leichtes Unbehagen, obwohl er nicht wusste warum. „Und Sora ist hier?“ „Ja, ist er.“ „Und die Organisation war niemals hier drinnen?“ „Nicht dass ich wüsste. Offenbar kommen sie nicht auf die Idee, dass in dieser Ruine ihr größter Wiedersacher schläft. An einem Ort, der eigentlich nicht schwer zu erreichen ist.“ „Zweitgrößter, momentan sollten sie eher mich fürchten...“, meinte Roxas leise und wandte sich wieder Naminé zu. „Was tun wir jetzt?“ Doch bevor die Blonde den Mund aufmachen konnte, erschien plötzlich ein anderes dunkles Portal vor ihnen und Roxas reagierte so schnell es seine Verletzung zuließ. In einem Lichtschein erschien sein Schlüsselschwert und er hielt es mit verengten Augen dem in rot gekleideten Mann mit bandagiertem Gesicht, von dem nur das rechte Auge und der Mund frei von den roten Bändern waren, entgegen, der gerade aus dem Portal trat und nun abprubt innehielt, als die Spitze des Königsanhängers knapp vor seiner Nase hing. Sein sichtbares, stechend gelbes Auge blickte über das Schlüsselschwert zu Roxas, absolut ruhig. Der Niemand starrte misstrauisch zurück, ihm gefiel die Aura dieses Mannes nicht... es war weder Finsternis, noch Licht, die Aura fühlte sich für Roxas ein wenig... merkwürdig an, unerkennbar verschwommen... „Und wer ist das?“, fragte Roxas an Naminé gerichtet, ließ den Mann aber nicht aus den Augen, der ihn auch nach wie vor offenbar völlig gelassen, die Arme hinter dem Rücken unter dem roten Umhang verschränkt, ansah. „DiZ... er hilft dabei, Soras Erinnerungen wiederherzustellen.“, sagte Naminé, sah den Mann mit leicht bangem Blick an, als sein gelbes Auge nun auf ihr ruhte, jedoch immer noch keine gefühlsmäßige Regung zeigte. „Also ein Freund von dir?“, fragte Roxas, der sein Schwert jedoch nicht sinken ließ. „Das denke ich nicht. Man könnte uns wohl eher als Verbündete zum Zweck bezeichnen.“, kam die Antwort jedoch von dem Mann, er fixierte Naminé und seine Mundwinkel zuckten. „Aber ich bin beeindruckt, du hast ihn ganz alleine hergebracht, was Riku nicht konnte.“ „Er kam freiwillig mit, ich habe ihm alles erzählt.“, entgegnete Naminé und hielt DiZ‘ Blick stand, dessen Auge sich nun leicht verengte. „So, so... das hast du?“ Jetzt sah der Mann wieder zu Roxas, der ihm unbeirrt weiter sein Schlüsselschwert entgegen hielt. Eine Erkenntnis traf den Blonden nun. „Dieser Riku... war das der weißhaarige Kerl, der mich angegriffen hat?“, fragte er mit bebender Stimme. „Kam er etwa auf deinen Befehl?“ „Ja, das tat er.“, antwortete DiZ. „Schließlich bist du essenziell für unser Ziel, Sora erwachen zu lassen.“ Ein leicht gehässiges Grinsen zog sich für eine Sekunde über Roxas‘ Lippen. „Ich habe ihn besiegt, er wurde von seiner Finsternis verschlungen, ich hab es gesehen. Er hätte mir lieber so freundlich begegnen sollen wie Naminé hier, dann wäre das nicht passiert. Ich weiß jetzt die Wahrheit, aber glaube nicht, ich gehe deswegen freiwillig zurück zu Sora.“ DiZ lachte leise auf, es war ein freudloses Lachen, was dem Niemand überhaupt nicht gefiel. „Das war mir auch klar.“, sagte der Mann. „Dafür hatte ich mir bereits einen Plan zurechtgelegt, aber in Anbetracht der momentanen Situation kann ich diesen wohl nicht mehr durchführen. Aber lass mich dir eine Frage stellen: Wenn du nicht hier bist, um freiwillig zu Sora zurückzukehren, warum bist du dann hier?“ „Naminé sagte, Sora braucht nur die fehlenden Erinnerungen von ihm, die in mir sind, damit er wieder aufwacht. Sie hat mir versprochen, diese Erinnerungen, sobald ich hier bin, an Sora zurückzugeben. Denn ich will nicht verschwinden, ich habe noch etwas zu tun.“, antwortete Roxas und packte sein Schlüsselschwert ein wenig fester. „Also versuch nicht, mich irgendwie auszutricksen, denn ich traue dir nicht, deine Aura ist so... merkwürdig...“ „Naminé.“, sagte DiZ plötzlich und der Niemand spürte das Mädchen leicht hinter sich zusammenzucken. „Ich will mit dir reden, unter vier Augen.“ Und nach wie vor das Schlüsselschwert vor seiner Nase ignorierend, drehte der Mann sich um und ging auf die Tür auf der linken Seite der Halle zu. Roxas ließ den Arm sinken und sah zu Naminé zurück, sie wirkte ein wenig beunruhigt und hatte die Finger ineinander verschlungen. „Wartest du hier...?“, fragte sie den Blonden. Er zögerte mit der Antwort, sah zu DiZ, der wartend an der Tür stand und dann wieder zu dem Mädchen. Offenbar hatte sie mit ihren ganzen Erklärungen vorhin etwas getan, was diesem Mann dort nicht besonders zu gefallen schien. Zwar gab er sich gelassen, doch Roxas konnte eine sanfte Welle des Zorns wahrnehmen, für die man nicht erst die Aura erspüren musste... „Was habt ihr zu bereden?“, stellte Roxas dann eine Gegenfrage. „Vermutlich muss ich meine Entscheidung rechtfertigen, dir so viel verraten zu haben. Das alles läuft nämlich nicht so, wie DiZ es sich vorgestellt hat, aber das hat er ja schon erwähnt. Aber keine Sorge.“, sagte sie und lächelte leicht. „Wegen mir hat das alles angefangen und ich werde es auch beenden, auch, wenn ich dabei andere Wege gehe, die von DiZ‘ Plan abweichen. Ich habe es dir versprochen, niemand wird dich dazu zwingen, zu Sora zurückzukehren.“ „Okay.“, sagte Roxas schließlich und ließ sein Schlüsselschwert verschwinden. Das Mädchen nickte kurz und ging dann zu DiZ hinüber und beide verschwanden in dem Raum hinter der Tür. Jetzt war er allein. Und wieder... wieder überkam den Niemand leichtes Unbehagen. Sora war hier... seine andere Hälfte war hier. Es kam ihm seltsam vor... irgendwo hier schlief der Ursprung seiner Existenz, der Grund, warum er so war, wie er war, ein Niemand, der Schatten einer Person mit Herz... Viele Fragen kamen Roxas plötzlich in den Sinn. Was wäre geschehen, wenn er die Erinnerungen an sein Leben als Jemand gehabt hätte? Wenn Sora gar nicht zurück aus der Finsternis gekommen wäre? Wäre Axel dann auch sein Freund gewesen? Hätte er für die Organisation gearbeitet oder sich sofort gegen sie gestellt? Wäre er, Roxas, dann immer noch Roxas gewesen? Solcherlei Fragen schossen ihm durch den Kopf... sein Blick ging ins Leere... die Leere, die in diesem Moment in ihm zu herrschen schien... sein Ursprung war hier... er war hier... Ohne, dass er es überhaupt bemerkte, setzte Roxas sich Richtung Treppe in Bewegung... „Du hast den Plan zerstört.“, sagte DiZ kalt. „Der Plan ging schon zu dem Zeitpunkt schief, als Riku von Roxas geschlagen wurde. Das haben weder du noch ich erwartet, das hätte niemand erwartet, so stark wie Riku mittlerweile geworden war.“, entgegnete Naminé. Beide befanden sich im Speisesaal, der wie auch die Eingangshalle verstaubt und teilweise zerstört war, es standen noch vier Stühle um einen eigestürzten Tisch in der Mitte des Raumes herum, die Einrichtungen an den Wänden waren teilweise zertrümmert und hier und da hatte eine Spinne ihr Nest unter der Decke gebaut. Naminé saß auf einem der Stühle und DiZ ihr gegenüber, er wirkte aufgebracht, wohingegen Naminé versuchte, sich nicht von der kalten Stimme des Mannes einschüchtern zu lassen. „Anstatt auf eigene Faust zu handeln hättest du lieber warten sollen, bis ich wieder zurückgekommen wäre.“, sprach DiZ weiter. „Wenn die Organisation dich gefangen hätte, wäre alles zu Ende gewesen.“ „Warum hätte ich warten sollen? Hast du etwa einen Ersatzmann in Reserve, der Rikus Platz einnehmen kann, jetzt, wo er für dich nutzlos ist?“, fragte Naminé mit etwas lauterer Stimme, als sie es beabsichtigt hatte. „Ich habe versucht, den König zu finden. Er wäre der Einzige, der uns jetzt noch hätte helfen können, indem er Roxas besiegen und herbringen würde. Aber ich habe ihn nicht finden können.“ „Ja, damit wir Roxas bewusstlos in diese Computerwelt schicken können, nachdem ich sein Gedächnis manipuliert hätte. Ich kenne den Plan, und er gefiel mir von Anfang an nicht...“ „Haha... weil du Mitleid für Soras Niemand entwickelt hast... Scheingefühle, die in dir aufwallen, weil du der Schatten des Mädchens bist, welches Sora so gerne hat. Du hast Mitleid mit Roxas, weil er Soras Niemand ist. Lächerlich... Niemande können nicht fühlen...“ „Das reicht...“, zischte Naminé und sah DiZ mit verengten Augen an. „Du magst die Niemande studiert haben, genau wie die Herzlosen. Aber du hasst die Niemande, weil deine eigenen Schüler zu ihnen gehören, die dich hintergangen haben. Ich kenne dein Motiv, weswegen du Sora wieder aktiv machen willst, Ansem der Weise. Du willst Rache, ich jedoch will ihm helfen, weil ich ihn gerne hab, das ist ein Unterschied. Und das Mitleid für Roxas ist kein Scheingefühl, das ist echt!“ Naminé sprang auf, sie zitterte leicht, als sie DiZ‘ gelbes Auge fixierte. „Ich will nicht mehr in anderer Leute Erinnerungen herumpfuschen, sie Dinge glauben zu lassen, die nicht wahr sind. Das habe ich mit Sora gemacht, weil ich einsam war, ich war EINSAM! Das ist ein Gefühl, wenn ich als Niemand so gefühllos wäre, wie du immer predigst, dann hätte ich das niemals getan. Ich will Sora helfen, aber ich will auch Roxas helfen, ich habe in seine Erinnerungen gesehen, ich weiß, was er durchgemacht hat. Du glaubst, kein Niemand hat das Recht auf irgendwas... du irrst! Roxas hat das Recht darauf, zu wissen, wer er ist. Ich mag vielleicht bald vergehen, mein Körper ist instabiler als der anderer Niemande, weil ich unter besonderen Umständen geboren wurde, aber wenn ich sterbe, will ich nichts mehr bereuen.“ DiZ schwieg, als Naminé stoppte und schwer atmend vor ihm stand. Jetzt hatte sie ihm endlich ihre Meinung gesagt, sie hatte das schon lange vor gehabt, aber sich nie getraut, vor allem weil sie in der Regel ja eher zurückhaltend war. Der Kerl jedoch wollte Roxas offenbar trotz allem in diesen Computer schicken, damit Naminé ganz leicht an Soras Erinnerungen weiterarbeiten konnte...da würde sie nicht mitmachen, sie hatte ihre Entscheidung getroffen. „Und was tust du, wenn du es nicht schaffst, die Erinnerungen an Kairi an Sora zurückzugeben, solange Roxas nicht als Daten in der Computerwelt ist?“, fragte DiZ schließlich leise. Mit geballten Fäusten schaute Naminé zu Boden. „Dann... muss ich mich entscheiden, welches Versprechen mir wichtiger ist... aber ich werde es schaffen...“ Sie fuhr sich kurz über die Augen und verließ dann den Raum, ließ DiZ nachdenklich im Speisesaal zurück. Zurück in der Eingangshalle atmete das Mädchen tief durch und hielt dann nach Roxas Ausschau – doch er war nicht da. „Roxas?“, rief sie argwöhnisch. Er war doch nicht etwa wieder verschwunden... nein, das würde er nicht machen. Aber wo... „Oh nein... nein!“ Hastig rannte Naminé los, stolperte die Treppe hoch, wenn der geheime Weg in der Bibliothek zum Computerraum und Kapselraum unter dem Haus offen war... und Roxas zu Sora hineinging... sie musste das verhindern! Mit langsamen Schritten ging Roxas durch den Kellergang, die Augen ins Leere gerichtet. Er bemerkte die Kapseln an der linken Seite des Ganges gar nicht, genausowenig wie die beiden Gestalten, die in zwei von den Kapseln schliefen. Irgendetwas zog ihn an... da, hinter der Tür, als der Gang nach rechts abbog. Roxas dachte gar nicht daran, sich gegen diesen Drang zu wehren, er dachte an gar nichts, ging auf die Tür zu und stoppte davor. Dahinter... etwas war dahinter... oder Jemand... irgendwas, das ihn anzog. Langsam und wie in Trance hob der Blonde einen Arm, wollte schon weitergehen... als er plötzlich ganz am Rande seiner Wahrnehmung eine Stimme vernahm und jemand von hinten seine dünnen Arme um ihn schlang und festhielt. „Nicht da rein, Roxas! Komm zurück, los.“, hörte er die Mädchenstimme wie aus weiter ferne. Er kam nicht weiter vorwärts, die dünnen Arme hielten ihn zurück, er kam nicht vorwärts... zu dem Ding, das ihn anzog... „Da drin ist Sora! Du willst doch nicht verschwinden, oder? Das hast du selbst gesagt, also komm mit zurück!“, sagte die vertraute Stimme, die langsam näher zu kommen schien und lauter wurde. „Wenn du da reingehst, wirst du zu Sora zurückkehren, du wirst verschwinden!“ Jetzt hörte er Naminés Stimme deutlich und begriff auch, was sie ihm sagte. Roxas blinzelte verwirrt und hörte mit dem Versuch auf, durch die Tür zu kommen und stand still da. Langsam zog Naminé, die ihn immer noch von hinten quasi umarmte, zurück den Gang entlang, und Roxas schritt fast schon willenlos mit. Verschwinden... nein, er wollte nicht verschwinden... was hatte er sich dabei gedacht, hierherzukommen... er hatte eine Aufgabe... er konnte, er wollte nicht veschwinden... Am Rande nahm er wahr, wie Naminé ihn losließ und stattdessen nun seine Hand nahm und ihn daran sanft weiterzog. Er ließ sie machen, ging einfach mit, den seltsamen Drang diesen Raum zu betreten jedoch immer noch in sich fühlend. Es kostete ihn einiges an Willenskraft, um nicht wieder zurückzustapfen und Naminé dabei mit sich zu ziehen, wenn er musste... Kurz darauf, aber ihm kamen es wie Stunden vor, bugsierte Naminé ihn auf einen Stuhl und als Roxas etwas benommen aufsah, sah er Weiß. Einen weißen Tisch, auf dessen Mitte eine weiße Vase mit weißen Blumen standen, weiße Wände und weiße Vorhänge, durch die sanftes Licht hineinschien. Ein paar gemalte Bilder hingen an den Wänden und auf der anderen Seite des Tisches lagen ein Zeichenblock und ein paar bunte Stifte. „Sind wir wieder im Schloss des Entfallens...?“, fragte Roxas müde, mit einer Stimme, die ihm wieder so vorkam, als wäre es nicht seine eigene. „Nein, wir sind noch im Herrenhaus, das ist quasi mein Zimmer.“, antwortete Naminé, beugte sich ein wenig vor und sah Roxas besorgt an. „Bist du in Ordnung?“ „Ich... ich weiß nicht, ich komm mir so vor, als wäre ich gerade aus einem Traum erwacht...“, sagte die ehemalige Nummer XIII und schüttelte leicht den Kopf. „Was ist passiert..?“ „Du wärst um ein Haar in den Raum gegangen, in dem Sora schläft. Offenbar hat sein Herz dich angezogen und du konntest nichts dagegen tun. Ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen, sonst wärst du wohl... weg gewesen...“, sagte das Mädchen leise. Roxas sah sie an, in ihre schönen blauen Augen... ja, sie kam ihm bekannt vor... sie sah wie Kairi aus... aber das waren Erinnerungen, die ihm nicht gehörten. Kurz schloss er die Augen, um die Erinnerung an dieses rothaarige Mädchen, das gerade vor seinem geistigen Auge erschien, wegzuschlagen und sich auf das Mädchen vor ihm zu konzentrieren. „Danke, du hast mich schon wieder gerettet.“, sagte er und lächelte die Blonde schwach an. „Ist schon gut, ich habe es dir ja versprochen... aber ich sollte langsam anfangen.“, meinte Naminé. „Was ist mit diesem Kerl, diesem DiZ?“ „Ich denke, ich habe ihn überzeugt. Er lässt mich es versuchen.“ „Oh... gut.“ Roxas senkte kurz den Kopf. Dann fragte er: „Muss ich irgendetwas tun?“ „Nein, du musst gar nichts tun.“, sagte Naminé freundlich und ging um den Tisch herum, um sich auf den Stuhl gegenüber zu setzen. Dann nahm sie den Zeichenblock, der dort auf dem Tisch lag – und fing zu Roxas‘ Überraschung einfach an zu malen. Sie malte? Jetzt? Sollte sie nicht eigentlich...? „Ähm, hast du nicht gesagt, du wolltest langsam anfangen?“, fragte der Blonde ein wenig verwirrt. Eigentlich hatte er gedacht, sie wollte mit Soras Erinnerungen anfangen, und nicht mit zeichnen... „Ich bin bereits dabei.“, sagte Naminé, sah auf und lächelte bei Roxas‘ verständnislosem Blick. „Ich mache das immer so, hab ich das ganze Jahr über gemacht. Während ich an Soras Erinnerungen weiterarbeite, male ich nebenher Bilder, die meistens auf seinen Erinnerungen beruhen. Das hilft mir, mich zu konzentrieren.“ „Verstehe... aber ich dachte, du müsstest dazu bei Sora sein... also in diesem Raum, in den ich vorhin fast reingegangen wäre.“ „Nicht unbedingt, als Sora im Schloss des Entfallens war habe seine Erinnerungen fast quer durch das Schloss manipuliert... Die Entfernung von hier zu dem Raum ist nicht so groß.“ Dann senkte das Mädchen den Blick wieder auf ihren Block. Roxas sah sie ein wenig unsicher an, ob er sie störte, wenn er jetzt noch weitere Fragen stellte? Am besten, er ließ es erst mal sein. Sein Blick ging wieder durch das Zimmer. Hinter dem Stuhl, auf dem Naminé saß, stand an der Wand eine Art weißer Schrank, hinter Roxas war eine weiße Kommode. Er sah in dem Zimmer jedoch kein Bett... wo schlief Naminé dann? Ein wenig seltsam fand er es schon, vor allem weil sie ja gesagt hätte, das hier wäre quasi ihr Zimmer. Roxas‘ Aufmerksamkeit zog sich nun auf die Bilder, die hier und da an der Wand hingen, einige waren auch einfach auf dem Boden verstreut. Ewtas neugierig stand Roxas auf und hob das Bild auf, welches in der Nähe seines Stuhles lag. Zwar hatte er keine Ahnung von solchem Zeug, aber er fand es eigentlich nicht schlecht gezeichnet. Er sah eine Art Insel mit einem Strand... es wirkte vertraut. Natürlich, das war die Insel, wo er in seinen Träumen diese Kairi gesehen hatte. Nachdem er das Bild noch einige Sekunden angesehen hatte, legte er es auf den Tisch und trat vor eines, das links von dem großen Fenster hing, und stutzte. Darauf erkannte Roxas eine Gestalt mit schwarzer Kleidung und blonden, stacheligen Haaren. Neben ihm stand ein etwas größere Gestalt, ebenfalls mit schwarzen Klamotten aber stacheligen roten Haaren. Etwas im Hintergrund standen zwei andere Figuren, die man jedoch nicht erkennen konnte. „Bin das... ich? Und Axel?“, murmelte der Blonde. Offenbar war es so, wer sollte denn sonst noch solche Haare haben? Axel... nein, er wollte jetzt nicht an ihn und das was er getan hatte denken. Als der Niemand sich wieder in Bewegung setzen wollen, zuckte er kurz zusammen, seine Verletzung schmerzte wieder. Eigentlich wäre es gut, wenn er sie sich nochmal ansehen würde. Langsam hob er die Hand zu dem Reißverschluss seines Mantels... „Nicht!“, rief Naminé plötzlich, Roxas fuhr höllisch zusammen und sah sie verdattert an. „Was?“, brachte er heraus. „Zieh den Mantel nicht aus!“, sagte sie ernst. „Erst dadurch hat Axel dich vorhin überhaupt gefunden, genauso wie ich. Der Mantel sorgt dafür, dass deine Aura nicht auf größere Entfernung erspürt werden kann. Das ist kein normaler Mantel, er ist besonders.“ „Deswegen hat er mich gefunden? Mann, ich bin so dämlich...“, murmelte Roxas und ließ die Hand wieder sinken. „Aber was meinst du mit besonders? Ich dachte bis jetzt, das wäre nichts weiter als ein stinknormaler Mantel...“ „Du hast doch schon viele Kämpfe überstanden und bestimmt auch viele Treffer eingesteckt. Ist dir nie aufgefallen, dass der Mantel dabei nie zerfetzt oder beschädigt wurde?“, antwortete Naminé, die Augen nun jedoch wieder auf ihren Block gerichtet „Öhm... nicht wirklich...“, meinte Roxas und kratzte sich etwas verlegen am Kopf. „Der Mantel ist zudem auch noch jeden Umweltbedingungen gewachsen, egal ob stürmender Regen oder glühende Hitze. Er beschützt den Träger auch noch vor der Dunkelheit in den dunklen Portalen und, wie schon gesagt, unterdrückt er die Aura des Trägers, damit er nicht so leicht gefunden werden kann.“, erklärte das Mädchen und nahm einen anderen Stift in die Hand. „Das weiß ich von DiZ, weil ich ihn mal gefragt habe, warum Riku unbedingt so einen Mantel tragen sollte.“ „Verstehe...“ Schon wieder hatte sie ihn vor einer Dummheit bewahrt, sie wusste wirklich viel, und Roxas kam sich plötzlich ziemlich dumm vor. Er hatte selten Antworten auf seine Fragen bekommen... aber Naminé schien ihm nichts vorenthalten zu wollen, sie würde ihm sicher alle seine Fragen beantworten. „Ähm, Naminé?“, fing er langsam und etwas zögernd an. „Ja?“ „Störe ich dich, wenn ich dir noch ein paar Fragen stellen würde?“ „Nein, frag ruhig, ich werde versuchen, dir darauf auch Antworten zu geben, sofern ich sie kenne.“, sagte sie und sah kurz lächelnd zu ihm auf. „Oh, danke.“, sagte Roxas erleichtert, zögerte dann aber kurz. Jetzt, wo er die Möglichkeit hatte, auf alles was ihn beschäftigte, oder beschäftigt hatte, Antworten zu erhalten, wusste er im ersten Moment gar nicht, mit welcher Frage er anfangen sollte. Schließlich fragte er dann: „War dieser Riku... ein Freund von dir?“ „Nunja, sozusagen war er das.“, antwortete Naminé etwas zögerlich. „Ich habe ihm vertraut und ihm vesprochen, mich um Sora zu kümmern.“ „Bist du traurig, weil ich ihn besiegt habe? Müsstest du mich eigentlich nicht deswegen... hassen?“ „Ich bin traurig, ja, aber er war bereit, für unser Vorhaben sein Leben zu geben, wenn er musste. Er würde nicht wollen, dass ich mich durch sein Scheitern von unserer Sache ablenken lassen würde. Aber er ist nicht tot... auch wenn sein momentaner Zustand wohl kaum als besser zu bezeichnen wäre.“ „Seine Finsternis hat ihn verschluckt, ich habe es gesehen, bevor ich gegangen bin.“ „Bevor ich ihn aus meiner Wahrnehmung verloren habe, erkannte ich das auch. Jetzt streift er irgendwo umher, aber ich weiß nicht, ob...“ Sie hielt kurz inne, dachte offenbar an etwas Bestimmtes, sprach dann nicht weiter. „Okay... ähm...“ Roxas zögerte, er wollte was diesen Riku betraf jetzt nicht weiter auf sie eindringen, also stellte er eine andere Frage: „Wieso hat die Organisation dich eigentlich bis jetzt nicht gefunden?“ Jetzt kicherte Naminé leise. „Spürst du es nicht?“ „Was soll ich spüren?“ Sie sah zu ihm auf, lächelte. „Wirklich nicht?“ „Was soll ich spüren?“, wiederholte Roxas verwirrt. „Ich spüre nichts, was hat das mit der- oh.“ Jetzt hatte er es begriffen, warum fiel ihm auch das erst jetzt auf? Er konnte Naminés Aura nicht wahrnehmen, obwohl sie kaum einen Meter von ihm entfernt war. „Ich kann meine Aura unterdrücken... nicht, dass das der Rede wert wäre, sie ist zwar etwas absonderlich, aber nicht besonders stark und ausgeprägt.“, sagte Naminé und wandte sich wieder ihrer Zeichnung zu. „Deswegen haben sie mich in dem letzten Jahr nicht gefunden, zum Glück.“ Roxas nickte, eigentlich wollte er noch etwas fragen... wenn ihm etwas einfallen würde, für den Moment war das jedoch nicht der Fall. Also ging er mit langsamen Schritten neben Naminés Stuhl und schaute ihr beim Malen zu. „Hey, das ist doch...“, fing der Niemand an, als er die zwei Figuren auf dem Bild sah. Die Rechte war er selbst, er hielt offenbar die Hand eines braunhaarigen Jungen mit roten Hosen. „Sora und du.“, sagte Naminé und nahm einen schwarzen Stift in die Hand, hielt ihn kurz an ihre Lippen. „Weißt du, ich habe eigentlich geglaubt, letztendlich müsstest du doch zu ihm zurückkehren, ob nun freiwillig oder unfreiwillig. Aber...“ Sie setzte den Stift auf das Papier und zog eine gezackte Linie quer von oben über das Bild, sodass der Schnittpunkt der kleinen Hände von den beiden Sora- und Roxas-Zeichnungen zerschnitten wurde, wie eine Trennwand nun zwischen den Figuren schwebte. Naminé lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und sah zu Roxas auf, lächelte wieder. „Der Versuch gelingt, ich kann die Erinnerungen von Sora zu ihm zurückbringen, ich habe gerade das Glied der Kette mit den Erinnerungen an Kairi in dir gelöst. Du musst nicht verschwinden, Roxas.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)