Elementary Basics von abgemeldet (Trilogie - Staffel 1) ================================================================================ Kapitel 13: In unserer Kindheit ------------------------------- ...Meist sagen die Leute... In unserer Kindheit geht es uns gut. Es gäbe noch nichts, über das wir uns sorgen bräuchten. Doch sind es nicht die Kinder, die genau so gut alle Probleme und Sorgen ihrer Umgebung mitbekommen? Ist es nicht falsch, zu denken, sie bräuchten sich nicht zu sorgen, wenn sie doch genau so im Leid versinken wie manch Anderer auch..? ~ Kapitel 13 ~ In unserer Kindheit Die Person, die sich als mein Dad bezeichnete, wiederzusehen, versetzte mir einen Stich ins Herz. Mir wurde schlecht... An das letzte Mal, als ich ihn sah, konnte ich mich nicht mal mehr erinnern. Ich wusste nicht mehr wie er aussah, wie seine Stimme klang. Eigentlich wusste ich gar nichts über ihn. Wir hatten eine Weile Briefkontakt, doch die Briefe hatte er meiner Vermutung nach auch nur geschrieben, um sein schlechtes Gewissen etwas zu beruhigen und damit niemand behaupten könne, er hätte sich nicht gemeldet. Nachdem ich mit Rick zusammen kam und ich eh so viel zu tun hatte, antwortete ich ihm irgendwann nicht mehr, weil ich keine Lust mehr auf die Heuchelei hatte. Doch nun... Kam alles wieder hoch. Mein ganzer Zorn, meine Abneigung ihm gegenüber. Er schien es anders zu sehen und fing an zu lächeln. Ja, er streckte sogar seine Arme nach mir aus. „Chann, Liebes! Wow, bist du groß geworden! Ich hab ja ewig nichts mehr von dir gehört! Komm her.“ „Rico, ich werde dann mal nach Hause gehen und nach den Kindern sehen. Bis dann“, sagte ich matt und wollte schweigend an Dad vorbei laufen, doch ich ahnte schon, dass es nicht so einfach sein würde. Er hielt mich an der Schulter fest. „Wieso gehst du denn jetzt einfach? Bist du so sauer auf mich?“ „Lass es einfach gut sein.“ „Meinst du nicht, ich hätte mir zumindest eine Chance verdient um zu beweisen, dass ihr mich doch interessiert?“ Rico lachte bei diesem Satz spontan auf, schwieg dann aber wieder um zu hören, was ich darauf zu sagen hatte. „Du willst... Eine Chance?! EINE CHANCE?!! DU HATTEST FAST 25 JAHRE LANG EINE CHANCE!!! Und was hast du gemacht? Nichts! Nicht ein mal wärst du in den Flieger gestiegen um uns mal zu besuchen!“ „Als Arzt hab ich auch keine Zeit dazu...“ „Erzähl mir kein Scheiß! Einmal im Jahr hast auch du sicherlich Urlaub. Aber ist klar, dass du deine kostbare Zeit lieber am Strand mit Cocktails verbringst, als dich um deine Familie zu kümmern! Das ist echt erbärmlich... Was weißt du überhaupt über deine Familie? Weißt du wie deine Enkelkinder heißen?“ Er hielt einen Moment lang inne und guckte mich mit seinen dämlichen Blicken an. Genau diesen Blick hatte ich auch schon bei Rico und Kyle gesehen. Es war, alles hätte er nicht einmal die Frage richtig verstanden. Ungeduldig verschränkte ich meine Arme und wippte mit dem Fuß auf und ab. „Also?“ „Ehm... Hailey?“ „Wow... Und noch?“ „Noch mehr?!“ „Siehst du! Genau das meine ich! Du bist einfach nur das beste Vorbild für einen Rabenvater! Nein, für dich gibt es gar kein Ausdruck mehr! Es gibt nämlich noch drei Andere neben Hailey, aber gut, wenigstens kannst du dich an ihren Namen erinnern. Ihr entschuldigt mich nun...?“ Ob das Verhalten, dass ich hier an den Tag legte, nicht auch typisch Hiwatari war? Ich versuchte vor der Situation zu flüchten. Diesmal ließ ich mich nicht festhalten und rannte den Flur entlang Richtung Ausgang. Ich überlegte ob ich nun heulen sollte, doch Danny Verone war mir diese Tränen nicht wert! Draußen auf dem Parkplatz, stellte ich fest, dass Rick ja noch gar nicht wieder da war. Immerhin wollte erst nach einer Stunde wieder kommen... Es ist vielleicht gerade mal ein Viertel davon vergangen. Danny würde mir sicher folgen... Es war typisch für die Kerle unserer Familie, dass sie so etwas nicht auf sich sitzen lassen. Hmm, wo könnte Rick hin gefahren sein? Es lag nahe, dass er zu diesem leerstehenden Hotel gefahren ist, da ich ihm davon erzählte und ihm das Bild, leichtsinnig wie ich war, gab. Als ich mich auf den Weg dort hin machte und mich extra beeilte, damit ich Rick nicht verpassen würde, verfluchte ich es mal wieder, meinen Führerschein nicht dabei zu haben. Erst einmal hatte ich wieder Probleme damit, überhaupt die Orientierung zu finden. Umso erleichtert war ich, endlich das große Gebäude in Form eines japanischen Tempels zu sehen. Falls Rick dort drin sein sollte, müsste irgendwo hier das Auto stehen, dass wir uns geliehen hatten. Ich blickte mich um und sah es tatsächlich da stehen. Ein Stück weiter entfernt von dem Gebäude. Mich erschlich ein Gefühl von Schauder, als ich vor dem rostigen und verbogenen Stahltor stand. Ob ich Rick überhaupt in diesem Moment belästigen sollte? Das fragte ich mich plötzlich, kurz bevor ich mir vornahm rein zu gehen. Er wollte bisher nie, dass ich etwas davon erfahre und würde sicherlich allein sein wollen. Eine Minute hielt ich inne... Ich war immerhin seine Frau und wenn ein Moment dazu geeignet wäre endlich alles auszupacken, dann sicherlich dieser! Ich fasste den Mut ihn noch einmal mit dem Thema konfrontieren zu wollen. Etwas ängstlich schlich ich mich in das Gebäude, das einfach eine traurige Aura ausstrahlte und machte mich auf den Weg ins oberste Stockwerk. Dort, wo ich den großen Schreibtisch aus Holz zuletzt gesehen hatte und schließlich auch dieses eine Bild fand. Ich sollte mit meiner Vermutung richtig liegen. Schon als ich den Flur erreichte, sah ich, dass die Bürotür weit offen stand. Zumindest das, was von der Tür übrig geblieben war. Sie hing halb aus der Fassung. Das laute Knarren des Boden empfand ich als sehr unangenehm und störend. Ich wollte nicht, dass Rick sofort bemerkt, dass ich auch hier bin. Doch auch als ich schon im verkratzten Türrahmen stand, bemerkte er mich nicht. Er saß nur mit dem Rücken zur Tür, auf dem Schreibtisch und schien etwas in der Hand zu halten. Nun war es schon richtig offensichtlich, dass er nicht mehr alleine im Raum war, und dennoch drehte er sich nicht um. Er wusste bestimmt längst, dass ich hier war. Ohne darauf noch Rücksicht zu nehmen lief ich selbstbewusst zu ihm und konnte nun auch sein Gesicht sehen, dass mich sehr erstaunte. Das hatte ich bei Rick eigentlich noch nie gesehen. Tränen tropften von seiner Wange, während er sich das Bild anguckte, dass ich ihm in meinem Vollrausch gegeben hatte. „Ich dachte... Du hättest es zerrissen?“ „... Es ist so unfair.“ „Was meinst du?“, fragte ich leise und setzte mich neben ihn, wo ich meine Hand tröstend auf seinen Rücken legte und ihn streichelte. „Es ist so unfair, was hier alles passiert ist... Und warum das gerade mir passiert ist... Und, dass man einfach so ersetzt wird.“ „Ich verstehe nicht ganz. Hat der Ort hier also doch was mit deiner Vergangenheit und deinem Vater zu tun?“ Nun war ich gespannt, ob er wieder abblocken würde, oder ob er mich endlich an seiner Vergangenheit teil haben lässt. Noch einmal guckte er auf das Bild und seufzte laut. „Bis zu meinem siebten Lebensjahr war ich eigentlich glücklich. Gut, Mum hatte mir nie etwas von meinem Dad erzählt, sie hatte auch nie einen anderen Mann... Meist wirkte sie traurig oder wütend, aber für mich war die Welt eigentlich noch in Ordnung. Dann fing es auf einmal an – wir wurden von Männern verfolgt, die schwarze Anzüge trugen. Mum sagte zwar, ich soll keine Angst haben, doch sie selbst war wirklich mehr als nervös. Irgendwann brachte sie mich dann hierher, mit dem Grund, ich solle hier lernen mich zu verteidigen. Alles war fremd und ich hab mich wirklich einsam gefühlt, auch wenn sich um mich gekümmert wurde.“ „Und... Was hat das mit deinem Vater zu tun?“ „Sieben Jahre hab ich in dem Chef dieser Organisation so was wie einen Vater gesehen... Ich mochte ihn wirklich gerne, er hat immer auf mich aufgepasst und für mich gesorgt. Er wollte nie, dass ich raus gehe und Aufträge erledige, damit ich nicht irgendwann in den Knast komme. Nur ganz selten nahm er mich doch mal mit, da war ich total glücklich. Damals verstand ich das noch nicht so... Wenn es mir schlecht ging, saß er manchmal nächtelang bei mir auf der Krankenstation... Und dann? Muss ich nach sieben Jahren erfahren, dass mein Vater die ganze Zeit vor mir stand... Alles war gelogen...“ „Wieso hat man dir nie erzählt, dass er dein Vater ist?“ „Das weiß ich nicht... Vielleicht um mich zu schützen. Ich hab es damals erfahren und bin sofort davongelaufen. Er tat nicht mal was um mich aufzuhalten. Ich hab es nur bis nach Amerika geschafft, weil ich mir eine Woche zuvor seine Kreditkarte geklaut hatte. Die ließ er nicht mal sperren... So ein Idiot“, lachte er und fing dann wieder an zu heulen. Die Situation war für mich recht unangenehm, da ich nicht wusste, wie ich Rick überhaupt helfen könnte. Ich war schockiert über seine Vergangenheit, andererseits war ich auch etwas neidisch, denn sein Vater hatte sich wenigstens um ihn gekümmert, wenn auch nicht offensichtlich. Aus welchen Gründen auch immer. Meiner hingegen hatte sich einfach verzogen und ließ uns alle im Stich... „Was meintest du mit „Ersetzt werden“ genau?“ „Na, du hast doch auch diese Bälger gesehen, die diese Blondine bei sich hatte! Und ich hatte dir ja letzt schon gesagt, dass er inzwischen ne neue Frau und neue Kinder hat. Klar, dass man dann schnell vergisst, die Alten zu suchen.“ „Vielleicht hat er es ja gar nicht vergessen, sondern sich nur noch nie getraut, weil er weiß wie du reagieren würdest, wenn er auf einmal vor dir stünde.“ Er drehte sich zu mir und guckte mich fragend an. Er hätte ihn sicher nicht auf einen Kaffee eingeladen, sondern ihn sofort abblitzen lassen. Dafür kannte ich Rick zu gut. Wenn er jemanden nicht mochte, oder auf jemanden wütend war, ließ er es einen spüren. Damit hatte ich ja seit Neustem auch genug Erfahrung. „Ja, du hast Recht... Ich wäre nicht gerade freundlich zu ihm gewesen. Ich würde ihn nur gerne noch einmal sehen und ihn fragen was nun wirklich passiert ist. Warum er sich überhaupt mit dieser kriminellen Laufbahn eingelassen hat. Warum er seine Familie dafür verlassen hat. Das kann ich nicht verstehen.“ „Gibt es keine Möglichkeit ihn irgendwie zu finden?“ „Ich glaube kaum, dass man ihn unter dem Namen Sean Coldfire findet. Der Mann wurde landesweit gesucht. Aber... Ein Versuch ist es ja wert. Vielleicht ist er dumm genug, sich keinen Ausweis zu fälschen.“ „Gibt es hier in der Stadt so was wie ein Bürgermeldeamt?“ „Ja, wieso?“ „Wieso wohl? Versuchen wir es da.“ „Und... Du haust nun nicht ab wegen meiner Geschichte?“ „Warum sollte ich?“, fragte ich verwundert. Ich freute mich so, dass er es endlich erzählt hat. Das entlastete unsere Beziehung sehr. Er schnappte meine Hand und half mir durch das Gebäude zu kommen, ohne über irgendwelche eingebrochenen Holzbalken zu stolpern. „Warum hast du eigentlich nie deine Mutter gefragt was mit ihm los war?“, fragte ich Rick interessiert, als wir draußen angekommen waren. „Puh... Die schweigt wie ein Grab. Wenn man sie drauf anspricht reagiert sie schlimmer als ich.“ „Oh jee...“ War von Celia jedoch irgendwie nicht anders zu erwarten. Vielleicht ist sie deswegen so verbittert und hat Angst, dass ich ihren Sohn verletze? Rick ist schon so oft verletzt worden und Celia wurde von ihrem Mann verlassen. Sie will ihm dadurch einfach größeren Kummer ersparen. Allerdings erreichte sie meist nur das Gegenteil damit. Jetzt, wo ich das hörte, bereute ich meinen Seitensprung mit Yosh noch mehr. Meinem Mann ging es schlecht genug. Er hatte schon so üble Erfahrungen und ich setze auch noch eins drauf... Wir setzten uns ins Auto und fuhren erneut in die Innenstadt, wo die zuständigen Behörden für Bürger und Aufenthaltsorte waren. Rick zögerte anfangs erstmal rein zu gehen. Er fragte, ob er den Schritt wirklich tun soll. Sean zu suchen und die Vergangenheit aufzuwühlen, wäre immerhin ein großer Schritt. „Und, wenn er mich gar nicht sehen will?“ „Will er bestimmt. Und zudem! Wir sind nicht ewig in Japan! Demnächst sind wir erstmal für lange Zeit wieder in Florida und da hast du keine Möglichkeit mehr ihn erneut zu suchen. Dein Chef wird dir den Arsch verfluchen, wenn du schon wieder in Urlaub fliegst. Tu es jetzt, oder du wirst es auf ewig bereuen, Rick.“ „Ja, stimmt... Ich muss sagen, du bist ne ganz schöne Nervensäge, Chann.“ „Gleichfalls...“ Drinnen wurde unsere Hoffnung jedoch jäh zerstört. Wie konnten wir uns auch die Hoffnung machen, Sean unter seinem richtigen Namen zu finden? Eine sehr naive Vorstellung. Die Beamtin tat alles um ihn doch in der Datenbank zu finden – vergebens. So mussten wir, für heute, kapitulieren. Sollte nun die Hoffnung auf ein Wiedersehen jäh zerstört sein? Draußen auf den Eingangsstufen kamen Rick erneut die Tränen. Er fluchte laut herum und schlug seine Fäuste gegen die Hausmauer , ehe er sich erst mal setzen musste. Wieder legte ich meine Hand tröstend auf seine Schulter. „Man, zieht mich das runter... Ich befinde mich seit Jahren wieder mit meinem Vater in der selben Stadt... Ich weiß, dass er hier irgendwo ist... Aber ich kann ihn nicht finden! Das ist nicht fair!!!“ „Was ist schon fair? Komm, lass uns nicht aufgeben. Du siehst ihn wieder. Du hast nicht die vielen Qualen in deiner Kindheit ertragen, um ihn nun so davonkommen zu lassen. Vielleicht haben unsere Freunde ihn schon mal irgendwo gesehen.“ „Glaube ich eher weniger.“ Mit einem lauten Seufzen überlegte ich, was man noch tun könnte um einen Mann zu finden, dessen Namen man nicht einmal kannte. Leider fiel mir nicht viel dazu ein. Mir schoss nur plötzlich meine Mutter in den Kopf! „Mir fällt gerade ein... Meine Ma war damals überhaupt nicht begeistert, als sie hörte, dass ich mit dir Kontakt habe. Geschweige denn, dass wir zusammen sind. Sie hatte mich eigentlich davor gewarnt.“ „Warum das?!“ „Vielleicht kennt sie deinen Vater?! Mum lebte auch lange in Tokyo! Sie verbrachte ihre Jugend hier! Könnte doch sein, dass die sich kennen und Mum nur nicht wollte, dass ich mit dir Kontakt habe, weil sie über die vielen kriminellen Dinge bescheid weiß.“ „Wäre eine Idee... Kannst du sie nachher vielleicht gleich anrufen?“ „Klar, auch wenn ich nicht gerne mit ihr spreche.“ Er lehnte sich an mich und ließ sich von mir den Kopf streicheln. Der Tag hatte ihn wirklich total fertig gemacht. Und ich versuchte stark für ihn zu sein, wo doch die Begegnung mit meinem eigenen Dad mir selbst sehr zu schaffen machte. Doch damit wollte ich Rick nun gar nicht belasten. Bedrückt und mit gesenktem Kopf beschlossen wir, dass es besser war, erstmal zurück nach Hause zu fahren. Die Kinder würden sicherlich schon auf uns warten. Und Hunger hatten wir auch. Den restlichen Weg verloren wir kein Wort mehr über das Thema. Ich war auch viel zu sehr damit beschäftigt an das zu denken, was im Krankenhaus passierte. So sehr ich auch wollte – ich konnte den Worten meines Vaters einfach keinen Glauben schenken. Ich war so maßlos enttäuscht von ihm… Im Wohnzimmer angekommen, durften Rick und ich die nächste Überraschung erleben. In Form von Jill und Shinji, die beide auf dem Sofa saßen und sich gegenseitig am küssen waren. Ich traute meinen Augen kaum. Sie bemerkten uns selbst nicht, als wir längst neben dem Sofa standen. Beide hatten wir einen matten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Ich stemmte die Hände in die Hüfte, während mein Mann die Arme vor sich verschränkte. Um es zu Ende zu bringen, räusperte ich mich ganz einfach kurz. Shinji bekam solch einen Schrecken, dass er mit einem lauten Schrei aufsprang und vom Sofa fiel. Jill wurde blass... „Mum... Dad... Eh... Hi!“ „Junge Dame, was wird das? Dir ist schon klar, dass du erst sieben bist!? Und der da ist grade mal sechs! In eurem Alter solltet ihr euch gegenseitig ekelhaft finden, statt eurer Sandkastenliebe nachzugehen!“ „Aber Mama! Shin hat mich gezwungen!“ „GEZWUNGEN!?!“, rief er zwischen rein, als er sich wieder aufgerichtet hatte. „So gezwungen sah das aber nicht aus“, bemerkte Rick am Rande. „Er wollte doch nur mit mir Üben, damit er sich bei Hailey nicht blamiert.“ „Üben!? Blamieren!? In eurem Alter wird nicht geknutscht!!!“ „So weit kommt's noch! Ist ja typisch... Bei dem Vater...“ „Rick!“ „Ja, was?!“ Kopfschüttelnd ging ich nach draußen und setzte mich auf die Treppe. Seit wir hier sind ist jeder Tag purer Stress. Es ist laut, meist passiert irgendwas und langsam bekam ich das Gefühl, dass wir völlig umsonst hierher kamen, denn es gab selten mal einen Angriff von Dämonen und wenn, dann kamen die Anderen größtenteils mit zwei oder drei Assistants klar. Langsam wollte ich nicht mehr... Diese ganzen Ereignisse... Rick's Vergangenheit, Wiedersehen mit meinem Dad... Rico im Krankenhaus, Kyle mit Mari und Naga... Die Kinder... Ja, langsam ging mir wirklich die Energie für das Ganze aus. Ich fragte mich, wann wir wieder nach Hause könnten. Ich sehnte mich nach meinem „alten Leben“. Zwar würde ich wieder meine Familie und Freunde vermissen, jedoch wusste ich, dass man nichts geschenkt bekommen würde. Langsam legte ich meinen Kopf auf meine Hände, ließ ihn darin versinken und seufzte laut. „Chann? Alles klar? Hat dich das mit Jill so sehr geschockt?“, fragte Rick, der sich zu mir gesellte und sich neben mich auf die Treppe setzte. „Ach... Nein, das ist es nicht.“ „Was denn dann? Das, was ich dir vorhin erzählt hab?“ „Das hab ich schon verarbeitet... Ich hab mich im Krankenhaus nur so aufgeregt... Weil... Weil... Ach, vergiss es“, beendete ich leise den Satz, weil ich mir unsicher war, ob ich davon erzählen sollte. Gegen Rick's Vergangenheit war das, was ich erlebt hatte, doch gar nichts. Er würde mich auslachen dafür. Ich solle mich nicht so anstellen... Rick lehnte sich etwas nach vorne um in mein Gesicht schauen zu können. Sein Blick war warmherzig und verständnisvoll. „Erzähl mir, was dir auf dem Herzen liegt. Warum hast du dich so aufgeregt?“ Sollte ich ihn wirklich mit meinen belanglosen Problemchen vollheulen? Nun... Mehr als sich darüber lustig machen konnte er nicht, so beschloss ich, mich zu wagen. „Ich regte mich auf... weil... weil auf einmal unser Vater vor Rico und mir stand. Wie aus dem Nichts und dann tut er so, als wäre nie etwas gewesen. Fragt mich auch noch, warum ich ihm keine Chance geben kann. So ein Scheiß!“ Er guckte mich erstaunt an. Ich redete selten von meinem Vater - Überhaupt von meiner Familie. Sie war mir peinlich und ich schämte mich für sie. Koshy war die einzige Ausnahme. Sie war die Einzige, die jemals eine menschliche Einstellung hegte und nicht der Dummheit und Verantwortungslosigkeit verfiel. „Warum erfahre ich das erst jetzt?“ „Ich wollte nicht, dass du dich auch noch wegen meinen Problemen rummachen musst, wo es dir doch so schlecht ging wegen deinem Vater. Und... Ich hatte Angst du würdest mich vielleicht auslachen... Denn meine Geschichte ist dumm im Vergleich zu deiner.“ „Keine Geschichte aus der Vergangenheit ist dumm. Egal was auch passiert sein mag, es beschäftigt und bedrückt dich. Du darfst das was uns passiert ist, niemals versuchen zu vergleichen, denn beides ist auf seine eigene Weise einfach nur traurig. Deswegen erzählst du es mir jetzt einfach und ich werde dir zuhören.“ „Danke... Das beruhigt mich“, antwortete ich leise und faltete die Hände erleichtert. „Als ich Dad sah, verspürte ich nur noch Hass und Zorn. Alles kam wieder hoch... Dass er sich nie um uns gekümmert hat, obwohl wir ihn gebraucht hätten. Vor allem Kyle und ich, als wir bei Opa in Russland gelebt hatten.“ Ich senkte den Kopf und beobachtete meine Hände, während ich versuchte mich Details von damals zu erinnern. „Unsre Ma kam noch nie mit uns allen klar. Koshy und Rico nahm sie mit sich, Kyle und ich kamen zu unsrem Opa. Wo Ran gelandet ist, weiß ich bis heute nicht. Mein Opa war immer so eingestellt, dass Frauen nichts zu sagen haben und nur Männer eine gute Position erreichen können. Daher wurde Kyle natürlich bevorzugt. Er wurde richtig als Macho erzogen, was wohl auch seinen heutigen Charakter erklärt. Opa hasste unsren Vater. Doch an mir ließ er es am meisten aus. Täglich durfte ich mir Dinge anhören wie „Du bist die Schande der Familie“, „Du kannst gar nichts“, „Was haben deine Eltern da nur für einen Fehler begangen?“, „Du bist wie dein jämmerlicher Vater!“... Solche Dinge durfte ich mir in meiner Kindheit antun. Bis es Kyle zu viel wurde und mich anfing zu beschützen. Er hat es sogar geschafft, dass ich zu Koshy und Rico ziehen durfte. Da war ich endlich erlöst.“ Ich hätte ihm noch viel mehr erzählen können, jetzt, wo es endlich mal wieder so gut zwischen uns lief. Nein! Es lief noch nie so gut zwischen uns. Vor Kurzem dachte ich noch, es sei aus, doch nun... Besser könnte es nicht laufen. Als ich ansetzen wollte um weiter zu erzählen, wurde ich jedoch von zwei Stimmen unterbrochen, die aus der Nähe laut und deutlich zu hören waren. Ich seufzte bedrückt... Jetzt fand ich endlich den Mut, mir einmal Luft zu machen und dann stört wieder jemand. Rick blickte hinüber in die Richtung, aus der die beiden Stimmen kamen und legte seinen Arm um meine Schulter. „Sobald es wieder ruhiger um uns wird, nehmen wir uns einen ganzen Mittag Zeit und sprechen noch einmal darüber. Und sollte ich deinen Großvater jemals erwischen, dann wird er zu spüren bekommen, was Sean mir so beigebracht hat... Wäre besser für ihn, uns nicht zu begegnen.“ Ich kicherte leicht auf bei der Vorstellung wie Rick meinen Großvater in die Mangel nehmen würde. Langsam und gespannt, was es zu lauschen gab, schlichen wir uns hinter das Gebüsch, das an der Hausmauer wuchs und blickten hinüber zur Straßenlaterne, unter der mein Bruder Kyle und Naga standen. „Was machen die Idioten da schon wieder?“, flüsterte Rick mir entsetzt zu. „Keine Ahnung! Mal zuhören...“ Naga hatte eine glaubwürdige Trauermine aufgesetzt und drückte ihre Krokodilstränen heraus, was ich nicht ganz verstehen konnte... Naga heult NIE!!! Dafür war sie viel zu emotionslos eingestellt. „Kyle! Wie soll das nur mit uns Beiden und der kleinen Maya weiter gehen? Du bist nie für mich da. Und auch nie für deine kleine Tochter. Wir brauchen dich!“ „Tut mir leid, Marisha plant mich immer zu sehr ein. Ich bring das schon irgendwie in Ordnung.“ „Irgendwie!? Ständig höre ich nur Marisha... Als würde es nur um sie gehen. Entscheide dich endlich, Kyle. Ich liebe dich... Ich würde dir alles geben.“ „Okay, hör zu... Ich schlage dir vor, dass ich mich mit dem Scheidungsanwalt in Verbindung setzte, mich scheiden lasse und dich heiraten werde. Okay?“, schwätzte er vor sich hin, als sei es die einzige und richtige Entscheidung, die es gäbe. Grinsend breitete er die Arme aus und feierte seine clevere Revolution. „Na, wie klingt das?“ „Oh, das wäre fantastisch!“ „BITTE WAS!?!?“, platzte es ungehalten aus mir heraus. Ich gab inzwischen mein Versteck auf und war für die Beiden gut sichtbar. Vor allem Kyle wurde sehr blass bei dem Gedanken, dass ich alles gehört haben könnte. Auch Rick stand auf. „Chann!“ „Kyle Hiwatari! Ich hab jedes verdammte Wort gehört! Und ich werde nun zu deiner Frau gehen und ihr alles erzählen, aber wirklich ALLES!!!“ „Nein Chann, das hab ich doch nur gesagt, weil...“ „Weeeil!?“, fragte Naga skeptisch und legte die Hände erwartungsvoll in die Hüfte. „Bitte, sag es Marisha nicht, Chann!!!“ „Keine Chance! Ich gehe jetzt zu ihr! MARISHA!!!“, rief ich so laut ich konnte. Wir befanden uns immerhin gleich neben dem Haus und ich wusste, dass sie wieder im Garten saß. Das war immerhin ihr Lieblingsort. Zudem drehte ich mich um und lief schnurstracks zur Haustüre. Kyle packte mich an der Schulter und guckte mich verzweifelt an. „Wag es dich nicht!!!“ „... Was, sonst?“, fragte Rick bedrohlich und zerrte Kyle's Arm weg von mir, so dass es beinah eine Schlägerei gab. Doch dazu kam es nicht, denn Marisha hatte mein Rufen gehört und stand nun auch schon vor uns. Kyle grinste verlegen. Naga stand immer noch erwartungsvoll da und ich war geladen! „Mari! Ich muss dir mal erzählen, was ich eben so von Kyle gehört habe. Und noch einiges mehr.“ „Huch? Was denn? Was macht ihr hier für einen Trubel?“, fragte sie ahnungslos und blickte sich um. Nun kam auch Rachel raus. Sie war wohl gerade zu Besuch, wie eigentlich täglich. Neugierig wie sie war, durfte sie sich das natürlich nicht entgehen lassen. „Chann!“, rief er mir noch einmal ermahnend zu, doch das war mir egal. Meinetwegen könnte er auch noch Jahre auf mich sauer sein deswegen! Mari sollte endlich mal die ganze Wahrheit wissen... Gerade wollte ich ansetzen, doch plötzlich kam etwas großes angeflogen und schlug neben uns im Boden ein. Was zur...? Erst starrten wir auf die Einschlagstelle, wo ein riesiges Loch klaffte und noch am dampfen war vor Energie. Geschockt drehten wir uns alle in die Richtung, aus der das Teil kam. Dort schwebte eine ganze Horde Dämonen über uns und lachte in schrillen Tönen. „Wow... Dass man euch auch mal sieht! Kaffeepause zu ende?“, fragte Rachel unbeeindruckt. „Die wollen doch nur wieder spielen“, bemerkte Naga mit genervtem Unterton. Marisha ballte die Fäuste. „ALSO LANGSAM REICHT ES MIR MIT EUCH!!! ENTWEDER GANZ ODER GAR NICHT!!! ERST GREIFT IHR DIE STADT AN, DAMIT UNSERE FREUNDE SICH EXTRA AUF DEN WEG MACHEN UND DANN ZIEHT IHR DEN SCHWANZ EIN!?!!?“ „Hahahaha!!! Warum alles kurz und schmerzlos machen, wenn man doch Spaß haben kann? Ihr werdet noch früh genug sterben. Und in Amerika ist nun nichts mehr los... Die perfekte Gelegenheit für uns einen Angriff auf den Kontinent zu starten.“ „Macht ihr eh wieder nicht.“, rief ich zu dem „Anführer“ hoch und machte mir nichts aus seinen Worten. Das ist doch alles Schwachsinn! Er fing an mit seiner grellen Stimme zu kichern und seine Truppe tat es ihm gleich. Wir gingen allesamt in Kampfposition. Nur Kyle verzog sich unbemerkt von den Anderen. Das war ja klar, dass er so eine Gelegenheit nutzen würde um wegzulaufen. Rachel hatte ihn allerdings auch bemerkt und fesselte ihn mit Ranken, die sie aus dem Boden wachsen ließ. „Zu dir kommen wir später, mein Lieber!“, rief sie ihm streng zu und konzentrierte sich auf unsere Gegner, die sich zu einem Angriff bereit machten und anfingen wie blöd auf uns zu schießen. Mit geschickten Sprüngen wichen wir ihnen spielend aus. Irgendwie machte ich mir ja Sorgen um das Haus und vor allem um die Kinder, die sich bei dem Lärm schon am Fenster versammelten. Das war das erste Mal, dass wir Assistants alle gemeinsam kämpften, wenn man mal von Element Licht und Dunkelheit absah, doch hier auf offener Straße einfach zu kämpfen wirkte schon sehr auffällig. Zumal die Nachbarn diese Viecher gar nicht sehen konnten. Nebenbei guckte ich mich um, um zu sehen, ob die Nachbarn hinter den Fenstern hingen – zum Glück nicht. Die Dämonen drängten uns dazu, uns aufzuteilen. „Rachel, die Kinder!!!“, rief Marisha blitzartig zu der Brünette und rannte, gefolgt von ihr, so schnell sie konnte zum Haus, wo die Kinder heraus gelaufen kamen. Ein Glück reagierte sie so schnell, denn einer der Dämonen streckte die Arme hinunter und feuerte sechs Energiekugeln auf das Dach. Das bekam ich noch mit, denn fünf andere Dämonen richteten sich auf Rick und mich. Er nahm meine Hand. „Lauf!“ „ABER DIE KINDER!!!“ „DIE SIND BEI RACHEL UND MARI SICHER! KOMM!“ Ich konnte mit seinem Tempo kaum mithalten, als wir die Straße herab rannten, gefolgt von den fünf Mistviechern. Schnell außer Puste merkte ich, dass Rick noch immer gute Reflexe hatte. Ohne ihn hätte ich diese Flucht wohl nicht überstanden. Er zerrte mich hin und her, damit die Dämonen uns nicht treffen konnten. „CHANN REIß DICH ZUSAMMEN!!!“ „ICH KANN NICHT!“, keuchte ich ihm zu. Zum zurückschießen kam er gar nicht, denn er war zu sehr damit beschäftigt uns den Hintern zu retten. Wenn ich mich weiterhin so gehen lassen würde, hätten wir erst recht keine Chance. Gehetzt kniff ich die Augen zusammen und schaffte es, mich im Laufen umzudrehen und einige Wasserstrahlen nach ihnen zu schießen. Irgendwas stimmte nicht... Die Letzten waren so einfach zu besiegen mit diesen Angriffen... Doch diese hier schlugen meine Energiekugeln weg, als seien sie kleine Wassertropfen. „WAS MACHEN WIR DENN JETZT!?!“, rief ich verzweifelt zu Rick, der noch immer nicht außer Puste war, obwohl wir nun schon einige Minuten im höchsten Tempo liefen. Erst rannten wir die Straßen hinunter, dann wieder rauf bis zu einem großen Platz, wo ich feststellen musste, dass es eine Sackgasse war. Die Straße war auf einer Klippe gebaut, die am Meer endete. Nur eine lange Reihe von Stangen verhinderten, dass Menschen herunter fallen konnten. Was hatte Rick nur vor? Besiegen konnten wir diese Dinger nicht. Sobald wir stehen bleiben würden, würden sie uns treffen. Sie waren verdammt schnell und die lauten Einschläge ihrer Energiekugeln erschütterten mich bis ins Knochenmark. „RICK!?!“ „VERTRAUST DU MIR?“ „WAS?!!“ „TUST DU!?“ „JA!“, antwortete ich spontan und bereute es sogleich wieder. Er ließ meine Hand los und verließ sich darauf, dass ich das tat, was auch er gerade vor hatte. Mit einem leichten Satz sprang er auf die Stange und stieß sich auch gleich weiter ab hinunter ins Meer. Ich hatte Angst... Entweder durch den Einschlag im Wasser sterben, oder durch die Hand eines Dämons?! Niemals! Zeit zum Überlegen blieb eh nicht und so tat ich es Rick gleich – Ich sprang über die Absperrung und fiel mit Rick auf etwa gleicher Höhe aus zirka hundert Meter Richtung Meeresoberfläche. Aus Angst konnte ich mir inzwischen das Schreien nicht mehr verkneifen, doch dann griff er nach mir und zog mich an sich. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, als wir fielen. Schmerzhaft schlugen wir ins Wasser ein, doch dadurch, dass Rick seine Arme schützend um mich gelegt hatte, passierte mir kaum etwas. Meine Ohren taten weh vom Wasserdruck, doch für mich gab es nur einen Gedanken - Schnell wieder zurück nach Oben, bevor mir die Luft ausginge. Rick hatte mich inzwischen losgelassen. Ich riss die Augen auf um nach Rick zu schauen, doch ich konnte ihn nirgends erkennen. Krank vor Sorge und gepeinigt von der Angst, es nicht bis an die Oberfläche zu schaffen, gab ich mein Bestes und schwamm so schnell ich konnte. Es war fast endlos. Doch auf einmal rempelte mich etwas an, wovon ich kurz einen Schock bekam, dann aber merkte, dass es Rick war, der leblos herumtrieb. Motiviert wie eh und je hielt ich ihn fest und schaffte es endlich nach Oben. Luft!!! Doch was war mit ihm!? Hatte er sich vielleicht den Kopf geschlagen an einem Felsen? Blut war nirgendwo zu sehen. Verzweifelt guckte ich mich um und fand nicht weit von uns ein verlassenes Stück Stand, wo wir heraus kommen könnten. Im Rettungsgriff zog ich Rick hinter mir her bis zum Stand und guckte dort genauer nach ihm. Er atmete nicht mehr... Unter schrecklicher Angst um ihn, fing ich an auf seine Brust zu hausen. „Komm schon! KOMM SCHON!!! WACH AAAAUF!!!“, schrie ich ihn an und hämmerte immer weiter auf ihn ein. Das durfte jetzt nicht zu ende sein! Nicht jetzt und nicht so! Plötzlich – ein Husten! Mit einem heftigen Hustenanfall kam er zu sich und musste sich erstmal wieder einfinden. Ich war so unbeschreiblich erleichtert, dass ich ihm heulend in die Arme fiel. „Was... Was ist passiert?“ „Rick... Du hast mich beschützt und dein Leben dafür aufs Spiel gesetzt... Das war... das... Danke“, sagte ich nur noch, weil ich keine Worte mehr dafür fand. Er schloss mich fest in seine Arme und schnaufte noch einmal durch. „Jederzeit... Ich lass nicht zu, dass dir etwas passiert. Niemals...“ Noch immer etwas geschockt von dem, was geschehen war, guckten wir uns an und küssten uns innig, bevor wir merkten, dass wir besser nach den Anderen schauen sollten. Rick war geschwächt von dem Sprung ins Wasser und beide waren wir klatschnass. Ich hatte Angst, dass die Anderen auch solche Probleme hätten. Und ich fragte mich, wie es den Kindern wohl gehen würde. Umso schneller liefen wir wieder die Straße hoch, zurück zu dem abgelegenen Haus von Marisha, das inzwischen fast komplett Schutt und Asche war. Von den Anderen war nichts mehr zu sehen. Ich hielt mir entsetzt die Hände vor den Mund, als wir vor dem Haus standen. „Na klasse... Marisha wird sich freuen. Was nun?“, fragte Rick und schnaufte erschöpft. „Ich... Ich weiß es nicht. Wo sind unsere Kinder? Und wo ist Kyle?“ „Stimmt, den hatten sie ja gefesselt.“ Fragend guckte sich Rick um und riss plötzlich die Augen auf. Kyle lag mit den Ranken um Hände und Beinen gefesselt ein gutes Stück entfernt und rief nach Hilfe. Hektisch stürmte ich zu ihm und befreite ihn. „Was denkt ihr euch eigentlich!?!! Fesselt mich hier mitten im Kampffeld, damit ich bloß nicht abhauen kann und verrecke! Und mit dir hab ich auch noch ein Wörtchen zu reden!“ Er klopfte sich den Staub von den Klamotten und ging mit großen Schritten zum zertrümmerten Haus, wessen Anblick ihn erstmal zum Durchdrehen brachte. Rick und ich standen wie angewurzelt auf der Straße und beobachteten durch die eingeschlagene Wand, meinen Bruder, der sich im Haus umguckte und herumfluchte. „Tja... Was soll man nur machen, wenn man sein zu Hause verliert? Ich wüsste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, wäre es unser Haus.“, seufzte Rick. „Kyle wird das nicht stören... Wohnt doch demnächst sowieso bei Naga.“ „Hmpf... Ich muss was gucken“, sagte Rick abrupt und ging ebenfalls ins Haus. Unsicher folgte ich ihm in unser ehemaliges Gästezimmer, das teilweise sogar noch heil geblieben war. Wortlos warf er mir einen Rucksack zu, den er auf dem Bett fand. Ein Zeichen, dass ich ein paar Sachen packen sollte. Ich seufzte. „Mutter anrufen werde ich wohl erst ein ander mal können.“ „Ich glaube nicht, dass diese Ruine noch eine funktionstüchtige Telefonleitung hat. Wir müssen uns beeilen.“ „Was? Warum?“ „Denk doch mal nach... Ein zerstörtes Haus, Schlaglöcher im Boden, Explosionen. Denkst du, das Umfeld hätte das hier nicht mitbekommen? Die Bullen sind garantiert auf dem Weg. KYLE! BEWEG DICH!“, rief er ihm in die Küche zu. Stimmt! Wenn die hier ankommen, noch bevor wir weg sind, dann würden sie uns fragen, was hier passiert war. Und eine Aussage verweigern wäre unmöglich. Daher packte ich hektisch alle Gegenstände, die zu uns gehörten um zu vertuschen, dass wir überhaupt hier waren. Rick kniete sich vor eine Reisetasche, die wir noch gar nicht aufgemacht hatten, seit unserer Ankunft. Ich fragte mich, was er da tat. Meine Antwort bekam ich – jedoch gefiel sie mir nicht. Er packte eine Waffe aus, die er wohl von zu Hause mitgebracht hatte. Dass die unterwegs am Flughafen nicht auffiel!?! „Was willst du mit dem Ding!?!“ „Mich vorbereiten. Zu unserem Schutz. Ich probiere etwas.“ „Na klasse... Trägst du schon immer Knarren mit dir herum?“ „Seit über zwölf Jahren.“ „Und ich weiß nichts davon...“ „Es hätte dich nur beunruhigt.“ Er setzte sich aufs Bett und hielt die Hand ruhig auf die Waffe, ehe er sich konzentrierte. Gespannt verfolgte ich, was er sich nun wieder ausgedacht hatte. Und ich musste staunen!!! Plötzlich fing sein Stein an zu leuchten und darauf hin auch die Waffe. Hat er etwa... Hat er sie mit seinen Elementarkräften belegt!?! Meine Augen waren groß – sein siegreiches Grinsen noch größer. Zur Probe feuerte er einen Schuss ab. Das Haus war eh nicht mehr zu retten. Die Pistole schoss keine Kugeln mehr... Sie schoss... Wasserkugeln... Und mit welcher Kraft! Es war der Wahnsinn. Die Kugel durchbrach problemlos das Gemäuer. „Das dürfte auch den stärksten Dämon zerfetzen. Komm! Wir hauen ab.“ Wieder folgte ich ihm und auch Kyle kam wieder zu uns. Er wusste ebenso wie Rick, dass wir hier unter keinen Umständen bleiben konnten. Die Anderen suchen mussten wir erst gar nicht. Unser erster Weg führte zu Rachel, die ja nicht weit weg wohnte. Dennoch waren wir für die Polizei erstmal nicht auffindbar. Die Sirenen hörten wir schon und waren froh es geschafft zu haben. Bei Rachel saßen schon alle bedrückt auf den Stufen, die ins Haus führten. Marisha liefen die Tränen und die Kinder waren allesamt am Weinen. Vor allem Jill und Clyde fielen uns schreiend in die Arme. „Bin ich froh... Ihr habt es geschafft“, sagte ich erleichtert und nahm meine Kinder in die Arme. „... Mein schönes... Haus... Alles! Alle schönen Erinnerungsstücke. Die ganzen Sachen... Alles zerstört...“, murmelte Marisha fassungslos vor sich hin. Kyle stand nur dumm abseits und beachtete sie gar nicht. Er blickte nur zurück ans andere Ende der Straße, wo sich Passanten neugierig ums Haus versammelt hatten und die Ruine bestaunten. „Das darf doch nicht wahr sein! Alles was wir uns aufgebaut hatten...“ „Mari, es kommt sicher alles wieder in Ordnung. Du und Hailey könnt auch erstmal bei uns bleiben“, schlug Yosh vor, der auch bei seiner Familie stand. Marisha blickte auf einmal fragend zu mir herauf und wischte sich ihre Tränen weg. „So! Was war nun los? Irgendwas wolltest du mir erzählen, Chann“, sagte sie tapfer, um sich damit wohl abzulenken. Ob ich ihr es jetzt noch sagen sollte!?!? Es ging ihr schon so schlecht. Ihr jetzt auch noch das letzte bisschen Glück zu nehmen? Nein! Das konnte ich nicht tun... Ich wollte sie schonen. Doch als sie merkte, dass ich keine Antwort gab, stand sie mit zitternden Händen und erneuten Tränen in den Augen auf. Wütend packte sie mich an den Schultern. „NUN SAG SCHON!!!“ „Mari... Ehm... Ich will nicht, dass du...“ „IST DOCH EH ALLES EGAL!!! WAS HAST DU MIR ZU ERZÄHLEN?!!? ICH WILL ES WISSEN!!!“ „Ja aber...“ „Mari, lass das“, mischte sich Rick ein. Auch in mir tobte nun der Nervenkrieg... Und auch meine Hände zitterten. „DU WILLST ES WIRKLICH WISSEN!?! Ich hab vorhin Naga und Kyle zugehört... Und Kyle sagte, er würde sich von dir scheiden lassen um Naga heiraten zu können. So! Jetzt ist es raus! Und er hat es auch mit Scarlett getrieben!“ „BOAH, NEIN, HALT DOCH DIE KLAPPE, CHANN! Mari! Schatz! Nimm das nicht so ernst, was die kleine Idiotin erzählt! Das ist doch alles harmlos, denn eigentlich gibt es für mich nur dich und ich...“ „KYLE!? SAG MAL BIST DU BEKLOPPT!?!! VORHIN VERSPRICHST DU MIR NOCH, DICH VON IHR ZU TRENNEN UND NUN IST ALLES HARMLOS?!! Los! Entscheide dich! Hier und jetzt! Entweder sie oder ich!“, keifte Naga ihn an. Beide durchlöcherten ihn mit erwartungsvollen Blicken und ihm war deutlich anzusehen, dass er mit der Situation überfordert war. Er überlegte eine Weile, während wir Anderen nur schwiegen und uns fragten, wie seine Antwort nun lauten würde. Plötzlich drehte er sich um und lief zu Naga, vor die er sich stellte. Ich konnte es nicht fassen! Wie kann er nur!? „Naga, tut mir leid, ich werde mich für Mari entscheiden, wenn ihr es schon so von mir wollt.“ Puh! Die Erleichterung stand in unser aller Gesicht. Endlich hatte er doch mal eine richtige Entscheidung getroffen. Naga's Gesichtsfarbe nahm die ihrer Haare an. Sie wurde knallrot vor Wut und schubste Kyle von sich. „WAS WILLST DU NUR VON DIESER NAIVEN KUH!? BLÜMCHENSEX!?! NA WARTE KYLE HIWATARI! DAS LETZTE WORT IST NOCH NICHT GESPROCHEN! UND MAYA KANNST DU BEHALTEN! DIE NERVT EH NUR WEGEN DIR RUM! ICH WILL EUCH NIE, NIE, NIE WIEDER SEHEN!!!“, schrie sie ihn an, drehte sich um und dackelte davon, ohne Maya, die laut am Weinen war und nach ihrer Mutter schrie. Doch Naga erhörte sie nicht... Niemand erhörte sie... Sie stand nur ganz alleine da und heulte laut vor sich hin. Ich fragte mich, warum niemand auf die Idee kam, sich um das kleine Mädchen zu kümmern, also tat ich es schließlich. Ich nahm sie in den Arm und schenkte ihr etwas Geborgenheit, was Kyles oder Nagas Aufgabe gewesen wäre. Kyle, der schon dachte, die Situation noch einmal gerettet zu haben, drehte sich zu Marisha und wollte sie in den Arm nehmen. Doch sie wich seinen Armen aus und ging einen Schritt zurück. Durch ihre langen Haare konnte man kaum ihre Augen sehen, als sie zu Boden blickte und wieder die Fäuste ballte. Kyle musterte sie fragend. „Mari, Schatz! Na komm, ist doch alles locker. Ich hab mich für dich entschieden und alles ist in Ordnung. Wir bauen gemeinsam unser Haus wieder auf und machen zur Feier des Tages noch ein Kind! Haha!“ „... Meinst du wirklich, die Entscheidung liegt noch bei dir? MEINST DU DAS ECHT!!? ES STEHT MIR BIS HIER!“, schrie sie und hob die Hand energisch vor ihre Stirn. Dann baute sie sich weiter auf und trieb Kyle immer weiter zurück. „DU DENKST AUCH, DASS DIR ALLE WEIBER HINTERHER LAUFEN UND DU DIR DANN GRADE DIE NEHMEN KANNST DIE DIR PASST!? HAT NAGA KEINE LUST, NIMMSTE DIR HALT SCARLETT! UND WENN KEINE DER SCHLAMPEN ZEIT HAT, GIBT ES JA IMMERNOCH DIE DUMME MARISHA! DER BLÜMCHENSEX IST ZWAR LANGWEILIG, ABER BESSER ALS GAR KEINER, ODER!?! UND NACH ALL DEM MEINST DU WIRKLICH, DASS ICH JETZT SO TUE ALS WÄRE NICHTS PASSIERT!?!!? DU ARSCHLOCH BRAUCHST MIR NICHT MEHR UNTER DIE AUGEN ZU KOMMEN! ICH HAB LANGE GENUG VOR ALLEM DIE AUGEN VERSCHLOSSEN! ICH WILL KEIN GEMEINSAMES HAUS MEHR MIT DIR! ICH WILL AUCH KEIN WEITERES KIND VON DIR!!! ICH HASSE DICH!!! NICHTS, ABER AUCH GAR NICHTS WILL ICH NOCH VON DIR! HAU AB!!!“ Wutentbrannt stiefelte sie mit Hailey zusammen in Rachel's Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu. Sie hatte Recht... Und Kyle? Der hatte niemanden mehr. Er ließ Maya unbeachtet bei mir und kehrte uns den Rücken zu. Wahrscheinlich würde er die Nacht in der Kneipe verbringen. „Alles wird gut, meine Kleine. Es ist sehr viel passiert, deine Eltern sind durcheinander. Morgen wird alles besser aussehen. Okay?“, sprach ich meiner kleinen Nichte leise ins Ohr. Endlich beruhigte sie sich etwas und folgte auch den Anderen ins Haus. Zurück blieben Rick, die Zwillinge und ich. Wir beschlossen etwas spazieren zu gehen und den Zwillingen das Desaster von Heute etwas leichter zu machen. Sie erzählten uns, wie die Gruppe es geschafft hat, mit den Dämonen fertig zu werden. Sie hatten es einfacher als wir. Die Kinder halfen sogar mit. Es war ein langer Spaziergang von fast zwei Stunden in denen Rick und ich unsre Blicke umherschweifen ließen. Die Gefahr von neuen Dämonen bedroht zu werden war unheimlich hoch. Zurück zu Marisha's Haus konnten wir nicht. Das war von der Polizei abgesperrt. Auch auf den riesigen Bildschirmen, die überall in der Stadt verteilt hingen, wurde das Drama in den Nachrichten verkündet. Jill und Clyde nahmen es relativ locker – die waren immer für ein Abenteuer zu haben und fürchteten sich kaum. „Wir sollten so schnell es geht nach Hause abreisen“, sagte ich leise zu Rick, als wir fast wieder zurück waren. Bei Rachel und Yosh bleiben konnten wir nicht. Deren kleines Haus war viel zu klein für uns alle. „Ja, das sollten wir. Ich kümmere mich gleich morgen früh um einen Rückflug“, antwortete Rick mit einem lauten Seufzen. Den Kindern gefiel es überhaupt nicht, dass wir bald gegen müssten, doch auch sie sahen ein, dass es keinen anderen Weg zu dieser Zeit gäbe. Kaum die Tür reingekommen, fiel uns das Kinn weit bis in den Keller. Auf dem Sofa saßen Marisha und Kyle, die miteinander am Kuscheln waren und sich liebevoll küssten. Ich war enttäuscht... Marisha hatte sich wohl doch wieder bequatschen lassen. Es war einfach nicht in Worte zu fassen. Sowohl Rick, als auch ich zogen die Augenbrauen hoch, kümmerten uns aber erstmal nicht mehr darum... ~ Kapitel 13 ~ In unserer Kindheit ~ Ende ~ Fortsetzung folgt ~ Oh je, an diesem Kapitel hatte ich gut zu Knabbern. Ich war der Meinung, dass hier zu wenig Kampfszenen vorkommen. Und so habe ich das halbe Kapitel ausführlicher geschrieben und dem ein ganz neues Ende verpasst. Manchmal ist es echt schwierig die Emotionen richtig rüber zu bringen :/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)