Die Sinne eines Jägers von abgemeldet (Wer hat Angst vorm Haifischmann?) ================================================================================ Kapitel 75: Nach Hause ---------------------- Kisame musste sie jetzt einfach küssen; jetzt sofort; nichts wollte er mehr, in diesem Moment! In letzter Sekunde verbot er es sich jedoch, diesem überwältigend Bedürfnis nachzugeben, knurrte wütend, und schnappte nach ihrem Hals. Tilya zuckte erschrocken zusammen. „Lass solche Späßchen in Zukunft bleiben! Man veralbert seinen Meister nicht so unverschämt, ist das klar?“ Noch einmal ließ er seine Kiefer, diesmal dicht vor ihrem Gesicht, zuschnappen. Tilya musterte ihn irritiert, und legte ihm dann mahnend ihren Zeigefinger auf die geschürzten, blauen Lippen. „Hören Sie bitte auf damit, Sempai, sonst bekomme ich noch Alpträume! Außerdem habe ich Sie gar nicht veralbert. Ich habe nämlich wirklich eine große Schwäche für ihre blaue Haihaut. So etwas Wundervolles habe ich noch nie zuvor gesehen, geschweige denn jemals angefasst. Deshalb will ich sie auch immerzu berühren. Das müsste Ihnen doch inzwischen auch schon langsam mal aufgefallen sein, oder?“ „Was? Dass dir angeblich meine Haut gefällt, oder dass du alles immer angrabschen musst, was dir vor die Linsen kommt?“ „Ähm…beides. Aber… ich fasse doch gar nicht ALLES an!“ „Ach, nein?“ „Nein! Bestimmt nicht! Ich berühre lediglich gerne das, was ich wirklich wunderschön und unglaublich faszinierend finde. Na, ja… Ist wohl so ein dämlicher Tick von mir…“ Die Alverliekin fuhr gedankenverloren mit ihrem Finger die Konturen von Kisames Oberlippe nach. Es kitzelte, und der Haifischmann zog den Mund kraus. Tilya errötete plötzlich, schluckte schwer, und wedelte auf einmal unvermittelt mit dem Strauß Rosmarin vor Kisames Zinken herum. „Hier! Schnuppern Sie mal! Köstlich, nicht? Es geht doch nichts über frisch gepflückte Kräuter, oder?“ Kisame rümpfte die Nase, als das penetrante Aroma des ätherischen Öls der Pflanze sein Riechzentrum erreichte, und den unvergleichlichen, betörenden Duft von Tilyas Federhaar überdeckte. „Ich habe mir gedacht, dass ich den Rosmarin zerreibe, ihn in Olivenöl ziehen lasse, und dann den aufgetauten Seehecht damit mariniere.“ quasselte Tilya hektisch drauf los, während Kisame sich in den türkisfarbenen Opalen ihrer großen Augen verlor. Der Nuke-nin ertappte sich bei dem Gedanken, wie es wohl wäre, ein ganz normales Leben mit ihr zu führen, weit weg von Akatsuki, an einem fernen Ort, an dem er nicht als berüchtigter Schwerverbrecher gesucht wurde. Er sah vor seinem geistigen Auge eine Tilya mit einer niedlichen Schütze in einer ärmlichen, aber gemütlichen Küche herumfuhrwerken; er sah, wie sie ihm glücklich um den Hals fiel, wenn er nach einem langen, harten Tag erschöpft, aber stolz vom Fischen nach Hause kam; wie sie ihn leidenschaftlich küsste, obwohl er bestialisch nach Seetang und Innereien stank. Das Erschreckende daran war, dass er diese Vorstellung unglaublich verlockend fand. Eigentlich wäre es ihm vollkommen egal, in welchen Verhältnissen er sein Leben fristen musste, solange seine Alverliekin nur bei ihm blieb. Bei ihr fühlte er sich irgendwie… angekommen. Zu Hause. Er hatte sich doch nicht etwa in diese seltsame, junge Frau verliebt, oder? Nein, unmöglich! So gut musste er seine Gefühle doch noch unter Kontrolle haben, dass ihm SO etwas Lächerliches nicht passieren konnte! Sein Leben lang hatte er es sich erfolgreich untersagt, eine engere Beziehung zu einem anderen Menschen aufzubauen, er hatte keine Nähe zugelassen, die über ein kühles, kameradschaftliches Verhältnis hinausging. Er brauchte niemanden, er war schließlich über Jahre seinen eigenen, einsamen Weg gegangen! Es war ihm mehr oder weniger egal gewesen, dass er vom Rest der Welt gehasst, gefürchtet, und verachtet wurde. Nur die Ziellosigkeit, mit der er durch die Weltgeschichte gestreunt war, hatte an ihm genagt. Von dieser quälenden Sinnfreiheit seiner eigenen Existenz hatte ihn irgendwann Akatsuki erlöst. Madara hatte ihm eine Welt versprochen, in der es keine Lügen, Heucheleien und Intrigen gab. Eine ehrliche, durchschaubare, einfache Welt, in der er sich zuhause fühlen konnte. Er musste nur noch zielstrebig für eben diese Welt kämpfen,- und dazu war er bisher gerne bereit gewesen. Kompromisslos! Seit Akatsuki war ihm endlich klar, wo sein Platz im Gefüge war. Bis jetzt… Nun musste ihm ja dieses merkwürdige Mädchen über den Weg laufen, und sein gesamtes Weltbild ins Wanken bringen. Aber nur, weil sein ganzes Denken sich plötzlich nur noch um sie drehte, und weil sie ihm mehr bedeutete, als irgendetwas sonst, hieß das noch lange nicht, dass er sie liebte! Obwohl… Wie konnte er das denn überhaupt so genau wissen? Hatte er denn eine Ahnung davon, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein? Wie hätte er einen Vergleich ziehen können, zu dem, was er gerade für Tilya empfand, um sich sicher zu sein, dass es sich bei diesem seltsamen Gefühl nicht um Liebe handelte? Ihm fiel auf, dass er immer noch ihre Hand hielt, und keineswegs den Wunsch verspürte, sie loszulassen… „… aber ich weiß nicht, ob ich das Salz vor oder nach dem Dünsten zugeben soll. Was sagen Sie dazu?“ „Mir egal, mach was du für richtig hältst.“ „Okay. Dann salze ich ihn eben zum Schluss. Oder?“ „Tilya, wie konnte eigentlich jemand, der sich bei allem, was er tut, so unsicher ist, wie du es bist, sich so klar und eindeutig dafür entscheiden, wie er den Rest seines gesamten Lebens verbringen will? Warum glaubtest du, plötzlich genau zu wissen, dass du ab jetzt für immer an meiner Seite bleiben willst?“ Die Kleine seufzte. „Tja… Gute Frage. Nun ja… ich bin eine Alverliekin ohne Malar, ohne Totemtier, ohne kontrollierbares Talent, ohne Chancen, Nachkommen zu zeugen, um unsere langsam, aber sicher aussterbende Population zu erhalten… Mir war von jeher klar, dass ich niemals ein vollwertiger Teil meines Volkes werden kann. Viele meinten, mich würde nichts mehr von einem Menschen unterscheiden. Aber das stimmt nicht.“ „Ach, nee… Erzähle mir etwas, das ich noch nicht weiß, Schätzchen…“ „Na, ja. Dass ich noch viel weniger in das Volk der Menschen passe, als in mein eigenes, habe ich deshalb natürlich auch von vorne herein geahnt. Aber als Sie mich neulich einfach wegschicken wollten, da habe ich plötzlich ganz genau gewusst, dass ich zu Ihnen gehöre. Nur zu Ihnen.“ „Hah! Wenn ich´s nicht besser wüsste, könnte ich jetzt glatt annehmen, dich hätten Amors Pfeile getroffen…?“ höhnte Kisame scheinbar lapidar, doch achtete bei diesen Worten akribisch genau auf Tilyas Mimik. Aber die grinste ihn nur schelmisch an, als hätte er einen mäßig amüsanten Witz gerissen, und zuckte lässig mit den Schultern. Ihre Wangen jedoch zierten plötzlich hektische rote Flecken… Kisames Herzschlag galoppierte dahin, wie ein wildgewordener Mustang. „Warst du denn schon einmal verliebt?“ platzte es aus ihm heraus, und er hätte sich dafür am liebsten selbst eine aufs Maul gehauen. Was riet ihm Itachi denn immer, und immer wieder? Erst denken! Dann Reden! Oder wahlweise auch: erst denken, dann Zerfetzen. Was auch immer er tat – er sollte eben vorher gefälligst seine kleinen, grauen Zellen aktivieren! Er wollte schließlich von Tilya nichts weiter als spaßigen Zeitvertreib, ständigen Komfort und etwas Sex. Und sonst nichts! Zumindest sollte es für alle Beteiligten weiterhin danach aussehen! Ansonsten war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er Deidaras Rolle als Lusche des Hauptquartiers übernehmen konnte, und ihm selbst die Kleine auf der Nase herumtanzte, wie es ihr gefiel! Aber Tilya schüttelte nur unbekümmert den Kopf, und dachte sich scheinbar nichts weiter bei dieser potentiell verräterischen Frage. „Nö. Nicht so wirklich. Ich habe als kleines Mädchen mal für Vilthon geschwärmt, aber das zählt nicht… Nein, ich habe mich noch nie zuvor in jemanden verliebt. Und Sie?“ „Das geht dich überhaupt nichts an!“ bellte Kisame angespannt. Beleidigt zog Tilya ihre Hand aus seiner zurück. „Sehr charmant!“ fauchte sie eingeschnappt. „Mich löchern Sie hier mit unzähligen, ziemlich privaten Fragen, und ich beantworte sie Ihnen auch noch alle wahrheitsgemäß; aber wenn ich einmal etwas Persönlicheres über Sie in Erfahrung bringen möchte, dann kriegen Sie ihre Zähne nicht auseinander, und maulen mich stattdessen nur böse an! Ganz schön unfair, finden Sie nicht?“ „So ist das Leben eben.“ knurrte der Kiri-nin verdrossen. Er konnte sich in diesem Augenblick selbst nicht ausstehen. Kisame hasste es, sein Dasein in einer Scheinwelt zu fristen. Und er selbst spielte Tilya momentan sogar zweierlei Scharaden vor. Zum einen verleugnete er so gut es ging, diese undefinierbaren, verwirrenden Gefühle, die er für sie hegte. Und zum anderen versuchte er nach wie vor, sein wahres Ich, den brutalen, blutrünstigen Killer, vor ihr zu verbergen, insofern es eben möglich war. Die Kleine konnte einem leidtun! Ausgerechnet ihn musste sie zum Meister haben. Das hatte sie wirklich nicht verdient. Kisame grummelte unwillig in sich hinein, griff ungeschickt nach Tilyas Hand, die sie ihn gerade entzogen hatte, und merkte, wie ihre Knöchel unter seinen Fingern knackten. Die Kleine ächzte verhalten. „Verzeihung…“ murmelte der Kiri-nin fahrig. „Schon gut.“ seufzte die Alverliekin bekümmert, war sich aber nicht sicher, weswegen sich ihr Sempai nun eigentlich entschuldigt hatte. Betretenes Schweigen machte sich zwischen den beiden breit. Kisame räusperte sich endlich linkisch. „Was ist, hast du Lust, dein Raiton zu trainieren?“ Tilya lupfte skeptisch die Brauen. „Mein… mein was?“ „Na, deine Fähigkeit. Die Elektrizität.“ „Ach so! Na klar!“ Tilya stopfte den Rosmarinstrauß kurzerhand zwischen Samehadas Bandagen, was Kisame mit einem drohenden Knurren quittierte. Aber Tilya strahlte übers ganze Gesicht, und auch der Nuke-nin war ziemlich erleichtert, sich selbst, und das Mädchen mit den Übungen ablenken zu können, die sie nun bis zum Eingang des Hauptquartieres durchexerzierten. Der Kiri-nin wollte Tilya beibringen, ihren Trick zu perfektionieren, den sie während des Saufgelages angewendet hatte, um Kakuzu zu überführen. Die Alverliekin sollte lernen, ihren Körper unter ständiger, konstant schwach bleibender elektrischer Spannung halten zu können. Vielleicht ließ es sich dann auch irgendwann gefahrloser zusammen schwimmen, wenn sie erst einmal mit ihrem eigenen Energiefeld die Sinneswahrnehmungen ihres Sempais im Wasser stören konnte! Leider hatte die nervöse Kleine ihre Probleme damit, den Strom gleichmäßig fließen zu lassen, und Kisame, der ihre Hand unentwegt in seiner hielt, zuckte so manches Mal unwillkürlich zusammen, wenn ihn ein unerwartet hoher Schub an knisternder Elektrizität durchfuhr. „Tilya, verdammt, jetzt reiß dich mal zusammen, und konzentriere dich!“ „Ich versuche es ja. Aber Sie machen mich nervös!“ Tatsächlich bemerkte Kisame, wie verschwitzt sich ihr Händchen inzwischen anfühlte. „Wieso das denn?“ „Na, ja, Sie gucken immer so finster rüber, wenn Sie merken, dass der Energiepegel schwankt, und das bringt mich erst recht durcheinander, und dann hab ich gar nichts mehr unter Kontrolle!“ „Du sollst ja auch nicht mein Gesicht studieren, du sollst dein Bewusstsein auf dein Talent fokussieren, und dich dabei von nichts anderem ablenken lassen!“ „Das fällt mir ziemlich schwer, um ganz ehrlich zu sein…“ „Merkt man!“ „Soll ich lieber die Augen schließen?“ „Ja! Nein! Der Weg vor uns ist von Wurzeln durchwachsen, ich kenne dich inzwischen gut genug, habe keine Pflaster bei, und auch keine Lust, deine aufgeschlagenen Knie mit Samehadas Bandagen zu verbinden.“ „Aber Sie halten doch meine Hand, Sempai. Schauen Sie sich an!“ Tilya blickte schüchtern an Kisames hochgewachsener, kräftiger Gestalt auf. „Ich bin sicher, dass Sie mich auffangen können, wenn ich stolpere.“ „Natürlich kann ich das. Aber glaubst du, dass ich es auch tun werde?“ Die Alverliekin lächelte, und schloss vertrauensvoll die Augen. „Ja!“ „Einbildung ist auch eine Bildung…“ schnarrte Kisame, aber verstärkte seinen Griff um ihre Hand vorsichtshalber. Trotzdem ließ der Erfolg auf sich warten. Kisame spornte Tilya an, ihr ein einfaches Wasserjutsu vorzuführen, wenn sie es schaffte, eine Minute lang eine gleichmäßige Spannung aufrechtzuerhalten. Nach dem vierten Versuch gelang es der kleinen Alverliekin endlich, und zur Belohnung durfte sie ihren Sempai dabei bewundern, wie er Suiton beschwor, Wasser spie, und dieses in Form eines mannsgroßen Haifisches über ihren Köpfen herum sausen ließ. Die Alverliekin klatschte begeistert in die Hände, und ihre leuchtenden Augen entschädigten Kisame für jeden einzelnen der unbeabsichtigten Stromstöße, die sie eben noch durch seinen Körper gejagt hatte. „Wahnsinn! Sie sind der Größte, Sempai! Einfach genial! Wie kriegen Sie das nur so hin? Ich kenne keinen einzigen Alwen, der das Wasser so präzise seinem Willen unterordnen könnte, wie Sie! Hach, ich wünschte, ich hätte nur einen winzigen Bruchteil Ihres Talentes in meinen Händen...“ „Jetzt hör aber mal auf, mir Honig um´s Maul zu schmieren… Oder willst du vielleicht irgendetwas Bestimmtes von mir?“ „Nein… Ich bin einfach nur stolz darauf, dass Sie immer noch mein Sempai sind.“ Selig lächelnd hakte sich Tilya bei ihrem Meister unter. „Heute war wirklich - bis auf einige Ausnahmen - ein wunderschöner Tag… Ich wünschte, Sie würden öfter Zeit dafür finden, solch schöne Stunden gemeinsam mit mir zu verbringen.“ Kisame schluckte. Sein Herz schlug so kräftig und so laut, dass er meinte, Tilya müsste es mit ihren spitzen Alwenohren hören können. Auch er hatte den Nachmittag allein mit ihr genossen. Fast stimmte es ihn missmutig, dass sie nun zurückkehren mussten, ins düstere, chaotische Hauptquartier mitsamt dem verstimmten Leader, dem teilzeit-nervtötenden, neugierigen Madara, dem melancholischen Itachi, dem geldgeilen, schlecht gelaunten Kakuzu, dem bombenlegenden Blondie, und vor allem mitsamt Hidan, dem er am liebsten den frisch angenähten Kopf wieder abreißen würde! Die Zeit war wie im Flug vergangen, und schon hatte das ungleiche Paar die Behausung der Akatsuki erreicht. Kisame führte das erforderliche Jutsu durch, und der Eingang zum Hauptquartier eröffnete sich den beiden. Auch Tilya schien kein gesteigertes Bedürfnis zu verspüren, die Behausung der Nuke-Nin zu betreten. Sie seufzte schwermütig. „Nun, gut. Hinein, in die Höhle der Löwen…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)