Wolfsspuren von dadgrin (Im Abschied ist die Geburt der Erinnerung - Salvadore Dali) ================================================================================ Wolfsspuren ----------- Langsam rollte ich mich auf die Seite in der Hoffnung neben mir deinen warmen Körper vorzufinden, aber da war niemand. Müde blinzelte ich und rollte mich auf den Rücken zurück, während ich mir den Schlaf aus den Augen rieb und mir eine Hand vor den Mund hielt und ausgiebig gähnte. Ein leises Lächeln schlich sich auf meine Lippen, während ich meine Augen wieder schloss und dein Bild vor meinem inneren Auge entstehen ließ. Das Lächeln wurde noch etwas breiter als ich an die gestrige Nacht dachte und ich öffnete die Augen wieder, um mich aufzusetzen und nach dir umzuschauen. Ich wollte dich wieder zu mir holen und dich in meine Arme nehmen, dich dazu bringen dich wieder zu mir zu legen. Noch ein paar Augenblicke unsere Zweisamkeit genießen, bis ich wieder vergessen musste. Bis wir wieder vergessen mussten, damit wir am Leben blieben. Den Moment in dem ich mir wünschen würde nur ein einfacher junger Mann zu sein noch hinauszögern, aber ich fand dich nicht. Ich blickte umher, aber alles was ich fand, war deine Kleidung dort wo sie Gestern gelandet war. Zusammen mit meiner über den Boden der Höhle verstreut. Sie lag am Rand eines Berges und wir hatten unsere Ruhe, wann immer wir dort hin gingen. Konnten wir selbst sein und mussten unsere Gefühle nicht verstecken. Langsam stand ich auf und zog mich an, während ich umher ging um zu schauen wo du bliebst. Aber ziemlich schnell musste ich feststellen, dass ich dich nirgends finden konnte. Mittlerweile hatte ich ein ungutes Gefühl bekommen. Hier ist doch etwas nicht richtig, dachte ich als ich zum Eingang der Höhle ging. Es war sehr früher Morgen, die Sonne war noch nicht ein Mal aufgegangen und du warst schon fort. Ich dachte du würdest mich nicht allein lassen. Als ich deine Fußspuren am Eingang fand war ich erst glücklich und folgte ihnen, während ich mein Schwert umband. Über Nacht musste es geschneit haben, denn der Neuschnee glitzerte sanft im fahlen Licht des Morgens. Der Mond schien noch, auch wenn sicherlich bald die Sonne aufgehen musste. Nach ein paar Metern sah ich das sie in Richtung Wald führten, der in der Ferne eine unscharfe Silhouette bildete. Nachdenklich kniete ich mich in den Schnee und fuhr behutsam über einen der schmalen vom sanften langsam am Horizont erscheinenden Morgenrot erhellten Fußabdrücke. Die Abdrücke waren vielleicht einige Stunden alt. Aber das hieße ja, du wärst mitten in der Nacht losgegangen. Bei der Kälte? Verwirrt stand ich wieder auf und ging weiter mit einem starken mulmigen Gefühl im Bauch. Hier stimmte etwas nicht, aber ich konnte nicht genau sagen was. Stattdessen hatte ich einen unangenehmen Geschmack im Mund und der war definitiv nicht normal. Schon aus dieser Entfernung konnte ich es sehen, dass etwas die Spur undeutlich werden ließ. Aber ich redete mir ein, dass die Sonne die Spur schon ein wenig geschmolzen und damit verwischt hatte. Dennoch wusste ich schon das es nicht stimmen konnte, denn dann hätte der Abdruck von eben auch schon verwischt sein müssen. Außerdem schien die Sonne noch nicht, sie ging gerade erst langsam auf. Und erst als ich die Tatzenabdrücke sah, konnte oder wollte ich den Gedanken zulassen. Ein Wolf hatte deine Witterung aufgenommen. Die Fährte überdeckte deine schmalen Fußabdrücke fast und ich merkte wie sich alles in mir zusammenzog. Das konnte doch nicht sein! Mein Kopf setzte aus und auch wenn ich wusste das ich rannte als ob meine Leben davon abhinge, kam es gar nicht wirklich in meinem Bewusstsein an. Dabei war es nicht mein Leben um das ich rannte, es war deines und als ich rannte, hatte ich das Gefühl mein Herz würde aussetzen bei dem Gedanken daran. Ich wollte dich nicht verlieren. Nicht jetzt, nicht hier, nicht unter diesen Umständen, nicht so, nicht auf diese Weise. So sehr ich mich auch gegen meine Gedanken wehrte, aber ich konnte mich ihrer nicht entwehren. Es tat weh. Vor meinem inneren Auge sah ich die weißen langen scharfen Zähne gebleckt nachdem der Wolf deine Fährte gerochen hatte und knurrte. Vielleicht hatte er dich aber auch schon gesehen. Ich sah deine erschrockenen und verängstigten und seine wilden hungrigen Augen, während er langsam auf dich zukam, der Geifer aus seinem Maul tropfend. Kalter Wind blies hinter mir. Ich musste schneller sein und dich erreichen bevor es der Wolf tat. Aber das konnte ich nur, wenn ich es schaffte dich einzuholen, bevor deine Spuren geschmolzen waren und hier auf dem Flachland war so etwas schnell geschehen. Es war kein durchgehendes Flachland, wegen der Nahen Berglandschaft war es zum Teil felsig, aber dennoch... Hastig lief ich weiter, in der Hoffnung der Wind würde drehen, als mir ein erneut Windstoß gegen Hinterkopf und Rücken schlug. Eine Angst die mir langsam die Kehle zuschnürte, kroch mir Stück für Stück den Rücken hinauf. Ich wollte nicht daran denken, aber dennoch drängte sich mir ein bestimmter Gedanke immer wieder auf. Dennoch... so gut es mir gelang verbannt ich ihn wieder aus meinem Kopf. Ich wollte das nicht denken. Ich konnte das nicht denken. Stattdessen konzentrierte ich mich aufs Rennen, während ich mit gesengtem Blick um nicht von deine Spuren abzukommen vorwärts stolperte. Wie lange ich schon rannte, wusste ich gar nicht aber mittlerweile merkte ich wie sich meine Kräfte den Ende zuneigte. Keuchend hastete ich weiter und hob ab und zu den Blick in der Hoffnung dich irgendwo zu erspähen. Die Sonne war schon aufgegangen und würde bald hoch am Himmelszelt stehen. Immer wieder hatte ich meinen Wunsch in Gedanken wiederholt. Der Wind sollte sich drehen, aber ein erneuter Windstoß der meine Haare zerzauste und mich zittern ließ, zeigte mir das es nicht so war. Wo bist du nur?, dachte ich verzweifelt und hörte wie Wasser zur Seite spritzte als ich in deine Fußabdrücke trat in denen es sich mit erschreckender Geschwindigkeit seit geraumer Zeit sammelte. Die Sonne begann deine Spuren zu verwischen. Mir kam es wie ein endlos rennen gegen einen Unsichtbaren Feind vor. In meinem Geist war immer noch Bild des hungrigen Wolfes der dich verfolgte und in meinem Nacken saß immer noch der Gedanke, den ich mir nicht erlaubte zu denken. Am Ende aber, als ich schon dachte ich musste zusammenbrechen, wurde ich eines besseren belehrt. Ich hätte ihn denken sollen, denn nun übermannte er mich voller Wucht. Zu spät! Ich bin zu spät... Die Worte hallten in meinem Kopf wieder, während ich mein Schwert zog und wütend auf das Tier losging. Gefletschte Zähne. Blut. Heulen. Knurren. Ein Schrei. Der des Tieres oder meiner? Ich wusste nur das es tot war. Gut so, dachte ich benommen und stolperte zu dir. Warst du tot? Oder noch am leben? Nein, deine Brust hob und senkte sich nicht mehr. Dein Körper war übersäht mit Wunden und Blut. Ich hätte gern geglaubt das es nur Wein war, was den Schnee so rot färbte... Ich hatte dir so oft beim schlafen zugesehen. Still und heimlich, ganz allein. Ich wollte weinen, aber ich konnte es nicht. Meine Kehle war abgeschnürt und meine Atmung zittrig. Mir war kalt und ich zitterte, aber ich konnte mich nicht rühren. Vielleicht wollte ich es auch nicht. Der Gedanke mit dir in meinen Armen zu sterben, machte mir keine Angst. Auch wenn dein Körper tot und kalt war. Schweigend strich ich durch dein rabenschwarzes Haar und hauchte einen letzten Kuss auf deine eiskalten Lippen. Vielleicht der ehrlichste den ich dir je gab... Langsam hob ich den Blick und sah nach oben zum Himmel, die Sonne stand schon sehr hoch und der kühle Wind ließ mich noch ein bisschen stärker zittern. Mir kamen so viel Gedanken von Dingen die ich hätte sagen und tun sollen, Dingen die ich hatte sagen und tun wollen, Dingen die ich gesagt und getan hatte und Dingen die unausgesprochen und ungeschehen geblieben waren. Aber sie wurden alle nichtig dem Gedanken über das dein Tod unfair und ungerecht war, noch unfairer und ungerechter als er durch die Hand meines Vaters hätte sein können. Denn dann hätte ich wenigstens eine Chance gehabt dich zu retten. Hier aber war sie mir verwehrt geblieben. Mit jeden Schlag meines Herzens bohrt sich ein weiteres kleines Schwert hinein und mein Magen zog sich noch ein Stückchen weiter zusammen. Ich hatte Angst. Angst vor einem Leben ohne dich. Angst feststellen zu müssen wie leer es auf ein Mal ohne dich sein würde... Angst. Und ich wünschte du wärst hier, um mir zu sagen wie ich damit umgehen soll, weil ich es nicht kann. Merlin... sag mir was ich tun soll! Meine Hand zitterte als ich deine Augen schloss. „Sag mir was ich tun soll...“, flüsterte ich mit von ungeweinten Tränen erstickter Stimme. Während ich geistesabwesend durch deine Haare strich und alles um mich herum klein und unwichtig wurde. Es war nichts zu hören außer den Geräuschen des Waldes der sich in einigen Meter hinter uns erstreckte. Falls ich hier draußen umkommen würde... zur Abwechslung würde es mich nicht stören, denn dann wäre ich wenigstens bei dir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)