彼は殿下、彼は輔佐。 von Schneizel (He is the prince, he is the servant.) ================================================================================ Kapitel 3: Nicht mit dir, nicht ohne dich ----------------------------------------- Kannon schrie in sein Kissen. Viel zu schamhaft wäre es, wenn jemand ihn hören würde, also presste er das Gesicht fest in die weichen Daunen, tauchte ein in den teuren Bezug und brüllte sein Elend erstickt in die Nacht. Es war einfach nicht gerecht, er hasste es, hasste Tage wie diesen. An sich war alles wie gewöhnlich, er hatte eine Konferenz vor Ort und eine per Video abgehalten, ein knappes Interview für die gehobene Presse gegeben und danach Berichte über das aktuelle Projekt von Kamelot überprüft. Galahad, ein Knightmare-Prototyp, durchlief die ersten Tests, und Kannon hatte zufrieden festgestellt, dass Lloyd Asplund und seine Crew hervorragende Dienste geleistet hatten. Die Kampfmaschine hatte das Potential, einem Knight of Rounds übergeben zu werden, sobald die Zielerfassung ruckelfrei lief. Dennoch lag Kannon nun in seinem Himmelbett, viel zu groß für einen einzelnen Mensch, sogar für zwei noch riesig, und krallte die Finger in die Laken, bis seine Knöchel hervortraten. Vermutlich war es niemandem aufgefallen außer ihm, wie immer. Wie sollte es auch jemand bemerken, der nicht darauf achtete? Kannon jedoch hatte den schweren Duft von Orchideen an seinem Assistenten wahrgenommen, versteckt unter seinem eigenen Parfum, und doch da, eine Spur, ein Überbleibsel. Wahrscheinlich hatte Schneizel die Frau, der jener Duft gehörte, bereits vergessen, doch das änderte nichts daran, dass sie existiert hatte, für eine Nacht, und genauso wenig daran, dass Kannon sie ebenso hasste wie den Grafen selbst. Er hasste es, wenn Schneizel die Nacht mit jemandem verbrachte. Natürlich war es das gute Recht des jungen Mannes, schließlich war er ledig, und noch dazu vermögend, klug, gutaussehend, charmant... Kannon ballte die Hand zur Faust und schlug gegen das reich verzierte Kopfende seines Bettes. Schon wieder diese Gedanken. Schwärmereien, die Tagträume eines Kindskopfes. Er war ein Prinz Britannias, ein erwachsener Mann, kein Teenager. Und doch, wilde Eifersucht brannte in seiner Brust, und er schämte sich dafür. Warum war es schon wieder dieser eine Mann? Warum war es wieder die selbe alte Leier? Schon damals war es vollends sinnlos gewesen, eine naive Gefühlsduselei, doch Kannon war sicher gewesen, aus seinen Fehlern zu lernen. Es schien so unmöglich, sich noch einmal auf solch naive Weise zu verlieben. Und doch, sein Herz schlug schneller, wenn er an Schneizel dachte. Es schmerzte, wenn ihm klar war, dass seine Gefühle zur Einseitigkeit verdammt waren. Schon damals, als sie Schulfreunde gewesen waren, hatte Schneizel nicht mehr als Begierde für ihn empfunden, und Kannon wusste zu gut, dass der Graf seine Partner zwar penibel auswählte, es jedoch bei einer Nacht beließ. An einer dauerhaften Beziehung hegte er keinerlei Interesse, also hielt er die Dinge so temporär, wie nur irgend möglich – eine Nacht, mehr nicht. Auch Kannon hatte sie gehabt, diese eine Nacht. Doch seither waren lange Jahre vergangen, Jahre, in denen er auf Schneizel hatte verzichten können. Doch diese kühlen Augen hatten ihn einmal mehr gefangen genommen. Und dieses Mal konnte Kannon ihn nicht abstreifen. Also drückte er das Gesicht noch etwas tiefer ins Kissen und schrie sich die Seele aus dem Leib vor Kummer und Eifersucht. Wenn es eines gab, woran Schneizel nicht interessiert war, dann waren es Beziehungen. Er war ein klassischer Karrieremensch, verheiratet mit seinem Job. Zeit für einen festen Partner könnte er zwar erübrigen, doch er sah keinerlei Anlass. Bei den Fremden, mit denen er sein Bett teilte, war er zwar wählerisch, doch es blieb stets bei dieser einen Nacht, vollkommen stressfrei. Schneizel wollte nicht mehr als eine Nacht. Ihm genügte diese flüchtige Zweckgemeinschaft. Sollte er je nach Zuneigung hungern... so hätte er Kannon. Doch Schneizel wollte es nicht. Er wollte keine Nähe, keine weitergehende Sympathie; keine Liebe. Wozu? Solche Gefühle vertrugen sich nicht mit einem rationalen Verstand. Sie verwirrten höchstens, verfälschten die Wahrnehmung und modifizierten Verhaltensmuster. Doch genau der Schneizel, der mehr dachte als fühlte, war der Mensch, der Erfolg versprach. Er hatte Prinz Kannon zu mehr Macht verschafft, als dieser zu träumen je gewagt hätte, doch Schneizel wollte mehr. Sein Ziel war der Thron, und er griff mit Kannons Händen danach. Der Prinz machte es ihm so leicht... Dennoch, seine Blicke bereiteten Schneizel Sorgen. Ihm war nicht entgangen, welche Veränderungen Kannons Gemütszustand durchgemacht hatte, und er war nicht sicher, wie er damit umgehen sollte. Schon einmal war Kannon in ihn verliebt gewesen, doch der simple Faktor Zeit hatte damals für ihn gearbeitet und alles beendet, bevor sich die Dinge verkomplizierten. Jetzt jedoch riskierte er mit jedem Lächeln alles, was er erreicht hatte. Nur ein falscher Schritt, und er verlor Kannon, denn der Prinz handelte ohnehin emotional, doch ihm gegenüber beinahe unzurechnungsfähig, unkontrolliert. Schneizel hatte ihn auf den richtigen Weg gen Macht geschubst, und sorgte dafür, dass Kannon nicht davon abkam. Der Prinz war sein Werk, und die wichtigste Figur in Schneizels Schachspiel. Doch eben deshalb musste Schneizel ihn mit Samthandschuhen anfassen; ein einziger Fehltritt würde seine Pläne gefährden und die Zukunft beider Männer verbauen. Eine ganze Mauer, selbst, wenn sie nur aus einem Stein bestand. Kannon war ein sehr sensibler Mensch, leicht zu verletzen. Geschickt baute er Mauern um sich herum und ließ seine Mitmenschen auf Distanz; wirksame Schutzmechanismen, wie eine geschlossene Tür, zu der es keinen Schlüssel gab außer dem, den der Prinz selbst besaß. Doch eben diese Tür stand Schneizel immer wieder offen, und er wusste, dass dies ein Fehler war. Er würde Kannon zerstören, unbeabsichtigt, aber unaufhaltbar. Schneizel war nicht geschaffen für das, was Kannon sich wünschte. Ein prädestinierter Herzensbrecher, aber Schneizel für seinen Teil kam bestens damit klar. Für gewöhnlich achtete eher darauf, seinen Partnern kein zweites mal zu begegnen; die meisten waren aus dem gleichen Holz geschnitzt wie er. Die wenigen Beziehungen, die er geführt hatten, waren nicht wirklich nennenswert. Keine davon hatte länger als drei Monate gedauert, nichts war wirklich öffentlich gewesen. Es schien, als könne keine Frau den Grafen dauerhaft an sich binden, und ebenso kein Mann. Doch Kannon hatte ihn gefesselt, mit seinem Stand, dem Versprechen auf Macht; vielleicht auch mit diesen großen, blauen Augen und dem sanften Lächeln. Vielleicht. Von vagen Spekulationen hielt Schneizel nicht viel. Er konnte nicht leugnen, dass Kannon nach wie vor mit einer Schönheit gesegnet war, die fast an Unverschämtheit grenzte. Jedoch war er auf außergewöhnliche Art hübsch, darum schätzten nur die wenigsten sein Äußeres so, wie Schneizel es tat. Doch das änderte nichts daran, dass er auf faszinierende Art gut aussah. Einzigartig. Es gab diesen Mann nicht zweimal, und Schneizel war nicht sicher, ob er ihn besitzen oder einfach nur anschauen wollte. Letzteres tat er seit Jahren, und er war durchaus zufrieden damit, doch manchmal, nur manchmal hörte sich der Gedanke, Kannons Affektion für ihn auszunutzen, auf schandhafteste Weise, verboten gut an. Verdammt, dieser Mann war hübsch. Und Schneizel wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, ihn zu zerbrechen. Zu zerstören, innerlich, mit einer Nacht, einer Umarmung, mit einem einzigen Blick, für den Kannon sterben würde. Er wusste, dass es ein Spiel mit dem Feuer war, doch gerade das machte es interessant. Bisher hatte Schneizel jedes Spiel gewonnen. Seit einer halben Stunde starrte Kannon das Paket an. Der Karton war in Seidenpapier eingeschlagen und umschlungen von einer stilvollen Schleife aus goldenem Brokat. Auf der Oberseite hatte der Hersteller dezent sein Etikett angebracht. Es war spät, Kannon sollte eigentlich schon lange schlafen. Morgen hatte er ausnahmsweise keine Termine, doch er könnte eine ruhige Nacht wirklich gebrauchen. Die vergangenen Tage waren turbulent gewesen, denn die Vorbereitungen für ein Großereignis brachten stets Chaos mit sich. Und der Geburtstag von Charles zi Britannia, Herrscher eines Weltreiches und Kannons Vater, war eindeutig ein Großereignis. Kannon fühlte sich elendig müde von Bankett, Reden und Ball. Der ganze Tag hatte im Zeichen eines Mannes gestehen, den Kannon lieben sollte, stattdessen jedoch verachtete. Für seinen Vater hatte der Prinz nicht sonderlich viel übrig, schließlich hatte er ihn nie als einen Verwandten kennengelernt, nie fürsorglich, nie liebevoll. Wenn er ehrlich war, fürchtete Kannon ihn. Er fürchtete den Zorn des mächtigsten Mannes seiner Welt, denn jener Zorn würde ihn treffen, sobald Charles erfuhr, was sein Sohn alles verbarg. All die kleinen Geheimnisse. All die kleinen Macken. All die kleinen Fehler. Mit klammen Fingern zog Kannon die Schleife auf. Es war nicht sein Paket, und es lag nur hier, weil es entsorgt werden sollte. Seufzend stützte Kannon den Kopf auf den Händen ab. Was tat er hier eigentlich? Er sollte das Päckchen einfach an die Dienerschaft übergeben, wie Cornelia ihn gebeten hatte, und endlich ins Bett gehen. Und dennoch blickte Kannon den Karton an, als könne er ihn dadurch öffnen. „Niemand beobachtet euch, Hoheit“, durchbrach Schneizels Stimme leise die Stille. „Das macht es auch nicht besser“, murmelte der Prinz nur. Er hasste es. Er hasste sich selbst und seine Marotten. Seine Schwäche. Was für ein Prinz war er? Man sollte ihm den Titel aberkennen, alle Rechte und Zugeständnisse, sollte ihn als Premierminister absetzen und irgendwo auf ein kleines Archipel verfrachten, wo niemand ihn fand. Dann, nur dann würde ihn wirklich niemand mehr beobachten. Niemand würde ihn mehr verurteilen. Schweigen schlich sich erneut in den Raum. Nur die Zeiger der vergoldeten Wanduhr tickten träge Richtung vier Uhr morgens. Eigentlich hätte Kannon das Paket längst loswerden können. Schon seit zwei Tagen war klar, dass Cornelia keine Verwendung für seinen Inhalt hatte. Er könnte es hier und jetzt einfach Schneizel geben, mit dieser letzten Anweisung die Überstunden-Schicht seines Assistenten beenden und verdammt nochmal schlafen gehen. Doch stattdessen gab Kannon sich geschlagen – er stand auf und hob den Deckel des Kartons an, warf ihn achtlos zur Seite. Der Stoff hatte die Farbe von Rotwein. Ein sanftes, verführerisches Bordeaux. Gefertigt aus reiner Seide, verziert mit kleinen Stickereien. Das Kleid fühlte sich leicht an in Kannons Griff. Rot wie Wein. Bestickt. So edel... Es hätte wundervoll an Cornelia ausgesehen, ganz ohne Frage. Doch kurz vor dem Ball, auf dem sei es hätte tragen sollen, hatte die Prinzessin einen exquisiten, noch unbekannten Designer gefunden, der ihr ein neues, noch schöneres genäht hatte. Ein wahrer Blickfang war sie gewesen, stolz und schön in Champagner. Nun floss die weinfarbene Seide ungetragen durch Kannons Finger. Das Kleid war teuer gewesen, jetzt jedoch wertlos. Es war für diesen einen Anlass bestimmt, und sein Schöpfer wäre beleidigt, wenn er es zu einem anderen sehen müsste. Niemand würde es je tragen. Außer dem Prinzen war nur Schneizel im Raum; er war praktisch allein. Kannon kämpfte gegen seine zitternden Finger an, doch sie wollten und wollten nicht ruhig werden. Er gab auf. So wie immer im Leben. Hastig stand er auf und verließ das Zimmer. Schneizel blieb zurück, doch Kannon kümmerte sich nicht weiter darum; er wusste, dass der Graf dort verharren würde, bis sein Prinz zurückkehrte und ihm Anweisungen erteilte. Also stürmte Kannon nach nebenan, riss sich Hemd und Hose vom Leib und hasste sich mit jeden Atemzug ein kleines bisschen mehr. Schneizel blieb ruhig zurück. Die Tür zu Kannons Schlafzimmer fiel nicht ins Schloss; einen Spalt breit stand sie noch offen, und Schneizel konnte hören, was in dem Raum vor sich ging. Still nippte er an seinem Rotwein. Er hatte sein noch halb gefülltes Glas mitgenommen, als Kannon mit ihm das Bankett verließ, und nun leerte er es langsam. Zug um Zug verschwand der Wein, welcher die Farbe von Cornelias ungetragenem Kleid teilte, hinter seinen blassen Lippen. Den Blick hielt Schneizel starr auf die Tür gerichtet. In seinem Geist tanzten Gedanken umher, angeregt durch den Alkohol. Begierde schlummerte in ihm, stets bereit, entfacht zu werden. Bereit, alles zu zerstören, was seine Hände ertasteten, ergriffen, festhielten. Bereit, alles zu opfern für einen der raren Momente, in denen er nicht mehr nachdachte, sondern einfach nur lebte, mit Geist und Seele, mit seinem Körper der gefangen war in dieser Welt voll Grausamkeit. Schneizel nahm noch einen Schluck. Er wusste, was Kannon jetzt brauchte; zwei starke Arme, die ihn hielten, eine sanfte Stimme, die ihm zuflüsterte, alles sei in Ordnung, erst recht und besonders er selbst. Doch Schneizel konnte ihm beides nicht geben, ohne ihn in die dreisteste Lüge einzuschließen, die je gesponnen wurde. Kannon hatte Ehrlichkeit verdient, doch mit der Wirklichkeit verletzte Schneizel ihn so offenkundig, dass beide Männer sie ignorierten. Schneizel wusste, dass es keine Kompromisse gab. Für Kannon ging es nicht mit ihm. Er würde zerbrechen, mit jeder Illusion, von der ihm klar wurde, dass er sich sie bloß ausdachte. Doch je länger Schneizel darüber nachdachte, desto klarer schien es ihm, dass Kannon auch ohne ihn verletzt werden würde. Der Prinz war nicht geschaffen für all die harten Worte, die er hören musste. Und wenn es Schneizel war, der seine Zerstörung einleitete, so hielt der Graf wenigstens die Scherben in seinen Händen und konnte versuchen, damit zu arbeiten. Seufzend stellte Schneizel das leere Glas auf dem Tisch ab und schritt langsam zur Tür. Sie schwang beinahe lautlos auf. Kannon stand am anderen Ende des Raumes und schaute zitternd das Bildnis an, welches der hohe Spiegel vor ihm zurückwarf. Schneizel kannte seinen Prinzen lang genug, um sich nicht zu wundern. Das Kleid passte auf die schmale Taille des Prinzen, als wäre es nie für seine Schwester gedacht gewesen, und fiel in weichen Falten bis zu seinen Knöcheln, umspielte die langen Beine, als sei es das natürlichste der Welt für sie, Röcke zu tragen. Nur über der Brust saß der Neckholder viel zu locker, da Kannon beim besten Willen nicht mit der wohlgeformten Oberweite seiner Schwester dienen konnte. Dennoch, es stand ihm durchaus. Und es wirkte nicht das kleinste bisschen falsch an seinem männlichen Körper. Kannon war nicht hübsch; er war wunderschön, wenn man ihn nur richtig betrachtete. Wie ein Edelstein, der nur im richtigen Licht zu strahlen begann. Und Schneizels Augen konnten dieses richtige Licht sehen, sie konnten sehen, wie er funkelte, wie unverschämt schön er war. Als Kannon bemerkte, dass er nicht länger allein war, da verstand Schneizel, dass sein Prinz eben dies brauchte. In Kannons Augen standen Tränen, und als die erste davon ihren Weg über die erschrocken erröteten Wangen fand, begriff Schneizel. Kannon brauchte jemanden, der diese Schönheit wahrnehmen konnte, jemanden, der ihn anerkannte. Selbst, wenn es keine Liebe war, die Schneizel ihm geben konnte, so akzeptierte er Kannon, schätzte ihn sogar, und das war mehr, als Kannon je verlangen würde. „Es sieht furchtbar an mir aus“, würgte Kannon hervor, ein klägliches Lächeln auf dem Gesicht. Schneizel blieb neben der Tür stehen, betrachtete Kannon aus der Ferne. „Nein, das tut es nicht“, stellte er ruhig fest. Kannon löste sich von seinem Spiegelbild und tapste unsicher auf Schneizel zu. Er war barfuß, und so schluckte der Teppichboden seine Schritte. „Es sieht gut an Euch aus, Hoheit“, fuhr Schneizel leise fort. „Und ich?“, murmelte Kannon, halb zu Schneizel, halb zu sich selbst, „Sehe ich gut aus?“ „Das tut Ihr“, bestätigte Schneizel. Kannon stand nun direkt vor ihm, nur noch eine Schrittlänge entfernt. Der Prinz streckte die Arme aus und schlang sie um Schneizels Nacken. Als Schneizel sich nicht widersetzte, schmiegte Kannon sich an ihn, Die Tränen trockneten, doch Schneizel ahnte, dass sie noch nicht versiegt waren. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, entschied sich dann jedoch dagegen. Es gab keine Worte, die all das ausdrücken konnten, was zwischen ihnen stand. Verbunden durch einen Wirbel aus Zuneigung, Respekt und Treue, getrennt von einer Mauer aus Rationalität, Vorsicht und Unsicherheit. Schneizel schloss die Augen, als Kannon ihn küsste. Zunächst erwiderte er die Zärtlichkeit nicht, doch dann legte er sacht die Hände auf Kannons schmale Taille. Kannon wirkte gefasster; sein Zittern hatte sich in ein wohliges Schaudern gemäßigt, und seine Finger griffen entschlossen in Schneizels helles Haar, zogen ihn noch näher, noch enger. Gerade so, als könne er die unüberwindbare Distanz zwischen ihnen leugnen, wenn er sich nur fest genug an ihn drückte. Als Schneizel sich aus dem Kuss löste, legte Kannon das Kinn auf seine Schulter. Kannons Lippen berührten fast Schneizels Ohr, als er zu flüstern begann, und unweigerlich stelltens ich dessen Nackenhaare auf. „Solange ich in deinen Augen schön bin, ist mir egal, was die Welt von mir denkt“, wisperte Kannon. „Ihr seid töricht, Hoheit“, gab Schneizel ebenso leise zurück, die Augen noch immer geschlossen. Sein Verstand suchte nach dem bestmöglichen Ausweg aus der Situation, doch Schneizels Blutkreislauf verlagerte eigenmächtig die Prioritäten. An sich war Schneizel mit intakter Selbstkontrolle ausgestattet, doch Kannon schien einen Veto parat zu haben, und schlich sich an sämtlichen Schutzmechanismen vorbei, direkt zu dem Punkt, an dem zwar kein Herz zu finden war, aber dennoch Sehnsucht. „Ich weiß“, murmelte Kannon verschmitzt, „das sind wir beide.“ Schneizel erwiderte nichts. Es gab nichts mehr zu sagen. Keine Worte, die noch irgendetwas ändern könnten. Der Graf schloss einen Arm fest um Kannons Taille, während er die andere Hand über dessen Rücken tiefer gleiten ließ. Es war töricht, doch letzten Endes waren sie beide unter all den anderen Dingen, unter Assistent und Herrschaftserbe, unter Graf und Prinz lediglich zwei Männer, die etwas aneinander band, das so nicht existieren sollte. Und es gab Momente, in denen Männer schlicht und ergreifend töricht handelten. Kannon blinzelte. Es war dunkel, nur die Nachttischlampe brannte, doch sie erschien ihm bereits blendend hell. Die Augen des Prinzen war auf Schneizels nackten Oberkörper gerichtet; sein Assistent hatte sich von ihm abgewendet. Schweigend hockte er auf der Bettkannte, das Gesicht mit den Händen abgestützt. So regungslos, wie er war, erinnerte er Kannon an eine Statue aus Marmor – blass und kalt. Vorhin jedoch war er Kannon lebendig vorgekommen, voller Energie und Leidenschaft. Nun saß er bloß da, Haut wie Stein, und würdigte ihn keines Blickes. Es tat weh. Kannon war den Schmerz nicht gewohnt, abgewiesen zu werden; er war ein Prinz. Wenn er etwas wollte, bekam er es, das war der Lauf der Dinge. Nur Schneizel, den konnte er nicht haben. Selbst, wenn es sich vor nicht einmal einer halben Stunde so angefühlt hatte. Kannon setzte sich auf und kroch näher an Schneizel heran. „Leg dich hin“, flüsterte er sacht, „es ist halb sechs.“ Schneizel schüttelte bloß den Kopf. Seufzend strich Kannon über seinen Rücken, und als er keine Antwort erhielt, wisperte er gekcnickt weiter. „Du hältst es für einen Fehler, ich weiß“, stellte er fest, und jedes Wort schmerzte in seiner Kehle, „aber...“ Aber was? Welche Gründe könnte Kannon nennen, die all das rechtfertigten? Wie könnte er es als etwas Gutes darstellen, dass er seinen Assistenten liebte, und dass er ihn verführt hatte, obwohl dieser sich mit One-Night-Stands zufrieden gab? Welche Worte könnten Schneizel dazu bringen, an seiner Seite zu bleiben? „...es ist keiner“, schloss er schließlich mit brüchiger Stimme, „es war nicht falsch.“ Sacht schlang er die Arme um Schneizels Torso. Wieso fühlte sich der Graf so warm an, wenn alles an ihm stets von Kälter ergriffen schien? Unweigerlich kuschelte Kannon sich ein Stück an ihn. Es tat gut, selbst, wenn es nicht beantwortet wurde. Es tat einfach nur gut, ihm nahe zu sein. Doch Schneizel schätzte diese Nähe nicht, er brauchte sie nicht, und deshalb sah er keinen Grund, sie Kannon zu geben. Der Prinz wusste, dass er Schneizel nicht halten konnte, egal, wie sehr er es sich auch wünschte. Schneizel löste sich aus Kannons Umarmung und stand auf. Verzweifelt griff Kannon nach seinem Handgelenk, und einmal mehr glitzerten Tränen in seinen Augen. „Bleib hier“, flehte er, doch Schneizel streifte sanft seine Hand ab. „Das wäre keine gute Idee“, flüsterte er matt. Kannon wollte es nicht hören. Er sprang ebenfalls auf, drehte Schneizels Gesicht zu sich. Reue lag in den kühlen Augen, Bedauern und ein Funken Angst. Was war es, das Schneizel fürchtete? War es Kannon? Waren es dessen Gefühle, oder vielleicht seine eigenen? „Lass mich nicht allein“, bat Kannon mit bebender Stimme. Seufzend zog Schneizel ihn an sich und vergrub das Gesicht in seinen Haaren, nur für einen Moment. Für eine kleine, schmerzhaft warme Ewigkeit. „Das werde ich nicht“, wisperte er, „ich habe einen Eid geschworen. Ich lasse Euch niemals allein, Kannon.“ Mit diesen Worten verließ Schneizel den Raum. Kannon hingegen warf sich auf sein Bett und schrie erneut in sein Kissen. Die Tage verstrichen langsam, doch endlich wurden Wochen daraus. Schneizel dachte oft an seine verhängnisvolle Nacht mit Kannon, und jedes mal ruinierte es seine Laune. Wie hatte er nur so dumm sein können, sich verführen zu lassen? Warum hatte er der Versuchung nachgegeben, die sein Prinz für ihn darstellte? Er fühlte sich, als hätte er sich von einer Schlange betören lassen durch ihr schönes Schuppenmuster, und leide nun an dem Gift, dass durch die Bisswunde in sein Blut gelangt war. Schneizels Körper stand in Flammen. Die Wochen vergingen, und mit ihnen Schneizels Partner. Er registrierte, etwas wahlloser zu werden, und er wusste auch, woran es lag, doch es war ihm egal. Ihm ging es lediglich darum, die Erinnerung an Prinz Kannon auszubleichen, damit er sich wieder ganz auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Doch er wurde die Blicke nicht los; die Blicke, die Kannon ihm zuwarf, voller Sehnsucht. Warum fühlte es sich so schrecklich an, geliebt zu werden? Der Geburtstag des Emperors und seine Folgen lagen etwas mehr als einen Monat zurück, als Schneizel sich das Wochenende frei nahm, um ein paar Tage Urlaub zu machen. Es war ungewöhnlich für ihn, doch niemand schien verwundert; Schneizel arbeitete mehr als alle anderen von Kannons Bediensteten, und somit wurde ihm die Erholung gegönnt. Schneizel fuhr in die Berge nahe von Loch Ness, wo Verwandte von ihm ein Anwesen besaßen. Es lag so abgeschieden, dass man für jegliche Besorgungen auf das Auto und längere Fahrzeiten angewiesen war, und obendrein in einem Funkloch. Für Schneizel war es perfekt. Endlich fand er Zeit und Ruhe, nachzudenken. Stundenlang hockte er allein in der Bibliothek der Villa und las Nietzsche oder Kant. Die Bibliothek gehörte zu den ältesten Räumen des Anwesens, und war zwar vor wenigen Jahren renoviert worden, doch ganz in ihrem alten Charme gehalten. Die Wände waren holzgetäfelt, der Boden mit dunklem Teppich ausgelegt, und überall standen Regale voller Bücher. Schneizel fand es besänftigend, nur von Worten umgeben zu sein, stillen, tatenlosen Worten. Vier Tage wollte er hier verbringen, und gleich am ersten Abend wusste er, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Nach dem Essen hockte er sich in eine Wandnische, ein Buch auf dem Schoß und blieb bis spät in die Nacht beschäftigt. Es fühlte sich gut an, fernab all des Chaos zu sein, das sonst seinen Alltag bestimmte. Doch am Morgen des dritten Tages wurde ihm klar, dass er nicht gerne allein war. Schneizel war kein Beziehungsmensch. Er hatte wenige, sorgsam ausgewählte Freunde. Dennoch ließ er Kontakt nie schleifen, und er mochte ein Einzelkämpfer sein, aber kein Einzelgänger. Diese Gedanken schossen durch seinen Kopf, als er die Augen aufschlug; später am Nachmittag verstand er, dass er nicht nur seine Arbeit, sondern auch seinen Prinzen vermisste. Es machte ihn etwas nervös, nicht an Kannons Seite zu sein, obwohl keine wichtigen Termine anstanden; Schneizel überließ nichts gerne dem Zufall. Und er gab zu, dass Kannon ihm etwas bedeutete. Sie waren Freunde, schon seit langen Jahren. Der Prinz hatte Schneizel die Chance gewesen, über sich selbst hinauszuwachsen. Ohne ihn wäre Schneizel nicht der Mann geworden, der er heute war. Aber lieben, lieben tat er Seine Hoheit nicht. Schneizel glaubte nicht, überhaupt zu diesem Gefühl fähig zu sein. Er vermisste Kannon; es funktionierte nicht richtig ohne ihn. Aber er wusste, dass er nie so mit ihm sein könnte, wie Kannon es sich wünschte. Kannon erwartete Schneizel in seinem Büro. Er saß am Schreibtisch, die Beine locker – und zugegebenermaßen ziemlich unmännlich - überschlagen, die Finger verschränkt; er musste sich stark beherrschen, sie nicht zu verkrampfen. Er hatte ihn vermisst, ihn so furchtbar vermisst, dass er die erste Nacht nicht hatte schlafen können. Bilder waren vor seinem inneren Augen aufgetaucht, immer wieder; was er wohl trieb, und mit wem. Weit weg bei Loch Ness, fernab von Kannon. Würde er wieder nach fremdem Parfum riechen, ertränkte er weiter die Erinnerung an Kannons Körper in diesem Gestank? Alle Farbe wich aus Kannons Gesicht, als es an der Tür klopfte. „Herein bitte“, rief er verklemmt. Es war schwer gewesen, die Ungewissheit auszuhalten. Schneizel trat ein, ein entspanntes Lächeln auf den Lippen. „Es freut mich, Euch wohlauf zu sehen, Hoheit“, begrüßte Schneizel ihn höflich, „ich hoffe, ich habe nichts von Belang verpasst?“ „Keine Sorge“, presste Kannon hervor, „die Konferenz mit Taipeh musste verschoben werden, zwei der Minister sind unpässlich.“ „Ausreden“, murmelte Schneizel nachdenklich, „sie wollen Zeit kaufen.“ „Was ihnen zweifelsohne nichts bringen wird, schließlich bist du nun wieder hier“, entgegnete Kannon, nun etwas lockerer. „Wir werden uns nicht über den Tisch ziehen lassen, das garantiere ich, Euer Hoheit“, gab Schneizel selbstsicher zurück. „Wir“, wiederholte Kannon, die Stimme bloß ein Hauch. Er schüttelte kurz den Kopf, als könne er dadurch die Gedanken verscheuchen, die sich in ihm ausbreiteten. Als Schneizel weg war, hatte Kannon einen Entschluss gefasst. Schneizel gehörte zu ihm, und er wollte ihn nicht abgeben müssen. Er wollte ihn nicht teilen. „Ich habe nachgedacht“, kündigte er daher an, als er aufstand und mit ungewohnt staksenden Schritten den Tisch umrundete. Kannon trug stets Absätze, um größer zu wirken, er konnte sogar auf Stilettos laufen, wenngleich er dies nur im Privaten tat; es wäre ein zu großes Geständnis, und zudem genügten fünf, sechs Zentimeter, um seinen Kopf etwas höher zu recken. Bei allen Makeln, die er an sich fand, konnte Kannon ohnehin nicht meckern, klein zu sein; er war nicht schlaksig, aber gewissermaßen lang. Schneizel überragte ihn dennoch um mehr als einen halben Kopf. Kannon mochte es. „Über... 'uns'“, fuhr er fort, suchte nach einem besseren Begriff, fand jedoch keinen. Schneizel atmete hörbar aus, sagte jedoch nichts, also sprach Kannon weiter. „Ich weiß, dass du es für einen Fehler hältst, mit mir geschlafen zu haben. Überhaupt hältst du wohl jedes nette Wort von dir an mich für einen Fehler.“ Er holte tief Luft, dann hob er den Blick, um direkt in Schneizels Augen zu sehen, dieser grausam schönen, fliederfarbenen Augen. „Mir ist selbst klar, dass ich nicht so für dich fühlen sollte“, erklärte er schließlich, und plötzlich kamen die Worte schneller, sprudelten aus ihm hervor, ein tosender Fluss der gen Meer stürzte, „und dass es mich den Hals kosten könnte. Ein Prinz Britannias darf nicht schwul sein. Und wenn herauskäme, dass ich mich ausgerechnet in dich verliebt habe, dann kämen all die Vorwürfe, du seist nur deshalb mein Assistent. Die Macht, die ich dank dir habe, ist vielen ein Dorn im Auge.“ Er stand nun direkt vor Schneizel. Sanft nahm er das Gesicht seines langjährigen Freundes und des einzigen Mannes, den er je wollen würde, in die Hände. „Aber es ist mir egal, hörst du? Ich kann es nicht ändern. Mit dir an meiner Seite kann ich Britannia ändern, ach, die ganze Welt könnte ich umwerfen! Doch meine Gefühle würden bleiben, Schneizel.“ Noch immer schwieg der Graf, und Kannon war erleichtert, bisher nicht unterbrochen worden zu sein. Seufzend holte er Luft. „Ihr wisst, dass ich Eure Gefühle nicht erwidern kann“, antwortete Schneizel nur. In seiner Stimme lag eine Behutsamkeit, die Kannon beinahe das Herz brach. Er konnte so zärtlich sein, dieser Mann, und so sacht. Aber es war nicht genug. Nicht für mehr als freundschaftliche Zuneigung und Sex. Doch Kannon nahm alles, was er bekommen konnte, solange es nur von Schneizel kam. „Ja“, gab Kannon zu, „und daran lässt sich wohl ebenfalls nichts ändern.“ Erneut holte er tief Luft. Dabei legte er Schneizel sacht die Hände auf die breiten, so wunderbar muskulösen Schultern; Halt, nein, kein Schwärmen. Es ging um ernste Dinge. „Was hast du gefühlt, als ich dich verführt habe?“, fragte er deshalb. Kannon versuchte, so ruhig und sachlich wie möglich zu klingen, doch seine Stimme zitterte trotzdem kaum merklich. „Nichts, Hoheit“, gab Schneizel seufzend zu. Er hielt dem Blick des Prinzen stand, obwohl ein Funken Schuld in seine Augen trat. Kannon lächelte schwach; er war auf diese Antwort gewappnet gewesen, und doch war sie ein Stich ins Herz. Aber es war die Antwort, die er gebraucht hatte. „Und was fühlst du, wenn du mit jemand anderem schläfst?“, fragte er deshalb weiter, und sein Puls setzte ein paar Takte aus, bis Schneizel endlich antwortete. „Nichts, Hoheit“, wiederholte er, eine Spur Argwohn in der Stimme. Kannon lächelte zufrieden. Er glitt ein Stück näher an Schneizel heran und schlang die Arme um seinen Nacken. „Das dachte ich mir“, erläuterte er, sein Herz schlug wie verrückt, „also macht es keinen Unterschied für dich, nicht wahr?“ Schneizel wollte widersprechen, doch Kannon schnitt ihm das Wort ab. „Es sind so oder so keine Gefühle im Spiel. Du hast zweimal mein Bett geteilt, und du müsstest lügen, wenn du sagtest, du hättest es nicht gewollt.“ Schneizel schnaubte sarkastisch. „Tausch die Fremden gegen mich ein“, forderte Kannon schließlich, „was sie dir geben, kann ich auch.“ Er hob eine Hand zu Schneizels Wange, strich mit dem Daumen über sie Lippen des Grafen. Warum trug er Handschuhe? Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte Kannon seine Dienstkleidung. „Du kannst nicht leugnen, dass du mich begehrst. Also, warum solltest du es nicht ausleben können, wenn ich dir doch die Chance dafür gebe?“ „Niemand dürfte jemals davon erfahren“, warf Schneizel mit gesenkter Stimme ein. „Vergiss für einen Moment die anderen“, bat Kannon etwas enttäuscht, „es geht um... 'uns'. Selbst, wenn es kein 'wir' gibt, wie ich es will, so weit, wie du gehen möchtest, können wir doch gehen, nicht wahr?“ Schneizel drehe den Kopf zur Seite, um Kannons Hand abzustreifen, ließ den Blick jedoch nicht von seinem Prinzen. „Ich könnte euch nie einen Wunsch abschlagen, Hoheit“, stellte er fest, und in seiner Stimme schwang etwas Betörendes mit, das Kannons Knie weich werden ließ. Wacklig lehnte er sich gegen Schneizel und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. Es tat weh, von ihm gehalten zu werden. Es tat weh, denn e rwusste, dass Schneizel es nicht wollte; nicht so wie er selbst. „Ich kann nicht mit dir zusammen sein“, seufzte er, den Kopf auf Schneizels Schulter gelegt, „aber ohne dich leben könnte ich noch weniger.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)