Seelensplitter von Moonprincess ================================================================================ 8. Kapitel: Duell des Herzens ----------------------------- Als Mai wieder zu sich kam, fand sie sich an einen Stromgenerator gelehnt wieder. Wo war sie? Was war geschehen? Nach einer Minute der Panik kehrten ihre Erinnerungen zurück. Das half nicht viel, ihre Nerven zu beruhigen, aber wenigstens war sie noch in dieser, ihrer, Welt und nicht im Reich der Schatten. Groggy sah sie sich um. Vor ihr breitete sich nichts als grauer Beton aus. Als sie die für ein Hochhaus typische Tür mit Häuschen drum herum erkannte, verstand sie, daß sie auf dem Starlight-Tower sein mußte. Der Ort, an den ihr monströser Entführer ihren Jonouchi zum Duell bestellt hatte. Ein Duell um ihr Leben. Ein eisiger Schauer rann über ihren Rücken. Sie hatte alles Vertrauen der Welt in Jonouchi, aber gewiß nicht in diese seltsame Kreatur. Apropos... Wo steckte ihr Entführer überhaupt? Besser war es, wenn sie ihn im Blick hatte. Sie wollte sich aufsetzen, um sich umzusehen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. „Der muß mich ja ganz schön ausgeknockt haben“, murmelte sie, um sich selbst Mut zu machen, und versuchte es erneut. Wieder gelang es ihr nicht. Mit einem Stirnrunzeln sah sie an sich herunter. Auf den ersten Blick konnte sie nichts Ungewöhnliches feststellen. Sie war weder gefesselt noch verletzt. Als sie versuchte, ihren Kopf weiter zu senken, wurde ihr auf einmal die Kehle eng. Etwas Hartes und Unbewegliches lag um ihren Hals. Etwas aus Metall. Atems Worte rasten durch ihren Kopf als sie vergeblich versuchte, ihre Hände zum Hals zu heben. Sklavenhalsbänder! Sie setzten einen praktisch im eigenen Körper gefangen. Also lag die Vermutung nahe, daß dieses Schuppenmonster mit Tenghe im Bunde war. Die Angst kam zurück. Die Angst vor dem dunklen Ort, an dem sie alleine festsaß und wo niemand sie hörte oder sah. Wo es keine Hoffnung gab, nur Verzweiflung. Sie wollte nicht wieder an diesen Ort! Mai fing an, gegen das Halsband zu kämpfen. Sie wollte die Kontrolle zurückhaben und dann würde sie diesem Schuppenfritzen... „Noch immer eine Kämpferin“, ertönte eine amüsierte Stimme hinter ihr. „Aber heute wirst du mir meine Pläne nicht durchkreuzen.“ Mai drehte den Kopf und konnte nun endlich ihren Entführer sehen. Er war groß, sicher zwei Meter oder mehr, und sein ganzer Körper war mit schwarzen Schuppen bedeckt. Zwei völlig rote Augen saßen über einer platten Nase und fixierten Mai wie ein Kaninchen. Seine dünnen Lippen waren zurückgezogen und enthüllten weiße, lange Raubtierzähne. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, du... du Möchtegern-Lord Voldemort!“ warf sie ihm an den Kopf. „Laß mich sofort gehen!“ „Wenn dein Liebhaber gewinnt, darfst du gehen, das kann ich dir versprechen.“ Er lachte boshaft. „Er wird sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen, die Stunde ist bald um.“ „Mai!“ Wie aufs Stichwort stürmte Jonouchi durch die Tür, Honda und Anzu im Schlepptau. Ihre roten, verschwitzten Gesichter und ihre Kurzatmigkeit zeugten davon wie sehr sie sich beeilt haben mußten. „Jonouchi! Ich bin hier“, schrie Mai aufgeregt. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und wäre zu ihren Freunden geeilt, doch sie war weiterhin durch den Zauber des Halsbandes paralysiert. „Mai!“ Jonouchi wollte zu ihr laufen, aber der Reptilienmann stellte sich ihm in den Weg. „Ah, ah, ah!“ mahnte er spöttisch. „Zuerst das Duell.“ Jonouchi sah seinen Gegner eine Minute an, blinzelte verwirrt und verschränkte dann die Arme vor der Brust. „Aus welcher Geisterbahn haben sie dich denn rausgeworfen?“ ätzte er. „Mit dem Kostüm machst du mir keine Angst.“ „Jonouchi, ich glaube nicht, daß das ein Kostüm ist“, mischte Honda sich ein. Anzu nickte. „Das macht mir auch keine Angst“, knurrte Jonouchi. „Wenn du ein Duell willst, du Schlangenfutzi, sollst du auch eins kriegen.“ „Kluge Entscheidung.“ Um Mais Fußgelenk wand sich auf eine Handbewegung seines Gegners eine Fußfessel aus schwarzer Energie. Mai wußte, daß diese nicht verhindern sollte, daß sie weglief, sondern daß ihre Freunde mit ihr die Flucht ergriffen. „Paß auf dich auf!“ rief sie Jonouchi zu. „Keine Sorge, Mai. Den besiege ich im Handumdrehen und dann bist du wieder frei.“ Er lächelte ihr zu. „Honda, Anzu, bitte bleibt bei Mai bis ich hier fertig bin, ja?“ Die beiden nickten und liefen zu Mai. Anzu kniete sich neben sie und sah sie besorgt an. „Geht’s dir gut?“ „Mir ist etwas schwindelig und ich haße dieses Halsband, aber ich werde es überleben“, erwiderte Mai mit einem erzwungenen Lächeln. Honda und Anzu beugten sich näher, um das Halsband zu betrachten. „Kann man das nicht irgendwie abmachen?“ Honda streckte eine Hand nach dem geschmiedeten Eisen aus, aber zog sie gleich wieder zurück. „Au!“ „Hände weg!“ Der Reptilienmann grinste. „Nur ich kann ihr das Band abnehmen, jeder andere, der es berührt kriegt einen hübschen Schlag.“ „Du bist echt krank!“ Jonouchi mischte sein Deck und rammte es in seine Duel Disk. „Wie heißt du überhaupt, du Zirkusclown?“ „Mein Name...“, zischte der Reptilienmann und runzelte die Stirn. „Der geht nun nicht jeden etwas an, aber ihr könnt mich Snake nennen, wenn es euch ein inneres Bedürfnis ist.“ Er lachte bösartig. „Was für ein einfallsreicher Name“, murmelte Mai verächtlich. „Aber zuerst sollten wir noch über die Bedingungen dieses Duells sprechen“, fuhrt Snake unbeeindruckt fort. „Wenn du verlierst, verschlinge ich ihre Seele. Gewinnst du, lasse ich sie frei.“ „Schon verstanden! Legen wir endlich los?“ verlange Jonouchi zu wissen und sah ungeduldig auf seine bereite Duel Disk. „Ich war noch nicht fertig“, zischte Snake, empört darüber unterbrochen worden zu sein. „Wie gesagt, gewinnst du, lasse ich deine Freundin frei, aber dafür verschlinge ich dann deine Seele. Immer noch Lust auf ein Duell?“ hakte er süffisant nach. Eine eiskalte Hand legte sich um Mais Herz und umklammerte es. Sie wollte schreien, aber ihre Stimme versagte ihr und sie brachte nur ein heiseres Flüstern heraus: „Jonouchi! Nein, nicht. Tu das nicht.“ Sie schüttelte heftig den Kopf, daß ihre blonden Locken nur so flogen. Ihr Entsetzen spiegelte sich auf den Gesichtern von Anzu und Honda wieder. Jonouchi sah zu Mai. In seinem Blick lag Entschlossenheit. „Abgemacht“, erklärte er nach einem langen Moment. „Nein!“ Mai brachte ihre Stimme wieder unter Kontrolle, bis ihr Schrei brach. Ihre Kehle brannte und Tränen liefen über ihr Gesicht. Er dürfte das nicht tun! Nicht um diesen schrecklichen Preis. Sie würde mit Freuden ihre Seele opfern, wenn sie dann wüßte, daß Jonouchi dann sicher wäre. „Snake, nimm meine Seele! Du kannst sie sofort haben“, rief sie. Sie spürte eine Hand auf jeder ihrer Schultern und sah zur Seite. Es waren Honda und Anzu, in deren Augen Tränen standen. „Laß den Quatsch, Mai“, erwiderte Jonouchi ruhig. „Er kriegt dich nicht. Ich werde nicht zulassen, daß noch so ein geistesgestörter Spinner mit deiner Seele spielt. Wenn er meine Seele will und dich dafür in Ruhe läßt, dann ist es mir das wert. Verdammt, ich würde sterben, wenn du dann sicher wärst!“ Mai senkte überwältigt den Kopf. Sie schluchzte leise. Nein, sie konnte Jonouchi nicht anfeuern. Er durfte nicht gewinnen! „Mai, bleib ganz ruhig“, wisperte Anzu und drückte Mais Schulter. „Jonouchi kriegt das schon hin.“ „Genau das ist meine Sorge“, erwiderte Mai und sah Anzu mit verzweifelten Augen an. „Ich denke, es geht los“, unterbrach Honda die Frauen und zeigte mit dem Daumen in die Mitte des Daches. Snake und Jonouchi standen sich gegenüber, auf den Duel Disks glühte jeweils eine Viertausend. Beide hatten bereits fünf Karten auf der Hand. „Da ich heute mal nett bin, überlasse ich dir den ersten Zug“, erklärte Snake. „Du hast wohl nichts Gutes auf der Hand, was? Na schön!“ Jonouchi zog und Mai konnte sehen, wie er die Karten abschätzte, bevor er sich entschied. „Ich rufe meinen Blauen Flammenschwertkämpfer im Angriffsmodus“, erklärte er schließlich entschlossen. Das Hologramm seines Monster materialisierte sich vor ihm. Mit eintausendachthundert Angriffspunkten würde es für Snake nicht leicht werden, den Blauen Flammenschwertkämpfer zu vernichten. „Guter Zug, Jonouchi!“ brüllte Honda begeistert. Mai hingegen hätte am liebsten losgeheult. Jonouchi grinste zufrieden. „Damit beende ich meinen Zug. Du bist dran, Snake.“ „Dir wird das Grinsen schon noch vergehen“, erwiderte der und zog eine Karte. „Wie ich gehört habe, ist der Pharao wieder zurückgekehrt“, fuhr er beiläufig fort, während er seine Karten betrachtete. „Ich wette, deshalb haben du und Tenghe sicher schon mächtig Muffensausen“, warf Jonouchi ihm an den Kopf, doch Snake lachte nur. „Im Moment ist er sicher mit anderen Dingen beschäftigt. Ich wette, er besteigt diesen nutzlosen Wurm.“ Snake verzog angeekelt das Gesicht und spuckte grünlichen Schleim aus. „Dreckiger Sodomit!“ „Ich verstehe nicht, was du meinst.“ Jonouchi sah ungeduldig auf die Hand seines Gegners. „Wie ich sehe, bist du wirklich völlig ahnungslos. Dann werde ich dich mal aufklären: Der Pharao interessiert sich nur für Männer und hübsche, kleine Jungen sind ihm am Liebsten. Er hat einen ganzen Stall abgelegter Liebhaber, die er mit seinen kranken Ideen pervertiert hat. Ich schätze, der Wurm ist als nächstes dran.“ Jonouchi sah für einen Moment verwundert aus, dann sah er zu Mai und Anzu bevor er sich wieder Snake zuwandte. „Hör auf meine Freunde zu beleidigen. Wenn sie zusammen sind, ist das ihre Sache.“ Er war wütend. „Mach jetzt endlich deinen Zug und hör auf, Zeit zu schinden.“ Mai erkannte an der Art, wie Snake das Gesicht verzog, daß das nicht die Reaktion war, die er sich erhofft hatte. Sehr schön! Keiner von ihnen hatte ein Problem mit Homosexualität. Jeder von ihnen hatte, auf die eine oder andere Weise, schon vor langer Zeit vermutet, daß es bei Atem und Yugi um weitaus mehr ging als nur um Freundschaft. Snakes Versuch, vor ihnen Schmutzwäsche zu waschen, konnte sie also nicht überraschen. „Offenbar hat er euch bereits ebenfalls von seinen kranken Ideen überzeugt“, zischte Snake und spielte eine Karte. „Ich rufe Monster-Waran im Verteidigungsmodus.“ Ein riesiger schwarzer Waran mit zweitausend Verteidigungspunkten erschien auf dem Feld. „Das war’s.“ Es war eine merkwürdige Erfahrung für Mai, Erleichterung zu verspüren, wenn ihr Freund bei einem Duell in die Bredouille kam, aber sie konnte es nicht verhindern. Sie hoffte so sehr, daß Jonouchi dieses Mal keinen Sieg erringen konnte. Jonouchi musterte den Monster-Waran, dann zog er eine neue Karte. Er grinste zufrieden. „Zuerst rufe ich meinen Pantherkrieger aufs Feld. Um seine Angriffspunkte zu erhöhen, nutze ich die besondere Fähigkeit meines Blauen Flammenschwertkämpfers, um fünfhundert Angriffspunkte auf meinen Pantherkrieger zu übertragen.“ Die Angriffspunkte des Blauen Flammenschwertkämpfers fielen auf eintausenddreihundert, während die des Pantherkriegers auf zweitausendfünfhundert stiegen. Jonouchi fuhr fort: „Jetzt opfere ich den Blauen Flammenschwertkämpfer, damit mein Pantherkrieger angreifen kann. Los, zerstör seinen Monster-Waran!“ Der Pantherkrieger sprang auf das gegnerische Monster zu und zerteilte es mit einem Schwertstreich. „Aber das ist noch nicht alles! Wenn mein Blauer Flammenschwertkämpfer auf dem Friedhof landet, darf ich dafür den originalen Flammenschwertkämpfer rufen.“ Jonouchi zog die entsprechende Karte aus seinem Deck und legte sie auf seine Duel Disk. „Da dein Schutz dahin ist, kann ich dich jetzt direkt angreifen, Snake. Flammenschwertkämpfer, erteil dem Drecksack eine Lektion.“ Snake knurrte, als das holographische Schwert durch seinen Körper schnitt. „Deinen Zorn gegen mich zu richten ist fehlgerichtet. Wußtest du, daß Atem verheiratet war? Seine Frau starb, weil er sich lieber mit Männern vergnügt hat, als sich um sie zu kümmern. Wenn er noch nicht mal sie retten konnte, glaubst du dann wirklich, er könnte euch retten? Dich retten? Das ist es doch, was du insgeheim denkst, nicht?“ „Ich hab keine Ahnung, was du da laberst, Mann, und es ist mir auch egal.“ Jonouchis Augen blitzten vor Wut. „Ich weiß, daß Atem uns nicht im Stich lassen wird. Hat er nie! Deine Masche, uns mit so einem Unsinn zuzutexten, funktioniert nicht, also halt endlich die Klappe und duellier dich! Oder hast du Angst vor mir, hä?“ „Angst?“ Snake grinste und zeigte spitze Zähne. „Gewiß nicht. Ich werde so oder so gewinnen, das muß dir doch klar sein. Wenn du deinen Zug beendet hast, mache ich übrigens gerne weiter.“ Jonouchi schnaufte. „Eine Karte verdeckt und ich bin fertig.“ Mai war schlecht. Jonouchi hatte noch alle Lebenspunkte und zwei starke Monster auf dem Feld, während Snake nur noch zweitausendzweihundert Lebenspunkte und keine Monster zum Schutz mehr hatte. Ein direkter Angriff des Pantherkriegers war im Moment alles, was Jonouchi vom Verlust seiner Seele trennte. Wenn Snake jetzt nicht irgendeine mächtige Karte spielte, würde das Duell sehr schnell vorbei sein. „Atem war verheiratet?“ Hondas verblüffte Stimme schreckte Mai aus ihren strategischen Überlegungen. Sie sah ihn vernichtend an. „Er war Pharao. Die hatten immer viele Frauen“, erwiderte Anzu leise. „Aber das ist jetzt weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, Honda.“ Sie sah zu Jonouchi, eine Faust gegen ihre Brust gepreßt, als müsse sie sich selbst davon abhalten, das Spielfeld zu stürmen. „Wie auch immer das hier ausgeht, Snake hat recht. Er wird bekommen, was er wollte: Eine Seele“, wisperte sie und wischte sich über ihre feuchten Augen. Mai senkte ihren Kopf. Diese Situation war aussichtslos! Sie konnte nichts, gar nichts tun. Nein! So konnte es nicht enden! Aufgeben hatte ihr noch nie gelegen und sie würde damit jetzt bestimmt nicht anfangen. Sie mußte dieses Halsband loswerden. Sie konzentrierte sich auf ihre Arme und mit aller Kraft kämpfte sie gegen die Macht, die ihren Körper gefangenhielt. Snake zog derweil seine nächste Karte. „Ich aktiviere eine Zauberkarte“, sagte er zufrieden. „Raigeki!“ Jonouchi hielt sich bei dem folgenden Blitzgewitter, das alle seine Monster zerstörte, den Arm vor die Augen. „Ok, das war nicht schlecht!“ gab er zu. Als er den Arm senkte, konnte Mai sein Grinsen sehen. „Es kommt noch besser. Du hast keine Monster mehr, also kann ich dich direkt angreifen.“ Snake spielte eine Karte. „Ich beschwöre Schatten des Zweifels.“ Eine schleimige, schwarze Kreatur erschien. Sie flackerte und flimmerte und schien keine Konsistenz zu haben. Ihre Konturen erinnerten Mai vage an eine Kobra mit Flügeln. „Schatten des Zweifels, greif diesen Nichtsnutz direkt an!“ befahl Snake zornig und deutete auf Jonouchi. „Das wird nichts! Du hast meine Falle aktiviert. Sündenbock!“ Jonouchis Gesicht zierte ein diebisches Grinsen als die vier bunten und flauschigen Böckchen vor ihm auf dem Feld erschienen. Schatten des Zweifels stürzte sich auf eines von ihnen und verschlang es unter dessen leisem Protestmähen und Jonouchi war sicher davor, eintausendfünfhundert Lebenspunkte zu verlieren. „Jonouchi scheint heute wirklich das Herz der Karten auf seiner Seite zu haben“, kommentierte Honda. „Snake hat es wirklich schwer, an Boden zu gewinnen.“ „Ja, leider“, murmelte Mai abgelenkt. War es ihre Einbildung oder hatte sie ihre Hände bewegen können? Ja, sie hatten sich etwas bewegt und lagen nicht mehr völlig in ihrem Schoß. Jetzt durfte sie nur nicht aufgeben. „Ich weiß nicht. Vielleicht liegt es an mir, aber irgendwas stimmt mit diesem Duell nicht. Außer dem Offensichtlichen, meine ich.“ Anzu betrachtete schaudernd die schwarzen Nebelfetzen, die das Dach umkreisten. „Du bist ganz schön zäh. Es liegt dir anscheinend wirklich viel an dem Miststück.“ Snake schnaubte verächtlich. „Ich lege noch eine Karte verdeckt ab. Du bist dran.“ Jonouchis Augen verengten sich zu Schlitzen. „Hast du nichts besseres zu tun, als Beleidigungen auszuspucken?“ „Du hast mich auch beleidigt.“ „Ja, aber du hast angefangen. Ich hab nicht jemanden entführt, nur um so ein Scheißspielchen mit deren Schatz anzufangen“, brüllte Jonouchi zornig. Er zog eine neue Karte. „Und das werd’ ich dir heimzahlen, verlaß dich drauf! Ich rufe Gearfried, den eisernen Ritter im Angriffsmodus! Gearfried, greif diesen häßlichen Schatten des Zweifels an.“ Gearfried folgte Jonouchis Befehl und Schatten des Zweifels verschwand mit einem Zischen vom Feld. „Du hast nur noch eintausendneunhundert Lebenspunkte übrig, Snake. Dieses Duell wird bald vorbei sein“, drohte Jonouchi. „Du bist dran!“ „Das ist wahr. Deshalb dachte ich, ich kläre euch über noch ein Detail auf.“ Snake grinste teuflisch, während er zog. „Tenghe heißt in Wirklichkeit Hetep-Heres. Etwas, das der Pharao nur zu gut weiß, schließlich ist sie seine älteste Schwester.“ Mai hob den Kopf und sah Snake für einen Moment verwirrt an. Irgendetwas an der Art wie er sprach, wie er sich bewegte... Sie runzelte die Stirn. Sie kannte diesen Mann von irgendwoher und doch hatte sie gleichzeitig das Gefühl, ihm nie in diesem Leben begegnet zu sein. „Und wenn schon!“ schrie sie schließlich. „Dann ist sie eben seine Schwester! Das ändert nichts, gar nichts. Du wirst keinen von uns mit deinem Geschwätz umdrehen.“ Erst als sie zuende gesprochen hatte, wurde Mai bewußt, daß aus ihrem Mund gar kein Japanisch gekommen war. Die Sprache war ihr völlig fremd und doch... „Mai?“ Jonouchi sah sie verwirrt an, ebenso Anzu und Honda. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Mai hilflos. „Ich weiß es wirklich nicht.“ „Aber ich weiß es“, spöttelte Snake. „Arme, kleine Marilita. So ahnungslos in dieser Zeit.“ „Was redest du da? Raus damit!“ forderte Jonouchi ihn auf. „Ich dachte, ihr wolltet nichts mehr hören? Ich werde euch diesen Wunsch erfüllen. Machen wir weiter, Jonouchi. Deine Seele gehört schon so gut wie mir.“ Snake sah sich seine Karten einen Moment an. „Ich rufe Gespaltene Zunge im Angriffsmodus. Das war’s.“ Auf dem Feld erschien eine Zunge, die bis zur Mitte gespalten war. „Ist ja eklig.“ Honda schüttelte sich. „Allerdings war’s das“, knurrte Jonouchi. „Dein Monster hat nur fünfhundert Angriffspunkte. Das putze ich ohne Probleme weg. Ich beschwöre mein Alligatorschwert. Schnapp dir dieses häßliche Zungending.“ Alligatorschwert sauste nach vorne und sein Schwert vernichtete die Gespaltene Zunge. „Sehr schön!“ Jonouchi grinste zufrieden. „Nein! Jonouchi! Tu das nicht!“ Mai kämpfte noch einmal gegen das Halsband. Sie stemmte sich plötzlich hoch und machte mehrere wackelige Schritte auf ihn zu, aber sie war nicht schnell genug. „Zum krönenden Abschluß: Gearfried, puste den Schlangenheini vom Dach“, befahl Jonouchi. Snake gab ein schmerzerfülltes Knurren von sich, als Gearfrieds Schwert durch seinen Körper sauste. Seine Lebenspunkte fielen auf Null. „Nein! Jonouchi, was hast du getan?“ Mai kam neben Jonouchi zum Stehen. Das Sklavenhalsband, das seinen Dienst erfüllt hatte, fiel klirrend zu Boden und die Fußfessel verschwand. Jonouchi drehte sich mit ernstem Gesichtsausdruck zu ihr um. „Das Richtige, Mai. Ich weiß, ich kann auf dich zählen. Er wollte von Anfang an, daß ich gewinne, aber er weiß nicht, daß du so viel stärker bist als er.“ Er lächelte etwas und streckte eine Hand aus, um Mai eine Strähne aus dem angsterfüllten Gesicht zu streichen. „Das bezweifle ich!“ höhnte Snake. „Sie wird dich nicht retten können. Zeit, deine Schuld zu bezahlen, Jonouchi!“ „Nein!“ Dieser entsetzte Ausruf kam von Anzu und Honda, aber es half alles nichts. Jonouchi griff sich auf einmal wie unter Schmerzen an die Brust. Goldene Lichtfunken kamen aus seiner Haut und für eine Sekunde schwirrten sie wie Glühwürmchen um Mai und Jonouchi, bevor sie sich zu einer goldenen Kugel verbanden, die in Snakes Hand schwebte. Jonouchi sackte nach vorne und Mai konnte ihn gerade noch festhalten, bevor sie mit ihm zu Boden ging. „Jonouchi! Gib... gib ihn mir zurück!“ schrie Mai. Sie weinte und doch waren ihre Augen voller Entschlossenheit und Kampfgeist. „Snake! Hast du mich gehört? Ich will ein Duell mit dir.“ Snake betrachtete die Seele in seiner Hand für einen Moment, dann sperrte er sein Maul auf und verschlang sie vor Mais entsetzten Augen mit einem einzigen Bissen. „Und ich werde sehnlichst darauf warten. Dein Freund hatte übrigens recht: Ich habe ihn gewinnen lassen. Wenn wir das nächste Mal aufeinandertreffen, wird der Sieg mir gehören. Aber nicht heute.“ Snake grinste und in einem Wirbel dunkler Energie verschwand er. „Das... das ist nicht fair!“ murmelte Mai. Sie beugte sich über Jonouchi, dessen Kopf in ihrem Schoß ruhte. Er war so blaß. Mai wischte sich hilflos mehrmals über die Augen. „Einfach nicht fair!“ „Mai?“ Anzu kniete sich mit feuchten Wangen neben ihre Freundin. „Wir sollten ihn ins Krankenhaus bringen. Nur zur Sicherheit.“ „Ja. Ja, macht das.“ Mai beugte sich kurz über Jonouchi und ihre Lippen streiften seine Wange. „Du kannst auf mich zählen, du verrückter, lieber Kerl“, murmelte sie. Dann stand sie auf. „Ich war so eine Idiotin! Als Atem gesagt hat, es wäre besser, er würde gleich zurückkommen, habe ich ihn überredet, lieber noch im Hort zu bleiben“, erklärte sie mit bebender Stimme. „Ich hätte auf ihn hören sollen.“ „Wir sagen ihm Bescheid, Mai“, erwiderte Honda. Er sah so hilflos aus wie Mai sich fühlte. „Es ist nicht deine Schuld.“ „Doch, das ist es. Ich weiß nicht wie, aber dieser Snake kennt mich und ich denke, ich kenne ihn auch. Jonouchi war für ihn nur ein einfaches Mittel, um mich zu verletzen. Ich muß seine Seele wiederbekommen, bevor dieses Monster sie verdaut.“ Mai drehte sich um. Trotz ihrer noch wackeligen Beine marschierte sie zielstrebig zur Treppenhaustür. „Alleine? Mai, das ist gefährlich!“ Honda rannte ihr nach und ergriff fest ihren Arm. Er sah sie ernst an. „Du bringst dich nur in Teufels Küche.“ Mai fuhr herum und fauchte: „Soll mir nur recht sein! Ich werde Jonouchi trotzdem retten.“ „Laß den Quatsch! Du solltest abwarten bis...“ Mai unterbrach ihn harsch: „Würdest du abwarten, wenn es um Anzus Seele ginge? Oder Yugis? Erzähl mir hier keinen Scheiß.“ Sie entwand Honda ihren Arm. „Ich melde mich“, fügte sie fast schon kalt hinzu, bevor sie ins Treppenhaus ging und die Tür hinter sich zuwarf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)