Seelensplitter von Moonprincess ================================================================================ 1. Kapitel: Qualen ------------------ Yugi gab ein ersticktes Keuchen von sich als er aus der Dunkelheit seines Alptraumes aufschrak. Heftig atmend und völlig verschwitzt blinzelte er in das grelle Licht der ägyptischen Morgensonne bevor er in die Kissen zurücksank. Wie immer hob er seine Hände vor sein Gesicht und wie immer war die Haut sauber statt mit Blut verschmiert. Es war ein Fehler gewesen, nach Ägypten zurückzukommen. Es war ein Fehler gewesen, an diesem Turnier teilzunehmen. Als ob es nicht genügend Duel Monsters-Turniere auf der Welt gab! Natürlich mußte er ausgerechnet an einem in Ägypten teilnehmen. Verärgert schüttelte er den Kopf. Sein einziger Trost war, daß heute das Finale ausgetragen wurde und er somit morgen früh im nächsten Flieger zurück nach Japan sitzen würde. Dann würden die Alpträume ihn nicht mehr jede Nacht heimsuchen. Unausgeschlafen trottete Yugi im Badezimmer unter die Dusche. Zuvor warf er noch kurz einen Blick in den mannshohen Spiegel, der eine Ecke des Bades einnahm. Yugi war noch etwas gewachsen, aber er war noch immer kleiner als es Atem gewesen war. Gedankenversunken betrachtete er die Tätowierung von Hieroglyphen, die er sich kurz nach seinem zwanzigsten Geburtstag in sein rechtes Schulterblatt hatte stechen lassen, und die dünne, zackige Narbe auf seiner rechten Hüfte, die ihn wohl für alle Zeit an den Autounfall vor so vielen Jahren erinnern würde. Yugi riß sich von seinem Spiegelbild los und stieg unter die Dusche. Wenigstens mußte er sich nicht wegen seiner Unterbringung beklagen, denn für die Dauer seines Aufenthaltes in Ägypten hatte man ihm ein Häuschen zur Verfügung gestellt. Es war nett und gemütlich eingerichtet und lag am Stadtrand von Edfu, der Stadt, in der auch das Turnier ausgetragen wurde. Immerhin mußte er sein Quartier nicht teilen wie so viele andere Duellanten. Er zog es vor, für sich zu bleiben, denn nach Gesellschaft war ihm in letzter Zeit einfach nicht zumute. Seinen Freunden war das nicht entgangen. Sie bemühten sich, ihn aufzuheitern, ihm aber dennoch seinen Freiraum zu lassen. Er war ihnen dankbar dafür. Yugi wußte dennoch, als er unter dem heißen Wasser stand und seine müden Muskeln sich entspannten, daß es nicht auf Dauer so weitergehen konnte. Er mußte sich wieder mehr zusammenreißen, wie schwer ihm das auch fallen mochte. Er hatte die letzten drei Jahre doch ganz gut leben können, warum sollte es nicht so weitergehen können? Aber in letzter Zeit, schon vor seiner Reise nach Ägypten, war es ihm immer schwerer gefallen, sich den Anforderungen des täglichen Lebens zu stellen. Das Duellieren zum Beispiel verwandelte sich immer mehr in eine Pflichtübung, der er, so gut er es vermochte, zu entgehen suchte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal in seiner Freizeit einfach nur zum Spaß Duel Monsters gespielt hatte. Würde mit seinem Titel „König der Spiele“ nicht die Verpflichtung einhergehen, wenigstens an ein paar Turnieren im Jahr teilzunehmen, er hätte wahrscheinlich schon ewig keine Karte mehr angerührt. Wahrscheinlich lag es daran, daß Yugi sich so leer fühlte, seit Atem fort war. Seine rechte Seite war innerlich wie betäubt oder nicht mehr existent. Er konnte sich nicht entscheiden, ob das besser oder schlimmer war als die Schmerzen, die ihn seit einer Weile in seiner linken Körperhälfte plagten. Der Arzt hatte nichts finden können, die Symptome auf Streß geschoben und Yugi mehr Ruhe und weniger Turniere und anstrengende Reisen verordnet. Yugi bezweifelte dennoch, daß es nur am Streß lag. Etwas stimmte nicht, aber er konnte nicht sagen, was es war. Nein, das stimmte nicht ganz. Es hatte begonnen, nachdem Atem ihn verlassen hatte. Wasser tropfte von Yugis Wangen. Jetzt würde er Atem nie mehr sagen können, was er für ihn empfand und das fraß ihn innerlich auf. *** „Yugi, du siehst aus als würde heute die Welt untergehen und nicht wie der glückliche Sieger. Lächele, Alter! Du hast Kaiba so in den Arsch getreten, daß er die ganze nächste Woche nicht wird sitzen können!“ Jonouchi lachte und gab seinem Freund einen leichten Klaps auf die Schulter. Yugi brachte nur ein schwaches Lächeln zustande. „Ich bin nur müde. Ich hab letzte Nacht schlecht geschlafen. Außerdem haben wir uns nur duelliert und kein Kickboxen betrieben.“ Yugi saß zusammen mit Jonouchi, Mai und Anzu in einem kleinen Café. Die drei hatten darauf bestanden, seinen Turniersieg sofort zu feiern und nicht auf das große Abschlußfest heute abend zu warten. Sie wußten genau, daß Yugi sich sofort nach dem offiziellen Teil zurückziehen würde. Feste hatten ihm schon früher nicht sehr zugesagt, aber im Moment hatte er noch weniger Lust darauf als sonst. „Du hast heute fantastisch gespielt, Yugi.“ Mai warf Jonouchi einen mahnenden Seitenblick zu bevor sie Yugi anlächelte und zwinkerte. „Da kann ein Mädchen schon schwach werden.“ „Und ich habe nicht gut gespielt?“ Jonouchi verschränkte gespielt beleidigt die Arme vor der Brust. „Doch, doch!“ beschwichtigte Anzu ihn und kicherte. „Bei dir waren die Mädchen ja auch ganz Feuer und Flamme.“ „Pech für sie, aber ich gebe meinen Jonouchi nicht wieder her.“ Mai lehnte sich zu ihrem Freund hinüber und küßte ihn sanft. Yugi starrte derweil in seine Eisschokolade und versuchte, das Brennen seiner Wangen zu ignorieren. Er beneidete die beiden. Sie hatten es gut! „Yugi?“ Anzus besorgte Stimme riß ihn aus seinen Gedanken. Mai und Jonouchi waren noch immer dabei zu schäkern und Yugi wandte seinen Blick hastig ab. „Ist es wegen Mika? Wenn du reden willst...“ Anzu zögerte. Sie schien zu bemerken, daß Yugis Ex-Managerin nicht das Problem war. „Nein, es ist nicht Mika. Trotzdem danke, Anzu. Für alles! Ich meine, ohne dich wäre ich verloren gewesen, wenn du nicht für sie eingesprungen wärst, nachdem sie gekündigt hat.“ Yugi schenkte seiner Freundin aus Kindertagen ein warmes Lächeln. „Ich verspreche dir, ich finde schnellstmöglich einen neuen Manager und dann mußt du dich nicht mehr damit abquälen, meinen Terminkalender zu führen.“ Anzu drückte kurz seine Hand. „Schon gut! Ich habe mich schon fast daran gewöhnt, zu den unmöglichsten Zeiten von Redakteuren und Journalisten angerufen zu werden.“ „Wie steht es eigentlich mit deinen Plänen? Hast du schon genug Geld für die Tanzschule, die du eröffnen willst?“ „Oh, das Kapital kriege ich schon zusammen, keine Sorge.. Schließlich zahlst du wirklich nicht schlecht.“ Sie zwinkerte und die beiden lachten leise. Anzu hatte ursprünglich kein Gehalt gewollt und erklärt, sie würde es aus Freundschaft für Yugi tun, nicht wegen des Geldes. Yugi aber hatte sich nicht umstimmen lassen. Es war seiner Meinung nach nur gerecht, daß Anzu für ihre harte Arbeit auch entsprechend entlohnt wurde. Schließlich hatte sie nachgegeben, aber erklärt, sie würde das Geld nur für die Tanzschule nutzen und würde Yugi als ihren ersten Investor betrachten. Das Klingeln von Yugis Handy unterbrach das Gespräch. „Es ist Honda.“ Yugi blickte verwundert auf das Display bevor er das Gespräch annahm. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Jonouchi und Anzu sich verschwörerische Blicke zuwarfen. „Herzlichen Glückwunsch, Yugi!“ tönte es ihm zweistimmig entgegen und er mußte lachen. „Danke, Honda, Großvater! Wie ich sehe, funktionieren die Buschtrommeln noch.“ „Allerdings! Wir haben das Finale im Fernsehen gesehen. Du hast toll gespielt! Kaibas Gesicht war ein Bild für die Götter als du seinen Blauäugigen Ultra-Drachen vom Feld gefegt hast. Von der Schlappe wird er sich so schnell nicht wieder erholen.“ Hondas Grinsen war selbst durch das Handy noch spürbar. „Das hat Jonouchi auch schon gesagt, aber...“ Yugis Großvater mischte sich nun ein. „Stell dein Licht nicht so unter den Scheffel, mein Junge! Du hast dich grandios duelliert und Kaiba völlig verdient besiegt. Diese letzte Kombo war wirklich ein Meisterstück.“ Yugi versuchte, seine Verlegenheit zu verbergen, aber seine flammend roten Wangen verrieten ihn. Seine Gefühle ob des ganzen Lobes waren dennoch zwiespältig. Zum einen freute es ihn, zum anderen kam es ihm lächerlich vor. Es war kein Spiel der Schatten gewesen, kein Duell, von dem das Schicksal der Welt abhing. Es war ein simples Turnier ohne Ecken und Kanten gewesen. „Danke, Großvater. Ich freue mich aber viel mehr, daß ich dich morgen wiedersehe“, erwiderte Yugi. „Ich freue mich auch auf dich! Du bist in letzter Zeit viel zu selten daheim, Yugi.“ „Dann wird es dich freuen zu hören, daß ich erst wieder in einem halben Jahr auf einem Turnier starten muß. Ich habe dringend Urlaub nötig, Großvater.“ Yugi erinnerte sich nur zu gut an die Ratschläge des Arztes. Selbst wenn er nicht glaubte, daß seine Probleme sich mit etwas Ruhe so einfach auskurieren ließen, kam ihm die Pause doch ganz recht. „Prima!“ kam Hondas Stimme aus dem Hintergrund. „Dann kann ich dir zeigen, wie man Motorrad fährt. Das hatte ich dir doch versprochen.“ „Nein, das hast du mir aufgedrängt. Warum glaubt jeder, nur weil ich gerne Leder trage, müßte ich auch begeistert Motorrad fahren?“ beschwerte Yugi sich. Mai, Jonouchi und Anzu lachten. Dieser Streit war ihnen nur allzu gut bekannt. Yugi sah sie zuerst säuerlich an bevor er auch zu lachen anfing. „Wir reden da noch mal drüber, wenn ich wieder daheim bin, Honda.“ Nachdem er sich von diesem und seinem Großvater verabschiedet hatte, steckte er sein Handy wieder zurück in die Brusttasche seiner schwarzen Lederjacke und rang sich ein Lächeln ab. „Ich werd’ dann noch einen Spaziergang machen.“ Er konnte sich vorstellen, was jetzt kommen würde. „Zum Horus-Tempel, oder? Nicht schon wieder! Du bist jetzt jeden Tag dort gewesen. So interessant kann es da auch nicht sein.“ Jonouchi schüttelte den Kopf. „Du solltest dich lieber auf die Party heute abend einstimmen. Das wird lustig!“ „Ich komme auf die Party, versprochen! Aber jetzt brauche ich frische Luft und die kann ich gut auf dem Weg zum Tempel schnappen. Wer weiß, ob ich jemals wieder hinkomme?“ Yugi legte seinen Teil der Zeche auf den Tisch bevor er aufstand. „Wir sehen uns dann später!“ Mit einem Winken verließ er das Café und schlug den schnellsten Weg zum Tempel ein. Der Horus-Tempel von Edfu lag direkt am Nil. Er war erst spät in der Ptolemäer-Zeit errichtet worden, was wohl einer der Gründe war, warum er der besterhaltenste Tempel aus der Zeit der Pharaonen war. Normalerweise waren die Straßen zum Tempel mit Touristen vollgestopft, aber heute waren die Leute mehr an dem Turnier-Ende interessiert als an ägyptischen Altertümern und so kam Yugi schnell voran. In einem kleinen Geschäft kaufte er ein Glas mit Honig bevor er die Tempelanlage betrat. Er passierte die Inschrift, die Horus, dessen Gemahlin Hathor und deren gemeinsamen Sohn Hor-Semataui als die Herren des Tempels auswies und überquerte den Vorplatz bis er vor den Tempeltüren stand. Yugis Herz pochte und seine Hände waren schweißnaß als er eintrat und in die Opfertischhalle ging. Der Tempel war ruhig, kein Mensch war zu sehen. Yugi war es nur recht, daß er hier allein war und niemand ihn beobachten konnte. Den Schönheiten des Tempels konnte er heute keinen Respekt zollen, zu sehr war er mit seinen Gedanken bei dem, was er tun wollte. Anderen Menschen würde sein Vorhaben sicher albern erscheinen, aber für ihn war es wichtig. Vielleicht, so dachte er, würde es ihm helfen, einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu setzen. Yugi blieb vor dem Tisch stehen, auf dem vor Jahrtausenden Horus Opfergaben dargereicht worden waren. Er atmete tief ein, bevor er das Glas Honig hervorholte und auf den Tisch stellte. „Großer Horus, bitte beschütze und leite meinen Freund Atem“, sprach er leise. „Ich habe nicht viel zu opfern, doch ich hoffe, du nimmst meine Gabe an und erfüllst meine Bitte.“ Respektvoll neigte Yugi den Kopf. Für eine Sekunde hoffte er, irgend etwas zu hören, aber der Tempel blieb still. Mit einem leisen Seufzen verließ Yugi die Opfertischhalle. Er hatte Mühe, seine Tränen zurückzuhalten. Es war albern! Was hatte er erwartet? Daß Atem in einem Lichtblitz erscheinen und ihm sagen würde, daß alles wieder gut werden würde? Es würde niemals wieder gut werden, dafür tat es einfach zu weh! Yugi war so sehr in seine Bitterkeit versunken, daß er beinahe die junge, hochgewachsene Frau übersehen hätte, die vor der Opfertischhalle stand und auf ihn zu warten schien. Eilig wischte Yugi sich mit seinem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Er fühlte sich ertappt. Er erkannte die Frau als eine Duellantin aus Ägypten, die er während des Turniers ein paar Mal hatte spielen sehen. An ihren Namen erinnerte Yugi sich nicht, nur, daß sie eine erstklassige Spielerin war. „Guten Abend“, grüßte sie ihn und lächelte. Es war kein nettes Lächeln, sondern das einer Schlange, die gerade ihr Abendessen gesichtet hatte. Yugi standen die Haare zu Berge als er sich von einem violetten Augenpaar fixiert fand. „Gu... Guten Abend“, brachte er reflexartig hervor. „Ich finde es sehr schade, daß wir uns in diesem Turnier nicht duellieren konnten.“ Die Frau hob ihren linken Arm, so daß Yugi ihre schwarzgrüne Duel Disk sehen konnte. „Ich dachte, du hättest vielleicht Lust auf ein kleines Duell außerhalb des Turniers.“ „Kein Interesse“, war Yugis Antwort. Er hatte sich wieder einigermaßen gefaßt. Es gab viele, die sich unbedingt mit ihm duellieren wollten. Das war zwar lästig, aber normalerweise kein Grund zur Aufregung. Wenn er an die Massen dachte, die nach dem Battle City-Turnier vor den Schultoren auf ihn gelauert hatten... Trotzdem warnte ihn eine innere Stimme, daß diese Duellantin mehr war als sie auf den ersten Blick zu sein schien. „Ach ja? Wirklich nicht?“ Jetzt war das Lächeln der braunhäutigen Fremden mit dem glatten, schwarzen Pagenkopf grausam. „Du hast keine Wahl, Yugi Muto. Sieh dich doch mal um.“ Yugi mußte mit Entsetzen feststellen, daß sich schwarze Nebelschwaden wie ein dunkler Schleier um ihn und die Fremde gelegt hatten. „Ein Spiel der Schatten... Warum?“ „Du weißt ganz genau, warum! Ich will die Karte, die du Tag für Tag in einem speziellen Behälter in deiner Kartentasche mit dir herumträgst. Aber ich sollte nicht so unhöflich sein und mich dir vor Duellbeginn vorstellen. Ich heiße Tenghe, loyale Dienerin des allmächtigen Apophis.“ Yugi versuchte ruhig zu bleiben, aber so wie sein Herz schmerzhaft heftig in seiner Brust schlug, war das alles andere als leicht. Es war Jahre her, daß er ein Spiel der Schatten hatte bestreiten müssen. Er schluckte mühsam den Kloß in seinem Hals herunter, während er seine goldlackierte Duel Disk startete und sein Deck in die dafür vorgesehene Halterung einschob. Die Kartenablage entfaltete sich wie ein dünner Flügel und das Gerät erwachte zum Leben. Viertausend Lebenspunkte... Wenn er verlor, würde er die Karte verlieren und das durfte auf gar keinen Fall geschehen. Pegasus hatte Yugi gebeten, auf diese Karte wie auf seinen eigenen Augapfel aufzupassen und Yugi wußte, wie ernst es Pegasus damit war. Zum Glück hatte Pegasus ihm noch eine weitere Karte gegeben, mit der er hoffentlich die erste Karte schützen konnte. Er zog seine fünf Handkarten und beobachtete danach Tenghe. Sie schien ihm völlig gelassen und ruhig zu sein. Sie betrachtete ihre Handkarten, dann hob sie den Kopf. „Es macht dir doch nichts aus, wenn ich anfange, oder?“ Damit hatte sie auch bereits gezogen und Yugi sparte sich eine Antwort. „Ich rufe als erstes mein Schlangenei im Verteidigungsmodus und lege eine Karte verdeckt ab. Dein Zug.“ Auf dem Spielfeld erschien ein grünes Ei von der ungefähren Größe eines Fußballs. Yugi hatte in all seinen Jahren als Duellant gelernt, bei Eiern, Kokons und allem, aus dem sonst noch etwas schlüpfen konnte, vorsichtig zu sein. Davon abgesehen war dieser Zug eine klassische Eröffnung, wie er sie schon hunderte Male gesehen hatte. Die verdeckte Karte war bestimmt eine Falle, die Tenghe aktivieren würde, wenn er das Schlangenei angriff. Also hatte er die Wahl zwischen zwei Taktiken: Die Falle auslösen und damit aus dem Spiel entfernen oder selbst vorerst nur auf Verteidigung zu spielen. Yugi entschied sich für den Angriff. Das Schlangenei hatte nur dreihundert Verteidigungspunkte und es war besser, es vom Feld zu entfernen bevor es sich zu etwas ungleich Stärkerem entwickelte und dafür mußte erstmal die Falle weg. Diese Überlegungen nahmen nur Sekundenbruchteile in Anspruch bevor Yugi zog und dann seine Karten setzte. „Ich spiele zuerst meinen Stillen Magier, Level 0. Greif das Schlangenei an und vernichte es!“ Der Stille Magier gehorchte und das Ei zerbarst in einer grünen Rauchwolke. Yugi hob eine Augenbraue. Also doch keine Falle? Oder? „Danke sehr.“ Tenghe grinste vergnügt. „Indem du mein Schlangenei zerstört hast, hast du seine besondere Fähigkeit ausgelöst. Jetzt darf ich drei Mambas aus meinem Deck in mein Blatt holen.“ Yugi biß sich auf die Unterlippe. Das war nicht gut! Damit hatte Tenghe sieben Karten, das Maximum, auf der Hand und würde bei ihrem nächsten Zug nicht ziehen dürfen. Damit konnte Yugi nicht so schnell wie gedacht das nächste Level seines Stillen Magiers spielen, denn der Stille Magier entwickelte sich nur weiter, wenn der Gegner in der eigenen Runde eine Karte zog. „Ich setze noch zwei Karten verdeckt. Fertig!“ „Was ist? Wütend, weil dein Zwergenmagier jetzt keinen Wachstumsschub bekommt?“ Tenghe lächelte, doch Yugi gab ihr nicht die Genugtuung auch nur mit einer Wimper zu zucken. „Hm, wie du willst! Dann unterhalten wir uns eben nicht. Ich rufe mit meiner Zauberkarte Schlangentrio Grüne Mamba, Schwarze Mamba und Gewöhnliche Mamba gleichzeitg aufs Feld!“ Die drei Schlangen erschienen mit einem Zischen, jede mit einer Angriffskraft von eintausendsechshundert Punkten. Yugi wurde flau im Magen. Seinen Stillen Magier würde er nicht retten können, aber wenigstens konnte er seine Lebenspunkte mit den Fallenkarten schützen. „Dann aktiviere ich meine verdeckte Karte Schlangenparalyse. Diese Karte erlaubt es mir, die verdeckten Karten meines Gegners für eine Runde außer Kraft zu setzen.“ Es war keine Fallenkarte gewesen! Und doch war es eine Falle. Yugi brach der Schweiß aus als seine verdeckten Karten von kleinen, schwarzblau glänzenden Schlangen gebissen wurden, worauf sie eine transparente Erscheinung annahmen. „Nun, dann leb wohl, Stiller Magier Level 0“, spöttelte Tenghe. Die Gewöhnliche Mamba griff an und vernichtete Yugis Monster. Yugi zuckte zusammen, danach stählte er sich für den Angriff, der jetzt kommen mußte. Ein direkter Angriff war immer schlimmer. Er hielt sich die Arme vors Gesicht. Falsche Zähne glitten durch ihn hindurch. Yugis Lebenspunkte fielen auf siebenhundert. Und doch war das noch nicht alles, wie er bemerkte als er die Arme sinken ließ. Es war ein Spiel der Schatten und damit war noch ein Preis zu bezahlen. Unfähig sich zu rühren beobachtete Yugi, wie aus den Schatten zu seinen Füßen erst eine Schlange, dann zwei und schließlich drei auftauchten. Alle drei waberten wie Schatten und beobachteten ihre Beute aus bösartigen roten Augen. Ihre Kiefer waren obszön weit aufgeklappt und von den langen, spitzen Zähnen troff eine durchsichtige Flüssigkeit. Für eine Sekunde bewegte sich keine, doch dann schoß die erste vor und grub ihre Zähne in Yugis rechten Oberschenkel. Yugi unterdrückte den Schmerzensschrei, aber die nächsten Angriffe waren zu schmerzhaft als das er sie schweigend ertragen konnte. Gnadenlos bohrten sich die Giftzähne noch in seine linke Hüfte und seinen Hals bevor die Schlangen sich wieder mit den Schatten vereinten. Die Wunden brannten wie Feuer und mit jeden Herzschlag schien das Feuer sich weiter in Yugis Körper auszubreiten. Er keuchte und versuchte, sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren. „Oh, tut mir leid!“ Tenghes Stimme troff nur so von falschem Mitleid. „Darüber hatte ich dich früher informieren sollen, oder? Meine kleinen Lieblinge beißen für jeden meiner geglückten Angriffe zu und vergiften dich noch mehr.“ „Noch mehr?“ Yugi hatte Mühe, zu begreifen, was seine Gegnerin meinte. Das Gift pochte in seinem Kopf und störte seine Konzentration. Seine Gedanken zerstoben wie Wolken im Wind. „Du warst schon vorher von den Schatten vergiftet. Das mußt du doch gemerkt haben!“ Die Verblüffung war echt. „Spielt das... eine Rolle?“ Yugi dachte an die Schmerzen in seiner linken Seite, dann sah er auf seine Karten. „Bist du fertig?“ Sein Kopf dröhnte und er wünschte sich nichts sehnlicher als dieses Duell zu beenden. Ihm mußte etwas Gutes einfallen oder er war so oder so erledigt und die Karte... Aber sein Kopf fühlte sich wie ausgehöhlt an. „Ja. Mach ruhig weiter, nützen wird es dir eh nichts.“ „Werden wir ja sehen“, murmelte Yugi, aber innerlich war er alles andere als sicher. Er hatte Mühe, die nächste Karte zu ziehen und als er sie ansah verschwamm das Bild vor seinen Augen. Er blinzelte mehrmals bis er wieder besser sehen konnte. „Ich aktiviere Topf der Gier und ziehe zwei weitere Karten“, murmelte er bevor er wieder die Zähne zusammenbiß. Seine Hand zitterte so... Aber er mußte ziehen, er durfte nicht aufgeben! Die Karte durfte nicht in falsche Hände geraten. Yugi starrte die zwei neuen Karten für eine Sekunde sprachlos an. Das Herz der Karten schien ihn noch nicht im Stich zu lassen! Tenghe deutete sein Schweigen offenbar falsch, so zufrieden wie sie aussah. Das sollte ihm nur recht sein! Mit Mühe hob Yugi den Kopf, um Tenghe direkt in die Augen zu sehen. Dann lächelte er. Seine Gegnerin zuckte kaum merklich zusammen. Yugi hatte das Gefühl, seine Zunge hätte sich in ein labberiges Tuch verwandelt als er sprach: „Ich habe die Karte gezogen, die ich brauche, um dich in diesem Zug zu schlagen.“ Das war der Moment als ein grelles, weißes Licht selbst durch die Schattenbarriere drang und die beiden Duellanten kurzzeitig blendete. Donner erschütterte den Tempel, gefolgt von einer ohrenbetäubenden Stille. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)