Seelensplitter von Moonprincess ================================================================================ 13. Kapitel: Apophis oder Das Licht des Lebens ---------------------------------------------- Atem hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Kleine Steinstückchen prasselten von der Decke und hinterließen blutige Kratzer auf seiner Haut. „Tenghe! Du mußt aufhören!“ „Ich denke ja gar nicht daran!“ brüllte sie. „Spiel weiter! Ich will es endlich zuende bringen, kleiner Falke.“ Hilflosigkeit drohte Atem zu übermannen. Wie konnte er nur verhindern, daß Apophis diese Ebene betrat? „Wo sind die Seelensplitter?“ schrie er und sah besorgt zu Yugi, der seinen Kopf mit beiden Armen zu schützen versuchte. „Sie sind längst hier.“ Sie klopfte sich auf ihren Bauch. „Du kannst nichts tun! Ich habe alles, was ich brauche.“ „Du wirst die Welt ins Unglück stürzen, aber das ist dir wohl egal!“ Atem zitterte als er auf die Karte sah, die er gerade gezogen hatte. Was? Wie kam diese Karte in sein Deck? Er hatte sie jedenfalls nicht hineingetan. Hilfesuchend sah er zu Yugi, sah dessen kleines Lächeln und nickte. Er verstand. „Zuerst aktiviere ich meinen Topf der Gier und ziehe zwei weitere Karten. Dann spiele ich Monsterreanimation!“ rief er. „Damit hole ich meinen Ritter der Königin zurück aufs Feld. Wenn ich sie und den Ritter des Königs auf dem Feld habe, darf ich automatisch den Ritter des Buben rufen.“ „Nett, aber nutzlos. Keines deiner Monster kann es mit Serpentia aufnehmen... oder mit Apophis.“ „Ich bin noch nicht fertig! Ich opfere meine drei Ritter, damit ich einen Gott rufen kann. Osiris, der Himmelsdrache, erscheine!“ Atem registrierte mit Befriedigung, wie Tenghes Gesicht blaß wurde, als sie des riesigen, roten Drachens ansichtig wurde, der sich in der Luft über Atem schlängelte. Da Atem noch vier Karten auf der Hand hatte, bekam Osiris viertausend Angriffspunkte. „Osiris, vernichte Serpentia!“ Serpentia wurde von Osiris’ mächtiger Attacke getroffen und löste sich mit einem merkwürdigen Quietschen auf. Tenghe hatte verloren. „Was für ein Pech, daß das trotzdem nichts ändert, Pharao Atem!“ schrie Tenghe. Sie zog einen Dolch aus den Falten ihres Kleides und schleuderte ihn auf den Käfig. „Nein!“ schrie Yugi, als Blut auf den Altar spritzte. Kaiba sackte mit einem Röcheln nach vorne, der Dolch steckte bis zum Heft in seiner rechten Schulter. „Blut einer königlichen Jungfrau“, zischte Tenghe grausam. Der Raum erbebte erneut und die Apophis-Statue hinter dem Altar begann zu bröckeln. Lauter feine Risse erschienen im Stein und dieser begann abzuplatzen. Darunter schien grüngeschuppte Haut. Atem stürmte, die Duel Disk als Schild vor dem kontinuierlichen Regen aus Steinchen nutzend, auf Tenghe zu. „Nein! Wie konntest du nur?“ So viel Wut und Haß waren in seinem Inneren, daß er glaubte, die Hitze müsse ihn verschlingen. Er wollte Tenghe niederschlagen, aber dazu kam es nicht mehr. Vor seinen entsetzten Augen griff Tenghe sich an ihren Bauch. Ihre Augen weiteten sich und sie stieß einen furchtbaren Schrei aus, als sie zu Boden sackte. Ihr Bauch zerriß mit einem feuchten Geräusch und drei schwarze Schwaden schossen heraus und wurden unaufhaltsam ins Maul der Statue gesogen. Tenghe und Atem starrten gleichermaßen entsetzt auf das Blut und die Eingeweide. „Ich wollte doch nur...“, wisperte sie entsetzt. Sie hustete und feiner Blutnebel bedeckte den Boden vor ihr. Atem kniete sich neben sie und umfing sie mit beiden Armen, bevor sie ganz auf den Boden sacken konnte. „Hepi“, wisperte er. „Kleiner Falke, es sollte doch nur besser werden.“ Da waren so viel Schmerz und Verwirrung in ihren Augen und ihrer Stimme, daß es Atem das Herz brach. Plötzlich fügten sich die wirren Teile, Tenghes Verhalten, zu einem Ganzen. Sie hatte ihren Weg und damit auch ihren Verstand verloren. Sie war allein gewesen mit ihrer Ohnmacht und ihren Schmerzen, da war kein Licht gewesen, um sie zu leiten. Der Tod ihres Vaters hatte sie endgültig vernichtet... Atem schauderte, denn er wußte plötzlich mit Sicherheit, daß er genauso wie sie hätte enden können, wenn er kein Licht gehabt hätte, daß ihm beigestanden war und ihn aus seiner Dunkelheit geführt hatte. Dreitausend Jahre lang Schmerz und Leid und kein Ausweg... Sie beide waren Gefangene gewesen. Atem schob zwei Finger in ihren Mund und zog die magische Spange heraus. Sanft murmelte er die Worte, von denen er nicht geglaubt hatte, sie jemals zu sagen. Hetep-Heres hob eine zitternde Hand zu ihrem Mund. „Meine Zunge...“ „Du mußt vor den Göttern sprechen können. Ich vergebe dir.“ Die Worte wirkten wie ein Zauber und als der Haß und der Zorn von ihm abfielen, sah er, wie dieselben Gefühle aus den Augen seiner Schwester verschwanden.  „Hier, nimm“, drängte sie plötzlich und preßte einen in ein Tuch gewickelten kleinen Gegenstand in seine Hand. Sie hustete erneut. „Ich danke dir, kleiner Falke. So sehr!“ Hetep-Heres lächelte glücklich, dann schlossen sich ihre Augen und ihr Körper verlor alle Spannung. Ohne nachzudenken schob Atem Hetep-Heres’ Geschenk in seine Hosentasche und stand schwankend auf. Eine Hand schloß sich um seine eigene und als er neben sich sah, blickte er direkt in Yugis warme Augen, in denen Tränen glänzten. „Wir müssen Apophis aufhalten! Aber wie?“ „Ich weiß es nicht“, erwiderte Atem. Er sah sich um und entdeckte, daß der Käfig sich mit dem Tod Tenghes aufgelöst hatte. „Komm, schaffen wir erst einmal die anderen von dieser Statue weg.“ Ein Blick sagte ihm, daß nur noch der Kopf des Gottes im Stein gefangen war. Ihnen blieb kaum mehr Zeit! Zusammen mit Yugi eilte er zu den vier Gefangenen. Zu seiner Erleichterung atmete Kaiba noch, doch der war sehr blaß und der Puls langsam. „Im Krankenhaus hätte er noch eine Chance“, murmelte er. Yugi war es inzwischen gelungen, Malik, Mai und Shizuka aus der Bewußtlosigkeit zu holen. Mai sah einmal auf und stöhnte. „Oh nein! Sie haben das Ding tatsächlich erweckt!“ Malik folgte ihrem Blick. „Verdammt nochmal!“ Shizuka hingegen hatte nur Augen für Kaiba. „Was ist passiert?“ Reflexartig griff sie nach dem Dolch, doch Atem hielt sie auf. Sie brauchte eine Sekunde, um zu verstehen. „Ja, du hast recht. Wenn ich den Dolch herausziehe, wird er nur noch mehr bluten. Tut mir leid.“ Sie streichelte über Kaibas Stirn. „Seto? Hörst du mich?“ Ein gräßliches Knirschen ertönte und Apophis schüttelte befreit seinen glänzenden Kopf, dann richtete er boshafte rote Augen auf die kleine Gruppe von Freunden. „So sieht man sich wieder, Pharao!“ Die Stimme kam nicht aus seinem Maul, sondern hallte ursprungslos in der runden Halle wieder.        „Ich werde nicht zulassen, daß du die Welt in Leid und Schmerz stürzt!“ Atem sprang auf und schaltete seine Duel Disk wieder ein. „Osiris!“ rief er und das Göttermonster materialisierte sich über ihm. „Angriff!“ befahl er und Osiris schoß auf Apophis zu. Ein Donnern ertönte und Lichtblitze tanzten um beide Monster als sie sich umeinander schlangen, um den jeweils anderen zu zerquetschen. „Warte! Ich helfe dir!“ Schon stand Mai neben Atem. „Ich rufe Spieldrache der Harpyien und Königin der Harpyien! Los, ihr beiden, helft Osiris“, befahl sie. Shizuka streifte einfach Kaibas Duel Disk ab und sprang auf. „Tut mir leid, Seto! Ich weiß, du haßt es, wenn andere deine Drachen anfassen, aber...“ Hastig sah sie durch das Deck. „Ich rufe alle drei weißen Drachen mit eiskaltem Blick! Angriff auf Apophis!“ Die fünf beschworenen Monster gehorchten und stürzten sich auf Apophis. „Narren! Niemand kann mich besiegen. Ich bin Leid, Pein und Schmerz. Ich bin die Finsternis und ich nähre mich von der Finsternis, die ich in euren Herzen erzeugt habe.“ Atem zitterte vor Anstrengung. Es kostete ihn alle Kraft, Osiris zu lenken. Jeden Biß, den Osiris empfing, spürte er wie heißes Gift auch in seine eigene Haut dringen. Er stöhnte gequält. „Nein! Wir geben nicht auf!“ „Niemals“, stimmte Yugi zu und trat zu Atem.  „Großer Herr über Licht und Leben, Hathor dein Auge, Friede dein Streben, höre mein Flehen. Schenk deine Kraft denen, die keine mehr haben, gib uns das Licht, die Liebe, deine Gaben. Laß uns nicht allein in dunkelster Stunde, kämpfe bitte in unserer Runde! Ich rufe dich, Geflügelter Drache des Ra!“ Yugi setzte die Karte auf seine Duel Disk und mit einem lauten Schrei zerbarst die Dunkelheit und gab Ra in all seinem Glanz frei. Ra breitete seine riesigen Schwingen aus und ging zum Angriff über. Instinktiv ergriff Atem Yugis Hand. Er spürte, daß dieser genauso sehr unter der Anstrengung litt wie er selbst. Mai und Shizuka knieten bereits auf dem Boden, aber ihr Kampfeswille war ungebrochen. Malik stand hinter ihnen und hatte ihnen seine goldglühenden Hände in den Nacken gelegt. „Nein!“ brüllte Apophis als der Sonnengott, den er seit Anbeginn aller Zeiten hatte verschlingen wollen, seinen Schnabel in den Nacken des dunklen Widersachers rammte. Apophis riß sein Maul auf und biß in Ras Fuß. Yugi schrie auf und er verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere. „Aibou“, wisperte Atem verzweifelt, bevor auch er aufschrie. Sein linker Arm brannte und die Duel Disk wurde ihm schwer. „Ich schaffe das“, wisperte Yugi. „Wir müssen nur durchhalten.“ Mit tränenverschleierten Augen sah er Atem an. Der zog Yugi an sich und mit zitternder Hand streichelte er über seine Stirn. „Das Licht“, wisperte er bewundernd, als er das Zeichen erkannte, das nun auf Yugis Stirn erglüht war. „Licht?“ „Ja. Das Auge des Ra, die Macht von Ra und Hathor. Aibou...“ Atem mußte sich schwer auf Yugi stützen, der in seinem eigenen geschwächten Zustand das zusätzliche Gewicht nicht tragen konnte. „Du bist ihr Bote.“ Sie stürzten zu Boden. Yugi wand sich auf dem Boden, seine Hand noch um Atems gekrampft. Licht schien aus ihm zu fließen und schoß auf die kämpfenden Götter zu. Ra saugte das Licht wie ein Schwamm auf, nur um es dann tausendfach verstärkt wieder auszustrahlen. Fasziniert blickte Atem zu, wie Apophis den Kopf zurückriß, anstatt Augen blieben nur noch blutige, verkohlte Höhlen. Er spürte, wie seine Schatten zu Osiris eilten und sich um dessen Klauen und Mäuler legten wie eine Rüstung aus Finsternis und doch war es nichts Böses. Es war der Schatten der Sonne, der Kühle und Ruhe spendete, und damit Schutz vor der Gluthitze. Die weißen Drachen, der Spieldrache und die Königin der Harpyien wirbelten um Apophis sich krümmenden, zurückweichenden Leib, trieben den Gott der Hoffnungslosigkeit immer wieder zu Ra und Osiris, die ihren Widersacher bissen und kratzten und an dem Körper rißen, bis er begann aufzuplatzen. Schwarzer, beißender Dampf stieg aus den Rissen, während der Körper sich ein letztes Mal aufbäumte. „Ich sterbe nie!“ schrie Apophis voller Zorn und Bosheit, daß es Atem schauderte. Doch dann sah er wieder zu Yugi, der von seiner neuerwachten Magie glühte und dann gab es einen gewaltigen Knall und plötzlich war alles still und dunkel. *** „Atem! Du mußt aufstehen.“  „Papa?“ wisperte  Atem und hob mühsam seinen Kopf von dem kalten Steinboden. Aknamkanon kniete neben Atem und half diesem, sich hinzusetzen  „Ich bin sehr stolz auf dich!“ „Bin ich tot?“ Atem sah sich um und sah die regungslosen Körper seiner Freunde neben sich. „Aibou!“ Er wollte zu Yugi, aber sein Vater hielt ihn zurück. „Du lebst, ihr alle lebt. Ihr habt den Kampf gegen Apophis gewonnen und ihn zurück in die Unterwelt verbannt.“ Aknamkanon lächelte Atem an. „Du und deine Freunde, ihr wart alle sehr tapfer und sehr mutig und eure Liebe zu denen, mit denen ihr verbunden seid, hat euch die Kraft gegeben, diese schwere Prüfung zu meistern. Du bist jetzt frei, mein Junge. Du hast das Gleichgewicht wieder hergestellt.“ „Frei? Ich... ich darf bleiben, oder?“ Die Angst, erneut von seinem Aibou und seinen Freunden hier getrennt zu sein, preßte Atem unerbittlich das Herz zusammen. „Die Götter halten ihr Wort, da du das deine gehalten hast. Wenn du bleiben willst, dann darfst du bleiben.“ Aknamkanon strich liebevoll durch das wirre Haar seines Sohnes. „Was ist mit euch?“ „Wir kommen zurecht, großer Bruder.“ Nefertiti saß auf einmal neben ihm, einen braunäugigen, kleinen Jungen auf dem Schoß. „Du gehst und lebst und eines Tages werden wir uns wiedersehen.“ „Eines hoffentlich sehr weit entfernten Tages, Papa“, fügte Amisi hinzu und warf ihre langen, nach allen Seiten abstehenden Haare über die Schultern, dann beugte sie sich zu Atem hinab.  „Amisi, Nefertiti...“ Atem sah sich um. „Mama!“ Ebe kniete sich hin und umarmte ihren Sohn, der diese Geste nur zu gerne erwiderte. „Du hast Großes vollbracht, Igelchen. Lebe glücklich, hörst du?“ „Natürlich, Mama. Aber was wird jetzt mit Hetep-Heres?“ Atem konnte nicht verhindern, daß Tränen über seine Wangen liefen, so glücklich war er. „Du hast sie befreit, Atem. Es wird ihr gutgehen“, versprach Nefertiti und lächelte ihn ermutigend an. „Wir werden dir immer nah bleiben“, erklärte Amisi. „Danke, daß du meine leibliche Mutter gerettet hast.“ Sie drückte Atem einen kindlichen Kuß auf die Wange, bevor sie sich langsam auflöste. „Für immer?“ „Für immer, Atem“, erwiderten seine Eltern im Chor. Wenige Sekunden später waren alle fort, aber er spürte ihre Nähe dennoch und wußte, daß sie die Wahrheit gesagt hatten. „Atem?“  Er drehte sich um und sah einen hochgewachsenen, jungen Mann mit schwarzen Haaren vor sich, die der in einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug.  „Du siehst so erstaunt aus. Hast du nicht daran gedacht, daß ich auch altern muß?“  „Herr Mokuba, Ihr Bruder ist schwer verletzt!“ rief einer der Männer, die nun auch in die Halle strömten. „Wie habt ihr uns gefunden?“ „Duel Disks, Ortungssystem“, erklärte Mokuba mit jetzt besorgtem Gesicht knapp. „Du solltest dich jetzt ausruhen.“ Atem nickte erleichtert, dann wurde die Welt erneut schwarz. 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