Halt mich ... nur ein bisschen von Caro-kun (Der Glöckner von Notre-Dame) ================================================================================ Kapitel 1: ---- --------------- Die Sonne war gerade eben erst untergegangen. Quasimodo saß im Schneidersitz, bei Kerzenschein auf dem Holzboden des Glockenturmes und schnitzte an einer weiteren seiner Figuren. Es war gar nicht so einfach mit der großen Messerklinge dem winzig kleinen Tamburin Gestalt zu geben, ohne der Tänzerin, die es in der Hand hielt, den Arm abzutrennen. Doch der junge Glöckner gab sich, die Zungenspitze zwischen den Lippen und das linke Auge zugekniffen, wirklich die allergrößte Mühe! Diese hier war nämlich etwas Besonderes: Es war Esmeralda! Vor zwei Wochen war sie mit seiner Hilfe geflohen. Seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen. Aber sie hatte ihm versprochen wiederzukommen. Und bis es so weit war, würde er eine Holzfigur von ihr herstellen und von ihr träumen. Mehr konnte er nicht tun. Plötzlich fiel ein Schatten auf seine Arbeit. Ein ihm nur allzu bekannter Schatten. „Na, fleißig am Arbeiten, mein Junge?“, fragte Claude Frollo ruhig. Quasimodo fuhr zusammen und versteckte das Holzstück blitzschnell in den Falten seines Rockes, ehe der Richter erkennen konnte um was es sich handelte. Als dieser daraufhin misstrauisch eine Augenbraue nach oben zog, sagte er schnell: „Äh … ja, Herr! Sie … sie ist nur noch nicht fertig!“ Frollo antwortete nicht. Stützte sich nur tief aufseufzend mit den Armen auf den nahestehenden Tisch. Unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Er sah schrecklich müde aus. „Herr?“, Quasimodo stand auf. „Diese verfluchte Zigeunerin!“, der alte Mann rieb sich mit der rechten Hand die Augen, „Jetzt suche ich bereits seit zwei Wochen nach ihr und sie ist immer noch wie vom Erdboden verschluckt!“ „Weshalb jagt Ihr sie denn überhaupt?“, fragte sein Schützling leise. „Das habe ich dir doch schon 1000 Mal erklärt!“, fauchte der Ältere gereizt, „Zigeuner sind …“ „Böse und hinterhältig, ich weiß!“, versuchte Quasimodo ihn zu besänftigen, „Nur, … warum ausgerechnet sie?“ „Weil sie …“, Frollo bewegte sich auf ihn zu, wie ein hungriges Reptil, „ … die durchtriebenste Hexe von allen ist! Und ich muss sie einfangen, um die Bevölkerung vor ihr zu beschützen!“ Quasimodo schluckte. ‚Und wenn sie sich nun gar nicht mehr in Paris befindet? ‘, wollte er fragen, biss sich aber gerade noch rechtzeitig auf die Unterlippe. Er durfte seinem Herrn unter keinen Umständen falsche Ideen in den Kopf setzten! Also sagte er stattdessen: „Ich bin mir sicher, dass Ihr sie finden werdet. Ihr seid doch ein kluger Mann. Und Eurem scharfen Auge entgeht so leicht nichts!“ Frollo lächelte erschöpft und streckte dann die Hand aus, um ihm durch sein rotes Haar zu streichen: „Oh mein lieber Quasimodo, was würde ich nur ohne dich tun? Wenn du mir nicht immer so aufmerksam zuhören würdest, hätten mich meine Sorgen schon längst von innen heraus zerfressen!“ Er schickte sich an, wieder nach unten zu steigen. „Gute Nacht!“, sagte er, ohne sich noch einmal umzudrehen. Schuldbewusst, hatte Quasimodo seinen Blick gen Boden gesenkt. „Gute Nacht, Herr!“, murmelte er leise. Seufzend bückte sich der Glöckner, um die halbfertige Esmeraldafigur von den teils staubigen Holzbrettern aufzuheben. Doch zum weiterschnitzen hatte er jetzt keine Lust mehr. „Du darfst nicht wieder herkommen!“, traurig drehte er sie in seinen Pranken, „Du musst fliehen!“ Er schniefte kurz, ließ sich dann an einem Holzpfeiler zu Boden gleiten und kauerte sich dort so klein wie möglich zusammen. Die Nacht war auf einmal sehr kalt geworden. Ihre nackten Füße verursachten nicht den geringsten Laut, als sie die Steinstufen emporstieg. „Quasimodo?“, suchend ließ Esmeralda ihren Blick in der Turmstube umherschweifen, bis sie ihn entdeckt hatte. Allerdings reagierte er nicht auf ihr Rufen. „Quasimodo?“, die Zigeunerin legte ihre Hand vorsichtig auf seinen unförmigen Rücken, „Schläfst du?“ Wie, um ihr das Gegenteil zu beweisen, wich er ihrer Berührung aus. „Geh weg!“, sagte er mit tränenerstickter Stimme, „Du musst sofort von hier verschwinden!“ Zuerst war sie erschrocken, doch dann ging sie neben ihm in die Hocke und legte den Arm um ihren Freund: „Was ist denn los? Irgendwas ist doch! Willst du mich nicht bei dir haben?“ „Nein, natürlich nicht … ich meine, natürlich doch, aber …“, verzweifelt aufschreiend erhob er sich und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich bin so durcheinander, Esmeralda!“, klagte er. Fragend neigte sie den Kopf etwas zur Seite. Da wich auf einmal alle Depremiertheit von Quasimodo. „Weil du sofort fliehen musst! Raus aus Paris, weit weg! Ganz weit weg!“, erklärte er, dabei aufgeregt mit den Armen wedelnd, als versuche er zu fliegen, „Bis ans Ende der Welt! Sonst wird Frollo dich töten! … Und dabei …“, er stockte plötzlich, drehte ihr den Rücken zu und wirkte nun genauso traurig und mutlos wie gerade eben noch, „dabei will ich doch eigentlich gar nicht, dass du gehst!“ Eine einsame Träne fand ihren Weg über seine Wange. Hastig wischte er sie weg. Esmeralda legte sich nachdenklich einen Finger ans Kinn: „In dir herrscht wirklich ein ziemliches Durcheinander. Ein traurig-besorgtes Durcheinander!“ „Ja!“, seufzte der Glöckner. „Mit einer ganz einfachen Lösung!“, lachte sie plötzlich, ergriff seine Hände und strahlte ihn an, „Komm mit mir! Dann können wir zusammen bis ans Ende der Welt fliehen!“ „Nein, das geht nicht!“, wehrte er ab, „Ich … ich würde dir doch nur zur Last fallen!“ „Freunde können einem nicht zur Last fallen!“ „Trotzdem …“, er machte sich von ihr los und ließ sich wieder an dem Holzbalken zu Boden sinken, „Es gibt einfach gewisse Dinge, die mich hier festhalten!“ „Die Glocken, nicht wahr?“ Er zögerte kurz: „Unter anderem, ja!“ Ein sanftes Lächeln erschien auf dem Gesicht der Zigeunerin. Ganz nah setzte sie sich nun neben Quasimodo, nahm seinen Arm und legte ihn sich um die Schulter. Der war darüber zuerst ein wenig erschrocken, ließ sie aber gewähren. „Ich verstehe dich!“, begann sie leise, „Auch mich … halten manche Dinge hier. Deswegen kann ich auch nicht fort von Paris! Aber mach dir bitte nicht allzu große Sorgen, Quasimodo …“, Esmeralda nahm sein Gesicht in ihre Hände, „Im Hof der Wunder bin ich sicher! Dort kann mir nichts geschehen!“ Der Glöckner nickte, obwohl er noch nicht wirklich daran glaubte. Sie hatte ihn erneut in den Arm genommen, mit der anderen Hand verhinderte sie, dass er den seinigen, welcher immer noch um ihren Körper lag, zurückzog. Was allerding völlig unnötig gewesen wäre. Den Kopf an die starke Schulter gebettet, blickte die Zigeunerin in weite Ferne, so als sei sie mit ihren Gedanken ganz woanders. Und Quasimodo rührte keinen Muskel, aus Angst, sie in ihren Überlegungen zu stören. Genoss lieber die für ihn so kostbare Nähe. Auch wenn er von seinen Sorgen noch nicht vollständig befreit war, aber das Festgehaltenwerden war schön! Brachte wieder etwas Ruhe in seine aufgewühlte Seele. Ein tiefes Schweigen hatte sich zwischen ihnen ausgebreitet, das lange andauerte. Eine angenehme Stille. Eine Stille, die weich war, die wohl tat und in die man sich einkuscheln konnte. Quasimodos Augenlider wurden immer schwerer. Esmeraldas Wärme, ihr Geruch und diese Stille, hatten etwas so einlullendes an sich, dass er vermutlich innerhalb weniger Minuten tatsächlich eingenickt wäre, wenn die junge Frau sich nicht in just diesem Moment bewegt hätte. „Ich sollte gehen!“, seufzte sie und befreite sich vorsichtig aus seiner Umarmung, „Ich muss im Hof der Wunder sein, bevor es hell wird!“ „Und ich …“, hastig rappelte der Glöckner sich auf, „und ich kann wirklich gar nichts für dich tun?“ Esmeralda schenkte ihm ein warmes Lächeln. „Es genügt mir zu wissen, dass es neben den Zigeunern wenigstens eine Person hier in Paris gibt, die mir nicht feindlich gegenübersteht. Danke, Quasimodo!“, sie drückte ihm einen Kuss auf die Nase und verließ die Turmstube. Genauso lautlos wie sie gekommen war. Und Quasimodo? Der schlich zu seinem Lager. Genauso einsam, wie vor ihrem Besuch. Vielleicht würde er es ja schaffen, sich wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf einzuholen, bevor es wieder an der Zeit war sie zu läuten. Die Glocken Notre-Dames! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)