Eternal Mind von Flordelis (Lass mich nie mehr los) ================================================================================ Kapitel 7: Gespräche -------------------- Kalea musterte Salles skeptisch, noch während dieser dabei war, sich vorzustellen. Er konnte es ihr nicht verübeln, immerhin kehrten verschwundene Kinder selten mit seltsamen Fremden heim. Allerdings beschlich ihn das Gefühl, dass in ihrem Blick noch mehr lag als die pure Skepsis, was ihn als fragwürdigen Begleiter anging. Sie misstraute ihm aus einem anderen Grund, da war er sich sicher. Er hatte nur keinerlei Ahnung, was dieser sein könnte. „Ihr seid also derjenige, der meinem Sohn geholfen hat? Ich danke euch dafür.“ Höflich verneigte sie sich vor ihm, doch Salles winkte sofort ab. „Es gibt nichts zu danken. Landis war uns eine große Hilfe.“ Es war eine vollkommen ernstgemeinte Aussage, weit abseits von allen Schmeicheleien – der Empfänger wäre ohnehin nicht anwesend. Landis war gemeinsam mit Brant und Ruputna auf dem Weg zum Herrenhaus, um einer gewissen Lin einen Besuch abzustatten. Salles hatte sie gehen lassen, weil er es ohnehin besser fand, allein mit einer Einheimischen zu sprechen, besonders wenn sie so skeptisch eingestellt war. Er wollte herausfinden, was ihre Einstellung verursachte. „Ich habe schon gehört, dass er ein Shinken hat“, meinte Kalea, Unwille klang in ihrer Stimme, was Salles keineswegs entging. „Was stört Sie so sehr daran, dass Ihr Sohn ein Shinken führt?“ Sie zog ihre Stirn kraus, begann aber dennoch zögerlich zu sprechen: „Mein Mann, Landis' Vater...“ Salles wurde sofort hellhörig. Er wusste, dass der Junge sich nicht an seinen Vater erinnerte oder die Person kannte, die ihn gerettet hatte, weswegen beide für Salles immer ein- und dieselbe Person gewesen waren. Offenbar würde dieses Gespräch ihn darin bestätigen. „Die Aufgabe meines Mannes war eine sehr wichtige gewesen“, erklärte Kalea. „In unserer Welt gab es ein hochrangiges Shinken. Um es zu schützen, ließ mein Mann, ein Baumeister, einen Tempel errichten. Die innerste Kammer schützte er mit einem besonderem Mechanismus...“ Sie sprach nicht weiter, aber das musste sie auch nicht, denn Salles erinnerte sich noch sehr genau daran. „Er beeinflusste Landis' DNS nicht wahr?“ „DN... S.“ Sie wiederholte die drei Buchstaben nachdenklich, aber immerhin schienen sie ihr nicht vollkommen fremd zu sein. Schließlich nickte sie. „Ja, so hat er es genannt. Mein Mann kam aus einer anderen Welt müsst Ihr wissen, Sir Salles. Er wusste einiges mehr als wir alle.“ „Aus einer anderen Welt?“, hakte der Brigadeführer nach. Ein finsterer Gedanke reifte in ihm heran. Natürlich. Es gab nicht viele Arten, wie jemand einem anderen Menschen an der DNS herumpfuschen konnte. Man musste schon über sehr viel außergewöhnliches Können verfügen und das erreichte man nicht einfach so. Kalea nickte, er ging zu seiner nächsten Frage über: „Das Shinken, das in dieser Kammer aufbewahrt wurde, woher kam es?“ Herrenlose, hochrangige Shinken lagen selten einfach so herum und warteten darauf, dass jemand es fand, also musste jemand es in diese Welt gebracht oder es musste sich selbst einen Meister gesucht haben. „Wahrscheinlich aus der Welt meines Mannes, aber... ich weiß es nicht genau. Wir haben nicht oft über solche Dinge gesprochen. Ich weiß auch absolut nichts über seine Vergangenheit.“ Hilflos zuckte sie mit den Schultern. Sie wirkte eindeutig wie eine Frau, die nach unzähligen Ehejahren eben diese Feststellung machte: Nichts zu wissen. Mit Sicherheit kein sonderlich angenehmes Gefühl. Für Salles war es vollkommen unverständlich. Wie konnte man so eng mit jemandem zusammenleben und dennoch nichts oder kaum etwas über diese Person oder deren Vergangenheit wissen? Gebot nicht schon der gesunde Menschenverstand, dass man nicht mit einem quasi Fremden zusammenlebte? Sie schien seinen Gedanken zu erraten oder genau denselben im gleichen Augenblick zu haben, denn plötzlich lachte sie humorlos. „Lächerlich, oder? All die Jahre habe ich mit einem mir vollkommen Fremden zusammengelebt und ihn geliebt.“ Das letzte Wort erregte seine Aufmerksamkeit. Er lächelte. „Darauf kommt es doch letztendlich an, oder?“ Fragend blickte sie zu ihm, er fuhr fort: „Sie haben Ihren Mann geliebt und er Sie mit Sicherheit auch. Sie wussten nicht viel von ihm, aber dennoch liebten Sie ihn. Ihr Herz erkannte, dass er ein guter Mann war.“ Auch wenn diese Person möglicherweise einst mit bösartigem Willen in diese Welt gekommen war und auch wenn Landis als Schlüssel missbraucht worden war, dass niemand diesen Plan vereiteln könnte, so war Salles sich sicher, dass diese Frau unbewusst sein wahres Wesen erkannt und ihn deswegen geliebt hatte. Aber im Endeffekt blieben das alles Spekulationen ohne jede Grundlage. Salles kannte diesen Mann nicht, genausowenig wie dessen Pläne oder Beweggründe. Es war unnötig, darüber nachzudenken. „Ein schwacher Trost“, erwiderte sie bedrückt. „Besser als gar keiner. Übrigens fiel mir auf, dass Sie sich offenbar an Ihren Mann erinnern. Wie kann das sein? Landis erinnert sich nicht mehr.“ Erneut zuckte sie mit den Schultern. „Es ist normal, dass man einen Eternal vergisst, oder?“ Jedenfalls wurde mir das gesagt.“ Also wurde er zu einem Eternal! Ich wusste es! Salles frohlockte innerlich über seine richtige Vermutung, zeigte das jedoch nicht nach außen. „Das ist korrekt, aber Sie erinnern sich. Weswegen?“ Sie wandte den Blick ab, um zu zeigen, dass sie nicht darüber sprechen wollte. Für einen kurzen Moment verspürte er den Impuls, sie dazu zu drängen, doch er ließ es gut sein. Er kannte Frauen gut genug, um zu wissen, dass sie nicht sprachen, wenn sie es nicht wollten und wenn man versuchte, sie dazu zu drängen, neigten sie dazu, erst recht zum Schweigen, was auch ihr vollkommenes Recht war, wenn er darüber nachdachte. „Nun gut“, wechselte er das Thema, „vielleicht können Sie mir ja etwas anderes erklären.“ Sie sah ihn wieder an. „Landis sagte, diese Welt wäre zerstört worden – und an diesen Koordinaten dürfte sich eigentlich keine solche befinden. Dennoch sind wir nun hier. Wie kommt das?“ Er glaubte zwar nicht, dass sie etwas wusste, aber einen Versuch war es mit Sicherheit wert. Sie neigte den Kopf ein wenig. „Ich kann es nicht wirklich erklären, da ich es selbst noch nicht verstehe. Es tut mir Leid.“ „Schon gut“, sagte er. „Wir werden es schon selbst herausfinden.“ Da ihre Körperhaltung ihm das Ende ihres Gesprächs signalisierte, stand er wieder auf. „Es tut mir Leid, falls ich Sie gestört habe.“ Sie schüttelte mit dem Kopf, schwieg aber. Es schien ihm, dass sie noch etwas sagen wollte, weswegen er stehenblieb, doch eine plötzliche Geste von ihr, bedeutete ihm, dass er sich wieder hinsetzen sollte. Er tat es sofort, auch wenn es ihn ein wenig verwirrte. Gerade eben hatte sie noch eine ablehnende Haltung inne gehabt und nun schien sie tatsächlich noch reden zu wollen. „Wie geht es Landis bei dieser... Brigade?“, fragte sie. Ah, daher weht der Wind~ Sie wollte sichergehen, ob es Landis bei ihnen gut ging, um sich keine Sorgen machen zu müssen, wenn ihr Sohn weiterzog – wenn er das überhaupt tun würde. Bislang wusste Salles immerhin nicht, ob Landis nicht vielleicht doch lieber hier bleiben wollen würde. Der Brigadeführer würde das vollauf verstehen. Sollte er eines Tages seine Heimatwelt wiederfinden... andererseits gab es in seiner Welt mit Sicherheit niemanden mehr, der sich noch an ihn erinnerte. Nicht, dass er sich noch an etwas oder jemanden von dort erinnerte. Allerdings würde der Wegfall von Landis möglicherweise auch den von Ruputna bedeuten. Die Brigade schien immer weiter zu schrumpfen. „Mir scheint, er fühlt sich recht wohl“, antwortete Salles schließlich auf die Frage. „Für einige Mitglieder ist die Brigade so etwas wie eine Familie geworden.“ Immerhin besaßen die meisten von ihnen auch keine mehr. Nachdenklich blickte Kalea an die Wand. „Ist er dort auch sicher?“ „Sehr sicher sogar.“ Mit seinem grünen Mana brauchte Landis keinerlei Schutz, er war derjenige, der diesen bot und seine offensiven Fähigkeiten standen seinen defensiven in keinem bisschen nach. Er war ein äußerst zuverlässiges Mitglied, Salles war sich sicher, dass sein Fehlen die Brigade schmerzen würde. Sie schloss die Augen, offenbar deutlich erleichtert. „Das ist gut. Könntet Ihr mir etwas versprechen?“ „Mhm, was denn?“ Er machte nicht gern blind Versprechungen, das konnte zu unangenehmen Zwischenfällen führen. Für einen Moment schwieg sie noch einmal, als müsste sie erst ihren ganzen Mut aufbringen, um das Thema wirklich anzusprechen. Doch schließlich sah sie ihn entschlossen wieder an. „Wenn Ihr diese Welt wieder verlasst, nehmt Landis wieder mit. Egal, was er will, Ihr müsst ihn wieder mitnehmen.“ Salles runzelte seine Stirn. „Wollen Sie nicht, dass er bei Ihnen bleibt?“ „Ihr habt es vorhin selbst gesagt, diese Welt dürfte gar nicht existieren. Im Gegensatz zu Landis sind wir alle schon tot.“ Ihre Stimme und ihr Blick waren so düster, dass es Salles einen Schauer über den Rücken jagte. Für einen flüchtigen Augenblick glaubte er, einen Schatten hinter ihr wahrzunehmen, doch er war genauso schnell wieder verschwunden wie er aufgetaucht war, so dass der Brigadeführer ihn nicht genauer betrachten konnte. „Und genau deswegen solltet ihr alle bald wieder abreisen – und nichts von dieser Welt essen oder trinken.“ Er wollte fragen, was sie damit meinte, aber ihre gesamte Aura war in diesem Moment dermaßen abweisend, dass er sich nur noch wünschte, aus diesem Haus herauszukommen. „Gibt es sonst noch etwas zu besprechen?“, fragte er. Stumm schüttelte sie mit dem Kopf, ihr Blick war bereits wieder von ihm abgewandt. Salles stand noch einmal auf und verabschiedete sich von ihr. Es kam keine Erwiderung, aber damit hatte er ohnehin nicht gerechnet. Nach einem kurzen Nicken fuhr er herum und verließ das Haus. Draußen blieb er noch einmal stehen, da er einen plötzlichen Impuls von Great Wisdom kommend spürte. Es schien, dass das Shinjuu schon seit längerem versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen, obwohl er im Inneren des Gebäudes nichts gespürt hatte. Salles seufzte innerlich. Was konnte denn so wichtig sein? Was ist denn? Er lauschte den Worten seines Shinjuu und wurde blass, als ihm bewusst wurde, was das zu bedeuten hatte. Das darf nicht wahr sein. Er verwarf den Gedanken, Landis und Ruputna abzuholen und lief direkt los, um zurück zur Monobe-Akademie zu kommen und sich um dieses Problem zu kümmern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)