Eternal Mind von Flordelis (Lass mich nie mehr los) ================================================================================ Kapitel 1: Die Brigade ---------------------- „Landis~ Landis~“ Die Augenlider des Jungen zuckten, als er seinen Namen hörte, doch sie blieben geschlossen. Das Mädchen neben ihm betrachtete ihn dabei aus großen dunkelbraunen Augen, ihre Augenbrauen zeigten bereits, dass sie leicht genervt war. „Landis, wach endlich auf.“ Mit der Hand fuhr sie ihm ruppig durch das hellbraune Haar, aber auch das schien ihn nicht weiter zu stören. Er hob einfach die eigene Hand und versuchte sie damit wie eine lästige Fliege zu verscheuchen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, wie er bald feststellte, denn das stachelte ihren Ehrgeiz erst recht an. „Aufstehen, hab ich gesagt!“ Er reagierte weiter nicht auf ihre Worte. „Du hast es so gewollt~“ Sie stemmte ihren Fuß unter den Futon, eine kurze Bewegung und Landis rollte über den Boden bis er mit einem stumpfen Schmerzenslaut gegen die Wand stieß. „Ich habe dich gewarnt“, sagte sie dazu nur. „Steh endlich auf!“ Lautlos seufzend setzte er sich auf. Er rieb sich den schmerzenden Kopf. „Guten Morgen, Ruputna.“ Wütend sein konnte er nie auf sie, denn sobald er auch nur die ersten Anzeichen dafür zeigte, tat sie dasselbe, wie in diesem Moment. Sie kniete sich neben ihn, ein zuckersüßes Lächeln auf dem Gesicht, ihre Augen so groß und unschuldig, dass all ihre Schandtaten sofort verblassten. „Guten Morgen, Landis~“, flötete sie. „Gut geschlafen?“ „Ja, bis d-“ Schluckend hielt er inne, als er sah, wie sie androhte, in Tränen auszubrechen. Ihre Reaktion sorgte dafür, dass er sich selbst korrigierte: „Ich habe sehr gut geschlafen, danke.“ Glücklich lächelnd umarmte sie ihn. Er wusste, dass er sie eigentlich für dieses Verhalten zurechtweisen musste, aber er brachte es einfach nicht über sich. Wann immer er ihr zeigen wollte, dass er sich nicht alles gefallen ließ, schien sie das zu spüren und sah ihn mit diesen Blick an, der ihn immer an den des Hundewelpen erinnerte, den er als Kind besessen hatte. Selbst den Welpen hatte er nie erzogen bekommen, wie sollte er das mit einem Mädchen schaffen, das um einiges älter und viel sturer war? Langsam verstand er, wie seine Mutter sich gefühlt haben musste, wenn er selbst diesen Trick bei ihr angewandt hatte, um seinen Willen durchzusetzen. Allerdings war bei ihnen jemand anderes gewesen, dem nicht so einfach beizukommen war... er wusste nur nicht mehr, wer das gewesen war und wann immer er versuchte, darüber nachzudenken, bekam er heftige Kopfschmerzen, deren pulsierende Wellen selbst noch Stunden danach spürbar waren. „Gehen wir essen?“, fragte Ruputna lächelnd. Er hätte sogar zugestimmt, wenn er vollständig satt gewesen wäre. Hastig zogen die beiden sich an, bevor sie schließlich den Raum verließen, den sie sich teilten. Sie traten aus dem halbdunklen Zimmer auf einen erleuchteten Flur, der wie üblich blank poliert war. Die großen Fenster zeigten allesamt auf einen Sportplatz, der völlig normal zu sein schien – wenn man von den glühenden Wurzeln absah, die sich über diesen und die zugehörigen Gebäude zogen. Gemeinsam mit dem bunt schillernden Himmel waren sie das Zeugnis dafür, dass dies keine normale Schule war. Die Monobe-Akademie reiste seit mehreren Monaten, was allen Anwesenden wie Jahre vorkam, durch den Zeitbaum, von Welt zu Welt, um diese zu retten – oder sie einfach zu besuchen und etwas Interessantes zu lernen. Es gab so viele verschiedene Orte, kaum einer glich dem anderen, was jedem einzelnen in der Akademie gefiel und das Heimweh minderte. Der Großteil war freiwillig ausgezogen, um Abenteuer zu erleben, etwas, was Landis nicht wirklich verstand. Wäre seine Heimat nicht von Sharivar vernichtet worden, hätte er sich niemals auf so eine Reise gemacht. Allerdings hätte er dann auch nie Ruputna getroffen. Sein Blick ging zu dem Mädchen, das auf dem Weg zum Speisesaal die Wurzeln tätschelte, die sich auch durch das Innere des Gebäudes zogen und es so auf magische Weise mit Wasser sowie Strom versorgten. Ein Lächeln schlich sich dabei auf sein Gesicht. Vielleicht war es übertrieben, dass er gleich alles verlieren musste, um Ruputna zu treffen, aber andererseits hatte er noch viele andere Freunde dadurch gewonnen. Die Nekomata Eneko war durch die Ereignisse als sein Shugo Shinjuu erwacht und er hatte die Brigade getroffen, eine kleine Gruppe starker Shinken-Träger, die versuchten, Welten zu beschützen und dabei nach einem Mann namens Rogus suchten. Was Landis dabei am meisten verwunderte, was die Tatsache, dass sie alle Jugendliche waren, bis auf drei Ausnahmen. Sie betraten den Speisesaal. Bis auf einen besetzten Tisch war der Raum leer, aber die Gesellschaft an diesem Tisch sorgte für genug Leben für eine ganze Kompanie. Ein braunhaariges Mädchen mit zwei Zöpfen packte gerade den roten Pony eines ansonsten schwarzhaarigen Jungen, der sofort aufschrie: „Nicht mein rotes Haar, Thalia! Bitte!“ „Dann gib mir das Brötchen zurück, Sor!“, knurrte sie. Ohne etwas zu sagen reichte er ihr das Brötchen, worauf sie ihn sofort wieder losließ. „Was für eine grausame Behandlung“, sagte das rothaarige Mädchen am Tisch. „Komm bloß nicht auf die Idee, das bei mir zu machen, Satsuki“, brummte der Braunhaarige neben ihr. Lächelnd schmiegte sie sich an ihn. „Wie käme ich denn dazu, Nozomu-kun?“ Ihre Annäherung an ihn, führte bei drei anderen Mädchen am Tisch zu säuerlichen Gesichtern. „Du solltest ihn endlich essen lassen, Nozomu-chan wirkt schon so blass“, brachte diejenige mit dem moosgrünen Haar ihre Sorge zum Ausdruck. Das Mädchen, das die Jüngste der Gruppe zu sein schien und sowohl Ohren als auch Schwanz einer Katze an ihrem Körper trug, fuhr sich locker durch das lila Haar. „Andererseits hat heute Narukana gekocht, denk daran, Nozomi. Vielleicht ist es besser, wenn er nichts isst, ~jiyaaa.“ „Was soll das denn heißen!?“, empörte sich die Schwarzhaarige am Tisch. „Ich koche zufälligerweise sehr gut!“ Das Katzenmädchen warf ihr einen zweifelnden Blick zu, kam aber nicht mehr dazu, etwas zu sagen, da Landis und Ruputna sich dem Tisch näherten. „Du solltest Narukana nicht reizen, Naya“, sagte er dabei. „Sie sieht wieder einmal aus, als würde sie gleich explodieren.“ Die Schwarzhaarige wandte ihm zu. „Was war das!?“ „Und taub wird sie auch“, scherzte Sorluska. Doch bevor sie wieder eine wüste Drohung ausstoßen konnte, begannen die anderen am Tisch zu lachen, worauf sie schließlich miteinstimmte. Obwohl Landis noch nicht so lange dabei war wie die anderen, kannte er bereits die Macken jedes einzelnen Shinkenträgers an diesem Tisch. Der Gedanke daran brachte ihn erneut zum Lächeln, aber es war ein bitteres Lächeln. Fünf Mitglieder fehlten an diesem Tisch. Drei von ihnen hatten die Gruppe vor nicht allzu langer Zeit verlassen, die zwei anderen schienen keinen Hunger gehabt zu haben, zumindest bei einem war das sogar ein Normalzustand. „Ihr kommt heute ziemlich spät.“ Der braunhaarige Junge neben Landis mit dem roten Stirnband um seinen Kopf sah ihn lächelnd an. Doch bevor Landis etwas sagen konnte, ergriff Ruputna das Wort: „Landis wollte einfach nicht aufstehen, Subaru! Ich musste ihn rauswerfen.“ Der empörte Klang ihrer Stimme sorgte für eine weitere Lachsalve am Tisch. Satsuki klopfte ihr auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, Ruputna. Männer muss man sich zurechtziehen, damit sie auch das tun, was man will.“ Die anwesenden Jungen, außer Subaru, sahen die Schülersprecherin leicht gereizt an. „Ist das so?“, hakte Nozomu schließlich nach. Kichernd gab sie ihm einen Kuss. „Bei dir natürlich nicht. Du bist perfekt~ Aber wenn ich so an Zetsu zurückdenke...“ Augenblicklich wurde es still am Tisch. Sogar Narukana wirkte auf einmal bedrückt. Zetsu war einst ein Feind der Brigade gewesen, sein erklärtes Ziel: Seinen besten Freund Nozomu zu töten, um an die Macht des in diesem lebenden Gottes zu kommen und damit Rache für den Untergang seiner Heimatwelt zu nehmen. Der Plan war nicht aufgegangen. Nozomu hatte ihn nicht einfach aufgeben wollen und um ihn gekämpft, bis für Zetsu scheinbar keine andere Wahl geblieben und er ein Teil der Brigade geworden war. Doch nach ihrem letzten großen Kampf, der Schlacht gegen Sarosh, hatte er die Gruppe gemeinsam mit einem Eternal namens Shoubi no Leana wieder verlassen. Sie war kurz vor Ende der letzten Schlacht zusammen mit ihm plötzlich aufgetaucht. Nozomu, Satsuki, Narukana und der Brigadeführer schienen sie zu kennen, aber für jeden anderen blieb sie eine Fremde, weswegen niemand sie wirklich vermisste – den ebenfalls verschwundenen Zetsu dagegen schon. Nozomu ließ sich allerdings nur selten etwas anmerken. Er wirkte nicht wie jemand, dessen bester Freund sich möglicherweise Tausende von Meilen weit entfernt befand, sondern so als müsste er nur vor die Tür gehen, um ihn wiederzutreffen. Landis verstand nicht, wie Nozomu zu dieser Einstellung kam, aber es gab viele Dinge, die er an diesem Eternal nicht verstand. Dazu zählte die fast schon stoische Ruhe, die er an den Tag legte, wenn es um den Umgang mit Frauen ging und der grenzenlose Optimismus, den er ausstrahlte. Egal wie finster die Situation, wie stark der Feind, wie aussichtslos die Lage, Nozomu gab nie auf und gab den anderen Brigademitgliedern damit den Mut, den sie brauchten. In vielen dieser Situationen wäre Landis mit wehenden Fahnen untergegangen. Er war zu ruhig, zu zurückhaltend, nur selten, eigentlich nur wenn er glasklar im Vorteil war, zeigte er so etwas wie Überheblichkeit, um seinen Feind einzuschüchtern und damit seine Furcht zu überspielen. Auch wenn er ein Shinken trug, das Kämpfen lag ihm ganz und gar nicht, es widerstrebte ihm durch und durch. Falls er es doch einmal tat, dann nur, wenn es unausweichlich war, wenn es um Ruputna ging oder wenn sie lediglich gegen Lakaien kämpften. Auch wenn ihm selbst bei diesen emotionslosen Puppen immer wieder ganz anders wurde. Obwohl sie künstlich als Waffen geschaffen wurden, so lebten sie doch auch irgendwie... oder? Hastig schüttelte er die Gedanken wieder ab, um sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. „Lea wird bestimmt einige Probleme haben, Zetsu umzuerziehen“, meinte Satsuki schmunzelnd. „Ich weiß nicht“, erwiderte Nozomu langgezogen. „Wie ich ihn kenne, wird er sie um den Finger wickeln, so dass er eher sie umerzieht.“ Nozomi nickte zustimmend. „Er hat das immer geschafft, selbst wenn er es nicht wollte.“ Landis erinnerte sich ebenfalls an einen charismatischen jungen Mann, wann immer er an den äußerst beliebten Zetsu zurückdachte. Doch seine warme Stimme konnte innerhalb eines Augenblicks um unzählige Grade sinken, bis man glaubte, einem würden kalte Schauer über den Rücken laufen und seine blauen Augen könnten einen in einen Eisblock verwandeln – und genauso schnell schlug seine Stimmung auch wieder in die andere Richtung. Diese Unberechenbarkeit hatte eine gewisse Faszination auf Landis ausgeübt, diesen aber auch gleichzeitig auf Abstand gehalten. Landis war äußerst harmoniebedürftig, weswegen er den Umgang mit solchen Leuten eher vermied. Dafür hatte er ja Ruputna, die ebenfalls darauf erpicht war, gute Laune vorherrschen zu lassen, sie war eher traurig als wütend. Vielleicht war das einer der Gründe, warum er mit ihr zusammen war. „Katima hat da schon mehr Glück“, fuhr Satsuki fort. „Cynard ist schon perfekt erzogen.“ „Er ist auch ein Ritter“, sagte Naya mit zuckenden Ohren. „Erziehung ist in dem Fall wichtig.“ Katima war bis nach dem Kampf gegen Sarosh ebenfalls ein Mitglied der Brigade gewesen. Die wunderschöne und anmutige Königin war eine außerordentlich starke Kämpferin, die in der Manawelt auf den Ritter Cynard getroffen war, damals noch nicht ahnend, dass es der Beginn einer Liebesgeschichte sein sollte. Nach dem Kampf hatten beide die Entscheidung getroffen, in Katimas Heimatwelt zu gehen, wo ihr Volk sicherlich mit brennender Ungeduld auf sie gewartet hatte. Landis beneidete sie darum. Es gab keinen Ort, wohin er zurückkehren könnte, niemand, der auf ihn wartete... Bereits zum zweiten Mal an diesem Morgen warf er die finsteren Gedanken weit von sich, diesmal allerdings weil jemand den Saal betrat. „Fu fu fu~ Seid ihr immer noch am Essen?“ Sorluska und Thalia verzogen sofort ihre Mienen, als sie die amüsierte Frauenstimme vernahmen. Landis, der mit dem Rücken zur Tür saß, brauchte sich auch nicht erst umzusehen, um zu wissen, wer die Person war. Jeder am Tisch wusste es sofort. „Guten Morgen, Jatzieta-san“, grüßte Subaru höflich. Sie lächelte vergnügt. „Oh, guten Morgen, Subaru~ Schön, dich zu sehen.“ Kauend wandten Landis und Ruputna sich ihr ebenfalls zu, um ihr zumindest zu zeigen, dass sie ihre Anwesenheit bemerkt hatten. Er mochte ihr kurzes rotes Haar, das nicht ganz so grell war wie das von Satsuki und dessen Schnitt sie noch jünger als ohnehin schon erschienen ließ. Ihre karamellfarbenen Augen leuchteten mit einer inneren Wärme, die jeden in ihren Bann zog, solange sie nicht zweideutig grinste – was sie leider viel zu oft tat. Die leicht gebräunte Haut ließ darauf schließen, dass sie aus einer sehr warmen Welt stammte, ihr Ausschnitt lenkte den Blick stets auf ihren üppigen Vorbau, was sie äußerst genoss. Plötzlich setzte sie eine gespielt vorwurfsvolle Miene auf, mahnend hob sie den Zeigefinger. „Kinder, Kinder, hier solltet nicht immer nur hier herumsitzen und nichts tun. Ihr verliert ja noch eure Form.“ Die anderen rollten nur mit den Augen. Das Thema war für niemanden am Tisch neu. „Was sollen wir denn tun?“, fragte Nozomu. „Gegen imaginäre Lakaien kämpfen?“ Jatzieta lachte. „Ein guter Witz, Nozomu~ Fu, eigentlich bin ich hier, weil Salles euch sehen will.“ Sofort wurden alle wieder ernst. In den letzten Tagen hatte sich der Brigadeführer vollkommen von den anderen abgekapselt, versteckt hinter unzähligen Büchern und Berichten, bei denen Landis schon allein von den Titeln Kopfschmerzen bekam. Neugier flammte in jedem einzelnen auf. Wenn er sie sehen wollte, würde das bedeuten, es gab etwas Neues, vielleicht hatte er endlich das nächste Ziel ihrer Reise auserkoren. Der Gruppe war inzwischen egal, wie diese nächste Welt aussehen würde, Hauptsache, sie kämen mal wieder aus der Schule raus und würden etwas Neues sehen. „Ich wusste, dass euch das gefallen würde“, sagte Jatzieta grinsend. „Also kommt, Kinder~“ Die Behandlung gefiel den Anwesenden schon weniger. Nur widerwillig standen sie auf und trotteten der Ärztin in spe hinterher. Ruputna kaute während des Laufens weiter, Landis lächelte leicht – und bekam plötzlich von ihr die Hälfte ihres Brötchens gereicht. „Hier, du musst etwas essen~“ Er bedankte sich lächelnd, nahm es ihr ab und aß ebenfalls. Der Himmel jenseits der Fenster zeigte keinerlei Veränderung zu vorhin oder den letzten Tagen, nichts dort draußen ließ darauf schließen, dass sich der Wanderwal Monobe einem Ziel näherte. „Landis...“ Er hielt inne, als er seinen Namen hörte, ein seltsamer Impuls fuhr durch seinen Körper. Sein Blick ging zum Fenster, durch die Scheibe hindurch in den schillernden Himmel, den er wie hypnotisiert anstarrte. Die anderen blieben stehen und wandten sich ihm zu. „Was ist los, Landis?“ Er antwortete nicht, sondern sah stur weiter hinaus. Die anderen warfen sich fragende Blicke zu, doch bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, fuhr ein heftiger Ruck durch die Schule, direkt gefolgt von einem langgezogenen Schrei, der von dem Wal stammte, der die Schule auf seinen Rücken trug und dem Splittern von zerberstendem Glas. Der schillernde Himmel verschwamm vor seinen Augen und wurde schließlich von einem unbarmherzigen schwarzen Schleier bedeckt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)