Gladiator von Hotepneith (Ein Halbdämon und das Imperium) ================================================================================ Prolog: Vor langer Zeit ----------------------- Die Menschen verbargen sich zitternd in ihren bescheidenen Häusern, als das Dämonenheer durch die Strassen des kleinen Ortes zog. Das Ziel lag eindeutig bei der Burg, die ein Stück oberhalb erbaut worden war. Dort lebte der Herr – und dieser hatte die Tore vor den Fremden geschlossen, mehr aus Furcht, als dass er wirklich angenommen hätte, eine Armee des Imperators aufhalten zu können. Wie eine Lawine an Streitmächten waren die Dämonen mit ihren menschlichen Hilfstruppen aus dem Süden gekommen, hatten die hohen Berge überschritten und sich hier über das Land ausgebreitet. Oben auf der Burg blickten die Bewohner auch mehr als besorgt hinunter. Der Burgherr trat zu seinem Befehlshaber: „Sie kommen.“ „Ja, Herr. Und sie haben Belagerungsgerät dabei. Es wundert mich nur eines…“ „Was?“ „Seht doch. Sie ziehen einfach durch den Ort. Sie haben ihn nicht niedergebrannt, nehmen die Menschen dort nicht gefangen oder Ärgeres.“ Der Burgkommandeur blickte vorsichtig seitwärts: „Herr, darf ich Euch einen Vorschlag machen?“ „Du glaubst, wir haben keine Aussicht.“ Nun, wenn er selbst etwas vom Kriegshandwerk verstand, dann war klar, dass in nur wenigen Stunden seine Burg sturmreif sein würde. „Nur eine.“ „Ich soll mich opfern.“ Der Befehlshaber schwieg und blickte hinunter, wo sich das Dämonenheer nun formierte. Menschliche Hilfstruppen zogen die Belagerungsgeräte mit Hilfe von seltsamen Tieren – oder waren das auch Dämonen? Nein. So oder so würde die Burg nicht zu halten sein. Ergab man sich, bestand eine gute Aussicht, dass die Menschen hier ebenso wie die Dörfler am Leben gelassen wurden, wenn auch vielleicht als Sklaven verschleppt. Nur der Burgherr und seine Familie würden die Strafe des Siegers zu spüren bekommen. Ergab man sich freilich nicht, bedeutete das härtestes Kriegsrecht – und niemand hier wäre morgen noch am Leben. So, hieß es, handhabten es die dämonischen Heerführer des Imperators. Aber wer war schon sicher, wie ein Dämon reagierte. Ein rascher Seitenblick verriet ihm, dass auch die meisten seiner sonst so ruhigen Krieger zu beten begannen. Ein seltsames Wesen näherte sich der Burg: „Im Namen des Imperators!“ rief es – oder eher er, denn er war bewaffnet: „Öffnet die Tore der Burg und ergebt euch bedingungslos. In diesem Fall wird weder das Dorf zerstört noch dessen Bewohner getötet.“ Der Burgherr atmete tief durch, ehe er beide Hände an den Mund legte: „In diesem Fall…was geschieht mit den Bewohnern der Burg?“ „Solange noch kein einziger Pfeil flog, werden auch die Krieger als waffenlos behandelt. – Wenn man sie ohne Waffen antrifft.“ Der Kommandeur konnte eine gewisse Erleichterung nicht unterdrücken. Das klang so, als ob auch er selbst und seine Männer überleben könnten - falls sie sich entwaffneten, ehe die Dämonen die Burg betraten. Zumindest lauteten die Gerüchte, dass sich die Dämonen an ihre Bedingungen hielten. Sein Gebieter nickte ihm zu: „Dann geh zu deinen Männern und lass aufschließen.“ Er wandte sich wieder an den Boten: „Die Tore werden in diesem Fall geöffnet.“ Es blieb ja sowieso keine Wahl, war es doch seine Pflicht, seine Untergebenen zu schützen. Er konnte nur hoffen, dass sein eigener Tod rasch von statten gehen würde – und dass es ihm gelingen würde, für seine Frau und seine Tochter um Gnade zu bitten. Nur eine halbe Stunde später ließ sich der Heerführer der Dämonen auf dem Platz des Burgherrn in der Halle nieder, nachdem seine Krieger die Burg gesichert hatten. Der ehemalige Gebieter und seine engsten Mitarbeiter wurden vor ihn geführt und in die Knie gestoßen. Ein wenig neugierig betrachtete dieser den Sieger. Er hatte nie zuvor solche Dämonen gesehen, wie sie hier im Heer des Imperators dienten. Er kannte sie nur als unheimliche Wesen in den Wäldern und Bergen, die Menschen fraßen. Aber diese hier wirkten meist so…menschenähnlich. Der Kriegsherr vor ihm trug Rüstung, wenn auch schwerer, als er selbst es vermocht hätte. Nur das lange, zurückgebundene, schneeweiße Haar und die seltsam goldfarbenen Augen verrieten, dass er kein Mensch war. Allerdings hatte er auch noch keine derartige Kriegsbemalung bei einem seiner eigenen Art gesehen. Gezackte blaue Streifen zierten die Wangenknochen. Der Dämon lehnte sich nachlässig zurück und dem Burgherrn wurde klar, dass der Heerführer seine Angst bemerkt hatte. „Du willst Gnade?“ Die tiefe Stimme klang ruhig – und doch lag eine Spur Verachtung darin. In gewissem Aufbäumen seines Kriegerstolzes erwiderte der Burgherr: „Es ist meine Pflicht, meine Untergebenen zu schützen. Nur darum ließ ich die Tore öffnen. Der Befehl des Königs lautete, den Truppen des Imperators Widerstand zu leisten.“ „Nun, davon haben weder ich noch andere etwas bemerkt.“ „Das…das war, bevor wir wussten, was Dämonen sind.“ Zunächst hatten sie nur geglaubt, bei den Gerüchten, dass das Imperium von Dämonen beherrscht würde, handele es sich um Sagen, irreführende Botschaften, um Schrecken zu verbreiten. „Keine Gnade also für dich?“ Der Gefangene bemühte sich, seine Angst hinunterzuwürgen. Nur, wenn dieser Heerführer ihn für nicht feige hielt, würde er seiner Bitte vielleicht folgen: „Ich gab Befehl, Widerstand zu leisten. So werde ich auch die Folgen tragen. Doch bitte ich um Gnade für meine Familie.“ „Als da wäre?“ „Meine Frau und meine einzige Tochter…“ Er sah das Nicken des Kriegsherrn und war für einen Moment erleichtert, ehe er erkannte, dass das nicht ihm gegolten hatte, sondern einigen dämonischen Kriegern. Ohne weiter Nachzudenken, stöhnte er: „Herr….“ Der Heerführer hob die Hand als Warnung, lieber zu schweigen. Kaum jemand wagte es, die Tore zu schließen, wenn eine Dämonenarmee des Imperiums nahe rückte. Das sprach durchaus für diesen Menschen. Andererseits war es schon aus taktischen Gründen notwendig, keinen Widerstand zu dulden, ein Exempel zu statuieren. Mit gewissem Interesse betrachtete er Mutter und Tochter, die nur wenige Minuten später hereingeführt wurden, sichtlich in Todesangst. Ihm entging nicht, dass sie dennoch erleichtert waren, den Ehemann und Vater noch lebend vorzufinden sowie die anderen Menschen. Und vor allem entging ihm nicht die unleugbare Schönheit der Tochter. Nie zuvor hatte er ein menschliches Wesen getroffen, das so angenehm geduftet hatte, selbst in der Ungewissheit und Angst des Augenblicks. Ihre langen Haare fielen unglaublich dicht und fast wie lebendige Kohle über ihren Rücken. Für einen Moment fühlte er sich versucht, sie zu berühren. Es musste schön sein, sie unter seinen Händen zu spüren. Er wartete, bis sie vor ihm knieten, ein wenig erstaunt über die Milde, die allein dieser Geruch in ihm weckte. Er hatte viel Zeit und Mühe, selbst Intrigen darauf verwendet, dass die Armeen des Imperiums auch nördlich der hohen Berge vorstießen, die Handelswege hier sicherten. Und jetzt war er nahezu bereit, jeder Bitte zu folgen, die sie aussprechen würde? Das gab es doch fast nicht. War sie eine Hexe? Langsam sagte er zu dem Burgherrn: „Diese Burg hat uns die Tore geöffnet, doch zunächst sich nicht ergeben. Mein Wort gilt. Wer sich ergibt, bleibt am Leben, ebenso die Menschen dort in dem Dorf. Und dies gilt auch für deine Familie.“ Wie sie aufatmeten: „Dennoch: du hast den Befehl gegeben, die Tore zunächst zu schließen. Und so wirst du dafür sterben. Morgen früh, wenn der Tag beginnt, wird auch dein erster Tod von sieben beginnen.“ „Nein, Herr…ich flehe Euch an….“ Die Tochter warf sich vor, buchstäblich zu seinen Füßen, und legte die Stirn auf seine Schuhe. Er kannte von anderen Menschen diese Geste, unterwürfig und beschwörend zugleich, und reagierte nicht wie bei einem Dämon, der ihn unerlaubt berührte. Dieser hätte sich gleichzeitig in allen vier Ecken des Raumes wiedergefunden. Und da war auch dieser Duft… „Was?“ „Habt Erbarmen...“ Er spürte in sich die Versuchung aufsteigen, den Vater freizulassen – unmöglich. Er hatte eine Armee zu führen, noch dazu aus Dämonen, hatte einen Ruf zu verteidigen. Er konnte das Urteil abschwächen, ja, aber nicht ohne noch einmal vor seinen Männern und den Menschen seine Strenge, seine Härte zu zeigen. „Zahlst du dafür?“ Sie richtete sich etwas auf, sichtlich verwirrt. Ihre Eltern hatten eher begriffen, denn der Burgherr sagte hastig: „Schweig, Izayoi! Lieber sterbe ich...“ Ein Dämonenkrieger stieß ihn auf das Nicken des Heerführers zu Boden. Dieser musterte die Tochter: „Es ist mein Recht deinen Vater töten zu lassen. Nach dem Gesetz des Imperiums gilt er als Verräter und stirbt den siebenfachen Tod. Jeder, der ihm folgte, ist dem Tode ebenso verfallen.“ Er sah das tiefe Erschrecken in ihren dunklen Augen, aber er durfte nicht nachgeben: „Ich sehe jedoch, dass dein Vater seinen Irrtum bedauert. Immerhin gab er nach, ehe der erste Pfeil die Sehne verließ. So lasse ich alle Menschen in der Burg und im Dorf frei und am Leben. – Erscheint dir das nicht nachsichtig?“ Sie senkte den Kopf. Es waren kriegerische Zeiten und sie wusste wie jeder hier um die Gefahren. So fuhr er sachlich fort: „Aber ich bin heute in der Tat in milder Stimmung. – Richtet mir ein Gästezimmer. Und du kommst zu mir. Für jedes Mal, das du mir heute Nacht Vergnügen bereitest, wird dein Vater einen Tod weniger sterben.“ Er bemerkte das Feixen seiner Männer, die anscheinend nur zu gut wussten, dass selbst einer noch so geschickten Professionellen wohl sogar bei einem Hundedämon sieben Mal versagt bleiben würden, wie viel mehr einem ahnungslosen Mädchen. Die Menschen dagegen rangen nach Atem. Aber niemand wagte etwas zu sagen. Zu sehr war ihnen bewusst, dass dieser dämonische Kriegsherr Recht hatte. Sie alle waren eigentlich dem Tode verfallen und würden leben bleiben. Und so war das nur eine Sache des ehemaligen Burgherrn – und dessen Tochter. Der Heerführer stand mitten im Gästezimmer, als zwei seiner Krieger das Mädchen hereinführten und zu Boden stießen. Er nickte etwas: „Ihr könnt zu den anderen gehen.“ „Aber, es ist unsere Pflicht…“ „Mir zur gehorchen. Oder hältst du mich etwa für so schwach, dass ich nicht mit einem Menschenmädchen fertig werde?“ Das auch nur andeutungsweise zu bejahen hätte eine Abkürzung ins Jenseits beschert, das war den Kriegern klar. Überdies war es angenehmer bei den Kameraden am Feuer zu sitzen, als Wache vor der Tür zu schieben und sich anhören zu dürfen, wie sich allein der Herr amüsierte. So verschwanden sie eiligst. Der Kriegsherr wandte sich um und trat an das Fenster, hörte, wie das Mädchen hinter ihm unwillkürlich aufatmete. Seltsam, wie ähnlich sich Menschen und Tiere in dieser Beziehung waren. Entfernte man sich von ihnen, nahmen sie es als Zusage, dass man ihnen nichts tun würde. Jedem Dämon dagegen wäre klar gewesen, dass es vollkommen gleichgültig wäre, ob er einen Meter oder zehn von ihm wegstünde. „Izayoi“, sagte er und hörte, wie sie überrascht die Luft einsog. Hatte sie nicht damit gerechnet, dass er sich ihren Namen merken könnte? „Ich habe für das Imperium Kriege geführt, weit im Süden, im Osten und nun hier.“ Er blickte in die Dunkelheit: „Ich habe dabei viele Frauen beschlafen. Aber niemals habe ich eine mit Gewalt in mein Bett gezwungen, weder Dämon noch Mensch. Meine Aussage zuvor war notwendig, um unser beider Ruf zu wahren. Ich muss meine Dämonen unter Kontrolle halten und du nach meiner Abreise vor deinen Menschen sicher sein. – Du kannst dich dort ins Bett legen und schlafen oder so knien bleiben, das ist mir gleich. Ich verpfände dir jedoch mein Wort, dass dein Vater morgen einen leichten Tod haben wird.“ Sie sah zu ihm, musterte den langen, weißen Zopf, der über seinen Rücken fiel, die seltsamen Fellteile, die aus den Schultern seiner Rüstung zu wachsen schienen. Was sollte sie darauf sagen: „Herr, ich bitte Euch, treibt kein grausames Spiel mit mir.“ Und mit ihrem Vater. „Ich gab dir mein Wort.“ Er drehte sich noch immer nicht um. Fast zögernd erhob sie sich, um sich hinzulegen. War das nur eine Methode, um sie einfacher in sein Bett zu bekommen? Nein, entschied sie sich dann mutig. Dazu hätte er keinen Umweg nötig gehabt. Schon gegen einen Menschenmann hätte sie sich nicht zur Wehr setzen können, geschweige denn gegen einen Dämon – zumal, wenn dessen ganzes Heer in und vor der Burg lagerte. Was war das für ein seltsamer Mann? Sie dachte noch darüber nach, als sie durch eine gewisse seelische Erschöpfung und Erleichterung in einen Schlaf sank, der einer Ohnmacht ähnlicher war. Der Heerführer hörte ihre ruhigen Atemzüge, das gleichmäßige Schlagen des Herzens und wandte sich um, ging zum Tisch, um sich einen Stuhl zu holen, neben das Bett zu setzen und sie zu betrachten. Das schien ihm die angenehmste Möglichkeit zu sein, die Nacht zu verbringen. Manch einer aus dem Dämonenheer warf einen unabsichtlichen Blick empor zu dem Haupttrakt des Schlosses. „Er vergnügt sich“, fasste einer der Krieger zusammen: „Und wir dürfen weder die Weiber aus dem Dorf noch die im Schloss haben…“ „Versuchs doch.“ Ein Veteran zeigte im Lächeln seine Fangzähne: „Aber sag’s mir vorher, damit ich außer Hörweite komme.“ „Meinst du, er wird mich anschreien?“ „Eher umgekehrt.“ Und da der kriegserfahrene Dämon die neugierigen Blicke der meist jüngeren sah: „Es war im Osten, ich glaube in einer Stadt namens… ist ja auch gleich. Auch da galt striktes Plünderungsverbot und anderes. Ein…nun, ein sehr dummer Dämon hielt sich nicht daran und vergewaltigte die Tochter des Stadtfürsten, denen der Herr seinen Schutz versprochen hatte. Ich kam gerade dazu, als er ihn von dem schreienden Mädchen wegriss. Ihr Vater stand daneben und jammerte etwas von Vertragsbruch. Nur er selbst…“ Er sah unwillkürlich empor: „Beim Imperator! Nur er selbst blieb vollkommen ruhig. Er drückte den Krieger mit der Linken an die Wand und zeigte ihm kurz die rechte Klaue. Der begann zu betteln, zu flehen, um dann nur noch zu schreien. Der Herr hat ihn buchstäblich und sehr langsam tranchiert. Anschließend hielt er Truppenschau und meinte, noch immer sehr ruhig, dass, falls noch jemand Selbstmordgelüste hege, könne er es ihm sagen, allerdings bevor er ihn zum Wortbruch treibe. Huh. Ich wüsste nicht, dass noch einmal jemand so dumm war.“ „Schon gut. Wie heißt das Sprichwort so schön, was dem Imperator erlaubt ist, ist noch lange nicht jedem Ochsen erlaubt…“ „Über den Vergleich würde vielleicht sogar er lächeln.“ Sie fuhr empor, alarmiert durch das Gefühl, beobachtet zu werden. Mit klopfendem Herzen erkannte sie den Dämon neben dem Bett – aber immerhin nicht neben ihr. Dennoch warf sie einen forschenden Blick auf das Lager, was ihn zu einem Lächeln brachte. „Ich habe dich nicht angerührt. Du vertraust meinem Wort nicht.“ „Verzeiht…ich...ich bin nur so erschrocken.“ Schließlich wäre es äußerst unklug gewesen, ihn zu verärgern. Sie betrachtete ihn vorsichtig. Er lehnte vorgeneigt auf dem Stuhl, die Hände nachlässig zwischen den Knien baumelnd. Eigentlich sah er gar nicht so gefährlich aus, wie man es von Dämonen sagte. Und er schien auch ganz anders… „Ich habe dich angesehen.“ „Warum?“ fragte sie prompt. Solange er redete, würde er doch nicht…Nun, er hatte zwar gesagt, dass er nie Gewalt anwenden würde, aber das waren nur Worte. „Du bist schön. Es entspannt mich, dich anzusehen.“ Er wusste selbst nicht, warum er das zugab. „So...so habt Ihr keine Frau? Oder nur weit weg, in der Hauptstadt?“ „Ja.“ Sie nahm das als Beantwortung der letzten Frage: „Habt Ihr auch Kinder?“ Wie wohl so ein kleiner Dämon aussah? Seltsamerweise hatte sie nie zuvor daran gedacht, dass auch diese Wesen Kinder haben könnten. Wann hatte ihn das zuletzt jemand gefragt? Und dann auch noch in echter Neugier? „Einen Sohn.“ Sie war zum einen froh, dass er sich mit ihr unterhielt, zum anderen empfand sie unwillkürlich fast Anteilnahme: „Das muss dann schwer sein, nicht nach Hause zu können, immer im Krieg zu sein.“ „Das ist bei Dämonen etwas anders.“ War es das wirklich? „Wie alt ist denn Euer Sohn?“ „Bei Menschen würdest du ihn wohl auf vierzehn oder fünfzehn schätzen.“ Tatsächlich, er ließ sich von einem Menschenmädchen ausfragen, das er mit jedem Recht hätte töten können. Aber sie hatte etwas an sich….Nach Hause kommen, da hatte sie wohl an ihren Vater gedacht. Nein, selbst wenn er zu Frau und Sohn zurückkehrte, war das kaum ein herzlicher Empfang. So etwas gab es unter Dämonen nicht. Er sah auf seine Hände. Dort würde er sicher keine Entspannung finden. Sie betrachtete ihn wieder und erkannte, dass er wohl nicht mehr dazu sagen wollte: „Das tut mir Leid.“ „Was?“ „Dass Ihr keine richtige Familie, kein Zuhause habt. Auch, wenn Ihr ein Dämon seid…das ist etwas Schönes.“ Sie richtete sich etwas auf: „Darf ich aufstehen?“ Er war für einen Moment überrascht, ehe er begriff, dass er so nahe vor dem Bett saß, dass sie mehr oder weniger direkt an ihm vorbei hätte müssen. So rutschte er mit dem Stuhl etwas zurück, erkannte dann noch verblüffter, dass sie sich direkt vor ihm niederkniete und seine Hände betrachtete. Leise meinte sie: „Wollt Ihr mir etwas über Euren Sohn erzählen?“ „Er ist mehr der Sohn seiner Mutter. – Izayoi, ich versprach dir, nur mit deinem Willen zu handeln: darf ich dein Haar berühren?“ Sie war so verwirrt, dass sie es mit beiden Händen hochhob und wieder sinken ließ. Dieser Wunsch entsprach in keiner Weise dem, was ihre Mutter und die anderen Frauen ihr geraten hatten, um ihr wenigstens den Versuch zu ermöglichen, ihm siebenmal Vergnügen zu bereiten. Aber…nun, eigentlich war es schon ein wenig unschicklich, aber würde doch wohl kaum wehtun: „Ja.“ „Dann dreh dich um.“ Sie rutschte herum, spürte mehr, als sie es im Halbdunkel sah, dass er seine Knie spreizte, um ihr Platz zu lassen, es ihr zu ermöglichen, näher heranzukommen. Zögernd folgte sie der stummen Aufforderung, spürte dann, wie seine Finger sanft über ihr Haar strichen, mit einer Strähne spielten. Das gefiel ihm? Ihr fiel es immer schwerer, Angst vor ihm zu haben. Vater würde morgen sterben, ja, aber der Kriegsherr hatte ihr doch versprochen, dass er leicht sterben würde… „Euer Sohn ist mehr der seiner Mutter? Mehr….ein Dämon?“ „Ich bin auch einer.“ „Kalt?“ versuchte sie zu verdeutlichen, was sie meinte. „Wenn du mich in einer Schlacht siehst, würdest du daran nicht zweifeln…“ Er strich behutsam über ihren Kopf, sich nicht bewusst, dass er auf sie im Augenblick kaum kalt wirkte. Zu angenehm war der so nahe Duft, jetzt sogar ohne Furcht, das Gefühl unter seinen Fingern. „Daran zweifle ich nicht. Ich meinte….ohne den Wunsch nach einem Zuhause?“ „Ich weiß es nicht.“ „Dann zeigt es ihm.“ Er war so verblüfft, dass er im Streicheln innehielt: „Was?“ „Was ein Zuhause ist. Von wem sollte er es denn sonst wissen, wenn er es nicht von seiner Mutter lernen kann.“ Sie wagte es….Aber sie hatte Recht und so wickelte er nachdenklich eine lange Strähne um seine Linke, als er erstaunt spürte, dass sie seine rechte Hand mit ihren Fingern berührte. Neugierig werdend überließ er sie ihr. Ihr Mitgefühl hatte in diesem Moment die Oberhand gewonnen. Er war allein, sehnte sich nach einem Zuhause, das ihm weder Frau noch Sohn gaben…Ein wenig schüchtern und zugleich neugierig betrachtete sie im Halbdunkel die Hand, die in ihren beiden lag. Es war eine Klaue, die Krallen eines Dämons. Und sie war sicher, dass er sie damit in Stücke reißen konnte, ohne sich auch nur anzustrengen. Dennoch…ja, dennoch ruhte diese schreckliche Klaue jetzt in ihren Händen, fast müde, wie ein kleiner Vogel im Nest. Ohne weiter nachzudenken hob sie sie und drückte einen sanften Kuss auf seine Handinnenfläche. „Izayoi!“ Es war fast wie ein heiseres Flüstern. Er musste sich zusammennehmen, um ihr nicht zu zeigen, welche Glut diese Geste in seinen Lenden auslöste. Aber sie hatte sein Wort. Und er konnte ihre Wärme ihr nicht mit brutaler Gewalt vergelten. Sie gab seine Hand frei, erschreckt, ob sie ihn verärgert hatte. Unwillkürlich senkte sie den Kopf, spürte zu ihrer Erleichterung sofort wieder seine Finger, die sanft ihr Haar beiseite strichen. Er betrachtete kurz ihren Nacken, ehe er sich vorneigte und seine Lippen darauf drückte. Er spürte ihr Erstarren, dann jedoch, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte – und nicht aus Furcht. „Izayoi….“ Mühsam kämpfte er um seine Selbstbeherrschung. Sie ahnte nichts davon, aber sie hörte ein Gefühl in seiner Stimme, das sie in eine ungeahnte Spannung versetzte: „Herr…?“ „Ich…ich möchte dich küssen.“ Sie spürte, wie sie rot wurde. Aber ihr war auch klar, dass sie diesen Wunsch kaum abschlagen konnte – und auch nur wollte. So murmelte sie, ein wenig verlegen: „Tut, was Ihr wollt….“ Er zog sie empor, als er aufstand und drehte sie um, betrachtete sie im Halbdunkel, erkannte ihre unwillkürliche Verlegenheit: „Keine Furcht…“ meinte er leise, als er sie umarmte. Sie schloss die Augen. Und dann war alles plötzlich ganz einfach. And love is a stranger, who´ll beckon you on, Don´t think of the danger or the stranger is gone This dream is for you, so pay the price, Make one dream come true – you only live twice. Nancy Sinatra ********************************** Im nächsten Kapitel beginnt unsere Geschichte und ein Mönch aus dem Osten des Imperiums lernt einen echten Halbdämon kennen... bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)