Get Out Alive von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: єяωαятє ∂αѕ υиєяωαятєтє ---------------------------------- Nachdem ihr euch alle wiedergefunden hattet, war klar, was als Nächstes zu tun war. Ihr musstet dieses Dorf so schnell wie möglich verlassen, denn hier wart ihr nicht sicher. Zwar wart ihr nirgendwo innerhalb des eingezäunten Gebiets wirklich sicher, aber alles war besser als diese Anlaufstelle für Untote. „Wenn wir uns hinter den Häusern halten, müssten wir es unbemerkt aus dem Dorf schaffen“, sagte Tsuna unbehaglich. Wahrscheinlich hätte er sich lieber weiterhin in diesem Haus versteckt und einfach gehofft, dass jemand kam, um euch zu retten, oder dass die Zombies sich mit der Zeit schlicht in Luft auslösten – aber beides erschien dir recht unwahrscheinlich. In dem Flur war es inzwischen eng geworden, als Takeshi aus dem Wohnzimmer zurückgekehrt war, in dem er einen kurzen, bestürzten Blick auf Lambo geworfen hatte. Hibari hatte sich daher in die Küche zurückgezogen. „Na dann“, sagte Ryohei in seinem typischen Eifer (du hattest keine Ahnung, wie er den nach all den Geschehnissen noch aufrecht erhalten konnte), „gehen wir los!“ Er schlug mit der rechten Faust in die linke Hand und zuckte kaum merklich zusammen. Du sahst ihn aufmerksam an. „Bist du verletzt?“ „Was?“ Sein Blick schnellte hoch und er ließ die Hände hinter seinem Rücken verschwinden, was ungewohnt bei ihm aussah. „Nein. Ich hab mir nur das Handgelenk ver... oder angestaucht. Keine Ahnung. Ist nicht weiter schlimm. Ich bin extrem hart im Nehmen!!“ Du blinzeltest. „Oookay?“ Solange er keine offenen Wunden hatte, in die das Blut oder der Speichel oder sonst irgendeine Körperflüssigkeit der Untoten gelangt sein konnte, war alles gut. Zwar waren seine Hände und Arme noch voll Blut, doch wenn es nicht sein eigenes war, gab es nichts zu befürchten. Und er hatte gesagt, er habe sich nur das Handgelenk angestaucht. Keine offene Wunde. Keine offene Wunde bedeutete keine Infektion. Kurz fragtest du dich, ob du selbst es den anderen sagen würdest, wenn du wüsstest, dass du infiziert bist. Sicher würdest du. … Oder? Oder? „Und wie kommen wir hier raus?“, fragte Takeshi und unterbrach damit deine immer beklommener werdenden Gedanken. Ihr saht ihn an. „Aus dem Haus, meine ich.“ Niemand wollte ansprechen, dass ihr immer noch keinen Plan hattet, wie ihr aus der ganzen Situation herauskommen solltet. „Es war fast unmöglich für Gokudera und mich gewesen, reinzukommen. Rauszugehen – auch noch mit so vielen – wird durch Vordertür fast unmöglich sein.“ „In der Küche gibt es ein Fenster“, antwortetest du. „Tsuna und Ryohei sind dadurch reingekommen.“ Tsuna nickte und fuhr sich wieder mit der Hand über die Stirn, als er sich an den unvorbereiteten Kontakt mit dem Fensterrahmen erinnerte. Du warst ihm ein entschuldigendes Lächeln zu. Er erwiderte es halbherzig und sagte: „Dann müssen wir wohl durch das Fenster, ja. Ähm, was ist mit...“ Er sah unglücklich zum Türrahmen, durch den man ins Wohnzimmer gelangte. „Ihn mitzunehmen, würde uns nur unnötig aufhalten, Juudaime“, warf Gokudera unvermittelt, aber bemüht ruhig ein. „Es würde ihm eh nicht mehr, helfen...“ Tsuna schluckte und sah zu dir. Du wusstest natürlich, dass Gokudera Recht hatte. Eine Kinderleiche mit sich herumzuschleppen, wenn man auf der Flucht vor unbarmherzigen menschenfressenden Zombies war, war alles andere als hilfreich. Du konntest sehen, wie Takeshi unbehaglich das Gewicht von seinem gesunden Bein auf das geschiente verlagerte, nur um heftig zusammenzuzucken und das Gesicht zu verziehen. Er und Ryohei schienen sich gänzlich aus der Sache raushalten zu wollen und du spürtest, dass die Entscheidung letztendlich an dir hängen blieb, auch wenn jeder im Raum wusste, dass sie eigentlich schon längst gefallen war. „Lasst mich nur... lasst mich ihn nur noch einmal sehen“, murmeltest du, schobst dich an Tsuna vorbei, der zwar die Hand hob und den Mund öffnete, dich aber dann doch passieren ließ. Er konnte dir nicht das Recht nehmen, den Kleinen zumindest ein letztes Mal zu sehen. Sein Kopf schmerzte. Verdammt, wo war er...? Grummelnd richtete er sich auf. Anscheinend befand er sich in einem Raum... bei sich zu Hause. Okay, das war beruhigend. Nein, Moment – das war es nicht. Warum hatte er in seinem eigenen Heim offenbar bewusstlos auf dem Boden gelegen? Irgendetwas war passiert, irgendetwas... Und dann kam die Erinnerung zurück. Der Angriff. Er war niedergeschlagen worden. „Scheiße“, entfuhr es ihm. Seine eigene Stimme dröhnte in seinen Ohren und ließ seinen Kopf schmerzen. „Fuck“, fluchte er, jetzt leiser. Er fuhr sich unruhig durch die Haare und griff nach dem Telefon. Du wusstest nicht, was du davon halten solltest. Es war einfacher gewesen als gedacht, durch das Fenster und dann hinter den Häusern entlang aus dem Dorf zu kommen. Inzwischen lag es einige hundert Meter hinter euch, und zu eurer Linken befand sich der Zaun. Ihr hattet beschlossen, an ihm entlang zu gehen und zu hoffen, ein zweites Tor oder irgendetwas anderes zu finden, was euch weiterhalf. Die Landschaft hier sah nicht aus wie die, die ihr bei eurer Ankunft durchquert hattet. Vor euch befanden sich kaum noch Bäume; nur weite, grüne Felder, deren hohes Gras in einer Brise wehte. Die Sonne stand tiefer, es musste bereits Nachmittag sein. Wieder hattest du das trügerische Bild einer idyllischen, friedlichen Gegend vor Augen – dann tratest du aus Versehen auf den Arm eines toten Mannes, der im Gras lag. Fliegen stoben auseinander und mit einem angeekelten Laut sprangst du zur Seite. „Alles okay?“, fragte Tsuna besorgt, der neben dir ging. Du schütteltest den Kopf und sagtest: „Ja.“ Tsuna sagte nichts zu diesem Gegensatz und zog dich stumm von der Leiche weg. Hibari ging ganz vorne, in so großer Entfernung, dass du Angst hattest, ihr könntet ihn zwischen den teils hüfthohen Gräsern aus den Augen verlieren. Als Nächstes kamen du und Tsuna, Gokudera, Takeshi und ganz hinten Ryohei. Er hatte etwas von extremer Rückendeckung gesagt. Je mehr du darüber nachdachtest, desto undurchsichtiger schien es zu werden. Du warst bei Lambo gewesen und hattest eine Decke über ihn gelegt, in der Hoffnung, dass er so nicht von den Untoten gefunden wurde und es ihm erspart blieb, dass sie seinem Körper etwas antaten. Und da war dir etwas aufgefallen. Der Vongola-Ring, der sonst immer aus dem Wirrwarr seiner Haare hervorgeragt hatte, war weg. Widerwillig und mit zitternden Fingern hattest du danach gesucht. Da waren Bonbons gewesen, Kekse, eine Figur aus einem Überraschungsei. Aber kein Ring. Jemand hatte den Vongola-Ring an sich genommen. Und du wusstest nicht, was das bedeutete. Zwei Ringe hatte er. Das war nicht gerade zufriedenstellend, wenn man bedachte, dass es sein Auftrag war, alle sieben zu beschaffen. Er hätte wirklich nicht gedacht, dass sie alle so lange durchhalten würden. Er hätte es doch tun sollen. Als er überlegt hatte, einen von ihnen eigenhändig loszuwerden, hätte er nicht zögern dürfen. Wenn er sich jetzt verriet, hatte er sie alle auf einmal gegen sich und das konnte er nicht zulassen. Sterbt doch endlich, dachte er wütend, doch seine Miene verriet nichts. Sterbt, damit ich von hier abhauen kann. Er würde auf einen günstigen Moment warten und dann seine Maske fallen lassen. Seine Geduld war am Ende. Ganz allmählich schien sich der Himmel orange zu färben. Fast alle Wolken waren verschwunden und es wurde kühler. Du konntest sehen, wie Tsuna neben dir ein wenig fröstelte. Seine Jacke lag ja wahrscheinlich immer noch auf Chromes Leiche. Chrome. Jetzt, da du über sie nachdachtest, wurde es immer deutlicher. Jedoch wolltest du es einfach nicht glauben. Du weigertest dich. Keiner deiner Freunde könnte so etwas tun. Dennoch. Ihr wart die Einzigen 'lebenden' Menschen hier. Wenn man davon ausging, dass jemand Chrome absichtlich gegen den Zaun geschubst hatte, musste dieser Jemand einer von... Du schütteltest den Kopf und sahst dich um. Hibari war jetzt kaum noch zu sehen. Tsuna blickte sich unruhig um, erwartete wahrscheinlich jede Sekunde einen weiteren Angriff. Gokudera und Takeshi sahen dich an, als du dich zu ihnen umdrehtest. Gokudera hob die Augenbrauen, während Takeshi sich Mühe gab, dir ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen. Es klappte ganz gut. Und Ryohei... Er schien abwesend, als sei er in Gedanken an einem völlig anderen Ort. Als er und Tsuna durch das Fenster hineingekommen waren, war er kurz mit Lambo alleine im Wohnzimmer gewesen. Anschließend war Tsuna hineingegangen. Kurz darauf Gokudera und dann Takeshi. Alle alleine. Außer Hibari hatte jeder die Möglichkeit gehabt, den Ring an sich zu nehmen. Nein, nein. Wieder schütteltest du den Kopf und sahst wieder stur nach vorne. Keiner von ihnen würde so etwas tun. Aber die Fakten sprachen für sich. Nach diversen Telefonaten spürte er seine Kopfschmerzen kaum noch. Italien. Was zur Hölle taten sie dort? Irgendetwas stimme da nicht. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Das Freizeichen unterbrach sich mit einem knackenden Geräusch und eine Stimme sagte: „Ciaossu.“ „Reborn!“, rief er erleichtert aus, was prompt seine Kopfschmerzen deutlich verschlimmerte. Egal. Wenigstens Reborn hatte er erreichen können. Hastig begann er, dem Arcobaleno die Situation zu schildern. „Da vorne ist eine Scheune“, verkündete Tsuna mit heiserer Stimme. Er räusperte sich und streckte den Arm aus, um auf ein hölzernes Gebäude vor euch auf der rechten Seite zu zeigen. „Seht ihr?“ „Ja“, kam es von den anderen. „... Und?“, fragtest du nach einer Weile zögernd. Tsuna kratzte sich an der Wange. „Na ja, ich dachte, vielleicht könnten wir eine Pause einlegen... Wir sind immerhin bestimmt schon eine Stunde unterwegs.“ Er warf einen Blick über die Schulter und du warst sicher, dass er diesen Vorschlag vor allem wegen Takeshi gemacht hatte, dem das Gehen immer schwerer zu fallen schien, auch wenn er sich nicht beschwerte. Gokudera zuckte mit den Schultern. „Meinetwegen.“ „Eine Pause klingt extrem gut!“, rief Ryohei. Yamamoto sagte nichts, lächelte aber dankbar. „Ich gehe es Hibari sagen“, sagtest du und liefst los, ohne auf Tsunas Proteste zu achten. Du wusstest nicht warum, aber Hibari war der Einzige, dem du nicht zutrautest, dass er der Verräter war. Wahrscheinlich lag es daran, dass er ohnehin nicht das geringste Interesse an den Ringen hatte und er würde niemals jemanden töten, indem er ihn in einen Elektrozaun schubste. Wo blieb denn da dann der Spaß? Er drehte sich nicht einmal um, als du ihn aufholtest und schließlich keuchend neben ihm zum Stehen kamst. „Wir gehen... in die Scheune...“, brachtest du schwer atmend hervor und stützest dich mit den Händen auf deinen Oberschenkeln ab. Hibari hob fragend die Augenbrauen, woraufhin du mit einer Hand auf das besagte Gebäude wiest. „Die anderen brauchen ein Pause. Besonders Takeshi. Kommst du?“ Einen Moment lang dachtest du, er würde sich einfach abwenden und weitergehen, aber dann schlug er stattdessen den direkten Weg zur Scheune ein und ließ dich damit alleine mitten im Feld stehen. „Hey – warte!“, riefst du verärgert und stolpertest hinterher. „Ich würde nicht so laut sein“, merkte er kühl an. „Sonst lockst du sie an. Und ich hasse es, wie sie immer plötzlich in Mengen auftauchen.“ Deine Mundwinkel zuckten. Das war ja wieder klar. Hibari hatte nicht etwa etwas gegen die Zombies, weil sie Menschen töteten und sie fraßen – er hatte etwas gegen sie, weil die 'Herdentiere' waren. Allerdings ließt du dir selbst nicht die Zeit, dich darüber zu amüsieren. Ihr würdet vielleicht zwei Minuten lang alleine sein, bevor ihr gleichzeitig mit den anderen in der Scheune ankamt. „Jemand hat Lambos Ring geklaut“, begannst du ohne Umschweife. „Und das mit Chrome war bestimmt kein Unfall. Ich glaube...“ Du atmetest tief durch. „Ich glaube, einer von den anderen macht uns etwas vor.“ Die Vermutung schien auf einmal viel durchdringender, viel greifbarer, nachdem du sie laut ausgesprochen hattest. Du schaudertest. Hibaris Blick war wie immer undefinierbar. „... Und wer?“, fragte er schließlich, mit Blick auf Tsuna, Gokudera, Yamamoto und Ryohei, die in einigen Metern Entfernung parallel zu euch durch das Gras zur Scheune gingen. Du sahst ihn ein wenig überrascht an. Was hattest du erwartet? Dass er dir widersprach? Dass er dir sagte, dass du deinen Freunden vertrauen solltest? Oh ja, das klang wirklich nach etwas, was Hibari sagen würde. „Ich weiß es nicht“, gabst du zu. „Ich auch nicht“, gab er zurück, den Blick immer noch nicht von ihnen abwendend. „Für mich sehen sie aus wie immer, aber es sind deine Freunde.“ Du hobst die Augenbrauen ein wenig, als er hinzufügte: „Also musst du wissen, wer sich anders verhält.“ Er schien besonders interessiert an der ganzen Sache. Wahrscheinlich war es ihm tatsächlich relativ egal. „Ryohei war auf dem Rückweg merkwürdig-“, setztest du an. Hibari, heute anscheinend ungewöhnlich gesprächig, unterbrach dich mit tonloser Stimme. „Er ist infiziert.“ Deine Augen weiteten sich. „Was?“ Aber Hibari sagte nichts mehr dazu und du hattest keine Zeit mehr, nachzufragen, denn ihr hattet das große, weit offenstehende Tor der Scheune erreicht. „Sind nicht mal Leichen hi-“, begann Ryohei, verstummte aber, als er im Matsch rechts neben dem Eingang etwas liegen sah, was wohl mal zwei Kinder gewesen waren. Viel war von ihnen nicht übrig. Ihr saht euch um, in der Erwartung, ihre Angreifer gleich irgendwo zu sehen, doch diese waren wahrscheinlich nach ihrem kleinen Snack ins Dorf zurückgekehrt. Hibari war mal wieder derjenige, der voranging. Er betrat die Scheune ohne Zögern, sah sich kurz um und verschwand dann nach links ins Innere aus deinem Blickfeld. Du sahst zu, wie Ryohei, Gokudera und Takeshi folgten und beobachtetest jede ihrer Bewegungen genau. Einer von ihnen... Einer von... ihnen... „_____?“ Tsuna legte eine Hand auf die Schulter und du gabst einen erschrockenen Laut von dir. „Tsuna! Ich – äh – lass uns auch reingehen.“ Obwohl sein Blick besorgt war, nickte er und betrat die Scheune. Du folgtest langsamer. Er konnte es nicht sein. Du hattest dir ins Gedächtnis gerufen, dass er bei dir gewesen war, als ihr Chrome gehört hattet. Ihr hattet sie gemeinsam gefunden. Er konnte es nicht sein. Er konnte nicht. Aber etwas schien von innen gegen deine Schädeldecke zu pochen und dich fast wahnsinnig zu machen. Zu viele Gedanken, zu viele Ängste, Verwirrung... Chaos. Einer von ihnen hat Chrome getötet. Einer von ihnen hat Lambos Ring genommen. Wahrscheinlich ist derjenige dafür verantwortlich, dass wir hier sind. Dass Lambo... Nein. Nein, nein, nein, nein, „Nein!“ Ehe du dich versahst, hattest du die Waffe aus deiner Jackentasche gezogen. Die Szene vor dir schien einzufrieren. Hibari, der es sich links von dir auf einem Heuballen gemütlich gemacht hatte, hob nur die Augenbrauen ein Stück. Tsuna war bei deinem Ausruf herumgefahren und stand jetzt vor dir, starrte dich mit großen Augen an. Takeshi stand ein Stück hinter ihm und stützte sich an der Wand ab. Auf seinem Gesicht war jetzt nicht die Spur eines Lächelns zu sehen. Gokudera rechts neben ihm wirkte entgeistert; Ryohei, der noch weiter rechts und näher an dir stand, klappte die Kinnlade herunter. „_____, was...“, begann Tsuna vorsichtig. „Wir haben einen Verräter unter uns“, sagtest du laut und warst überrascht über deine eigenen Worte. Sie kamen aus deinem Mund, ohne dass du über sie nachdachtest. „Also. Wer von euch ist es?!“ Deine Stimme hallte schrill durch die heruntergekommene Scheune. „Beruhige dich“, sagte Tsuna und ging sachte, mit langsamen Schritten auf dich zu. „Sie werden dich hören...“ „Wir gehen doch sowieso alle drauf“, zischtest du, jedoch mit wesentlich leiserer Stimme. Die Pistole in deiner Hand zitterte, als du sie drohend anhobst. Wenn die Untoten kamen, würdest du bei weitem nicht genug Kugeln haben, um sie alle fernzuhalten. Ganz abgesehen davon, dass du schlecht zielen konntest. Wahrscheinlich hättest du es eh wieder nicht über dich gebracht, tatsächlich auf einen Menschen zu schießen. „Das werden wir nicht“, erwiderte Tsuna ernst und näherte sich dir weiterhin langsam. Dein Blick war auf sein Gesicht gerichtet, die Waffe auf sein Herz. „Wir werden das hier überleben.“ Ihm lagen noch weitere Worte auf der Zunge, 'Wenigstens wir.', doch er konnte es nicht sagen. Er schluckte. „Bleib stehen.“ Tsuna gehorchte, hielt etwa zwei Meter vor dir inne, die Hände wie zur Abwehr gehoben. Eine Träne lief über deine Wange, obwohl du dich nicht wirklich traurig fühltest. In diesem Moment fühltest du gar nichts. Nur diese... Verwirrung. Du zittertest, während die anderen noch immer regungslos dastanden. Die untergehende Sonne in deinem Rücken, die durch das Scheunentor fiel, zog deinen Schatten in die Länge. „Es kann nur einer von euch sein.“ Und jetzt zitterte auch deine Stimme. „Ihr habt es selbst in dem Raum gesehen; wir sind die Einzigen hier, die noch wirklich am Leben sind. Und irgendjemand hat... Lambos Ring genommen.“ Du sahst die verwirrten Blicke der anderen. Einer von ihnen tat nur so. Doch wer? „Und ich bin mir sicher, dass diese Person auch... Chrome...“ Deine Stimme versagte. Tsuna, Takeshi, Ryohei und Gokudera sahen dich entsetzt an. Hibari beobachtete das Ganze, als hätte er absolut nichts damit zu tun. „Keiner von uns könnte so etwas tun“, sagte Takeshi und trat einen Schritt vor, zuckte wieder aber vor Schmerzen zusammen. „Sei still!“, riefst du und richtetest die Waffe jetzt auf ihn. „Einer von euch ist es. Ich weiß es!“ Doch dieser Ausruf war zu laut. Links neben dir drehte sich Hibari auf seinem Heuballen um und spähte hinaus. Seine Worte ließen dir förmlich das Blut in den Adern gefrieren. „Sie kommen.“ „Scheiße“, fluchte Gokudera leise. „Siehst du, was du angerichtet hast?“ Schon war die Waffe in deiner Hand auf ihn gerichtet. Du wolltest dich nicht umdrehen, konntest aber das entfernte Brüllen und Heulen der hungrigen Untoten hören. „I-Ist mir egal“, erwidertest du in einem Anfall von Sturheit. Tsuna setzte erneut an, etwas zu sagen, um dich zu beruhigen – und davon abzuhalten mit einer geladenen Schusswaffe herumzufuchteln -, kam aber nicht zu Wort, weil Ryohei plötzlich einen Schmerzensschrei von sich gab und auf die Knie sank. Deine Augen huschten zu Hibari, dann wieder zu Ryohei zurück. Er hatte Recht gehabt. Ryohei musste infiziert worden sein, als ihr ihn mit Tsuna alleine gelassen hattet. Hoffentlich war Tsuna nicht auch... Aber nein. Tsuna sah im Gegensatz zu Ryohei recht gesund aus, obwohl seine Augen vor Grauen weit aufgerissen waren. Sein Blick sagte dir, dass auch er wusste, was mit dem Älteren geschah. Ryohei. Fluchte, hustete und schlug mit der Faust auf den heubedeckten Boden. Du gingst vorsichtig ein paar Schritte näher an ihn ran. „Nicht“, sagte Tsuna leise, schien aber selbst zu verängstigt, um sich auch nur zu regen. „Ich muss“, murmeltest du. Das Brüllen im Hintergrund wurde lauter. Wir gehen alle drauf. Wenn du es schon nicht bei Lambo geschafft hattest, wolltest du zumindest Ryohei diese Qualen ersparen. Du richtetest die Waffe auf seinen Kopf, doch er wand sich jetzt vor Schmerzen. Du konntest nicht zielen. Deine Hände zitterten. Takeshi wich zurück, während Gokudera stocksteif stehen blieb und euch beide anstarrte. Du zieltest auf Ryoheis Brust, da stöhnte er wieder vor Schmerzen auf, hob den Kopf und sah dich an. „Mach schon! Beeil dich!“ „I-Ich...“ Tränen liefen über deine Wangen. Deine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. „Ich kann nicht...“ Wieder schrie er auf, dann sackte er zusammen. Die Zombies kamen näher. Dein Kopf fuhr herum, du sahst zu Hibari, doch er saß immer noch auf dem Heuballen, zu weit weg, um dir die Waffe abzunehmen und es für dich zu tun. Wieder sahst du auf Ryohei hinab. Du hattest nur noch Sekunden, bevor er wieder aufstand, ohne Persönlichkeit und hungrig. Du musstest es jetzt tun. Du hattest es schon einmal nicht tun können, doch wenigstens jetzt... Dein Finger um den Abzug rührte sich nicht. Ich kann nicht. Ein tiefes, bedrohliches Knurren erfüllte die Scheune, und langsam richtete sich das, was einmal Ryohei gewesen war, auf. Seine Augen waren blutunterlaufen, der Blick starr. Das da war nicht mehr dein Freund und Schulkamerad. „Schieß!“, rief Tsuna verzweifelt. „Tu es!“, sagte Takeshi laut. „Du musst!“ Der Klang seiner Stimme ließ den Ryohei-Zombie, der sich jetzt aufgerichtet hatte, den Kopf nach rechts drehen – wo Gokudera stand. Mit einem angriffslustigen Brüllen stürzte er sich auf Gokudera. Mehrere panische Rufe erfüllten die Scheune, Hayato schien etwas aus seiner Tasche zu ziehen und dann – ein Knall. Etwas spritzte in dein Gesicht und du hattest auf einmal einen metallischen Geschmack im Mund. Ryoheis Körper fiel abermals zu Boden, diesmal endgültig. Er hatte eine Schusswunde im Kopf. Tsuna und Takeshi sahen zu dir, doch du blicktest nur kurz auf die Waffe in deinen Händen und dann auf Gokudera. Du hattest nicht abgedrückt. Langsam wanderten die Blicke der beiden anderen ebenfalls zu Gokudera. Tsuna schnappte nach Luft, als er sah, dass sein Freund eine Pistole in Händen hielt. Eine unbehagliche Stille hätte die Scheune erfüllt, wären da nicht die näherkommenden Zombies gewesen. „W-Woher hast du eine Waffe?“, fragte Tsuna entgeistert und starrte Gokudera an. Für dich jedoch stellte sich diese Frage nicht. „Er ist es“, sagtest du zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Du bemühtest dich, nicht auf den Boden zu sehen, wo Ryohei lag. Du hattest das Gefühl, vollkommen den Verstand zu verlieren, wenn du auch nur einen Blick auf ihn riskiertest. Erst jetzt wurde dir bewusst, dass das, was dir da gerade ins Gesicht gespritzt war, Ryoheis Blut gewesen sein musste. Der Gedanke ließ dich würgen und du hattest wieder diesen metallenen Geschmack auf der Zunge. Dein Mund war halb geöffnet gewesen, als das Blut in dein Gesicht gespritzt war. Keine Zeit, darüber nachzudenken. „Er ist der Verräter“, sagtest du und hobst die Handfeuerwaffe ein Stück, um sie auf seine Brust zu richten, obwohl es dir fast lächerlich vorkam. Alle hier wussten, dass du es niemals über dich bringen würdest, abzudrücken. Gokuderas Mund war zu einem schiefen Grinsen verzogen, als er seinerseits die Waffe hob und auf dich richtete. „So sieht's aus“, sagte er höhnisch. „Ich bin der große Bösewicht. Ich habe Chrome in den Zaun geschubst und ihren und Lambos Ring genommen. Und jetzt“ Er ging langsam, fast lässig zu Ryoheis leblosem Körper, „nehme ich mir auch seinen Ring.“ Dir hatte es glatt die Sprache verschlagen. Ja, du warst diejenige gewesen, die überhaupt erst darauf gekommen war, dass es einen Verräter unter euch geben musste. Ja, du hattest ihn eben sogar selbst als solchen bezeichnet. Aber dennoch wolltest du es nicht glauben. Gokudera? Ausgerechnet Gokudera? „Warum?“ Tsunas Stimme war absolut ruhig, als er fragte. Seine Kopf war gesenkt und seine Augen unter seinem Pony nicht erkennbar. „Warum tust du das, Gokudera?“ Gokudera blieb stehen und schnaubte. „Wegen des Geldes.“ Er beobachtete interessiert, wie Tsuna dir mit langsamen, aber zielstrebigen Bewegungen die Waffe aus den Händen nahm. Du ließt ihn gewähren, zu verstört, um es überhaupt richtig wahrzunehmen. „Und was kommt jetzt?“, fragte Gokudera spöttisch. Tsuna hob die Waffe, dann den Kopf. Der Blick in seinen Augen erinnerte stark an den Dying Will Mode. Gokudera lachte auf. „Was, willst du etwa auf mich schießen? Auf deinen besten Freund? Komm schon, wir wissen beide, dass du das nicht kannst.“ „Geh von ihm weg“, erwiderte Tsuna, ohne auf seine Worte einzugehen. Er hielt die Waffe jetzt einhändig im Anschlag und zielte auf Gokuderas Brust. Sein Gegenüber zog die Augenbrauen zusammen. „Du meinst es ernst, hm? Egal, ich hab keine Zeit, mich mit solchem Kinderkram zu beschäftigen-“ Du sahst, wie sich Gokuderas Zeigefinger um den Abzug anspannte hörtest einen Knall. Doch es war nicht Tsuna, der zu Boden ging. Es war Gokudera. Er blickte ungläubig, sank auf die Knie und starrte auf seine Brust, wo sich der Stoff seines Shirts langsam rot färbte. Er öffnete den Mund, blieb aber stumm und kippte vornüber. Als du Tsuna ansahst, bemerktest du, dass er sich so stark auf die Unterlippe biss, dass sie zu bluten anfing. Vorsichtig legtest du eine Hand auf seinen rechten Arm. Er begann zu zittern und ließ die Pistole fallen. Gokudera lag neben Ryohei am Boden. Takeshi stand noch immer reglos einige Meter entfernt und starrte die beiden Körper an, schien sie aber nicht wirklich zu sehen. „Ich hätte nie gedacht, dass Gokudera...“, murmeltest du leise. „Das war nicht Gokudera“, erwiderte Tsuna. Seine Stimme klang merkwürdig hart. Als würde er sich sehr anstrengen, sie so klingen zu lassen. Deine Augen weiteten sich. Du wolltest fragen, was er meinte, doch dann sahst du aus den Augenwinkeln, dass sich Gokudera – oder der, den du für ihn hieltest – zu verändern begann. Es war, als würde sich Nebel auflösen und nach ein paar Sekunden lag dort am Boden an Gokuderas Stelle ein junger Mann mit braunem, kurzen Haar. Er lag zwar auf dem Bauch, aber sein Gesicht war zu euch gewandt und du warst dir sicher, dass du es noch nie in deinem Leben gesehen hattest. Du blicktest in die glasigen, leeren Augen eines Mannes, den du noch nie zuvor gesehen hattest. „Was geht hier vor?“, fragte Takeshi leise, doch diese Frage konnte ihm niemand beantworten. Im Gegenteil. Je länger du darüber nachdachtest, desto mehr Fragen taten sich in deinem Kopf auf. Wo war der echte Gokudera? Warum war dieser Mann hier gewesen und warum hatte er sich als Gokudera ausgegeben? Jedenfalls war dir jetzt klar, warum Chrome ihn am Flughafen so zögernd begrüßt hatte. Wenn er nur durch eine Illusion getarnt gewesen war, hatte sie es wahrscheinlich gespürt. Aber damit kamen wieder neue Fragen auf. War der Mann selbst ein Illusionist? Oder hatte jemand anders für ihn sein Äußeres verändert? Erst, nachdem die Anspannung innerhalb der Scheune ganz allmählich nachzulassen schien, fiel es dir wieder ein – Die Zombies! Sofort fuhrst du herum, beinahe in der Erwartung, einen von ihnen direkt vor der Nase zu haben, der nur darauf gewartet hatte, dass du ihm deine Aufmerksamkeit schenkst – was du allerdings tatsächlich sahst, war fast schon noch verstörender als die Zombies. Du hattest das unzusammenhängende Geschrei im Hintergrund bis gerade eben den Untoten zugeordnet. Doch eben da lagst du falsch. Es gab noch andere menschliche Wesen, die sich offenbar nur brüllend verständigen konnten. „VOOOOOIII!“ Deine Kinnlade klappte runter, als du die Szenerie vor dir sahst. Das gesamte Feld vor dir war voller Zombies. Allerdings fielen diese nacheinander und in einer beeindruckenden Geschwindigkeit zu Boden, während sich die Mitglieder der Varia... austobten. Sie schienen wirklich Spaß dabei zu haben, die ganzen Untoten abzuschlachten, daher fandest du diesen Begriff sehr passend. Während Squalo, Belphegor, Leviathan und Lussuria (der Boss war wohl zu Hause geblieben) also munter Menschen enthaupteten oder direkt zerstückelten und sich dabei ab und zu gegenseitig in den Weg kamen und sich dann anschrien („VOOOI! Aus dem Weg!“ - „Der Prinz hat diesen Bereich für sich beansprucht, Trottel. Geh woanders hin.“ - „Geh du doch woanders hin!“ - „... Nein.“ - „VOOOOII!“ - „Halt die Klappe.“ etc.), kam Reborn mit einer Art Minihubschrauber über die Köpfe der brüllenden Menge hinweg auf euch zugeflogen. „Reborn!“ Du warst überrascht zu hören, wie brüchig Tsunas Stimme auf einmal klang und als du ihn ansahst, musstest du feststellen, dass er Tränen in den Augen hatte. Anscheinend dachte er, dass jetzt, da Reborn da war, alles gut werden würde. Hoffentlich hatte er Recht. Reborn lächelte nicht, als er vor euch auf dem Boden landete. „Zum Glück haben wir euch gefunden“, sagte er ernst. „Wo sind die anderen?“ Takeshi war inzwischen auch zum Eingangstor gekommen, Hibari beobachtete euch von seinem Platz aus. Kurz antwortete keiner, dann war es Tsuna, der die Stimme erhob. „Lambo ist tot. Chrome auch. Und Ryohei... auch. Wir wissen nicht, wo Gokudera ist. Da ist ein Mann, der war als er getarnt...“ Reborn, dessen Gesicht mit jedem Satz, den Tsuna sprach, finsterer geworden war, hielt ein Mobiltelefon hoch. „Gokudera ist hier. Am Telefon.“ Erstaunt nahm Tsuna das Handy entgegen und hielt es sich ans Ohr. „H-Hallo?“ „Juudaime!!“ Selbst ohne Lautsprecherfunktion und trotz des Lärms, den die Varia und die Zombies machten, konntest du Gokuderas aufgeregte Stimme hören. Es war merkwürdig, wo du ihn doch gerade noch für tot gehalten hattest. „Juudaime, oh mein Gott, zum Glück geht’s dir gut! Dir geht’s doch gut?“ Tsuna hielt den Hörer ein Stück von seinem Ohr weg, weil Gokudera so laut war. Dennoch war der Anflug eines erleichterten Lächelns auf seinem Gesicht zu sehen. „Ja... Ja, mir geht’s gut. Wo bist du?“ „In Namimori!“ Gokuderas Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. „Man hat mich in meiner eigenen Wohnung niedergeschlagen! Und als ich aufgewacht bin, musste ich feststellen, dass ihr alle nach Italien geflogen seid, wegen solcher komischen Briefe – die waren gefälscht, Juudaime! Zum Glück konnte ich dann Reborn erreichen, er hat alles rausgefunden und die Varia mitgenommen, um euch zu retten und Verde müsste jetzt gerade schon von den Leuten von dem Vindice abgeführt werden-“ „Moment, Moment, Moment“, unterbrach ihn Tsuna, als Gokudera Luft holte, um weiterzureden. „Wer hat die Briefe gefälscht? Und – was hat Verde damit zu tun? Was hat Reborn rausgefunden?“ Ein lautes „VOI!“ war zu hören, als Squalo den letzten zwei Zombies gleichzeitig die Köpfe abschlug. Er und die anderen drei Varia-Mitglieder standen jetzt inmitten eines wahren Meers von Leichen und waren mit Blut bespritzt – und du musstest zugeben, dass sie einfach cool aussahen, wie sie dort im Licht der untergehenden Sonne standen. Na ja, zumindest so lange, bis Belphegor Levi einen Zombie-Arm an den Kopf warf, weil ihm langweilig wurde. Gokudera redete indes schon wieder weiter. „Also das Dorf, in dem ihr seid, da wurden so Experimente durchgeführt. Mit irgendeinem Virus. Dann ist es aber außer Kontrolle geraten und man hat alles abgesperrt, damit sie nicht rauskommen. Das ganze war illegal und lief unter Verdes Aufsicht, der den fertigen Erreger des Virus' wohl ans Militär verkaufen wollte oder so.“ Tsuna runzelte die Stirn und drückte die Lautsprechertaste, weil Gokudera sich allmählich zu beruhigen schien und seine Stimme leiser wurde. „Und irgendjemand aus der Mafia-Welt hat ihm den Auftrag gegeben, dich und deine Famiglia zu beseitigen, Juudaime... Und zwar, indem ihr mit den Infizierten eingesperrt werdet. Derjenige ist anonym geblieben, hat das Ganze aber wohl durch Kameras verfolgt.“ Du erinnertest dich an den weißen Raum. Wer konnte nur so pervers sein, sich das freiwillig ansehen zu wollen? „Ich sollte im Voraus ausgeschaltet werden, damit jemand meinen Platz einnehmen kann, der für Verde die Ringe stiehlt. Die wollte er anscheinend für sich behalten. Aber sie haben ihre Arbeit nicht richtig gemacht – ich lebe noch! Ha! Oh und Reborn wurde auch im Zuge dieses Plans nach Süditalien gerufen, damit er nicht die Briefe sieht und erkennt, dass sie gefälscht sind. Ziemlich blöd eigentlich, denn so konnte er, sobald ich ihn kontaktiert hatte, die Varia mobilisieren. Ach und der Typ, der meinen Platz eingenommen hat – anscheinend hat Mammon ihn per Illusion verkleidet. Gegen Geld, natürlich. Apropos, was ist mit dem Typen? Du hast ihn doch sicher schnell durchschaut, oder, Juudaime?“ Tsuna blickte zu Boden, das Gesicht ausdruckslos. „Ich habe ihn erschossen.“ Eine Weile war es still am anderen Ende der Leitung. Ein Rascheln war zu hören, als würde Gokudera sich unruhig bewegen. Du sahst zu den Varias hinüber, sie sich inzwischen lautstark auf Italienisch stritten. Du hattest keine Ahnung, worum es ging, aber ihre Blicke waren mörderisch – was jedoch nichts Neues war. „Ich nehme an, du hast getan, was getan werden musste“, erklang Gokuderas Stimme schließlich aus dem Mobiltelefon. „Übrigens, wie geht es den anderen? Ich höre gar nicht diesen idiotischen Schreihals im Hintergrund.“ Du nahmst Tsunas freie Hand und strichst mit dem Daumen über seinen Handrücken. Es war alles, was du jetzt tun konntest, wenn er ein weiteres Mal das Unvermeidliche aussprechen musste. Verde wurde binnen der nächsten halben Stunde von den Leuten der Vindice verhaftet, wie Reborn euch wissen ließ, nachdem er ein paar Telefonate geführt hatte. Der Unbekannte, der das Ganze in Auftrag gegeben hatte, blieb bislang unbehelligt, aber Reborn war zuversichtlich, dass er ihn bald ausfindig machen würde. Es war erstaunlich, wie viele Quellen Reborn zu haben schien, dass er euch so schnell finden und Verdes Plan hatte aufdecken können. Mammon übrigens war entkommen. Tsuna schien das alles egal zu sein. Nachdem er Gokudera die schlechten Nachrichten übermittelt hatte, schienen ihn all seine Kräfte zu verlassen. Sein Blick war starr und leer, als er wenig später in einen der beiden Hubschrauber stieg, die gekommen waren, um euch und die Varia abzuholen. Während es in dem Helikopter der Varia recht chaotisch zuzugehen schien, war es in eurem beinahe totenstill. Niemand wollte reden. Was hättet ihr auch sagen sollen? Alles, was ihr jetzt noch von euren Freunden hattet, waren die Ringe, die ihr dem Mann abgenommen hattet, der sich als Gokudera ausgegeben hatte. Nach einer Flugzeit, die dir wie eine Ewigkeit vorkam, wurdet ihr bei einem Hotel abgesetzt, in dem ihr euch waschen und andere Kleidung anziehen konntet. Einige Passanten starrten euch an, doch keiner von euch achtete darauf. Es war egal. Alles war egal. Nachdem ihr wieder einigermaßen sauber und umgezogen wart, traft ihr euch in der Lobby wieder. Die anderen waren schon da, als du sie betratest. Du sahst Tsuna auf dem Sofa und setztest dich neben ihn. „Hey.“ Es war ein schwächlicher Versuch, fröhlich zu klingen. Du fühltest dich schlecht und dir war kalt, aber du führtest das auf deinen mentalen Zustand zurück. Tsuna sah auf, sagte aber nichts. Seine Augen waren trüb. Yamamoto, der auf dem Sofa gegenüber saß und endlich einen vernünftigen Gips um sein Bein bekommen hatte, hatte einen ganz ähnlichen, leeren Blick. Zwar war Hibaris Blick auch leer, aber das war normal. Du fragtest dich, wie er sich wohl wirklich fühlte. Schließlich war es selbst bei ihm unmöglich, dass ihn die Geschehnisse des heutigen Tages vollkommen kalt gelassen hatten. „Will irgendjemand was trinken?“, fragtest du leise in die Runde. „Ich hätte gern ein Glas Wasser“, erwiderte Takeshi und schaffte es tatsächlich, zu lächeln. Du bewundertest ihn dafür. Hibari reagierte gar nicht erst und Tsuna schüttelte kaum merklich den Kopf. Du seufztest und standest auf. „Okay, bin gleich wieder da.“ An der Rezeption angekommen batest du um zwei Gläser Wasser und wurdest an die Bar verwiesen, die sich hinter einer Glastür befand. Während du dort am Tresen standest und wartetest, sahst du dich um. Ein paar wenige Leute saßen da, redeten friedlich mit einander... Der Schmerz kam ganz plötzlich. Er durchzuckte dich wie ein Blitz und ließ dich reflexartig die Beine anziehen, sodass du zu Boden fielst. Du schriest auf und nahmst nur am Rande wahr, wie Menschen auf dich zugelaufen kamen, besorgt fragten, was mit dir los sei. Du konntest nicht antworten. Dein ganzer Körper fühlte sich an, als würden tausende glühend heiße Nadeln in deinen Muskeln stecken. Ich sterbe, dachtest du, wandtest dich am Boden und schmisst einen Stuhl um. Die Leute wichen zurück. Ich werde sterben. Doch gleichzeitig wusstest du, dass es nicht so war. Wenn die Schmerzen aufhörten, würdest du nicht tot sein – sondern untot. Körperflüssigkeiten. Blut. Der Schuss. Ryoheis Blut in deinem Mund. Du hattest es gewusst. Noch ein letzter, langgezogener Schrei entfuhr deiner Kehle, brach dann abrupt ab und hinterließ dröhnende Stille in der Bar. Dein Körper erschlaffte. Langsam näherten sich die Menschen dir wieder, vorsichtig und mit besorgten Blicken. Sie waren erleichtert, als du die Augen wieder öffnetest. Du hingegen fühltest dich nicht erleichtert. Du fühltest dich hungrig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)