23 days - L's Last Note von StarlightsMarti ================================================================================ Kapitel 3: Trotzhandlungen -------------------------- 04: Trotzhandlungen Marti staunte nicht schlecht als sie sich am frühen Abend in ihr Zimmer begab und auf ihrem Bett das Death Note liegen sah. „Wo kommt das denn jetzt her?“ fragte sie sich verwirrt und nahm es an sich. Sie betrachtete es aufmerksam und blätterte darin herum. Alle Seiten waren nach wie vor unbeschrieben, mit Ausnahme jener, auf der sie Akibas Namen geschrieben hatte. „Seltsam!“ meinte sie leise zu sich: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Muse es mit sich genommen hat!?“ Ihr PC war seit gestern Abend, als sich die Tragödie mit Akiba abgespielt hatte, immer noch angeschaltet. Sie hatte außerdem vergessen, ihren Instant Messager offline zu setzen, weswegen nun nach all den vielen vergangenen Stunden so einige Nachrichten von verschiedenen Bekannten und Freunden von ihr eingegangen waren. Nun begab sie sich an ihren PC und schaute die ganzen angestauten Nachrichten erstmal in Ruhe durch. Das Death Note legte sie dabei neben ihren Monitor auf den PC-Tisch. Es hatten sie sechs verschiedene Kontakte angeschrieben. Die meisten waren dabei allerdings eher nach reinem Smalltalk gesinnt und in den Nachmittagsstunden vermutlich aus Langeweile auf der Arbeit abgeschickt worden. Jedoch gehörte einer von ihnen nicht dazu: Yukozuna Mattori, ein guter Freund aus der Nachbarstadt Yokohama. Der liebte die Faulheit und die Finanzierung durch den Staat. Er dachte nicht mal daran, sich um Arbeit zu bemühen. Sein Leben lang saß er auf der faulen Haut; hatte mit knapper Not seinen mickrigen Hauptschulabschluss mit einem Durchschnitt von 4,3 geschafft und danach nichts Neues mehr in Angriff genommen. Ihm hätte eine weiterführende Schulbildung, oder die Wiederholung seiner letzten Klassenstufe, sicher erheblich gut getan, jedoch war er sich für all das zu schade. Er hatte nämlich gemerkt, dass seiner einer von dem Geld, das ihm durch den Staat zusteht, bestens leben kann. – Wozu also selber malochen gehen? Und wenn man ihm mal einpaar mögliche Arbeitsstellen ausschrieb, um die er sich kümmern sollte, so hielt es ihn dort zumeist nie lange, denn er fand stets Gründe, sich dort wieder zu verdrücken. Seine Ausrede hieß dann jedes Mal: „War nix für mich! Kein gutes Betriebsklima!“ So ließ er sich also Tag ein Tag aus durchfüttern, machte selber keinen Finger krumm und gammelte stets faul und reichlich „wohl genährt“ in seinem Zimmer rum und zockte seine geschätzten Fantasy-Spiele an seinem PC. Für ihn hatten diese mittlerweile so was wie einen Ersatz für die Realität eingenommen; er saß nahezu permanent vor seinem Bildschirm und mied allmählich immer mehr seine realen Kontakte. Marti hatte mit ihm sogar mal eine Zeit lang Funkstille gehabt, weil es ihn derartig in seine „tolle neue Welt“ verschlagen hatte. Mittlerweile bestand jedoch wieder der Kontakt zwischen den beiden. Natürlich versuchte auch Marti immer wieder, ihn davon zu überzeugen, endlich mal was aus sich und seinem Leben zu machen, jedoch stets ohne Aussicht auf Erfolg. Yukozuna verharrte aus tiefster Überzeugung auf seinen Standpunkt. Deswegen hatte er es sich auch schon mit dem größten Teil seiner einstigen Freunde verscherzt. Nur Marti war ihm bisher immer eine „treue Seele“ geblieben. Dies wusste er leider auf bitterste Weise auszunutzen. Er begehrte Marti und das wusste sie, schaute jedoch auch darüber jederzeit hinweg und tat alles daran, ihm immer eine gute Freundin zu sein. Allerdings fühlte sie sich dabei zu häufig alles andere als wohl, wenn er wieder einmal mit seinen notlüsternen Nachrichtsattacken, die er ihr andauerend per E-Mail oder SMS schrieb, auf die Barrikaden ging. Sie verhielt sich darauf dann zumeist unterschiedlich: Mal ignorierte sie die und versuchte krampfhaft, ein neues Thema einzulenken; manchmal wiederum, wenn es ihr seelisch mal wieder besonders arg zusetzte, dass Akiba für sie sexuell nicht großartig viel übrig hatte und sie sich diesbezüglich nach Bestätigung sehnte, nicht unattraktiv zu sein, ließ sie sich sogar darauf ein und startete so manch „anregende Unterhaltung“ mit ihm, wenn auch er sie körperlich kein bisschen entzückte. Wie bereits angesprochen, war Yukozuna sehr beleibt und obendrein ziemlich ungepflegt. Nein, auch Marti hatte schon ihren gewissen Geschmack, aber in der Not frisst der Teufel nun mal Fliegen, wie es so schön heißt... Marti sah Yukozuna online als sie gerade jene Nachricht von ihm gelesen hatte, die da hieß: „Hi du. Na, wie geht’s? Wann hättest du mal wieder Zeit etwas zu machen?“ Marti schrieb ihm eine Antwort: „Die Ereignisse überstürzen sich grad etwas. Mein Freund ist letzte Nacht sehr plötzlich verstorben!“ Sie zögerte keine Sekunde, ihm das so offen und direkt zu schreiben. Ziemlich zügig antwortete Yukozuna: „Aha. Dann bist du also jetzt frei?! Dann kann ich dich ja bestimmt nun öfter sehen und bei dir übernachten?“ Marti fühlte sich von Yukos aufdringlichem Gehabe mal wieder ziemlich überrumpelt, wie so oft schon. Zwar brauchte sie, was Akibas Tod anging, wirklich kein sonderliches Mitgefühl, aber dennoch nervten sie Yukos Manieren; seine überaus dreckige, egoistische Art, die absolut nicht wundern ließ, dass er auf dem letzten Loch pfiff und keine Arbeit fand, wenn er sich darum denn wenigstens mal bemüht hätte... „Danke für dein Mitgefühl!“ schrieb Marti ironisch. Er darauf: „Was soll ich da groß schreiben? Er war ein Arschloch! Nach alledem, was du mir immer über den erzählt hast... Jetzt komm schon, wollen wir mal wieder telen und es uns am Hörer machen?“ Wieder einmal war so ein Zeitpunkt gekommen, an dem Marti ihn zu ignorieren beliebte. Sie ging auf keine weiteren eingehenden Nachrichten von ihm mehr ein. Diese wurden im übrigen auch immer nerviger: „Ich könnte dich jetzt anrufen! Hab grad sturmfrei und ich bin geil!“, „Noch da? Hab Lust, es dir zu besorgen!“, „Welche Stellungen könntest du dir vorstellen?“, und so ging es immer weiter. Diese Obszönitäten wurden von Marti immer wieder nur genervt weg geklickt. Marti wurde langsam zornig. Sie fühlte sich von diesem notgeilen Fettsack regelrecht ausgenutzt und sie bereute es merklich, dass sie nach all der ganzen Zeit immer noch so freundlich zu ihm war, anstatt ihm endlich mal klar zu machen, dass es so nicht weitergehen konnte. Doch so war diese naive Person leider immer! Sie ließ gedanklich noch mal ihre so genannte „Freundschaft“ mit Yuko revue passieren. So weit sie denken konnte, war dieser immer nur auf das Eine aus. Wollte sie mit ihm mal über allgemein übliche Themen reden, so fasste er sich jedes Mal so kurz wie nur möglich um dann gleich wieder zu „seine speziellen Themen“ überzuleiten. Marti fragte sich ernsthaft, ob man eine Freundschaft, die sich im Grunde nur auf diese „eine Ebene“ beschränkte, überhaupt als eine solche betiteln konnte. Sie stellte dies langsam immer mehr in Frage und verlor die Lust an dem Chatgespräch mit ihm. So versuchte sie ihn nun, wie schon so oft, abzublocken: „Sorry, aber mir geht’s nicht gut. Ich denke, ich geh wieder offline...“ Yuko darauf nur: „Okay, bye! Und überleg dir schon mal, wie du es dir mit mir am heißesten vorstellen könntest...“ Mit einem genervten Grummeln schloss sie ihr Messager-Programm. So was Notgeiles und Verständnisloses wie Yuko musste wirklich erst noch erfunden werden, dachte Marti sich wütend. Ihre Stimmung war ja bereits den ganzen Tag durchweg schon angespannt gewesen, aber das hatte alles noch einmal tüchtig aufgemischt. Ihr war klar geworden, dass nicht jeder in ihrem „genannten Freundeskreis“ auch tatsächlich ein Freund war. Ferner dachte sie auch, dass manche Menschen vielleicht erst gar nicht dazu im Stande waren, Freundschaften zu haben; egoistische, selbstgefällige Menschen wie Yukozuna Mattori, die überhaupt nichts anderes im Kopf haben als ihre eigenen Bedürfnisse gestillt zu bekommen und zwar durch ihre vermeintlichen „Freunde“, die in ihren Augen eh nur als Mittel zum Zweck galten.... Martis Stimmung war nun trüber den je und sie fragte sich wieder, was denn noch alles kommen würde... Da landete plötzlich Muse hinter ihr, welche anscheinend einfach durch ihre Zimmerdecke geschwirrt gekommen war. „Sei gegrüßt!“ lachte sie. „Muse! Du bist zurück gekommen?!“ Marti schaute den Shinigami überrascht an. „Sicher. Immerhin hast du noch was, das mir gehört!“ sagte Muse und ihr Blick fiel schlagartig auf das Death Note, welches immer noch auf Martis PC-Tisch lag. „Aber du hattest es doch bereits zurück genommen, oder doch nicht!?“ „Schon, aber ich musste es nochmals zu dir schaffen, und das äußerst fix!“ erklärte Muse knapp: „Aber das brauchste nicht in allen Einzelheiten zu wissen.“ „Aha?“ Marti verstand nicht wirklich, um was es eigentlich ging. „Jedenfalls“, fuhr Muse fort: „Ich glaube, es ist bei dir schon recht sicher! Jetzt muss ich mir nur dringend etwas einfallen lassen, wo ich es am besten hier verstecken kann. Ich will nicht, dass man es mir einfach wegnimmt, Menno!“ „Hm, klingt als hättest du grad ein wenig Ärger!?“ ahnte Marti. „So kann man’s schon ausdrücken. Nur würde ich dabei das ‚ein wenig’ vielleicht in ‚ein wenig viel’ ändern.“ Muse seufzte und fuhr schließlich fort: „Ich bin nun einmal etwas verpeilt, ja, das mag sein. Ich passe wirklich nicht immer besonders gut auf meine Sachen auf; insbesondere meinem Death Note! Aber trotzdem habe ich immer noch genug Würde, es zu führen! Ja, das hab ich!!“ „Lass mich raten, deine Leute haben Wind davon gekriegt, dass ich es erhalten und benutzt habe!?“ „Exakt! Und die sind, seit dem damaligen Vorfall mit diesem Typen Light Yagami, wirklich einiges empfindlicher geworden! Ja, sogar regelrecht paranoid!!“ Muse schlotterte. „Was für ein Vorfall war denn das eigentlich?“ fragte Marti immer noch unwissend. Dieser Fall wurde ja einstmals von jenen Menschen, die überhaupt davon wussten, äußerst diskret behandelt. Wie also hätte sie davon jemals etwas erfahren sollen? Muse seufzte und wollte grad zu einer näheren Erklärung ansetzen, da klingelte es plötzlich an Martis Wohnungstür. Diese schritt sofort neugierig heran: „Wer kann denn das um diese Zeit noch sein?“ Sie betätigte an ihrer Wohnungstür die Taste zum Entriegeln der unteren Haustür, mit jener üblichen Erwartung, dass der/die vermeintliche Besucher/in nun die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf schreiten würde, doch blieb es nun völlig still. Nicht mal die Haustüre unten hatte sich geöffnet. „Hm? Komisch“, sagte Marti: „Ob sich da jemand vielleicht nur verdrückt hat!?“ Langsam ging sie die Treppe im Flur hinunter, um nach dem Rechten zu sehen. Das Treppenhaus war dunkel und still. Schließlich erreichte Marti die Eingangstür des Hauses, vor der in der Tat überhaupt keine Menschenseele anzutreffen war. Marti schaute hinaus, sowohl nach links als auch nach rechts, doch es war niemand da. Da fiel ihr Blick plötzlich auf etwas, das auf dem Boden, direkt vor der Haustür, abgelegt worden war – ein Korb, prall gefüllt mit einer Vielzahl verschiedener Süßigkeiten. Schokolade, Donuts, Muffins, Bonbons, nahezu alles Mögliche war darin vertreten. Alles war auf verschieden farbigen Servietten gebettet. An dem Henkel dieses Korbes fiel Marti ein kleiner, mit Klebeband, befestigter Zettel auf, auf dem mit einer ziemlich hastigen Handschrift die Worte: „Vielen Dank.“ geschrieben standen. Mehr nicht. Marti verstand erst gar nicht, von wem dieser Korb wohl stammen könnte und sie glaubte erst, dass er wahrscheinlich für wen anders hier in diesem Haus bestimmt war. Doch dann fiel ihr plötzlich wieder jener Vorfall von heute Mittag ein; ihr kam dieser sehr merkwürdig gepolte, junge Mann wieder in den Sinn, der sich recht unfreundlich einfach aus dem Staub gemacht hatte. Konnte es sein, war wirklich er das, der ihr diesen Korb eben gebracht hatte? Wollte er sich auf diese Weise nun etwa doch erkenntlich zeigen? Marti fühlte sich wieder einmal etwas irritiert. Da kam auch schon Muse angeflattert und musterte den Korb sogleich lachend. „Na sie mal einer an! Dat is ja mal zu goldig!“ Ihre Stimme klang, wie so oft, auch hier wieder mal ziemlich sarkastisch. „Das ist ja echt lieb!“ murmelte Marti nun leicht verlegen: „Hmm, wenn er es denn überhaupt war... Und wenn doch!?... Warum hat er denn nicht gewartet? Warum ist er so einfach wieder geflüchtet!?...“ Muse schwirrte daraufhin empor und rief: „Bin gleich zurück, das werden wir schnell wissen, wer das nun war!“ Und mir nichts, dir nichts, war sie zum Himmel hinauf davon geflattert. Mit einem eilenden Tempo zog sie an sämtlichen Dächern der Nachbarwohnblöcke vorbei, dabei immer wieder mit dem Blick gen abwärts gerichtet, um eine bestimmte Person zu erspähen. Schnell, wie sie war, wurde sie in der Tat schon bald fündig. Auf der rechten Straßenseite bog in ziemlich schnellen Schritten jener Fremde in die nächste Gasse ein, den sowohl Muse als auch Marti zu erwarten beliebten. L blickte sich dabei stets prüfend in alle Richtungen um, um sicher zu gehen, dass ihm auch ja niemand gefolgt war. „L Lawliet. So, so.“ Muse nickte: „Jener Mensch, der schon bald abkratzen soll, tze. Na denn, werde dem wohl mal ein bissl hinterher spionieren, um zu gucken, was er noch so treibt!“ Nachdem L in die nächste Gasse eingebogen war, verlangsamten sich seine Schritte allmählich wieder. Er atmete recht schnell und unruhig, und schien stets in Sorge zu sein, dass ihn vielleicht doch jemand gesehen haben könnte. Er durchlief die Innenstadt, in welcher zu dieser Uhrzeit, kaum mehr jemand seine Wege kreuzte. Die Geschäfte hatten bereits geschlossen und es trieben sich nur noch wenige Menschen dort herum. Wenn mal jemand Ls Wege kreute, schenkte er demjenigen keine Beachtung und hielt seinen Kopf stark nach unten gesenkt, dass man sein Gesicht möglichst nicht sah. Nach der Innenstadt folgte noch eine lange, schmale Straße; dann noch zwei Weitere, die jedoch etwas kürzer ausfielen. Der Weg, der Ls Bestimmungsort von Martis Wohnung trennte, war nicht gerade so nahe, bemerkte Muse. Sie blieb ihm dicht auf den Fersen. Sie war von einer gewissen Neugier gepackt, wo und vor allem wie ein solch seltsamer Mensch wie er überhaupt hauste. Sie war auf Etliches vorbereitet, jedoch nicht auf das, was sie dann letztendlich am Ende seines langen Weges erwartete: Sein großes, einladendes Anwesen, welches einer Villa glich. Muse konnte es erst nicht fassen und klatschte sich an die Stirn. „Was denn, isser reich, oda so? Das versteh ich nun aber gar nicht! Macht einen auf armen Hungersnöter und dabei wohnt der etwa... hier!??“ Verwirrt und überwältigt zugleich folgte sie ihm zur Türe hinein. Jetzt wollte sie um keinen Preis mehr so schnell wieder weg, denn sie wollte sich alles doch zu gerne genauer ansehen. L begab sich nun mit langsamen Schritten in sein großes, sehr geräumiges Wohnzimmer und ließ sich müde in seinen Sessel fallen, worauf er sich wieder in seine für ihn übliche Sitzlage warf, bei der er seine Beine zu seiner Brust hin anwinkelte. Er lehnte seinen Kopf entkräftet an der Lehne zurück und schloss für einen Moment seine übermüdeten Augen. Er atmete tief durch. „Ich habe es geschafft.“ waren seine leisen Worte. Er wirkte auf einer gewissen Art erleichtert, einen Schritt hinter sich gebracht zu haben, vor dem es ihn arg gegraut hatte. Dennoch bemerkte Muse, dass ihn innerlich ein tiefer, seelischer Schmerz zu quälen schien, und sie war sich ziemlich sicher, dass dieser bestimmt mit seinem nahe stehenden Tod im Zusammenhang stand. Nach einigen ruhigen Minuten stand er von seinem Sessel auf und schleppte sich mit weiteren schweren Schritten in die ebenfalls recht üppige Küche, um sich dort an seinem Kaffeeautomaten eine Tasse zu brühen. Muse ging dabei nur eins durch den Kopf: „Das kann doch unmöglich sein, dass der hier ganz alleine wohnt. Hier hätte praktisch‚ne ganze Großfamilie Platz, ey!“ Wie hätte Muse auch ahnen oder gar wissen können, wie die Umstände wirklich gewesen waren. Dieser Teil, für den der Fall KIRA gewissermaßen ja auch mitverantwortlich war, war ihr nie bekannt geworden. Wer aus ihrer Welt, mit Ausnahme der dahin gegangenen Rem und eventuell noch Shiozzan, hätte sie darüber auch aufklären können, und vor allem weshalb... Drum fragte sich Muse die ganze Zeit, wie es so einen wie L, einen vermeintlich heruntergekommenen Irren, in so ein großes Haus verschlagen konnte. Sie fing schon an, erste fatale Spekulationen zu spinnen, von wegen, er wäre in dieses Haus vielleicht einst eingebrochen und hätte alle Insassen ermordet und beiseite geschafft, um sich selbst hier einzuquartieren, doch da schüttelte sie auch direkt wieder den Kopf und meinte zu sich selbst: „Ne, ne, ne, wo bin ich nur mit meinen Gedanken. Das ist derart unmöglich... hach!“ Ls kränkliches Auftreten und die Tatsache, dass ihm nur noch 23 Tage zum leben blieben, stimmten Muse in gewisser Weise nachdenklich wie auch traurig und Letzteres war bei ihr wirklich von höchster Seltenheit. Sie hasste es, denn diese Gefühle waren ihr schon beinahe zu menschlich. Ihr wurde fast schlecht dabei. „Mann oh Mann, der Typ ist doch nicht mal älter als Marti und dann dieser Zustand!!“ bebte es ungehalten aus ihr heraus. Ls Kaffee war nach einpaar Minuten fertig gebrüht. Er öffnete ein unteres, kleines Schrankfach und entnahm diesem ein Döschen mit Würfelzucker drin, von dem er satte 12 Stück in die Hand nahm und diese eiskalt in seinen Kaffee schmettern ließ, dass dieser sogar schon ein wenig überschwappte. Einpaar Spritzer landeten auf dem ansonsten recht sauberen Küchenboden. „Was, bitte...? Der’s ja ‚n Junky, oder was!??“ Muse war geschockt. Er nahm einen Teelöffel aus der Küchenschublade und rührte langsam in seinem noch brühend heißen Kaffee herum. Vorsichtig pustete er an diesem. Dann bewegte er sich wieder in sein Wohnzimmer, setzte sich wieder auf seine kuriose Art in seinen Sessel zurück und zückte aus der Schublade eines sich direkt neben dem Sessel befindlichen Tischchens eine große Tüte Bonbons, deren Inhalte er nacheinander vereinzelt in seinen Kaffee tunkte und dann anschließend mit sichtlichem Wohlgenuss ablutschte. Muse schüttelte nur immer wieder zitternd den Kopf und begann spöttisch zu singen: „Junky – Junky – Junky – Freak!!“ L schien es allerdings wirklich sehr zu munden, denn er seufzte ab und zu entspannt. Immerhin hatte er sich diesen Genuss seit so vielen Monaten harter Depressionen nicht mehr gegönnt. Da war es für ihn ein umso intensiveres Erlebnis, denn immerhin waren Süßigkeiten seine bisher einzige große Leidenschaft gewesen... Sein Treiben wirkte auf Muse fast schon hypnotisch, denn sie konnte ihren Blick kaum mehr von diesem schrägen Wesen entziehen. Zu erschrocken und zu überwältigt war sie nunmehr. Doch da wurde sie plötzlich ganz überraschend und äußerst unsanft von hinten gepackt und, ehe sie es sich versah, gegen die nächste Ecke geschlagen. Benommen arbeitete sie sich langsam wieder hoch und sah sich nun erschrocken um. Vor ihr schwebte plötzlich ein anderer Shinigami. Sein Antlitz war sehr düster, doch konnte man klar seine eingefallenen, dunkelgrauen Augen erkennen, zu deren unteren Rändern sich zwei tränenartige schwarze Bahnen bis zu seinem Kinn hinunterzogen. Er hatte schwarzes, wildes Haar, welches ihm bis zu den Schultern ging. Sein Gesicht war, ähnlich dem von Muse, sehr mager und knochig, als wäre es schon lange vermodert. Sein Mund wies Male auf, die darauf schließen ließen, dass dieser einst zugenäht worden war und er ihn nur mit aller Mühe wieder losreißen konnte. Die Nähte, die noch zugeschnürt waren, gingen ihm um seinen ganzen Kopf herum als wäre dieser einst in zwei Hälften geteilt worden. Um seine Stirn trug er ein Stirnband, was ihm einen gewissen rebellischen Touch verlieh. Er trug eine halbzerfetzte Collegejacke, auf deren Rückseite die reichlich verwitterte, nur noch knapp lesbare Ziffer 449 stand. Seine dürren Beine wurden umhüllt von einer zerfetzten Sporthose, welche wohl einst mal einen ansehnlichen Blauton besaß, wovon nun mehr bloß ein trübes grau übrig geblieben war. Seine Schwingen, die ihn, ebenso wie Muse, in der Luft schweben ließen, waren, im Gegensatz zu ihren, federn und in einem graugrün gehaucht. „Latok!!“ schrie Muse plötzlich ganz aufgebracht: „Was, zum Obergeier, treibst’n du hier, Idiot?“ „Das ‚Idiot’ will ich überhört haben!“ räusperte sich Latok: „Ich komme im Auftrag des Großen Shiozzan, der allmählich ungeduldig wird bezüglich deines Death Notes! Wenn du also nun die Nettigkeit besäßest, es mir zu geben, wo du dich schon so einfach klangheimlich aus dem Staub gemacht hast...!“ „Ich glaub, ich spinne!“ Muse war plötzlich wie von Sinnen: „Aber das ist ja wieder mal typisch! Du warst schon immer Shios Liebling; schon als wir noch ganz jung waren! Du warst für ihn immer wie ein Abbild von ihm, was dich nur stets in deinem Irrglauben bestärkt hat, etwas Besseres zu sein!“ „Laber doch soviel du willst, Herzblatt!“ keifte Latok mit einem eingebildeten Tonfall zurück: „Du wiederum warst schon immer einer der schlimmsten Problemfälle in unserer Welt und ich hab dich auch niemals leiden können! Wundert mich jetzt auch nicht, dass du schon wieder mal Ärger machst! Also gib mir jetzt endlich dein Death Note!“ „Den Teufel tu ich! Verschwinde, ich hab zu tun!!“ schrie Muse Latok an und zischte eilig davon, durch die Mauer aus der Villa hinaus. „Glaub ja nicht, dass du mir so einfach entkommen kannst!“ knurrte Latok: „Du tust, was der Große Shiozzan dir befohlen hat, sonst greif ich ein!“ Mit diesen Worten folgte er ihr im Blitztempo. Sehr schnell hatte er sie eingeholt. Muse war bereits im Begriff, zu Martis Wohnung zurück zu fliegen. Sie hatte die Lotusgasse schon bald erreicht als Latok sie noch rechtzeitig aufhalten konnte und sie direkt gewaltsam in den Schwitzkasten nahm. „Hey, was soll das, du mieser...“ keuchte Muse. Latoks Griff war durchaus nicht ohne und drückte ihr bald die Luft ab. „Rück’s raus, du behämmertes Unwesen!“ zischte Latok bedrohlich: „Sonst zieh ich an dir noch Saiten auf, die du dein Lebtag nicht mehr vergessen wirst!“ „Nie...mals!!“ rief Muse, die allerdings langsam wirklich der Entkräftung nahe stand. Sie würde Latoks Würgegriff nicht mehr lange standhalten können. Dennoch blieb sie stur und frech als sie mit ihrer letzten, verbliebenen Luft hervorbrach: „Wenn du glaubst, du kannst mich mit deiner... uff... sinnlosen Gewalt ein...schüchtern, dann bist du... keuch!... dümmer als jeder Mensch!“ Latok verstärkte seinen Druck nochmals, so dass Muse nun ernsthaft zu ersticken drohte. Sie konnte sich unter seinem Griff nicht mehr bewegen. Latok triumphierte innerlich bereits um seinen sicheren Sieg, da griff Muse zu der letzten Chance, die ihr in diesem Fall noch blieb – Sie holte mit ihrem rechten Stiefel aus und verpasste Latok einen ordentlichen Tritt in seine Weichteile, deren Ziel sich von ihrem Standpunkt aus glücklicherweise noch recht günstig bot. Schmerzverkrampft ließ Latok von ihr und krümmte sich jammernd in sich zusammen. Dummerweise gehörte dieser zu jener Sorte Shinigami, die zu den Schmerzempfindlichsten gehörte, was, zu seinem „Glück“, nur die allerwenigsten wussten, denn das hätte seinem ansonsten so vollkommen wirkenden Ruf nur unnötig geschadet. Er hatte eben das Pech, dass ausgerechnet Muse darüber nur allzu gut bescheid und es stets bestens auszunutzen wusste. Es war Latoks einzige physische Schwachstelle und Muse amüsierte dies jedes Mal aufs Neue. „Du gemeines Drecksbiest!!“ brüllte Latok während er sich vor Schmerzen kaum noch gescheit in der Luft halten konnte. „Selber Schuld wenn du mich nicht in Ruhe lassen kannst...“ grinste Muse und krachte schnellstens in Martis Wohnung hinein – direkt durch deren Zimmerdecke. Diese wurde von der überstürzten Erscheinung regelrecht aufgescheucht. Erschrocken fuhr sie von ihrem PC-Stuhl auf; sie war grad dabei, sich der Computerkoloration eines ihrer Auftragsbilder zu widmen. „Du lieber Himmel, Muse! Was ist denn in dich gefahren?“ rief Marti nur verwirrt: „Siehst ja ziemlich fertig aus. Ist irgendwas passiert?“ „Hmhm, reden wir am besten nicht weiter darüber.“ winkte Muse aufgeregt ab und tat ihr übriges, besser schnellstmöglich wieder zu Atem zu kommen, um auf ein anderes Thema zu lenken. Immerhin sollte sie Marti ja „Bericht erstatten“. „Nun“, begann sie: „Der Korb ist in der Tat von deinem Typen, den du aufgegabelt hast! Anscheinend wollte er sich wirklich noch bei dir erkenntlich zeigen! Der lebt aber voll komisch, sag ich dir – In so ‚nem riesengroßen Protzhaus, wo eigentlich nur Menschen mit massig Moneten hausen! Und der lebt da scheinbar ganz allein und taucht Bonbons in seinen Kaffee.“ Marti sah Muse nur konfus an: „Äh?“ „Ja, ja! Und du, ne? Behalte das Death Note bitte! Schließ es gut weg, vergrab es am besten irgendwo und lasse niemanden je davon wissen, okay?!“ Muse trat dicht an Marti heran. Ihr Blick wirkte beinahe schon flehend, auch wenn er noch so ausdruckslos zu sein schien. Marti hingegen hatte jedoch in diesem Moment ganz andere Gedanken, ausgelöst durch die leidige Neugier, und sie konnte Muses Worten einfach nicht weiter Beachtung schenken. „Warst du also bei ihm zuhause?“ fragte sie. „Jo! Also, machst du’s?“ Muse wollte ihr Death Note um jeden Preis in Martis Obhut bringen. Sie wusste, dort könnte Latok es niemals hinfort nehmen. Einem fremden Shinigami war es nämlich nicht gestattet, menschliche Besitztümer zu entnehmen, selbst wenn es sich dabei um ein Objekt handelte, welches eigentlich aus deren Welt stammte und einst einem anderen Shinigami gehörte. Die Bedingung dafür wäre, dass Muse ihre Rechte, ihr so genanntes Besitztum, völlig an Marti abgab, dass fortan sie den alleinigen Anspruch auf das Heft hatte. Muse dürfte es dabei allerdings auch wieder zurückfordern, doch lag dies dann in Martis Bereitwilligkeit, ob sie es dann auch zurück bekäme. Und Muse vertraute ihr inzwischen fast blind. Sie hatte das sichere Gefühl, das Richtige zu tun und niemand würde dann an das Death Note mehr heran können. Irgendwann würden sich die Gemüter schon wieder beruhigt haben und Muse könnte ihren Besitz dann auch bestimmt wieder zurück erbitten. So wollte sie Marti also nun das Angebot machen; doch diese schien an diesem Abend ganz und gar weg getreten und im Rausch, jegliche Auskunft über den „merkwürdigen Fremden“ zu erfahren. „Wohnt er weit weg von hier?“ fragte sie eifrig. „Ne!“ antwortete Muse knapp, und fügte direkt an: „Nimmst du jetzt mein Death Note?“ „Bringst du mich mal dahin?“, so Martis Gegenfrage. „Ich brauche dringend einen Menschen, der mir meine Rechte an das Death Note abnimmt. Wenigstens für eine Weile!“ jammerte Muse. „Okay, okay!“ willigte Marti schließlich endgültig ein, wenn auch weiterhin nur sehr knapp. „Vielen Dank! Dann vergrab es am besten noch gleich und mach damit ja nichts weiteres, ja?“ bestand Muse auf ihr Versprechen. „Ja, ja, ja.“ antwortete Marti nur desinteressiert: „Also, du sagst, der wohnt in einer Art Villa!?“ „Jo!“ nickte Muse: „Ich hoffe, ich kann dir da wirklich vertrauen und du behandelst das Death Note so als wäre es gegenstandslos! Ihr Menschen hegt einfach zu viele Schwächen, um ein solches Heft bei euch tragen zu können... Es geht mir nur darum, es eine Zeit lang nicht zu besitzen, aber es dabei nicht völlig zu verlieren, wie es nämlich sonst der Fall sein würde.“ „Jetzt sag mir doch endlich: Kannst du mich mal dahin führen? Ach, bitte, bitte, bitte...!“Marti lächelte Muse mit einem derartigen Dackelblick an, dass diese kaum mehr etwas verstand. „Äh, warum denn?“ meinte sie schließlich: „Du hast ihm geholfen und er hat sich entsprechend bedankt! Jetzt müsstet ihr doch eigentlich quitt sein!?“ „Ach, bitte!“ wiederholte Marti nur und starrte Muse immer noch liebäugelnd an. „Ich versteh euch Menschen nicht...“ Muse schüttelte nur den Kopf. „Machst du’s?“ fragte Marti und tanzte erwartungsvoll um Muse herum, die dann schließlich nur noch stöhnend einwilligte: „Hach, na gut, na gut! Nur hör bitte endlich auf mit diesem Geschmalze! Das kann ein Shinigami absolut nicht ab...“ „Danke!!“ Marti fiel Muse euphorisch um den Hals, was für diese mehr als unerwartet kam. Umso unangenehmer war es ihr. „Hör bloß auf, das ist ja furchtbar!“ grollte sie. „Morgen Mittag, ja?“ fragte Marti aufgeregt. „Von mir aus... Aber zuerst verwahrst du das Death Note! Darum bitte ich dich ganz inständig!“ „Mach ich, kein Problem!“ versicherte Marti nun zufrieden und begab sich zu ihrer kleinen Kommode neben ihrem Bett. Sie öffnete dessen Schublade und zückte daraus einen kleinen Schlüssel hervor. Dann nahm sie das Death Note, welches sich noch immer auf ihrem PC-Tisch befand, und ging damit in ihr Wohnzimmer zu einer Vitrine, die an einer großen Schrankgarnitur angebaut war. Sie enthielt in gut sortierten Reihen diverse Bücher und DVDs. Marti nahm einige von diesen heraus und Muse erkannte hinter ihnen ein kleines, versiegeltes Fach, dessen Türe Marti mit dem Schlüssel nun vorsichtig öffnete. Darin befand sich etwas Erspartes, was Marti einst von ihrer verstorbenen Mutter geerbt hatte. Jedoch war von diesen einstigen 2000 Yen nicht mehr viel übrig geblieben, denn nach all den Jahren wurde davon immer mal was weg genommen, wenn es mal wieder darum ging, ihren tollen Freund Akiba auszuhalten, der sie auch finanziell immerzu gern auszunutzen beliebte. Marti war nur froh, dass dies nun vorbei war und umso mehr ärgerte sie, dass diese erleichternde Wende wirklich erst zu spät eingetreten war, wenn sie nun ihren letzten verbliebenen 50 Yen entgegen schaute... Sie seufzte kurz, dann legte sie das Death Note hinein und verschloss den Safe langsam, worauf sie ihn wieder mit den Büchern und DVDs sicher abdeckte. Muse betrachtete diese Lösung allerdings mit großer Skepsis: „Hm, du meinst wirklich, dass es darin sicher ist?“ Marti nickte: „Es existiert nur ein einziger Schlüssel und den habe ich!“ Sie hielt Muse den kleinen Schlüssel demonstrierend entgegen. Diese legte naserümpfend ihren Kopf schief: „Sei ja vorsichtig! Shinigami können jederzeit überall hindurch gleiten. Aber andererseits... wenn ich dir jetzt alle Rechte des Death Notes zuspreche, wird keiner diesen Schritt gehen dürfen.“ „Wie, was?“ Marti verstand natürlich überhaupt nicht, wovon Muse eigentlich redete. Diese winkte auch sogleich ab: „Ach, das musst du nicht weiter hinterfragen!“ Daraufhin näherte sie sich Marti und legte ihre rechte knochige Hand auf ihre Schulter. Dabei schaute sie Marti eindringlich an, was diese beinahe schon erschaudern ließ. „Alle sämtlichen Rechte an das Death Note gelangen nun in deinen Besitz – Dir, Martina Chista Sakamoto!“ Marti schaute Muse immer verwirrter an: „Hm? Ist das was Besonderes?“ „Ja, du bist nun Herrin über mein Death Note und könntest mit diesem theoretisch alles machen, was du nur willst! Doch ich warne dich, es nicht zu tun! Lass es ja, wo es jetzt ist bis ich wieder drauf zurück komme, okay?“ Muse schüttelte Marti schon fast an ihren Schultern als sie nun auch ihre andere Hand an ihrer Linken anlegte. Nun schritt Marti einpaar Schritte zurück und befreite sich locker aus Muses Griff. „Schon gut, schon gut!“ rief sie langsam genervt: „Als ob mich das Heft weiter groß interessiert. Mir ist egal, was mit dem passiert! Ich habe es lediglich aufgrund deines Angebots genutzt, welches nun mal notwendig war! Jetzt hör auf, mich damit zu nerven und lass mich wieder an meine Arbeit gehen! Ich hab noch was fertig zu machen...“ Marti wendete sich um und ging in ihr Zimmer zurück. Im Inneren wurde ihr der Shinigami grad eben doch ein wenig unbehaglich und sie wollte sich dieser Situation möglichst schnell entziehen. Muse spürte dies sogar, war aber letztlich ganz froh, dass Marti tatsächlich diese genannte Einstellung zu dem Death Note vertrat. Sie hoffte es zumindest, dass dem wirklich so war. Sie flatterte Marti zu ihrem Zimmer nach. Diese setzte sich nun an ihren Schreibtisch und zückte ihre Stifte und ein leeres Blatt Papier hervor. Dann begann sie mit einem sehr feinen Druckbleistift etwas zu skizzieren. Muse sah ihr dabei die ganze Zeit neugierig über die Schulter und meinte schon recht bald so etwas wie ein katzenartiges Wesen zu erkennen, welches aus einigen Linien, Kreisen und Ovalen allmählich entstand. Irgendwann jedoch sah Marti von ihrem Papier zu Muse auf und meinte: „Bitte, ich kann es nicht so gut leiden wenn man mir beim Zeichnen die ganze Zeit zuguckt!“ Sie sah Muse auffordernd an. „Sorry vielmals!“ säuselte der Shinigami leicht eingeschnappt: „Ich habe nur still bewundert wie gekonnt du das kannst!“ Marti lächelte leicht. Daraufhin hob Muse nun mit ihren kräftigen Drachenschwingen vom Boden ab und schlüpfte durch Martis Zimmerdecke aus deren Wohnung hinaus. Marti war an diesem Abend noch hinreichend mit dieser Zeichnung beschäftigt. Die sollte schließlich bis morgen fertig sein, was dann gegen 3 Uhr früh auch endlich der Fall war. Gut vier Stunden hatte das Bild in Anspruch genommen, doch am Ende war Marti mit dem Ergebnis ganz zufrieden. Nur gut, dass morgen bzw. heute Wochenende war, wo sie nicht arbeiten musste... Muse war wieder hinauf geglitten in jene dunkle Welt der Shinigami. Auf ihren Wegen, die sie dort entlang schwebte, stürzte ihr plötzlich ihr geschätzter Latok entgegen, was sie allerdings bereits erwartet hatte. „Du behämmerte Drecksau!!“ schrie er sie zornig an: „Das machste nicht noch mal, klar?!“ „Wer weiß...“ grinste Muse frech. Der wütende Latok versperrte ihr den Weg und hielt sie dabei sogar ziemlich wüst an ihren Oberarmen fest, doch Muse schüttelte ihn gekonnt mit aller Kraft von sich ab. „Was willst du noch von mir?“ fragte sie mit einer gelangweilten, ruhigen Gestik. „Das weißt du ganz genau! Rück’s raus!!“ zischte Latok bedrohlich, doch Muse gähnte nur unbeeindruckt. „Was denn?“ fragte sie dann: „Wenn du dieses Heft meinst... Nun, ich besitze kein der gleiches mehr.“ „Hä?“ Latok darauf nur völlig irritiert. „Ja, es gehört nun einem Menschen. Marti. Ich hab darauf keinen Bock mehr.“ Muse kicherte kess. Latok hielt für einen Augenblick lang inne. Er wusste einerseits, dass er das Death Note nun nicht mehr so einfach hinweg nehmen konnte, andererseits wurde ihm im selben Moment klar, welch folgenschweren Fehler Muse mit dieser Aktion begangen hatte. Er schwieg und erhielt in seinem finsteren Gesicht einen beunruhigend nervösen Eindruck. „...Was hast du getan...?“ knurrte er leise. Seine Stimme vertiefte sich als er fassungslos fort fuhr: „Ist dir denn überhaupt nicht klar, was passiert, wenn man einem Menschen die Rechte seines Death Notes zuspricht?“ „Hm? Wieso, was denn?“ fragte Muse nun auch irritiert. Sie schien in der Tat nicht im geringsten bescheid zu wissen, worauf Latok hinaus wollte. „Sag, war denn die Sache mit Yagami Light kein Zeichen genug dafür, wie gefährlich ein Death Note für eine menschliche Seele werden kann?“ wetterte Latok. Muse bemerkte dabei, dass er es plötzlich sogar selbst mit der Angst zu tun bekam. Mit einem Mal wurde er ziemlich zittrig und unruhig. Man sah ihm an, dass er dieses Mal keineswegs mit einem seiner Wutanfälle zu Übertreibungen neigte. Das beunruhigte nun auch Muse, doch konnte sie sich nicht echt erklären, was denn an ihrer Aktion wirklich so derart schlimm gewesen sein sollte. Sie konnte Marti vertrauen, da sie doch immerzu darauf plädierte, kein weiteres Interesse an diesem Heft zu haben... „Marti kannst du doch nicht mit diesem Yagami vergleichen!“ wollte Muse zu einer Erklärung ansetzen, doch Latok ließ sie gar nicht weiter zu Wort kommen als er sie nur hysterisch anschrie: „Das spielt doch, verdammt noch mal, keine Rolle!!! Muse! Mit einem Death Note geht man niemals so derartig leichtfertig um! Es ist kein einfaches Heft, es ist ein Objekt der finsteren Macht und allein wir Shinigami sind in der Lage, es zu kontrollieren! Menschen hingegen haben keine Macht darüber, nein, das Death Note erhält Macht über SIE, wenn sie es erst einmal besitzen! Dann werden SIE besessen – mehr und mehr! Das Death Note übernimmt nach einer kurzen Zeit allmählich immer mehr die Kontrolle über ihr Denken und Handeln, und ich sage dir, da kommt gewiss nichts Gutes bei heraus! Ich dachte wirklich, das wüsstest du nach all dem Schlamassel...?!“ Muse geriet ins Stocken. Mit einem Mal wurde ihr ganz komisch und sie begann allmählich die Situation zu erkennen. „... oh, oh?!“ „Ja ‚oh, oh’, mehr hast du wohl nicht zu sagen, hä?!“knurrte Latok: „Aber das war klar; so was von klar bei dir... Und der Große Shiozzan und ich müssen all deine Fehlgriffe immer ausbaden, nur dass selbst wir diesmal gänzlich machtlos sind...“ „Und es gibt wirklich keinen Weg, das Ganze noch einmal rückgängig zu machen, indem ich ihr das Death Note wieder entnehme und mir die Rechte wieder auf mich zurück sprechen lasse?“ fragte Muse, die sich mittlerweile nur noch wie ein winziges Häufchen Elend vorkam und Latoks Antwort auf diese Frage am liebsten gar nicht erst gehört hätte. „Einmal übertragen – Seele dunkel! So was lässt sich nicht mehr rein waschen und du kannst ihr das Death Note auch nicht mehr abspenstig machen, selbst wenn sie es dir anstandslos zurückgeben würde. Sie wird auf ewig an der finsteren Macht dieses Heftes gefesselt sein und ihr zugrunde liegen.“ „Dann nehme ich das Heft zumindest aus ihrer Reichweite!?“ erklärte sich Muse nun bereit und tat alles daran, ihre Reue bestens zum Ausdruck zu bringen. Doch Latok winkte nur kopfschüttelnd ab: „Kannste vergessen! Das Death Note wird seinen Weg immer zurück zu ihr finden. Da kannst es noch so bei dir versteckt bunkern. Fehlanzeige! Kalt! Aus! Finito!“ „Verbrennen?“, so ein weiterer Vorschlag Muses. „Auf gar keinen Fall!! Das hätte zur Folge, dass sowohl diese Marti als auch du, sowie all die Menschen, die Marti ins Unglück zu ziehen gedenken wird, aufs Erbärmlichste zugrunde gehen werden. Alle Schicksale sind bereits bestehend und können nicht mehr verhindert werden. Die Zukunft ist geschrieben und nicht mehr veränderbar! Versuchen wir dies, indem wir das Heft vernichten, so hätte das Folgen gleich der Endzeit und zwar nicht nur für die Menschenwelt, sondern auch für UNSERE, liebe Muse...“ Er räusperte sie verächtlich an. „Versuch es nicht weiter... Passiert ist nun mal passiert und das war’s dann jetzt! Ich sag nur – vielen Dank!“ Muse senkte betreten ihr Haupt. Strähnen ihrer blonden, strohigen Haare verteilten sich über ihr Gesicht. Sie flüsterte verständnislos und uneinsichtig zu Latok: „Es darf doch nicht einfach so hinnehmbar sein! Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben!! Ich scheiß auf alle eure Regeln!“ „Hach Muse“, sagte Latok nun auffallend mitleidig: „Wann wirst du endlich erwachsen und erwachst aus deiner eigenen Welt, in der du den lieben langen Tag vor dir in deinem Chaos hinlebst? Unser Totenreich war stets unbekümmert und für uns heil. Warum musst du immer kommen und für Probleme sorgen?“ Muse seufzte. Sie krampfte sich zusammen. Dann schlug sie einige Male kräftig mit ihren Drachenschwingen und hob schließlich ab. Latok ließ sie wortlos ziehen. Er musste selbst erstmal die ganze Sache verdauen, was allerdings unmöglich sein würde. Die Katastrophe hatte ihren Einstieg, der nun einmal nicht mehr aufzuhalten war. Doch die übereifrige Muse wollte es einfach nicht wahr haben und nun alles daran setzen, es doch noch zu verhindern. Ihr war es egal, was Latok ihr eben gesagt hatte; ihr war alles egal. Sie wollte einfach das Beste draus machen und lebte in der gebührend naiven Hoffnung, wirklich noch etwas verändern zu können. Von nun an würde sie durchgehend über Marti wachen – wie eine Art Schutzengel. Sie wollte sie genau im Auge behalten und ihr nicht mehr von der Seite weichen, um darüber zu wachen, ob und wie sich die Situation weiter entwickeln würde. Und wenn nötig, würde sie alles Mögliche dran setzen, eventuelle aufkommende Unregelmäßigkeiten zu verhindern. Dabei war ihr natürlich alles andere als wohl, denn sie hatte ja überhaupt keine Ahnung, was sie wirklich noch erwarten würde... Gegen 9 Uhr morgens des 09. Oktobers 2005, Samstag, schlug Marti ihre Augen auf. Sie hatte zum ersten Mal seit einer Ewigkeit einen richtig guten Schlaf genossen. Es war ein so ungewohnt neues Gefühl plötzlich ganz ohne Akiba zu sein; sie konnte es selbst kaum glauben. Sie fühlte sich wie ein völlig neuer Mensch. Sie verspürte Euphorie, Ungebundenheit, Erlösung und vollkommene Zufriedenheit; all das, was ihr seit Jahren verwehrt worden war und sie sich in ihrem Leben nie mehr hätte vorstellen können. Dabei hätte sie normalerweise noch immer in so was wie einem Schockzustand sein sollen, doch davon war hier weit und breit keine Spur mehr. Jene negativen Gefühle und Gewissensbisse, die sie gestern noch mit sich rum getragen hatte, waren nun mehr wie weg geblasen und sie hätte es selbst nicht für möglich gehalten. Sie seufzte fröhlich als sie plötzlich Muse auf ihrem Kleiderschrank entdeckte, wie diese dort oben in der Ecke der Zimmerwand ziemlich eng eingepfercht hockte. Sie kauerte dort und schien leicht zu dösen. „Muse? Du wieder hier? Hab dich gar nicht bemerkt!“ rief Marti gut gelaunt. Nun fuhr Muses Kopf hoch; ihre dunkelgläserne Brille saß ihr etwas schief auf ihrer kleinen Nase, was einen hauchdünnen, hellblauen Schein, ausgehend von ihrer Augenhöhlen, zuließ. Sogleich rückte sie ihre Brille wieder gerade, streckte sich einmal herzhaft und flatterte dann zu Marti herunter. Aufmerksam betrachtete sie ihren neu erkorenen „Schützling“ von allen Seiten. Sie tastete sie abwechselnd ihre Hände, Füße, Beine, Hüften, Schultern und ihr Gesicht sorgfältig ab. Dabei starrte sie ihr erschreckend tief in ihre Augen. Marti sah Muse darauf nur schief an und rümpfte skeptisch die Nase: „Was machst’e denn da? Is’ irgendwas?“ „Hm, bisher siehst’e mir noch nicht nach einem Dämon der Hölle oder dergleichen aus, schön!“ stellte Muse mit Erleichterung fest. „Ähm, danke, für dieses... Kompliment!?“ Marti verstand natürlich überhaupt nichts. „Jedenfalls freut's mich, dass es dir noch gut zu gehen scheint!“ lachte Muse sichtlich erfreut. „Hast du mir gestern irgendwas ins Essen gemischt oder warum bist du so...?“ „Ne, ne, schon gut! Alles ist bestens! Marti, was für ein schöner Tag es doch heute ist, oder?!“ versuchte Muse nun mühevoll abzulenken: „Und wir wollten doch, wenn ich mich nicht irre, zu deinem Typen, damit du zu ihm ja schön menschlich lieb sein kannst, ohne ihn töten zu wollen, oder?!“ Nun zog Marti eine gänzlich schiefe Miene. „Äh, Muse? Hallo? geht’s dir nicht gut, oder so? Was laberst du für einen Stuss?“ Diese überaus seltsame Art machte sie natürlich mehr als skeptisch. Irgendetwas schien den Shinigami zu bedrücken, das merkte Marti sehr wohl. „Ach, wieso? Mir geht es doch bestens. Ähm, dir doch auch, oder!?“ Muse lächelte äußerst gequält. Es war keineswegs zu verbergen, wie gestellt dieses war. Dann fuhr sie fort: „Und weißt du was? Ich habe mich entschieden, dir künftig noch etwas mehr Gesellschaft zu leisten als bisher, weil... na ja, weil ich eben gern mit dir abhänge! Joa!“ Marti zog eine Augenbraue hoch. Sie konnte nicht so recht glauben, dass Muse da nicht irgendetwas zu verbergen hatte. Jedoch fühlte sie sich so ziemlich im Klaren, dass es wohl momentan nicht viel bringen würde, sie näher darüber auszufragen. So wollte Marti nun auf ein anderes Thema zu sprechen kommen. Einem, dem sie ziemlich viel Bedeutung beimaß. Sie wendete sich um Richtung Schreibtisch und wies auf ihr neues Bild, welches sie Muse nun stolz präsentierte. „Sieh mal, das kriegt er von mir!“ Muse blickte einem A4-formatigen Bildchen entgegen, welches eine braunfellige Katzenlady zeigte, die einem grauen, schwer verstruwwelten Kater mit dem Kopf eine zärtliche Liebkosung verpasste. Beide waren umgeben von bunten Sternchen, Blüten und klitzekleinen Herzchen. Die Farbgebung hatte dabei stets einen purpurnen Charakter. Die beiden Kätzchen selbst waren in dem in Japan sehr verbreiteten und geschätzten „Chibi-Stil“ gezeichnet; einem Zeichenstil, der mit Hilfe von extragroßen Köpfen und Augen als besonders niedlich galt, während die restlichen Körper oftmals stilisiert klein ausfielen. Muse war von diesem Bild jedenfalls beeindruckt. Wenn auch Shinigami für solche Dinge nicht wirklich was übrig hatten, so war sie dennoch fasziniert von dem, was ein einzelner Mensch an Ausdruck und Lebendigkeit auf einem einzigen Stück Papier erzeugen konnte. „Herrlich, Marti!“ lobte sie und konnte ihren Blick kaum von dem Bild lassen, was Marti sehr erfreute, denn sie war immer glücklich, wenn andere ihre künstlerischen Ergüsse als 'gut' bezeichneten. „Da wird sich dein Typ ganz bestimmt freuen!“ grinste Muse. Am frühen Nachmittag führte Muse Marti zu jenem großen Anwesen des mysteriösen L Lawliet. Marti war die ganze Zeit schon sehr aufgeregt, was sich anhand von stetigen gut aufgelegten Bemerkungen stark bemerkbar machte. Diesmal war Muse all das nur recht, denn sie war über jede Gestik Seitens von Marti erleichtert, die darauf schließen ließ, dass ihre Seele noch nicht verflucht zu sein schien, wie es Latok ja leider voraus prophezeite. Das Wetter war für einen herbstlichen Tag im Oktober angenehm warm. Auf den Straßen sammelten sich die herabgefallenen bräunlichen Blätter der Bäume, die in so manchen Straßen in ganzen Reihen eine Allee bildeten. Alles bot in Verbindung mit dem herbstlichen Laub auf den Straßen ein harmonisches Bild, geprägt von der wärmenden Sonne, die zwischen einpaar leichten Wolken die Straßen erfüllte. Sie hauchte das komplette Umfeld in einen goldenen Braunton, was dem Begriff des „Goldenen Herbstes“ sehr gerecht wurde. Diesem zu Ehren sollte in dieser Stadt auch ab der folgenden Woche ein großes Herbst-Festival stattfinden; 'Für die bunte Vielfalt des Herbstes und dem glücklichen Abschied von dem Sommer', so hieß es. Auf dieses Fest freute Marti sich schon seit Wochen... Der Weg zu Ls Anwesen war nicht allzu weit. Muse hatte keinerlei Schwierigkeiten damit, ihn wiederzufinden. Im Nu hatten beide die letzte lange Straße erreicht, die nun pfeilgrade auf die Villa zuführte. Mit jedem Schritt wurde Marti nervöser. Sie war erfüllt von unstillbarer Vorfreude und Aufregung. Die Villa war rund herum geziert mit einer kleinen Grünfläche, die einen großen Kontrast zu dem Betongrund bot, der in diese vom Wege aus überleitete. Einpaar Zierbäume waren ebenfalls dort. Allerdings wirkte alles reichlich ungepflegt und düster. Es schienen bereits seit vielen Monaten keine gärtnerischen Aktivitäten mehr statt gefunden zu haben, wenn nicht sogar seit Jahren. Unkraut machte sich an den kalten, dreckigen Gemäuern breit, Efeu wuchs von den Dächern und baumelte mittlerweile auch schon verblüht über sämtliche Fenster und Mauern des großen Anwesens hinweg. Alles wirkte hier so uneinladend, verbittert und leblos. Da konnte selbst das sonnige Herbstwetter nicht viel ausrichten. Marti wunderte sich über diesen Anblick schon ziemlich und konnte sich nun nicht so recht vorstellen, dass dieser seltsame Kerl tatsächlich hier ganz allein leben sollte. Langsam schritt sie auf die breite Eingangstür zu, auf die eine ebenso große Treppe zuführte. Oberhalb dieser Türe waren zu beiden Seiten je eine Überwachungskamera angebracht. Auch an der Sprechanlage über der Klingel mit dem Namensschild „W a t a r i“, geschrieben in einer edlen Schreibschrift, schien eine solche Kamera montiert worden zu sein. Marti klingelte einmal vorsichtig an und wartete nun ab. Ihr Bild hielt sie dabei säuberlich eingerollt in ihrer rechten Hand. Nachdem nach gut 30 Sekunden keine Regung in Sicht- oder Hörweite war, klingelte sie erneut, doch es blieb auch nach weiteren 30 Sekunden des Abwartens alles ruhig als stünde diese Villa absolut leer. „Ähm, Muse?“ sagte darauf Marti: „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“ „Warte, das haben wir gleich!“ antwortete Muse und flatterte einfach durch die Tür hindurch in das Anwesen hinein. Marti blieb davor weiterhin stehen und wollte sich schon darauf einstellen, vermutlich ein anderes Mal wiederkommen zu müssen. Da kam Muse plötzlich sehr eifrig wieder durch die Tür zum Vorschein. „Der ist aber da!“ rief sie sichtlich aufgebracht: „Er sitzt aber reichlich abstinent zusammen gekauert in seinem Sessel! Also, entweder ist der von seinem ganzen Fresskram mittlerweile dermaßen high geworden, dass er gar nichts mehr mitbekommt, oder aber er will einfach nichts mitbekommen!“ „Was, sag bloß!?!?“ Marti sah Muse nur ungläubig an. Sie spürte in diesem Moment ein aufkommendes Gefühl der Enttäuschung in sich. Sie fragte sich, was dies zu bedeuten hatte und war wieder drauf und dran, es sogar persönlich zu nehmen. Ihr Selbstwertgefühl war krank und schwach und sie hatte nun den Eindruck, als könnte dieser jemand vielleicht ja damit gerechnet haben, dass sie ihn aufsuchen würde, weswegen er sich bewusst dagegen vergrub. Natürlich war dies ziemlich weit her geholt, aber so dachte Marti zu oft. „Was willst du jetzt tun?“ fragte Muse direkt. Marti atmete tief durch – dann ging ihr eben noch so verdutztes Gesicht in eine entschlossene Miene über. Auf einmal schien so etwas wie ein Kampfgeist in ihr aufzusteigen als sie dem Shinigami gereizt antwortete: „Was will ich schon machen? Natürlich Sturm klingeln!!“ Und sie drückte wie von Sinnen auf der Klingel herum – ganz schnell hintereinander und das durchweg gute 5 Minuten lang. Sie versuchte dabei auch schon so manche Melodie auf dieser Klingel zu „spielen“, schlichtweg einfach, weil sie immer mehr in Rage geriet. Doch zu dem gewünschten Ergebnis führte auch das nicht. Dennoch wollte sie nicht aufgeben. Sie trommelte wild und mit vereinten Kräften gegen die Tür, worauf sie lauthals rief: „Ich weiß, dass du da bist! Was soll das Ganze?? So mach gefälligst auf!“ Alles blieb still. Langsam schwindete Martis Energie. Sie seufzte erschöpft. Muse schwebte die ganze Zeit über stillschweigend hinter ihr und hatte alles passiv beobachtet. Nun aber glitt sie näher an Marti heran und meinte: „Der Kerl ist ein Fall für sich! Du solltest deine Energie besser nicht länger an ihm verschwenden, Marti!“ Marti schnaubte: „Ich frage mich nur, warum der dann gestern überhaupt noch mal bei mir aufgekreuzt war. Sein verfluchtes Körbchen hätte sich der doch ruhig schenken können, wenn er allenernstes glaubt, hier den arroganten Arschkerl raushängen lassen zu müssen!!“ Mit diesen Worten stampfte sie wütend von dem Grundstück davon, durch die Stadt bis zu ihrer Wohnung zurück. Dabei flatterte Muse noch nervös um sie herum, denn mit einem Mal ahnte sie nichts Gutes mehr: „Hey, hey! Ich kann die Haustüre doch auch öffnen, indem ich wieder hindurch gleite und sie dir von innen öffne! Dann regelt ihr beide das wie Erwachsene!“ Doch Marti ignorierte sie völlig. Wie in Trance marschierte sie bis zu ihrer Wohnungstür und schloss diese energisch auf. Drinnen angelangt begab sie sich in ihr Zimmer, auf dessen Schreibtisch jener „vermeintlich nett gemeinter“ Geschenkekorb platziert war. Bisher hatte Marti von dessem Inhalt noch nichts angerührt, denn bei Geschenken hielt sie sich erstmal immer noch eine ganze Zeit zurück, um sie erfreut auf sich wirken zu lassen, ehe sie sich an deren Nutzen bediente. Doch von ihrer Freude war nun nicht mehr das Geringste übrig geblieben. Eilig schnappte sie ihn sich und lief schnurstracks im üppigen Tempo zurück zu seiner „protzig-tollen Niederlassung“. Muse folgte ihr immer noch und sah bereits Schlimmstes kommen. „Das ist garantiert irgend so ein feiner Kerl mit reichen Eltern, der sich für, weiß Gott, wen hält und meint, ihm würde es ja so mies gehen, damit ihn auch ja alle Welt voller Mitleid auf Händen trägt! Aber dem wird sein Verhalten schon ordentlich vergehen!!“ zischte Marti den Weg über vor sich hin. Sie war derart zornig, dass sie sich nahezu selbst vergaß. Sie schunkelte den Korb, den sie an dessen Griff hielt, dermaßen kräftig hin und her, dass beinahe schon sein ganzer Inhalt hinaus zu poltern drohte. „Jetzt mach doch mal halblang, Marti!“ bat Muse bereits zutiefst besorgt. Sie hatte das Gefühl, als wäre dies wahrscheinlich ein erstes Anzeichen für jene Wandlung, die ihr Latok vorhin noch prophezeit hatte. Zumindest konnte sie sich einen derartigen Ausraster bei Martis vermeintlichem Charakter gar nicht so recht vorstellen oder sollte sie sich nun doch geirrt haben? Jedenfalls behagte ihr die Situation überhaupt nicht. „Muse, halte du dich da gefälligst raus!!“ schrie Marti sie energisch an. Bald war sie in die letzte Straße vor Ls Anwesen eingebogen. Muse blieb kurz stehen, hielt es dann aber für angebracht, Marti weiterhin zu folgen. „Nein, Marti!!“ rief sie ihr nach. „Doch!!“ antwortete diese ihr wüst entgegen und eiferte nun direkt das letzte Stück bis zu der Villa. Sie musterte noch ein letztes Mal die Eingangstür, dann lief sie zu der linken Seitenfassade, zu welcher sich in zwei Reihen je vier üppige Fenster erstreckten. „Muse! In welchem der Räume hält sich der Fatzke grad auf?“ fragte Marti ohne ihren Blick von den Fenstern zu lassen. „Es müssten die äußersten zwei von rechts der unteren Reihe sein.“ antwortete Muse entnervt. Da nahm Marti eins der Muffins aus dem Körbchen und schleuderte es wutentbrannt gegen die Fensterscheibe des vierten unteren Fensters. Sie trief dieses ziemlich genau und warf sogleich die nächsten Muffins nacheinander mit aller Kraft dagegen. Jeder von ihnen hinterließ, aufgrund der klebrigen Fettglasur, einen scheußlichen Fleck an der Scheibe. Die guten Teile zersprangen aufgrund dieser enormen Wucht, mit der Marti sie dagegen schleuderte, sofort in sämtliche klebrige Häppchen. Dann nahm Marti einige der Tafeln Schokolade, die der Korb ebenfalls enthielt, und schlug auch diese nacheinander gegen das Fenster. In diesem Fall war der Aufprall einiges lauter, aufgrund ihrer härteren Beschaffenheit. „Deine gestellten Heuchler-Almosen kriegste hiermit wieder zurück, du elende Pfeife! Dass du's nur weißt!!“ tobte Marti. „Mensch, Marti!“ warf Muse erneut ein: „Jetzt lass doch bitte endlich gut sein!“ „Nein, dem zeige ich, was ich von seiner Undankbarkeit halte! Ich hasse solche Kerle wie ihn!!“ schimpfte Marti bloß und nahm einpaar Donuts, die sie daraufhin ebenfalls gegen das mittlerweile stark verschmierte Fenster polterte. Einige blieben sogar dran kleben. Der Korb war nun leer und Marti ballerte schließlich auch diesen mit gehobenen Kräften gegen das Fenster als sich dieses plötzlich ganz überraschend öffnete, während der Korb auf die Dachrinne fiel und darin seinen Halt fand. „Was bitte ist denn... hier los?“ rief ein völlig übermüdet dreinblickender L, der verdutzt und sichtlich genervt aus dem Fenster lugte. Da schlug Martis unbändigende Wut auf einmal, so als wenn überhaupt nichts gewesen wäre, wieder in ein fröhliches, unbekümmerte Lächeln um, welches sie L nun direkt entgegen brachte und ihm ein euphorisches Winken schenkte: „Hi du! Vielen Dank für deinen Geschenkekorb! Schön, dass du doch da bist!!“ L starrte sie nur ganz entgeistert an und schaute sich daraufhin sein Fenster, mitsamt allen daran verteilten Essensresten an, die sich um sein ganzes Fenster bis runter zur Dachrinne hin breit gemacht hatten. Ihm sah eine regelrechte Verwüstung entgegen und er verstand zuerst rein gar nichts. Als er sich die einzelnen Stücke allerdings genauer betrachtete und unter dem Fenster dann auch noch jenen Korb entdeckte, den er ganz klar als seinen wieder erkannte, machte sich leichtes Entsetzen in ihm breit. „Was soll denn das??“ rief er entrüstet zu Marti hinunter. Diese grinste jedoch nur über beide Wangen und fragte ihn gut gelaunt: „Machst du mir jetzt auf? Bitte, bitte, bitte!“ „Nach dieser 'netten' Aktion sicher nicht.“ gab L nur beleidigt zurück: „Was bitte ist in Sie gefahren? Und überhaupt, woher wissen Sie eigentlich, wo ich wohne, hm??“ Er wollte grad von seinem Fenster wegtreten, um es wieder zu schließen, da rief Marti ihm energisch zu: „Sorry, aber das hast du dir selbst zu zuschreiben, wenn du mich so frech abwimmelst!“ Mit diesen Worten streckte sie ihm eingeschnappt und mit verschränkten Armen die Zunge raus. Da hielt L inne. Er hatte bereit den Fensterladen griffbereit, um dieses zu schließen, doch irgendwas hielt ihn, es doch noch nicht zu tun. Er fühlte sich in diesem Moment schlichtweg verloren und überrumpelt. Er wusste nicht recht, was er jetzt tun sollte. Ohnehin war es ihm ein großes Rätsel, was diese Person denn immer noch groß von ihm wollte... Letztlich sah er Marti nur mit müdem Blick an. Dann fragte diese nun wieder etwas ruhiger: „Bitte, darf ich nicht wenigstens für einpaar Minuten mal eben reinkommen? Bitte! Ich habe doch extra was für dich...!“ Mit diesen Worten zückte sie ihr Bild hervor, welches sie aus lauter Frust vorhin ganz unachtsam in ihre Jackentasche zerknittert hatte. Es war nun gewiss kein allzu schöner Anblick mehr; zumindest wenn man es sich aus der Ferne betrachtete. L seufzte: „Hach! Meinetwegen... Aber wirklich ganz kurz! Ich habe nicht viel Zeit und ehrlich gesagt auch keinen Nerv für irgendwas...“ Jubelnd eiferte Marti zu der Eingangstür und siehe da, L drückte den Entriegler. Sie trat ein. Sogleich stand sie in einem großen Saal, an dessen Wänden einige Gemälde und auch Fotos von einpaar Kindern angebracht waren. Marti schaute sich interessiert um als sie von dort aus gleich durch einen Korridor lief. Zu dessen linker Seite war eine zweispurige Tür, in dieser L merkbar desinteressiert stand. Seine Haltung war äußerst gekrümmt und er hielt seinen Kopf gesenkt. Er machte einen leichten Buckel. Beide Hände hielt er dabei in den Taschen seiner schlabberigen Jeans gesteckt. Sein Blick war teilnahmslos zu Boden gerichtet. Dabei hingen ihm einige Strähnen seiner unordentlichen, durcheinander geratenen Haare in seinem Gesicht und verdeckten es regelrecht. Seine nackten Füße hatte er leicht überkreuzt während er sich an den Türrahmen lehnte, Dabei kratzte er sich mit dem einen Fuß an seinem Bein. Marti fiel in diesem Moment nur eins ein: Noch nie zuvor hatte sie einen dermaßen unzivilisiert wirkenden Menschen erlebt. Jedoch ließ sie sich von diesem Gedanken nichts anmerken und tat ihr Bestes, weiterhin erfreut und glücklich rüber zu kommen. Sie wollte L die Hand reichen: „Hallo! Ich glaube, ich hatte mich dir gar nicht vorgestellt als du bei mir warst. Ging ja auch alles so entsetzlich schnell, nicht wahr?! Ich bin jedenfalls Martina Sakamoto; doch alle nennen mich Marti, also nenn mich ruhig auch so!“ L reagierte auf Martis ausgestreckte Hand nicht. Er ließ beide Hände weiterhin in seinen Hosentaschen vergraben und schaute nur äußerst spärlicg aus einem Augenwinkel zu Marti auf. „Schön, und was wollen Sie von mir?“ hauchte er mit leiser Stimme nur passiv. Marti verstummte nun doch. Ihr wurde mit einem Mal etwas unwohl, weiter zu reden wenn ihr Gegenüber von einer solchen Gleichgültigkeit geprägt war. Ihr aufgeregtes Lächeln schwand ihr nun gänzlich aus ihrem Gesicht. „Naja...“ machte sie nur und wusste nicht recht, wie sie die Sache nun weiter angehen sollte. Muse war natürlich wieder die ganze Zeit an ihrer Seite und beobachtete alles, wie immer, still und passiv. Dann endlich brachte Marti schüchtern hervor: „Ich wollte mich halt auch bei dir nochmal für den hübschen Korb bedanken! Ich fand es irgendwie... sehr lieb von dir!“ „Aha, wirklich komische Geste des Dankens, ihn mir derart unbeherrscht gegen mein Fenster zu schleudern...“ Ls Stimme war ein leicht verächtliches Fauchen zu entnehmen. Marti bekam mit, wie er zwischen seinen etlichen Haarsträhnen, die ihm in seinem Gesicht hingen, nur die Augen verdrehte. „Ich war halt wütend!!“ rechtfertigte sie sich: „Aber ich habe die Überraschung für dich dabei, mit der ich mich eigentlich bei dir bedanken wollte...“ Erst hielt sie beschämt ihr immer noch zerknittertes Bild versteckt in ihrer Jackentasche. L jedoch schaute Marti nun auf einmal doch mit einem Hauch von Neugier an als er seinen Kopf zu ihr aufrichtete und sie nun erwartungsvoll anblickte. Diese grinste etwas gequält und meinte dann: „Nun ja, so was Tolles ist es zwar nicht und ich bezweifel auch stark, dass es überhaupt deinem Interessensgebiet entspricht, aber... Hach, hier halt!“ Und sie hielt ihm das Bild mit den zwei harmonisch ineinander verknuddelten Katzen entgegen, wenn auch dieses immer noch recht zerknittert war. Nun wurden Ls Augen sichtlich größer. Mit einem Mal richtete er sich von dem Türrahmen auf und trat näher an Marti heran. Er nahm ihr schweigend das Bild ab und betrachtete es eindringlich, wobei er es untypisch an seinen zwei oberen Ecken festhielt, dass es lose von seinen Händen herab hing; praktisch als würde er ein Stück Wäsche halten. Marti verwunderte dies schon etwas, doch sie war in diesem Augenblick einfach zu aufgeregt, um sich damit näher zu befassen. Ihr Puls ging mit einem Mal seltsam schnell. L betrachtete sich das Bild sehr genau. Mal zig er es näher an sein Gesicht heran, um sich scheinbar auch die winzigsten Einzelheiten genauer anzuschauen, dann entfernte er es wieder etwas mehr davon und drehte es ein wenig schräger abwechselnd in die eine und andere Richtung. Dann zog er eine Augenbraue hoch bis tatsächlich ein ganz leichtes Lächeln über seinen Mund glitt. „Hm, hm, wunderschön! D-das hast du ge-zeichnet?“ stockte er nun leise. Zum ersten Mal hatte er sie geduzt! Ganz plötzlich! Marti schmunzelte sehr verlegen.: „Ja! Nur für dich...“ Plötzlich spürte sie wie ihr auf einmal der Kopf glühte. Offensichtlich war sie ein wenig rot geworden. Oh nein, dachte sie und wendete ihren Blick eilig von L weg, damit er auch ja nichts davon mitkriegen würde. Muse kicherte amüsiert. L hingegen war weiterhin gänzlich auf das Bild fixiert. DAS Geschenk für ihn – NUR für ihn! Er schüttelte berührt den Kopf als könnte er es kaum fassen. „Hm, danke!“ wisperte er: „Das ist echt sehr hübsch! Ich glaube, das hänge ich mir an meinen Schreibtisch!“ „Im ernst?“ Marti wollte diesen plötzlichen Wandel erst gar nicht glauben. „Sicher. Du hast Talent! Und dann noch für mich...“ L schien sich wirklich sehr zu freuen, wenn auch sein tristes, blasses Gesicht kaum eine Emotion zuließ. Innerlich jedoch berührte es ihn zutiefst, dass irgendjemand so an ihn gedacht hatte, dass er ihm ein solches mit viel Herz und Mühe entstandenes Geschenk machte. Mit einem Mal war ein Teil seiner inneren verbitterten Kälte gegenüber seinen Mitmenschen etwas angetaut. Er merkte, dass er scheinbar doch jemandem irgendwas bedeutete und dass dies nicht nur von Mitleid, aufgrund seines Zusammenbruchs, geprägt sein konnte. Dieses Bild sprach Bände. Es tat ihm unweigerlich gut, auch wenn es ihm nach wie vor überhaupt nicht behagte, zu irgendeinem Menschen plötzlich einen Kontakt hergestellt zu haben. Doch anscheinend konnte und wollte diese äußerst temperamentvolle und scheinbar doch so feinfühlige junge Frau einfach nicht locker lassen, wofür er ihr nun sogar in gewisser Weise dankbar war. Er ließ seinen Blick immer noch nicht von dem Bild. Marti wurde innerlich immer unruhiger. Sie erfreute es sehr, dass er sich dermaßen über ihr Geschenk freuen konnte. Das hätte sie wirklich nicht mehr erwartet, nach alledem, was eben noch gewesen war... L nickte ehe sich seine dunklen Augen wieder Marti widmeten: „Danke nochmal! Du hast mir damit eine schöne Freude gemacht.“ „Nicht der Rede wert! Gern geschehen!“ lächelte Marti erleichtert; dabei fiel ihr schwer, seinen Blick ebenso tief zu erwidern, denn sie merkte, wie sie das immer nervöser machte. Dem ganzen wurde noch die Krone aufgesetzt als L plötzlich ihre Hand nahm und diese dankend schüttelte. Wieder stieg ihr die Röte ins Gesicht und ihr Herz wurde unkontrolliert schnell. „Ich bin Ryuzaki.“ stellte L sich nun vor: „Du heißt also Marti?“ „J-ja!“ brachte Marti nur völlig verlegen hervor. Muse hingegen wurde in diesem Moment hellhörig: „Was? Ryuzaki? Warum lügt der Kerl sie denn so dreckig an? Das ist doch keineswegs sein richtiger Name!?!“ Marti kicherte: „Tut mir übrigens leid, das mit dem Fenster und dem Korb...“ „Schon okay. Ich mache mir aus so was nichts weiter... Willst... du noch 'nen Kaffee?“ „Kaffee? Und ob!!“ triumphierte Marti überglücklich, wo sie sich doch zu den leidenschaftlichen Kaffeetrinkern zählte. So gingen beide nun durch die zweispurige Tür in Ls Wohnzimmer hinein, wo dieser Marti sogleich einen Platz auf seiner Couch anbot, die sich als äußerst gemütlich und weich entpuppte. Während L daraufhin rasch in die Küche lief, um für Kaffee zu sorgen, musterte Marti derweil das große geräumige Wohnzimmer. Alles war hier äußerst ordentlich eingerichtet und es gab nicht, was hier nicht hingehörte oder irgendwie falsch platziert war. Die Fenster waren groß und hochkant. Marti fiel dabei auch jenes Fenster gleich in den Blick, an dem noch immer die vielen Schmutzflecken ihrer vorherigen Wutattacken pappten. Dieses befand sich nun links von ihrem Standpunkt aus. Bald kam L zurück mit einem silbernen Tablett, auf dem zwei vor sich hin dampfende Kaffeetassen standen, neben denen ferner noch ein Döschen voll mit Würfelzucker und eine kleine Kanne mit Kondenzmilch platziert waren. Er stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab und schob Marti eine der Tassen zu. Dann nahm er sich seine und setzte sich damit in seinen Sessel, der parallel zu der Couch platziert war. Wieder setzte er seine Füße in dem Sessel auf und winkelte seine Beine bis zu seiner Brust an. Wieder war Marti etwas irritiert, wollte es sich aber auch weiterhin ja nicht anmerken lassen. So nahm sie ihren ersten genüsslichen Schluck von ihrem Kaffee, den sie bevorzugt schwarz trank. Nun war L es, der sie völlig perplex anstarrte. „Du trinkst ihn schwarz??“ fragte er ganz aufgebracht. „Klar, trink ich so schon seit Ewigkeiten...“ antwortete Marti locker. „I-gitt...“, so L darauf. Nun öffnete er das Döschen mit dem Würfelzucker und nahm gleich eine ganze Hand voll davon heraus, worauf er sie alle zugleich in seinen Kaffee fallen ließ. Dabei kleckerte er ein wenig ungeniert, was dabei einfach vorhersehbar war. Doch anscheinend war ihm das noch nicht genug und er nahm sich nochmal eine ganze Hand voll und schüttete sie alle in seinen Kaffee hinein. Mit einem kleinen Löffelchen rührte er nun in seiner Tasse herum; zumindest versuchte er es, denn durch die vielen Würfel, die niemals alle zugleich in dem Kaffee zergehen konnten, da sie sich bis oben hin füllten, war dies gar nicht mal so leicht. Marti rümpfte nur angewidert die Nase. „Sag mal, hast du keinen Geschmacksinn?? Das sind mindestens an die 15 Stück...!?“ Doch L nahm völlig unbekümmert die Tasse hoch und einen ersten intensiven Schluck. „Hm, ich weiß.“ sagte er: „Eigentlich noch etwas zu wenig...“ Und er fügte nochmal drei weitere Würfel hinzu. Marti konnte es sich nicht verkneifen, sich einmal kurz zu schütteln. So was hatte sie nun wirklich noch nie erlebt. Er erschien ihr von Mal zu Mal schräger... „Ich bin halt verwöhnt.“ meinte L entspannt und schlürfte ungeniert laut an seiner Tasse. Dann ließ er von ihr und schaute wieder zu Marti hinüber als er nun fragte: „Also Marti, warum bist du überhaupt hier? War es wirklich nur wegen des Bildes? Und wie hast du eigentlich hierher gefunden?“ „Nennen wir es Schicksal!“ antwortete Marti und lächelte kess: „Ich für meinen Teil bin jedenfalls froh, dass wir uns begegnet sind.“ L schwieg daraufhin nur. Er sah Marti unentwegt mit großen Augen an ohne jegliche emotionale Regung in seinem Gesicht. Marti erwiderte seinen Blick beschämt und musterte ihn insgeheim ebenso neugierig. Beide wussten in diesem Moment nicht, was sie von dem anderen halten sollten … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)