Das Mädchen aus der anderen Welt von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Die Legende ---------------------- Auf dem Weg zum Vorratsschrank entdeckte Lucy das Einhorn. Es lag auf einer Menge Kissen in einem Winkel des großen Raumes. Seltsam, dass sie es vorhin übersehen hatte! Sie verabschiedete sich hastig von Fley und lief zu dem Tier. „Kannst du mir bitte einmal sagen, warum du mich nicht vor der Opfergabe gewarnt hast? Ich hätte einen Arm verlieren können, oder sogar ein Bein! Dagegen gibt es keinen Heilzauber! Meine Stimme habe ich nur Fley zu verdanken! Du solltest dich schämen…’’ Lucy verstummte, als sie die Wunden am Bauch des Einhorns sah. Es waren drei lang gezogene Wunden, aus denen immer weiter Blut strömte. „Was ist denn mit dir passiert?’’ Lucy sank neben dem Tier zu Boden und streichelte seinen heißen Kopf. Das Einhorn lag still da, ohne sich zu bewegen. Und es atmete flach. „Kann mir mal jemand helfen?’’, rief Lucy und eine junge Elfe in ihrer Nähe schwebte an sie heran. „Was ist mit dem Einhorn passiert? Wieso blutet es?’’ Das Mädchen sah sie an, dann sagte sie hastig und leise: „Das Einhorn blutet schon seit es hier angekommen ist. Die Schrammen sind plötzlich aufgetaucht und hören nicht auf zu bluten!’’ Sobald sie diese Worte ausgestoßen hatte, flog die Elfe auch schon wieder hastig weiter. Auch auf Lucys Rufen hin kam niemand mehr zu ihr. Sie gingen alle an ihr vorbei, ohne sie anzusehen. Niemand wollte helfen. Lucy strich dem Einhorn erneut über den Kopf und es schnaubte heftig. Es hatte Schmerzen. Das bemerkte selbst Lucy, und sie hatte nur eine geringe Ahnung von der Tiermedizin. „Was ist denn passiert?’’, fragte Lucy fast weinerlich, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie drehte sich um und sah Dylan. Er hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck, als wolle er etwas sagen, doch er blieb stumm. „Kannst du mir bitte mal sagen, was das Einhorn hat? Ich sehe selbst, dass es Schmerzen hat! Ihr könnt doch nicht alle so stur sein und das nicht einsehen! Wir müssen etwas tun, sonst stirbt es! Und es ist meine einzige Hoffnung, wieder nach Hause zurückzukommen!’’ Lucy stiegen Tränen in die Augen und verschleierten alles. Ihre einzige Hoffnung, diese Welt irgendwann wieder zu verlassen und ihre Eltern zu sehen, verschwand jede Sekunde ein Stückchen mehr aus ihrer Reichweite. Dylan erwachte aus seiner Starre und flüsterte: „Komm mit, ich muss dir etwas zeigen!’’ Er schleifte Lucy hinter sich her, welche sich heftig wehrte, bis sie durch endlose Gänge zu einer Bücherei kamen. Eine unterirdische Bücherei! „Ich habe es am Anfang nicht geglaubt, als ich dich gesehen habe! Doch alles spricht dafür! Selbst Fley hat es vorhin bemerkt! So viele Zufälle kann es nicht geben!’’ „Was ist denn mit mir?’’ Doch Dylan überhörte ihre Frage und hastete weiter an den Bücherregalen entlang bis er vor einer alten Vitrine stehen blieb und das Buch daraus hervorholte. „Dylan, jetzt sag mir endlich, was los ist!’’ Lucy schrie fast. Er hielt ihr ein kostbares Buch hin. Es war sehr schwer und seine Seiten schienen aus Gold zu bestehen. „Was soll ich denn damit? Du sollst mir einfach sagen, warum das Einhorn blutet und was ich damit zu tun habe!’’ Dylan sagte immer noch nichts, sonder nickte zu dem Buch. Er schlug die erste Seite auf und eine bunte Zeichnung sprang Lucy beinahe entgegen. Sie war sehr alt und knisterte, als Lucy näher an eine Kerze trat, um sie sich genauer anschauen zu können. Auf dem Bild konnte man einen Wald und einen Fluss erkennen. Und ein Einhorn. Es beugte sich zu einem kleinen Mädchen hinunter, welches es ehrfürchtig streichelte. Eine Szene tauchte in Lucys Kopf auf: Sie neben dem Einhorn, ihr erstes Treffen als sie 6 Jahre alt war. Lucy schüttelte schnell den Kopf und wollte das Buch zuschlagen. „Nein! Lies was darunter steht!’’ Dylan sah sie bittend an und Lucy schlug das Buch widerwillig noch einmal auf. Legende des Einhorns Bei Nacht wird ein Mädchen kommen , so schön wie die aufgehende Sonne , so blass wie der Mond . Ein Herz voller Güte und Freundschaft wird es haben. Sie wird Tag und Nacht vereinen , sie auf ihre Seite ziehen . Sie wird alle retten , ob groß , ob klein , ob Mensch, ob Tier. Dann ist die Zeit gekommen , in der Einhörner bluten und Freundschaft sich bewähren muss . Schließt euch ihr an , damit die Legende wahr wird. Lucy schloss mit einem energischen Knall das Buch und Staub wirbelte auf. „Ihr denkt doch wohl nicht, dass ich dieses Mädchen bin, oder? Denn dann muss ich euch leider enttäuschen! Ich bin ein ganz normales Mädchen, ich lebe in der Springfieldroad 18c, ich habe Eltern und einen Hund. An mir ist nichts besonderes! Ich habe zwar keine Freunde, aber die brauche ich auch nicht und ich bin weder gütig noch freundlich noch besonders hübsch. Ich bin ein Mädchen wie jedes andere!’’ Dylan lächelte. „Was ist mit der Nacht, in der du gekommen bist? Was ist mit dem Einhorn, welches nun blutet? Und du hast Freunde, nämlich Fley und mich! Und wir werden mit dir kämpfen, egal, gegen wen oder was!’’ Lucy schüttelte den Kopf. „Ich will von alledem nichts mehr hören! Ihr habt doch alle einen an der Waffel! Ich bilde mir diese Welt hier doch nur ein! Gar nichts ist hiervon echt! Nicht du, nicht Fley und nicht das Einhorn! Es gibt keine Fabelwesen! Ich werde nach Hause gehen!’’ Lucy sprang auf und rannte aus der Bibliothek. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie vor dem Einhorn stehen blieb und schrie: „Bring mich nach Hause! Sofort! Ich werde mir das hier nicht länger einbilden! Bring mich weg!’’ Das Einhorn schnaubte und hob den Kopf. „Was ist denn? Ich will sofort nach Hause!’’ „Lucy, warte!’’ Dylan wollte sie am Arm packen, doch sie riss sich los. „Bring mich sofort nach Hause!’’ Lucy schrie und weinte gleichzeitig. Doch das Einhorn legte nur den Kopf auf das Kissen zurück und atmete flach. Lucy weinte verzweifelt und ließ sich zu Boden fallen. Sie saß in dieser Welt fest. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)