Maltreat von Nievaris ================================================================================ Kapitel 4: ~Offene Konfrontation~ --------------------------------- Anamaria hatte recht behalten. Auch wenn es fast schon ein wenig peinlich war, der jungen Frau zu sagen, dass sie da wohl – auch durchaus durch ihre Mutter – ein bisschen etwas falsch verstanden hatte, so war es doch wesentlich angenehmer, wenn man die Situation längerfristig betrachtete. Zwar fühlte er sich inzwischen von Familie und Gesellschaft ein wenig dazu gedrängt, zu heiraten und endlich eine Familie zu gründen doch auch wenn Norrington sonst ein Mensch war, der gut und gerne Befehlen folgte – und auch welche gab – in dieser Hinsicht erwachte fast schon ein Rebell in ihm und vielleicht war er auch zu romantisch veranlagt, aber sich nur aus dem Grund zu verheiraten oder verheiraten zu lassen, weil andere es von ihm verlangten, führte über kurz oder lang nur zum Unglück von ihm und seiner eventuellen Angetrauten. Elizabeth war anders gewesen, aber auch das änderte nichts an der Gesamtsituation, dass sie sich doch eher für das abenteuerlichere Leben eines Schmiedes entschieden hatte, anstatt das brave Hausfrauchen eines Commodores zu sein. Nicht, dass er es ihr zum Vorwurf machte, oder machen wollte. Sie war eine junge Frau, die das Leben nicht hinterm Herd verbringen wollte. Zumindest nicht in dieser Hinsicht und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich wieder seiner Arbeit zu widmen. Doch auch diese ließ zu wünschen übrig, denn keiner der Piraten, die er seit Sparrows Flucht hatte fangen können, befriedigte ihn. Da war immer noch irgendwie im Hintergrund das Sehnen, diesen einen Piraten zu fangen, zu stellen und ihm seiner gerechten Strafe zuzuführen. Aber die Chance, dass er es wirklich schaffen würde, sank mit jedem Tag, an dem er von diesem Mann nichts hörte. Weder von ihm, noch von seinem Schiff oder zumindest von Teilen seiner Crew. Dass das Schiff untergegangen war, war ein Gedanke, der nicht zu leugnen war, auch wenn der Brite sich eingestehen musste, dass es nicht gerade das war, was er Sparrow zugetraut hatte. Brütend saß er über seinen Schreibtisch gebeugt, die Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen, sodass sich dazwischen eine tiefe Falte bildete. Alles in allem konnte man sagen, dass Commodore Norrington mehr als nur missmutig aussah und sich viele junge Soldaten davor hüteten, ihn anzusprechen. Doch nicht jeder konnte sich davor drücken, wobei Groves sich ohnehin nur selten Gedanken darum machte, in welcher Gemütsverfassung sich sein Vorgesetzter befand. Er kannte ihn schon zu lange um zu wissen, dass er meist nur nach außen hin so griesgrämig wirkte und man, wenn man die richtigen Worte verwendete, er sogar in der Lage, normale Gespräche zu führen. In gewisser Hinsicht konnte der jüngere Mann es James auch nachfühlen, denn auch sie waren mehr oder weniger an das Land gebunden und konnten Tag für Tag nur zur Dauntless sehen und darauf warte, irgendwas zu tun zu bekommen. Doch heute sollte sich das ändern, wie Groves hoffte, und so betrat er nachdem er geklopft hatte, das Büro des Commodores, dessen Gesichtsausdruck sich nicht gerade erhellte. „Commodore...“ Norrington seufzte und deutete mit einer fahrigen Handbewegung, dass der Leutnant fortsetzen sollte. Was auch immer er ihm zu sagen hatte, es waren bestimmt Nichtigkeiten. Oder aber lediglich die Frage, was er denn abends unternehmen wollte, wenn denn überhaupt. Im Moment zog Norrington es allerdings vor, sich einfach von seinem Büro in sein Haus zu begeben und dort in Ruhe weiter mies gelaunt zu sein. Er machte sich gar nicht erst die Hoffnung, dass vielleicht etwas von einem schwarzen Schiff gesichtet wurde. Diesen Gedanken hatte er schon vor einigen Wochen in den Sand gesetzt, denn auch wenn er angenommen hatte, dass Sparrow sich vielleicht ein wenig zurück ziehen würde, so lange hätte sich der Pirat dafür bestimmt nicht Zeit genommen. Sehr zu Norringtons Überraschung war es dann doch anders gekommen, als er es gedacht hatte. Zwar war es nicht die Pearl, die wieder einmal in den karibischen Gefilden unterwegs gewesen war, aber sie hatten inzwischen einige Sichtungen und Beweise über eben jenes Piratenschiff sammeln können, dass wesentlich brutaler vorging, als jenes Schiff, dass sie zuvor gejagt hatten. Nur wenige Tage, nachdem Groves ihm einen Bericht auf den Schreibtisch gelegt hatte, befand Norrington sich bereits an Deck der Dauntless. Ein wirklich stolzes Marineschiff, das nebst der Interceptor im Hafen von Port Royal vor Anker lag. Leider war Zweitere inzwischen auf den Grund des Meeres gesunken und das alles nur weil... Kopfschüttelnd wollte der Brite diesen Gedanken los werden. Es brachte nicht viel, wenn er sich immer noch über den Verlust dieses Schiffes ärgerte. Geschehen war geschehen. Zwar hatte er durchaus einige böse Worte aus London bekommen, aber er konnte auch nicht auf alles Acht geben und wer hatte schon mit einem solchen Manöver gerechnet? Seufzend massierte er sich kurz seinen Nasenrücken. Die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen und färbte das Wasser von einem strahlenden Türkisblau fast schon Feuerrot. Eigentlich ein wunderschöner Anblick, wenn man nicht gerade damit beschäftigt war, gefährliche Piratenschiffe zu fangen und deren Captain sowie Crew unschädlich zu machen. So gesehen war es mit Sparrow in diesen Gewässern nicht gerade schlimm gewesen. Zwar hatte er ebenso geplündert, aber er hatte die Mannschaft der Schiffe, die er überfallen hat, wenigstens am Leben gelassen. Zumindest ein Punkt, in dem er dem Turner-Jungen hatte zustimmen müssen. Sowohl die Dauntless, als auch die Atlas wurden in eine nahen Inselbucht gebracht, sodass die Gefahr nicht gegeben war, dass man sie irgendwie von hinten überraschen oder angreifen konnte. Wenn er von den Berichten ausgehen konnte, so war es immer besser, man war auf einen eventuellen Angriff vorbereitet – auch wenn manchem Handelsschiff dieses Wissen nicht sonderlich viel genutzt hatte. Allerdings waren Handelsschiffe bei weitem auch nicht mit einer derartigen Bewaffnung ausgestattet, wie die Marineschiffe, zumal sie auf etwaige Zusammentreffen mit solchen … Leuten mehr als nur vorbereitet waren. Und doch war unter den Männern eine gewisse Nervosität zu spüren. Es war niemals angenehm, fast auf dem Präsentierteller zu liegen und auch wenn man eine gesamte Mannschaft an Soldaten hinter sich hatte, man wusste nie zu 100% was passieren würde. „Und jetzt? Abwarten und Tee trinken?“ Fragend wandte der Commodore den Blick von dem Farbenspektakel des Meeres und des Himmels ab und blickte zu seinem Captain. Gillette war, ähnlich wie Groves, nicht nur ein beruflicher Verbündete, sondern auch ein privater Freund. Von daher war der Brite der Gesellschaft nicht abgeneigt... Langsam nickte er und zuckte ansatzweise mit den Schultern. „Im Moment gibt es hier nicht mehr für uns zu tun. Und ich würde es gerne vermeiden einfach hinterrücks angegriffen zu werden....“ - was auch daran liegen konnte, dass er nicht noch ein Schiff an Piraten verlieren wollte. Dann würde er wohl mehr als nur Rüffel aus London zu befürchten haben. „Ich muss gestehen, dass es wirklich angenehmere Momente gibt als diesen...aber ich bin guter Dinge, was die Gefangennahme dieses Piraten geht. Zumindest in Anbetracht der Feuerkraft unsererseits...“, kurz klopfte ihm der Franzose auf die Schulter, bevor er sich einigen Matrosen zuwandte und ihnen Befehle zukommen ließ. Auch die kommenden Tage verhießen für den Briten nicht unbedingt etwas Gutes, zumindest wenn man von der immer schwindenden Aussicht absah, Erfolg in dieser Geschichte zu erringen. Zwar hatten sie die Berichte weitestgehend verfolgt, doch der Pirat ließ auf sich warten, auch wenn Norrington nicht unbedingt erwartet hatte, dass sie nach kürzester Zeit auf das Flaggschiff dieser Piratenmeute stoßen würden. Er hoffte, dass wenn sie auf dieses Schiff stoßen würden, sich allzu langer Kampf würde vermeiden können. Zwar würden die Piraten um ihr Leben kämpfen, was sie wiederum zu einem gefährlichen Gegner machte, aber es gab selbst dann Kämpfe, die schnell entschieden waren. Wenn bisher nur die Masse an Piraten gezählt hatte, dann würde es vielleicht ein Leichteres sein, wenn man sie nach und nach auseinander nahm. Vermutlich würde sich der Rest der Bande trennen, wenn man der Schlange den Kopf abschlug und das war der Plan, den der Commodore verfolgte. Er kannte die restlichen Piraten nicht, die sich diesem einen angeschlossen hatten, also waren es vermutlich nur recht kleine Fische. „Commodore!“, mit einem aufgeregten Gesichtsausdruck kam einer seiner Soldaten in die Kajüte eines Vorgesetzten gestürmt. „Fremde Segel am Horizont! Wir glauben, es könnte die Bloodred Keel sein!“ Im Nu war der Offizier seinem Untergebenen nach draußen an Deck gefolgt, wo er von Lt. Groves ein Fernrohr gereicht bekam. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er die besagten Segel am Horizont entdeckt hatte. Noch konnte er keine Farben erkennen, aber er würde wohl nicht lange warten brauchen, bis das Schiff auch sie entdeckt haben würde und während Handelsschiffe ihre Länderflaggen oftmals sichtbar trugen, war dies bei Piratenschiffen nicht immer üblich. Groves sollte Recht behalten. Es dauerte nicht lange, bis die Schatten am Horizont deutlicher wurden und auch klar wurde, wer genau sich ihnen näherte. Zwar waren sie durchaus gut bewaffnet, aber der Brite war sich sicher, dass die Marine die besseren Chancen hatte. Die Sonne stand hoch am Himmel und gab so beiden Parteien eine mehr als gute Sicht auf die Dinge, die folgen würden: fliegende Kanonen, Kampfgeschrei und vermutlich auch der Geruch nach Schwarzpulver und – zumindest war diese Option ebenfalls zu bedenken – Blut. Routiniert rief er die Befehle übers Deck, wie er es schon so oft getan hatte. Und seine Männer folgten seinen Anweisungen – wie sie es schon so oft getan hatten. Trotzdem wusste der Brite, egal wie viel Übung sie in solchen Situationen hatten, wie viel Erfahrungen sie bereits gesammelt hatten, es würde jedes Mal anders sein. Jedes mal war die Chance bestehend, dass einer seiner besten Männer einen unglücklichen Zeitpunkt erwischte und zur falschen Zeit am falschen Ort war – und vielleicht getötet werden würde. Er wusste um die Narben an seinem eigenen Körper und es hatte unzählige Situationen gegeben, in denen er Groves oder Gillette verletzt vorgefunden hatte und notdürftig versucht hatte, ihre Wunden zu verarzten. Er hasste diese Momente... Wie sich herausstellte, war es nicht nur die Bloodred Keel sondern auch ein weiteres Piratenschiff, wobei der Commodore den JollyRoger des zweiten Schiffes nicht zuzuordnen mochte – nicht, dass es wichtig war. Sie würden diese Piraten ebenso gefangen nehmen und mit nach Port Royal nehmen, damit sie dort ihrer gerechten Strafe entgegen blicken konnten. Das laute Knallen der Kanonen war wohl meilenweit zu hören, der Wind trug den Geruch des Schießpulvers in sein Gesicht, sowie auch den Geruch des Mannes, denn er mit dem Schwert zurück drängte. Noch hatte es keine Klinge geschafft, ihm eine Verletzung zuzufügen, wohingegen er bereits zwei Piraten über die Reling ins Wasser gestoßen hatte. Sie kämpften alles andere als fair, doch auch genug seiner eigenen Männer hatten sich inzwischen den ein oder anderen Trick angeeignet, um so ihr eigenes Überleben zu sichern; Tricks, die sie nicht während ihrer Ausbildung beigebracht bekommen hatten. Die Luft war erfüllt mit Kampfgeschrei und vom Klirren der Schwerter, wenn die Klingen denn aufeinander trafen. Männer liefen umher und nur selten gab es Zweiergefechte. Marinesoldaten sicherten sich gegenseitig den Rücken, während die Piraten sehr oft einfach so darauf los kämpften und wohl hofften, alleine ihre schiere Anzahl würde ihren Sieg davon tragen. Doch auch wenn ihre Anzahl die der Navysoldaten überstieg, so war Norrington auch das Fehlen von Disziplin aufgefallen. Es gab keinerlei Struktur oder Ordnung in ihren Reihen – Handelsschiffe hatten sie damit wohl überfallen können. Und vielleicht auch das ein oder andere Marineschiff, wie es ihm zu Ohren gekommen war, aber offenbar waren diese Soldaten nicht wirklich im Umgang mit Piraten geschult worden. Zumindest nicht mit dieser Sorte von Piraten und für einen kurzen Moment fragte James sich, ob es vielleicht einen gewissen Vorteil gebracht hatte, gegen diese Untoten zu kämpfen. Doch er kam nicht dazu, diesen Gedanken weiter zu verfolgen, als er einen der Piraten mit seinem Schwert zurückdrängte und er nur wenige Sekunden später einen Schuss hörte. Der Mann, der ihn eben noch umbringen wollte, zeigte jetzt eine Wunde auf seiner Brust auf, die sich nur allzu bald dunkelrot verfärbte und mit einem letzten Stöhnen sank er auf die Holzplanken des Marineschiffes und rührte sich nicht mehr, während sich sein Blut etwas um ihn ausbreitete. Er konnte nicht sagen, wer den Schuss abgegeben hatte, doch es war auch nicht wichtig. Seine Männer drängten die Piraten immer mehr zurück, sowohl auf der Dauntless als auch auf der Falcon. Dabei konnte er nicht sagen, wie lange die Kämpfe gedauert hatten. Schweiß rann ihm über das Gesicht und er konnte in den Gesichtern erkennen, dass es ihnen nicht anders ging, als ihm. Nicht, dass ihre Uniformen für die Karibik gedacht waren – allerdings wies der feste Stoff hin und wieder doch auch Schutz gegen Schwertstreiche auf. Allerdings dauerte es nicht lange, bis Siegesgebrüll auf den Schiffen der Marine lauter wurde, als man die Piraten vollends zurück gedrängt hatte. Ihre Kanonen hatten die Rümpfe der Bloodred Keel durchaus getroffen und auch wenn das Schiff nicht wirkte, als würde es bald untergehen, so waren die Schäden auch nicht zu verachten. „Huzzah! Huzzah!“ Mit hochrotem Kopf hatte sich Gillette an seine Seite gestellt. Er hatte eine Schnittwunde an der Stirn, doch sie wirklich nicht sonderlich tief und musste weder genäht werden, noch lief er in Gefahr, eine bleibende Narbe davon zu tragen. Die restlichen Soldaten hoben ihre Fäuste gen Himmel und riefen weiter ihre Freude über diesen Sieg voller Inbrunst hinaus. Eine Art von wohligem Gefühl machte sich in Norringtons Bauch breit – das Wissen, dass sie gewonnen hatten. Dass sie nun erstmal nicht mehr um ihr Leben fürchten mussten. Und die Euphorie über den Sieg über die Bloodred Keel. Natürlich würde es andere Piraten nicht davon abhalten, sich ebenfalls zusammen zu schließen, aber vielleicht in nicht allzu naher Zukunft. „Sir?“ Auch dem Franzosen war anzusehen, wie erleichtert, aber auch fertig er war. „Gut gemacht, Captain. Bringt unsere Verletzten unter Deck, die Piraten in die Brigg. Und dann brauche ich einige Männer, die sich der Piratenschiffe annehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen will, was sich alles darin befindet, aber ich würde gern vermeiden, dass sie vielleicht ihren Schwarzpulver-vorrat angezündet haben und wir in Gefahr laufen, anschließend die Engel singen zu hören, weil wir uns von diesem Sieg in Sicherheit hatten wiegen lassen...“ Der Andere salutierte und nickte, auch wenn er sich dann ein leichtes Lächeln nicht verkneifen konnte. James konnte es ihm nicht verübeln, es tat immer gut, wenn man gewonnen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)