Color of Twilight von Flordelis (Time of Death and Rebirth) ================================================================================ Kapitel 24: Tenseitai --------------------- Noch nie hatte er eine Schule von innen gesehen oder gar gewusst, wofür sie gut war. So war es eine Premiere für den inzwischen 16-Jährigen, als er an diesem Tag das Schultor hinter sich ließ. Die fragenden Blicke von Jungen so wie Mädchen folgten ihm dabei. Schon nach nur wenigen Sekunden konnte er schmachtendes Seufzen hören. Doch er ignorierte es und lief einfach weiter. Die blaue Uniform mit dem weißen Hemd darunter, erschien Zetsu unpraktikabel. Kämpfen würde er damit nicht können. Allerdings lernten normale Menschen das vermutlich auch nicht an Schulen. Er betrat das Gebäude und lief durch die Gänge, um sich einen Weg zum Raum des Schülerrats zu bahnen. Evolia hatte ihm erklärt, dass er dort Satsuki finden würde, der er sich als von Jatzieta geschicktes neues Mitglied vorzustellen hatte. Wer Jatzieta war oder warum sie ihn schicken sollte und warum niemand dabei misstrauisch werden würde, das hatte sie ihm nicht verraten. Aber er hatte auch nicht weiter nachgefragt. Sein Ziel war ihm im Moment wichtiger. „Seid Ihr Euch wirklich sicher, dass Ihr das tun wollt, Meister?“ Nanashis Stimme hallte in seinem Inneren nach und brachte ihn damit ein wenig aus dem bis dahin gleichmäßigen Schritt. Es gibt jetzt kein Zurück mehr. Ich werde Jiruols Tenseitai benutzen, um meine Rache zu bekommen. „Wisst Ihr denn schon, wie genau Ihr das machen wollt?“ Nein, noch nicht. Aber das werde ich noch herausfinden, nur keine Sorge. Nach diesem selbstsicheren Gedanken schwieg Nanashi, was ihm nur recht war. Denn wenn er ehrlich sein musste, ging ihm sein Shinjuu in letzter Zeit leicht auf die Nerven. Er war ihr dankbar, dass sie bei ihm gewesen war in seiner Zeit der Einsamkeit, aber musste sie ständig irendwelche Predigten halten oder seine Entscheidungen hinterfragen? Sie war doch sein Shinjuu und hatte damit alles zu tun, was er wollte. Oder etwa nicht? Vor einer Tür blieb er wieder stehen. Ein Blick auf das Schild an der Wand daneben, verriet ihm, dass es sich tatsächlich um den Raum des Schülerrats handelte. Nun musste er nur noch hoffen, dass diese Satsuki auch tatsächlich da war. Wie es sich gehörte, klopfte er an die Tür und wartete auf Antwort. Das dauerte allerdings nicht sonderlich lange. Schon nach wenigen Sekunden konnte er eine fröhliche Stimme hören, die ihn hereinbat. Zetsu folgte der Aufforderung. Als Evolia „rote Haare“ erwähnt hatte, hatte der Silberhaarige sich eine dunkle Farbe wie bei Azar vorgestellt, aber die von Satsuki erinnerten eher an die Färbung der Sonne bei deren Untergang. Ihre grünblauen Augen bildeten einen passenden Kontrast dazu. Das weiße Oberteil der Uniform wirkte fast schon züchtig, während der blaue Rock gerade einmal das Nötigste bedeckte. Es war eine Weile her, dass er mit jemandem in seinem Alter zusammengekommen war, so dass Zetsu sie erst einmal nur stumm ansehen konnte. Sie nutzte die Gelegenheit, um ihn ihrerseits zu mustern, bevor sie den Oberkörper vorstreckte und einen Arm in die Hüfte stemmte. „Was ist los?“, fragte sie lächelnd. „Hat dir mein umwerfendes Aussehen die Sprache verschlagen?“ Er wollte eine knurrende Antwort darauf geben, hielt sich aber zurück. „Tut mir Leid.“ Nach seiner Entschuldigung räusperte er sich. „Mein Name ist Zetsu Akatsuki.“ „Ein neuer Schüler?“, fragte sie vergnügt. Ihre quietschige Stimme ging ihm bereits auf die Nerven, er hoffte, nicht allzuviel mit ihr zu tun haben zu müssen. Er ahnte ja noch nicht, mit wem Jiruols Tenseitai alles befreundet war. Zetsu nickte. „Ganz genau. Und...“ Gedanklich rief er Nanashi zu sich, die sich nur widerwillig zeigte. Satsukis ohnehin schon große Augen, weiteten sich noch einmal. „Ein Shinjuu! Aber... warum bist du hier?“ Zetsu zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, um sich Evolias Worte noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. „Jatzieta schickt mich zur Unterstützung.“ Einen kurzen Moment fürchtete er, dass diese Lüge auffliegen würde, besonders als Satsuki ihr Gesicht verzog. Doch im nächsten Moment schnalzte sie bereits mit der Zunge. „Typisch Jatzieta. Die erzählt einem aber auch gar nichts mehr. Bestimmt hat sie nicht einmal Salles erzählt, dass sie einfach neue Mitglieder anwirbt.“ Sie stöhnte genervt. „Und bestimmt brauche ich sie auch nicht danach zu fragen, das hat sie dann mit Sicherheit schon wieder vergessen, so viel wie sie immer trinkt.“ Zetsu schaltete ab, als sie in einen brummelnden Monolog darüber verfiel, wie unzuverlässig Jatzieta doch wäre und wie schnell ihr Alkoholkonsum ihr Gehirn zersetzte. Daher also Evolias Anweisung. Plötzlich räusperte Satsuki sich. Sie lächelte und fuhr sich mit einer verspielten Geste durch ihr Haar. „Ich bin übrigens Satsuki Ikaruga. Das weißt du bestimmt, aber es ist höflicher, sich selbst vorzustellen, nicht wahr?“ „Vermutlich“, meinte er abweisend. Sie seufzte leise, lächelte aber nach wie vor. „Nun, auch wenn Jatzieta langsam ihr Gehirn zerstört, Geschmack hat sie ja noch. Schade, dass mein Herz schon vergeben ist.“ Satsuki lachte. Zetsu und Nanashi rollten gleichermaßen mit den Augen, worauf Satsuki sofort wieder ernst wurde: „Hat Jatzieta dir erzählt, was unsere Mission ist?“ „Nicht direkt, nein“, antwortete er ausweichend. „Dachte ich mir doch“, seufzte sie. „Okay. Wir müssen auf einen Jungen namens Nozomu Setoki aufpassen. Er ist der Tenseitai von Jiruol, dem Gott der Zerstörung, weswegen wir, die Brigade darauf achten müssen, dass er nicht erwacht.“ Zetsu hatte da ganz andere Pläne, aber mit Sicherheit würde er das nicht einfach so zugeben. Er nickte. „Verstanden. Aber wie sollen wir das verhindern?“ Sie schluckte, bevor sie ihm einen panischen Blick zuwarf. „Äh... also darüber werde ich natürlich noch einmal mit Salles sprechen. Wichtig ist aber auf jeden Fall, jede Gefahr von ihm fernzuhalten. Eine gefährliche Situation könnte dazu führen, dass Jiruol erwacht.“ Der Silberhaarige nickte noch einmal. „Ich werde ihn dir natürlich vorstellen“, sagte sie vergnügt. „Aber mach dir bloß keine falschen Gedanken. Nozomu-kun steht nur auf Frauen. Hoffe ich.“ Die letzten zwei Worte fügte sie kleinlaut hinzu. Zetsu rollte noch einmal mit den Augen, während Nanashi leise seufzte. Als ob er sich an ihn ranmachen würde. „Dann lass dein Shinjuu mal wieder verschwinden“, sagte Satsuki. „Das sollte hier in der Schule besser nicht gewesen werden.“ Er nickte erneut, worauf Nanashi wieder verschwand und sie beide alleinließ. „Dann komm mal mit.“ Satsuki bedeutete ihm, ihr zu folgen und führte ihn nicht nur wieder aus dem Raum hinaus, sondern auch zurück auf den Schulhof. Die Schüler standen immer noch in Gruppen versammelt herum, einige Nachzügler kamen durch das Tor herein. Zetsu blickte desinteressiert zwischen allen umher, bis sein Blick an zwei bestimmten Schülern hängen blieb. Sein Herzschlag beschleunigte sich wieder, das Blut rauschte in seinen Ohren. Für einen kurzen Augenblick vergaß er sogar das Atmen. Sie trugen ebenfalls die Schuluniformen der Monobe Akademie, doch er erkannte sie sofort. Sie beide sahen noch genauso aus wie zuvor. Sie sahen aus wie Faim und Jiruol. Abgesehen von der Tatsache, dass das Mädchen, das Faims Tenseitai zu sein schien, nicht so leblos war wie die Göttin damals. Nein, sie lächelte vergnügt und winkte Satsuki bereits zu, als sie diese entdeckte. Der braunhaarige Junge neben ihr dagegen wirkte müde und übernächtigt. Die blauen Augen blickten trüb umher. Je länger Zetsu ihn beobachtete desto mehr wuchs die Wut in ihm. Er wollte sein Shinken ziehen, auf den Jungen zustürmen und ihm den Kopf von den Schultern nehmen, doch er hielt sich selbst zurück. Sein Plan war ein anderer und an den sollte er sich zumindest vorerst halten. Vor den beiden blieben Satsuki und Zetsu wieder stehen. Der Silberhaarige hatte sich inzwischen wieder unter Kontrolle, auch die musternde Blicke der beiden Schüler machten ihm nichts aus. Satsuki stellte sie lächelnd vor. „Nozomu-kun, Nozomi-chan, das hier ist Zetsu Akatsuki. Akatsuki, das hier sind Nozomi Nagamine und Nozomu Setoki.“ „Ein neuer Schüler?“, fragte Nozomi lächelnd, während Nozomu schwieg. Satsuki nickte zustimmend. „Ganz genau.“ Was für eine dumme Frage, dachte Zetsu. Haben wir uns denn schon einmal gesehen? In dem Moment kam ihm nicht in den Sinn, dass die Schule einige hundert Schüler hatte, so dass es tatsächlich vorkommen konnte, dass man sich gegenseitig übersah. „Freut mich sehr“, sagte Nozomi immer noch lächelnd. Der Junge neben ihr schwieg immer noch. Zetsu wandte sich ihm zu. Wieder flammte Wut in seinem Inneren auf, doch er kämpfte sie nieder. Er wusste nicht, wie Jiruol reagieren würde, wenn er seinen Tenseitai angriff, also sollte er diplomatisch vorgehen – und sich mit ihm anfreunden. Zetsu lächelte warm, sein erstes echt aussehendes Lächeln seit langem. Auffordernd hielt er Nozomu die Hand hin. „Es freut mich, dich kennenzulernen.“ Der Braunhaarige musterte ihn misstrauisch und wenig von seiner Freude überzeugt. Ahnte er, wer Zetsu in Wirklichkeit war? Wusste er überhaupt von seinem letzten Leben? Doch plötzlich ergriff Nozomu seine Hand. „Freut mich auch.“ Zetsu lächelte vergnügt. „Das bedeutet wohl, wir sind jetzt Freunde, was?“ Seine Worte zauberten ein Lächeln in Nozomus Gesicht. „Ja... vielleicht.“ Während der Silberhaarige nach außen so tat als wäre er glücklich, frohlockte in seinem Inneren seine finstere Seite, die den Plan ausgeheckt hatte und sich nun darauf freute, ihn endlich ausführen zu können – sobald die Zeit dafür gekommen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)