Color of Twilight von Flordelis (Time of Death and Rebirth) ================================================================================ Kapitel 23: Die Bringer des Lichts ---------------------------------- Nanashi strich Zetsu tröstend über den Kopf, doch er reagierte nicht. Stattdessen saß er auf einem Felsen und starrte konzentriert über den Abgrund in die unergründliche Tiefe. Früher hatte er sich immer vorgestellt, dass man eine Höhle sehen könnte, wenn man von der Erde aus hinunter sehen würde – doch hier war es, als ob der Himmel einfach nach unten weitergehen würde. Ob man aus dieser Welt hinausfallen würde, wenn man von hier aus sprang? Oder würde man dann von oben wieder herunterfallen? Für einen kurzen Moment spielte er mit dem Gedanken, es ausprobieren. Immerhin hatte er nichts mehr zu verlieren. Die Götter waren zu stark für ihn und nun trug er auch noch den Namen des Ruins, der ihn langsam, aber sicher töten würde... Er konnte nichts mehr tun, gar nichts. „Meister...“, sagte Nanashi leise. „Bitte... gebt doch nicht einfach auf.“ „Aber was soll ich denn tun?“, fragte er. „Mein Körper wird sich auflösen. Ich kann mich nicht für den Tod meiner Familie rächen. Es ist alles vorbei.“ Diese Erkenntnis traf ihn immer wieder genauso hart wie zuvor, egal wie oft er daran dachte. Möglicherweise würde er bis zu seinem Tod mit diesem Schmerz leben müssen. „Nun, es stimmt, dass man den Namen des Ruins nicht mehr ablegen kann“, meinte Nanashi nachdenklich. „Aber... Ihr könnt Eure Rache noch bekommen, wenn Ihr sie unbedingt wollt.“ Fragend sah er sein Shinjuu an. Er würde sich an jede neue Hoffnung klammern, die sie ihm gab. Sie zögerte allerdings, bevor sie weitersprach. Unvermittelt fiel ihm wieder Alnine ein. „Jiruol ist nämlich richtig stark! Ich habe gesehen, wie er Yaharagi, Sejital und Shumin getötet hat! Einfach so!“ Mit Jiruols Stärke wäre er sicher nicht in dieser Situation. Aber wie sollte er ihn finden? Gleich darauf fielen ihm Etles Worte wieder ein: „Wenn wir erst einmal Jiruols Macht haben, wird von allen Shinkenträgern nicht mehr viel übrigbleiben. Und die Bringer des Lichts sind schon seinem Tenseitai auf den Fersen.“ Es war als würde etwas in ihm ihm helfen wollen und ihn deswegen freundlich, aber bestimmt auf Erinnerungen hinweisen. Wenn er es schaffen könnte, an Jiruols Macht zu gelangen, könnte er die Götter töten. Er selbst hatte keine Zeit, alle Welten nach ihm zu durchsuchen – aber Etle hatte gesagt, dass die Lichtbringer bereits hinter ihm herwaren. Wenn er es also schaffen könnte, sich dieser Organisation anzuschließen, könnte er an Jiruol herankommen und dann seine Rache bekommen. Fragte sich nur, wie er an die Bringer des Lichts herankommen sollte. Er wusste ja nicht einmal, wer ihr Anführer war. Aber die verwaltenden Götter wussten es bestimmt. Nur wie sollte er sie überreden, ihn zu dem Anführer der Lichtbringer zu bringen? Immerhin waren sie Feinde. Sein plötzlich wieder aufmerksamer Blick besorgte Nanashi. „Meister, was ist los?“ Mit einem leichten Lächelnd wandte er sich ihr zu. „Ich habe einen Plan.“ „Ich verstehe“, sagte Evolia lächelnd, nachdem die Götter sie über das Geschehen informiert hatten. „Dann ist dieser Junge also Zetsu Akatsuki, der nette Kleine, der so viele meiner Leute – und Bahadur – getötet hat?“ Etle nickte zustimmend. „Derselbe.“ Genüsslich platzierte sie eine Hand an ihrem Kinn. „Was sagst du dazu, Berbalzerd?“ Neben der zierlichen Frau erschien ein großer, muskulöser Mann, der sein Gesicht hinter einer roten Maske verborgen hielt. In seinen Händen hielt er eine Hellebarde, von der die Energie eines Shinken ausging. „Ich sage, dass es viel zu schade ist, ihn hier auf seinen Tod warten zu lassen. Er wäre sehr praktisch für uns.“ Etle und Edega sahen ihn fragend an, worauf Berbalzerd eine Erklärung hinterher schob: „Er ist etwa im selben Alter wie Jiruols Tenseitai und die meisten Mitglieder der Brigade. Wir könnten ihn ohne große Umstände in Jiruols Bekanntenkreis einschleusen.“ Lächelnd sah Evolia ihn an. „Denselben Gedanken hatte ich auch. Aber glaubst du, er würde sich uns einfach anschließen? Er wurde von unserem Lieblingsfeind Jinmu trainiert. Und er hat so viele von uns getötet.“ Ein helles Lachen folgte ihren Worten, bevor sie weitersprach: „Ich würde mich unter diesen Bedingungen nicht anschließen.“ Für einen Moment herrschte nachdenkliches Schweigen. Es war Edega, der dieses wieder brach: „Außerdem will er immer noch Rache an uns. Warum sollte er also?“ Die Anwesenden drehten sich um, als sie hinter sich Schritte hörten. Vor ihnen stand ein selbstbewusst lächelnder Zetsu, von dem eine unheimliche Atmosphäre ausging. Sein besorgt aussehendes Shinjuu saß auf seiner Schulter. Evolia fand ihr Lächeln ebenfalls wieder. „Wie angenehm endlich demjenigen gegenüberzustehen, der im Alleingang einige meiner Leute ausgelöscht hat.“ „Dann bist du also die Anführerin dieser Lichtbringer?“, hakte Zetsu nach. Sie lachte hell. „Ganz genau. Willst du mich nun töten?“ Der spöttische Klang ihrer Stimme sollte ihn wohl verunsichern, doch er ließ sich nichts anmerken. „Nein, danke. Kein Interesse. Ich habe meine Rache an Bahadur bekommen.“ Sie gestikulierte zu Etle und Edega hinüber. „Und was ist mit deiner Rache an denen?“ Zetsu hob seine Schultern. „Sie haben dir mit Sicherheit gesagt, dass ich kläglich gegen sie verloren haben. Also werde ich etwas anderes machen.“ Evolia und Berbalzerd warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Sie sah wieder Zetsu an. „Und was willst du machen?“ „Solange neue Welten entstehen, werden alte sterben, nicht wahr? Und ihr zerstört Welten, um die Vernichtung alter Welten, so wie meiner, zu verhindern, nicht?“ Beide Lichtbringer nickten zustimmend, sie konnten sich bereits denken, was er als nächstes sagen würde. „Dann werde ich mich euch anschließen. Das Ziel gefällt mir.“ Evolia lächelte kokett. „Und wer sagt, dass wir dich dabeihaben wollen? Du hast einige unserer talentiertesten Mitglieder getötet.“ Ihre Worte entlockten ihm nur ein müdes Lächeln. „Das waren eure talentiertesten Mitglieder? Dann will ich wirklich nicht wissen, wie diejenigen kämpfen, die nicht so talentiert sind.“ Er hatte erwartet, dass sie wütend werden würde, doch sie lächelte mild. „Ich muss zugeben, im Vergleich zu deinen Fähigkeiten sind die meisten unserer Mitglieder nur rasch verglühende Lichter. Es hat mir auch imponiert, dass du Bahadur getötet hast.“ Überrascht runzelte Zetsu seine Stirn. „Ich dachte, er wäre einer deiner besten Leute gewesen.“ Sie antwortete nicht, aber Berbalzerd übernahm das bereits für sie: „Bahadur war einmal ein sehr gutes Mitglied gewesen. Doch seine Sehnsucht nach Rache an Jinmu hat ihn geradezu verdorben. Und nachdem er seine Rache endlich hatte, war er endgültig nicht mehr zu gebrauchen. Deswegen schickten wir ihn in die Welt der Rebellen. Wir dachten uns, dass er entweder von dir oder von den dortigen Rebellen getötet werden würde.“ „Damit hattet ihr recht“, meinte Zetsu. „Also, wie sieht es nun aus? Darf ich Mitglied werden oder nicht?“ Nanashi verzog ihr Gesicht, schwieg aber, wie ihr Meister ihr mittels seiner Gedanken befahl. „Wir werden dir den Namen des Ruins aber nicht wieder entfernen“, meinte Etle kichernd. „Das ist mir klar“, sagte Zetsu, an den Gott gewandt. „Deswegen mache ich das nicht.“ „Aber wenn du dich bewährst und uns deine Treue zeigst“, fügte Edega hinzu, „werden wir noch einmal darüber beraten.“ Der Silberhaarige wollte lieber nicht wissen, wie so eine Beratung zwischen den beiden aussah. Etle würde vermutlich die ganze Zeit vor sich hinkichern und Edega würde irgendetwas in seinen Bart murmeln. Erneut warfen sich Berbalzerd und Evolia einen Blick zu. Es erschien Zetsu lächerlich, aber offenbar kommunizierten sie in Gedanken miteinander, denn nach einer Weile nickten sie sich zu. Evolia sah wieder Zetsu an. „In Ordnung, mein Lieber. Wir nehmen dich wirklich gern auf. Aber vorher musst du noch etwas sehr Wichtiges wissen.“ Etle räusperte sich. „Ich nehme mal an, dass ihr uns nicht mehr braucht, also ziehen wir uns vorerst zurück. Wir sehen uns, Evolia.“ Die Götter verschwanden, Zetsu trauerte ihnen nicht hinterher. „Was gibt es so Wichtiges?“ „Du kennst uns Bringer des Lichts, aber kennst du auch unsere Feinde?“ Der Silberhaarige schüttelte mit dem Kopf. Er kannte lediglich den zurückgezogenen und inzwischen toten Jinmu und die Rebellen. Aber die konnten kaum gemeint sein, weswegen er gespannt darauf wartete, von welchem Feind sie wohl sprach. Sie bemerkte seine Neugierde, so dass sie lächelnd fortfuhr: „Unsere Feinde sind Mitglieder der Brigade. Ein Zusammenschluss armseliger Shinkenträger, die sich gegen uns verschworen haben und uns behindern, wo es nur geht.“ „Wenn sie so armselig sind, wie können sie euch dann behindern?“ Er erwartete wirklich, dass Evolia irgendwann einmal eine wütende Reaktion zeigte, aber ihr Lächeln erlosch immer noch nicht. „Sie können es eben. Sie sind wie Sand im Getriebe. Einzelne Sandkörner stören auch nicht großartig, nicht wahr? Aber viele von ihnen können den ganzen Betrieb aufhalten.“ Zetsu nickte verstehend. „Ich soll mich also vor ihnen in Acht nehmen?“ „Noch besser“, verkündete Evolia strahlend. „Du wirst dich als einen von ihnen ausgeben und dich in den Freundeskreis von Jiruols Tenseitai schmuggeln.“ Für einen kurzen Augenblick verschlug es Zetsu die Sprache, weswegen er sie nur schweigend ansah. Er würde so einfach an sein Ziel kommen? Sämtliche Glückssterne, die es im Zeitbaum gab, mussten ihm gewogen sein, um ihm das so einfach und problemlos zu ermöglichen. Aber vielleicht, hielt er sich selbst zurück, war es auch nur ein Trick von Evolia. Möglicherweise wollte sie ihn damit irgendwohin abschieben, wo er ihr nicht schaden könnte, bevor sie ihn und die entsprechende Welt im selben Atemzug zerstörte. Doch im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen, wenn er sein Ziel erreichen wollte. Und das wollte er unbedingt, mit jeder Faser seines Körpers, selbst wenn es bedeuten würde, blind in eine Falle zu rennen. Also nickte er. „In Ordnung, ich mache es.“ Evolia lächelte vergnügt. „Fein. Berbalzerd, kümmere dich doch bitte um die Vorbereitungen. Du kennst ja die Koordinaten. Unser neues Mitglied wird eine Wohnung und eine Schulanmeldung brauchen.“ Der Angesprochene nickte und verschwand. Zetsu fragte sich, was wohl eine Schulanmeldung war, verschob diese Frage aber auf ein andermal. „Muss ich noch etwas wissen?“ Evolia nickte. „Du wirst vor Ort auf ein anderes Mitglied der Brigade stoßen. Ihr Name ist Satsuki Ikaruga, sie ist der kleine Liebling des Anführers, deswegen bekam sie einen so simplen Auftrag. Du wirst sie sofort an ihrem roten Haar erkennen, außerdem führt sie ein Shinken des sechsten Ranges mit sich.“ Zetsu nickte langsam, zum Zeichen, dass er verstand. „Der Anführer der Brigade nennt sich selbst Salles Cworcs. Er war einst ebenfalls ein verwaltender Gott, aber er hat desertiert und die Brigade gegründet.“ Etwas, was Zetsu nur allzu gut verstehen konnte. Allein die Gesellschaft der beiden anderen Götter hätte ihm gereicht, um ihn davon zu überzeugen, so schnell wie möglich zu verschwinden. Ob dieser Salles wohl ebenfalls so alt wie Etle oder halb Tier wie Edega war? Wenn alles gut ging, müsste er das nie herausfinden. „Ich glaube, das ist auch schon alles, was du wissen musst. Sollte Satsuki dich in ein Gespräch über die Brigade verwickeln, weich einfach so gut wie möglich aus. Nicht, dass sie dir am Ende ein paar Fangfragen stellt und du vor der Zeit enttarnt wirst, mein Lieber.“ „Wann ist die Zeit?“ „Dann, wenn ich es dir sage“, sagte Evolia lächelnd. „Wir werden dich die ganze Zeit im Auge behalten, also denk nicht, du könntest tun, was du willst oder einfach abhauen. Denk immer daran: Dein einziges Ziel ist es, Jiruol auf unsere Seite zu ziehen, bis wir ihn holen kommen. Wie du das machst, ist mir egal, aber sieh zu, dass du es machst. Verstanden?“ Zetsu nickte schweigend, was ihr sehr zu gefallen schien. „In Ordnung, mein Bester. Dann wird es langsam Zeit, zu gehen – und enttäusche uns ja nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)