Color of Twilight von Flordelis (Time of Death and Rebirth) ================================================================================ Kapitel 14: Spirit Corridor --------------------------- Blaue Funken sprühten, als die beiden Schwerter aufeinander prallten. Der Silberhaarige sprang zurück, sein Gegenüber setzte ihm nach, konnte ihn aber nicht verletzen. Rutsuruji nutzte den Umstand und trat seinem braunhaarigen Gegner gegen den Arm. Mit einem Schrei ließ eine seiner Klingen fallen, die andere umklammerte er dafür umso fester. „Jetzt haben wir Gleichstand, Jiruol“, bemerkte Rutsuruji schmunzelnd. Der Braunhaarige schien das keineswegs lustig zu finden. Ohne ein Wort, aber mit vor Wut verzerrtem Gesicht, setzte er Rutsuruji wieder nach. Der Silberhaarige wich immer wieder aus, ohne auch nur Anstalten für einen Gegenangriff zu machen. „Veralberst du mich!?“, fauchte Jiruol. „Kämpfe wie ein Mann!“ Rutsuruji lachte. „Wenn du unbedingt willst.“ Seine Klinge traf auf die des anderen Gottes. Während Jiruol zur Seite wich, schrammten beide Schneiden aneinander, was erneute Funken entstehen ließ. Sie sprangen wieder auseinander, nur um erneut aufeinander zuzustürmen. Schmerzen zuckten durch Rutsurujis Oberkörper. Er senkte den Kopf. Das Schwert, das durch seine Schulter gerammt war, wirkte unwirklich. Fast schon wollte er seine Hand danach ausstrecken, um sich von dem Vorhandensein des Metalls zu überzeugen. Doch der erneut Schmerz, als sich die Klinge plötzlich bewegte, überzeugte ihn von der Realität. Sein Blick ging weiter zu Jiruol, durch dessen Schulter ebenfalls ein Schwert gerammt worden war. Er verzog das Gesicht, gab aber nicht einmal den kleinsten Laut von sich. Ein lauter Aufschrei lenkte die Aufmerksamkeit beider Männer auf sich. Zetsu öffnete schlagartig seine Augen. Er befand sich immer noch in seinem Hotelzimmer und nicht an dem Ort, den er eben noch in seinem Traum gesehen hatte. Nanashi lag neben ihm, noch in den Schlaf vertieft. Lächelnd strich er ihr über das Haar, was sie mit einem genervten Handschlag quittierte. Er richtete sich auf, um aus dem Fenster zu sehen. Sonnenlicht fiel durch einen Spalt im Vorhang, durch den Zetsu auch nach draußen sehen konnte. Gegenüber war ein Bürogebäude, in dem bereits eifrig gearbeitet wurde. Manchmal fragte Zetsu sich, ob den Menschen dort das Leben nicht zu langweilig wurde. Jeden Tag zum selben Arbeitsplatz, dieselbe Arbeit, dieselben Gesichter... Er war sich sicher, dass er das nicht lange aushalten würde. Zetsu sehnte sich nach Abwechslung, neuen Welten, neuen Gegnern... Aber vielleicht interessierte es diese Leute auch gar nicht so sehr. Immerhin kannte wohl keiner von ihnen etwas anderes als diese Welt oder gar das befreiende Gefühl, wenn man sah wie das Leben aus den Augen seines Gegners verschwand. Nanashi regte sich und riss ihn damit aus den Gedanken. Fragend sah er auf sie hinunter. „Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?“ Gähnend richtete sie sich auf. „Sehr gut, danke. Und Ihr, Meister?“ „Auch sehr gut, danke.“ Er verzichtete darauf, ihr von seinem Traum zu erzählen. Es war eine Erinnerung aus seinem letzten Leben, dessen war er sich sicher, also musste er sein Shinjuu nicht damit belasten. „Was tun wir heute, Meister?“ „Hast du so ein schlechtes Gedächtnis?“, fragte Zetsu. „Ich habe doch gestern erst gesagt, dass wir heute weiterziehen werden.“ Missbilligend runzelte sie ihre Stirn. „Aber was ist mit dem ganzen Geld, das Ihr dann noch habt? In der nächsten Welt werdet Ihr es nicht mehr verwenden können.“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Ich gebe heute noch etwas davon aus... und dann verschenke ich es einfach.“ Nanashi hob verwundert eine Augenbraue. „Wenn Ihr das wollt.“ Weiterer Widerspruch wäre sinnlos gewesen, darum stimmte sie ihm einfach zu. Zetsu nickte bestätigend. „Also lass uns gehen.“ Zu Beginn seines letzten Tages in dieser Welt, genehmigte er sich ein ausgiebiges Frühstück noch im Hotel selbst. Selbst in den letzten fünf Jahren seiner Reise, hatte er nie so üppig gefrühstückt wie an diesem Tag. Die fragenden Blicke, die ihm die anderen Gäste zuwarfen, ignorierte er dabei völlig. Es kümmerte ihn nicht, was andere Leute dachten, auch nicht wenn es dabei nur um seine Kleidung oder sein Haar ging. Die bewundernden Blicke, die seinem Haar zugeworfen wurden, war er ohnehin gewohnt, genauso das begeisterte Tuscheln hinter seinem Rücken, das oft verstummte, wenn er zur Quelle sah – nur um zu einem Kreischen zu werden, sobald er wieder den Kopf wandte. Er war sich vollkommen bewusst, welche Wirkung er auf andere Leute hatte, nutzte dies aber nicht aus. Wozu auch? Er bekam auch auf andere Wege, was er sich wünschte. Augenblicklich gehörte dazu nur Rache und die würde er über kurz oder lang bekommen, irgendwie. Nach dem Frühstück und dem Bezahlen seiner gesamten Rechnung verließ Zetsu das Hotel. Während er die Straße entlanglief, musterte er das noch verbliebene Geld. Obwohl er nicht sonderlich sparsam gewesen war, war noch jede Menge übrig. Die Frau hing wohl sehr an dem Amulett, wenn sie so viel Geld für die Rückgabe bot. Aber warum und wie hatte dieser Kerl es ihr überhaupt abnehmen können? Gerade als die Fragen erwachten, fiel ihm ein, dass er nicht mehr fragen konnte. Nicht nur, dass er nicht wusste, wo die Frau gerade war, er wollte sie auch nicht noch einmal treffen. Die beiden ersten Treffen waren für ihn schon zu viel gewesen. Ohne weiter darüber nachzudenken, warf Zetsu das Geldbündel in die geöffneten Hände eines Bettlers, der das Geld nur erstaunt mustern konnte. Der Silberhaarige bog in eine unbelebte Seitengasse, wo er wieder stehenblieb. „Nanashi, wir brauchen einen Spirit Corridor.“ Das Shinjuu verließ seine Schulter. „Sehr wohl, Meister. Wohin als nächstes?“ Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. „Ich habe keine Koordinaten mehr übrig. Such dir irgend etwas Schönes raus.“ Ihr Gesichtsausdruck verriet die fehlende Begeisterung, aber natürlich gehorchte sie. Das Shinjuu öffnete einen Korridor, an den Zetsu inzwischen so sehr gewohnt war, dass er nicht mehr so fasziniert davon war wie am Anfang. Mit sicherem Schritt trat er durch das Portal, das sich hinter ihm schloss. Wirbelnde Farben bewegten sich spiralförmig um ihn und die Äste des Zeitbaums, durch den er sich bewegte. Dichte Nebelmassen verhinderten einen Blick auf die Welten, die sich entlang des Korridors befanden, aber nicht sein Ziel waren. Immer wieder wechselten die Farben dieser Welt, von einem dunklen rosa zu einem hellen Blau, einem mysteriösen Lila und wieder zu rosa, bevor sich die Spirale wiederholte. Keine Geräusche waren zu hören. Anfangs hatte Zetsu geglaubt, sie würden nur nicht existieren, aber inzwischen wusste er es besser. Das einzige, was immerzu zu vernehmen war, war ein seltsames Rauschen, das er nirgends einordnen konnte. Wie durch Wasser schwebte er durch diese Welt, unfähig, seinen Körper zu bewegen. Hin und wieder erhaschte er durch den Nebel einen Blick auf andere Welten. Solche, die ähnlich wie die eben Verlassene waren und auch solche, die ganz anders, aber dafür um einiges friedlicher zu sein schienen. Doch sein Herz zog ihn zu keinem dieser Orte. Nirgends wollte er hinreisen, überall vermisste er seine Heimat, die Wüste, die noch tief in seinem Inneren verankert war, seine Familie... In aller Eile verwarf er den Gedanken wieder. Dafür war keine Zeit, er musste die Augen offenhalten, auch wenn er nicht glaubte, dass ihm in dieser Umgebung etwas geschehen würde. Nanashi begleitete ihn bei dieser Reise wie gewohnt nicht. So wie er es verstanden hatte, war sie ein Wesen aus Mana, weswegen sie in diesem Umfeld, das aus purem, ungefilterten Mana bestand, nicht existieren konnte. Falls sie es doch riskieren und erscheinen würde, bestand die Gefahr, dass sie sich auflösen und mit dem hiesigen Mana verschmelzen würde. Ein Risiko, das Zetsu unter keinen Umständen eingehen wollte. Nicht nur weil sie seine einzige Gefährtin war, sondern auch, weil er sie noch brauchte. Für seine Rache brauchte er sein Shinken und sein Shinjuu – außerdem war er sich nicht sicher, ob ein Shinken ohne Shinjuu überhaupt existieren konnte. Während Zetsu durch das Mana schwebte, drang plötzlich eine Stimme an sein Ohr. Mit spöttischem Klang summte sie ein Lied, das durch die Wellen der magischen Materie zu ihm getragen wurde. „Wer ist das?“ Seine eigene Stimme hallte lediglich in seinem Kopf. Diese Umgebung war nicht dafür geschaffen, Geräusche zu transportieren. Also woher kam das Summen? Zetsu wandte den Kopf nach allen Seiten, entdeckte aber nichts. Das Summen stoppte darauf, stattdessen hörte er ein leises Kichern. Er versuchte, nach seinem Shinken zu greifen, doch wie jedes Mal in diesem Korridor schaffte er es nicht, mehr als seinen Kopf zu bewegen. Etwas huschte vor ihm vorbei, doch es war zu schnell für seine Augen. Verdammt! Was ist das?! „Seid vorsichtig, Meister!“ Normalerweise hätte er auf ein Shinjuu getippt, doch da diese in diesem Umfeld nicht existieren konnten, fiel das raus. Außer es war ein besonderes Shinjuu. Aber was sollte es hier wollen? Noch einmal hörte er ein Lachen. Sein Blick ging zur anderen Seite, aber noch immer war nichts zu sehen. Ich... Bevor er den Gedanken beenden konnte, spürte er plötzlich eine Druckwelle, die seinen Körper erfasste und nach hinten riss. Der Korridor schien Risse zu bekommen, wie gesprungenes Glas. Der Nebel lichtete sich, so dass er eine Welt sehen konnte, die mit Wolkenkratzern zugepflastert zu sein schien, genau wie die zuvor. Was würde geschehen, wenn der Korridor zerbrechen würde? Ging das überhaupt? Erneut versuchte er, mit verzweifelten Bewegungen wieder in die Mitte des Korridors zu kommen, damit er nicht aus erster Hand erfahren würde, was geschehen könnte. Noch einmal hörte er dieses Kichern, gefolgt von einer weiteren Druckwelle, die ihn gegen eine Wand schleuderte. Er hörte ein lautes Klirren, bevor ein neues Rauschen auf seinen Ohren lastete. Zetsu wandte den Kopf und kniff gleichzeitig seine Augen wegen des Windes zusammen. Die Welt rauschte an ihm vorbei, während er buchstäblich vom Himmel fiel. „NANASHI!“ Der Wind schien seine Worte zu verschlucken, das Shinjuu erschien nicht, hörte ihn aber dennoch. „Meister, haltet Euch die Arme über den Kopf, schnell!“ Zetsu hörte auf ihren Rat, gleich darauf entstand ein Schutzschild um ihn herum. Ein Schild, das ihm letztendlich wohl das Leben rettete. Im nächsten Augenblick prallte er hart auf der Wasseroberfläche auf. Der Schutzwall aus Mana dämpfte den Aufschlag, der dennoch heftig genug war, dass Zetsu das Bewusstsein verlor. Vor seinen Augen wurde alles schwarz, so dass er nicht mehr sah, wie er immer tiefer und tiefer dem Grund entgegen sank. Die beiden Männer blickten den Ursprung des Kreischens an. Es war eine junge, schwarzhaarige Frau, die ungläubig auf die beiden Verletzten starrte. „Jiruol!“ Ihr Schrei ging Rutsuruji durch Mark und Bein, so dass er automatisch zurückfuhr. Dabei wurden beide Klingen aus den Körpern gezogen, Mana strömte mit hervor. Sie hastete zum Jiruol hinüber, der sich eine Hand auf seine Verletzung drückte. Rutsuruji wich noch ein wenig weiter zurück, ohne sich seine Wunde zu halten. Die Frau wandte ihm den Kopf zu. Wut lag in ihrem finsteren Blick. „Du hast Jiruol verletzt!“ „Das sehe ich selbst“, erwiderte er kühl zu ihr. Er sah wieder Jiruol an. „Um dich kümmere ich mich ein andermal. Für heute lasse ich dich leben.“ Der Braunhaarige schnaubte. „Das ist mein Text!“ „Wie auch immer.“ Rutsuruji öffnete einen Spirit Corridor hinter sich. „Bis zum nächsten Mal!“ Damit fuhr er herum und ging durch das Portal hindurch – egal, wo es ihn hinführen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)